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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 11.02.2009
Aktenzeichen: 13 A 385/07
Rechtsgebiete: AMG, VwGO


Vorschriften:

AMG § 5 Abs. 1
AMG § 5 Abs. 2
AMG § 22 Abs. 1 Nr. 10
AMG § 22 Abs. 2 Nr. 2
AMG § 22 Abs. 2 Nr. 3
AMG § 22 Abs. 3
AMG § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
AMG § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
AMG § 25 Abs. 2
AMG § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2
AMG § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
AMG § 28
AMG § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1
AMG § 38 Abs. 2 Satz 3
AMG § 39 Abs. 2 Nr. 4
AMG § 105 Abs. 4
AMG § 105 Abs. 4a
AMG § 105 Abs. 4a Satz 2
AMG § 105 Abs. 4f Satz 2
AMG § 105 Abs. 4f Satz 1
AMG § 105 Abs. 5a Satz 1
VwGO § 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO § 113 Abs. 5 Satz 2
1. Ein arzneimittelrechtlicher Zulassungsbescheid, der eine Vorgabe für den Dosierungshinweis in der Packungsbeilage beauflagt, enthält auch die Ablehnung der beantragten Dosierung und damit die Teilversagung eines begünstigenden Verwaltungsakts, der mit der Verpflichtungsklage erstrebt werden kann.

2. Eine sachverständige Stellungnahme der Kommission für bestimmte Anwendungsgebiete oder Therapierichtungen, die eine neue Standarddosierung für eine ganze Therapierichtung festlegt, muss wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Arzneimittelzulassung nachvollziehbar und begründet darlegen, warum die wissenschaftlichen Erkenntnisse eine Abkehr von früheren Erfahrungswerten erfordern.


Tatbestand:

Die Klägerin ist Inhaberin der arzneimittelrechtlichen Zulassung für das apothekenpflichtige Fertigarzneimittel "H." in der Darreichungsform Mischung. Im Nachzulassungsantrag hieß es: "Die Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab. Dazu gehören: Beschwerden bei Hirngefäßverkalkung wie Schwindel, Kopfschmerzen. ..." Die arzneilich wirksamen Bestandteile sind - bezogen auf 10 ml - Cocculus Dil. D5 5 ml und Glonoinum Dil. D6 5 ml. Antragsgemäß erteilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit Bescheid vom 22.10.2004 die Verlängerung der Zulassung (Nachzulassung) und erließ zu dem Bescheid zahlreiche Auflagen. Im vorliegenden Verfahren ist die nachstehende Auflage streitig:

"A.2 Dosierung

Hier ist zu formulieren:

"Soweit nicht anders verordnet: Bei akuten Zuständen alle halbe bis ganze Stunde, höchstens 6 mal täglich, je 5 Tropfen einnehmen. Eine über 1 Woche hinausgehende Anwendung sollte nur nach Rücksprache mit einem homöopathisch erfahrenen Arzt oder Heilpraktiker erfolgen. Bei chronischen Verlaufsformen 1-3 mal täglich je 5 Tropfen einnehmen. Bei Besserung der Beschwerden ist die Häufigkeit der Anwendung zu reduzieren."

Begründung:

Die Formulierung entspricht der von der Kommission D auf der 18. Sitzung der Kommission D am 12.6.2002 verabschiedeten und auf der 20. Sitzung der Kommission D am 25.6.2003 überarbeiteten Dosierungsangabe für homöopathische Arzneimittel, für die keine präparatespezifischen Untersuchungen zur Dosisfindung vorliegen.

Abweichende Dosierungen können per Änderungsanzeige mitgeteilt werden. Hierbei ist die Unbedenklichkeit und Überlegenheit der abweichenden Dosierung durch präparatespezifische Untersuchungen zu belegen."

Die Klägerin erhob gegen diese Auflage Klage und machte zur Begründung geltend: Die von ihr beantragte Dosierung orientiere sich an den Dosierungsempfehlungen der Kommission D vom 2.7.1993, die im Wesentlichen den einschlägigen Erfahrungen entsprochen hätten. Therapeuten hätten sie grundsätzlich akzeptiert und entsprechend dem stets geltenden Vorbehalt "soweit nicht anders verordnet" den individuellen Gegebenheiten der Patienten angepasst. Demgegenüber werde die "neue" Dosierungsempfehlung, die hinsichtlich der Dosierungsmenge und -häufigkeit deutlich von der bisherigen Dosierungsrichtlinie abweiche, von den Therapeuten nicht akzeptiert. Soweit in dem Protokoll über die Sitzung der Arbeitsgruppe "Dosierung homöopathischer Arzneimittel" vom 11.6.2002 ausgeführt werde, die Anwender sähen ein erhebliches Gefährdungspotenzial durch zu große, zu häufige und zu langfristige Gabe homöopathischer Arzneimittel in Form von Erstverschlimmerungen und Auftreten einer Arzneimittelprüfsymptomatik, gebe es für diese Behauptung keine Belege. Eine fachliche Bewertung der neuen Dosierungsempfehlungen scheitere, da zugrunde liegendes Erkenntnismaterial nicht bekannt gemacht worden sei. Welche Kriterien bei der Auswahl der herangezogenen Literatur angelegt worden seien und wie sichergestellt worden sei, dass die Erfahrungen mit homöopathischen Kombinationsarzneimitteln möglichst vollständig in die Beurteilung mit eingegangen seien, bleibe unklar. Die vom BfArM im Klageverfahren vorgelegte Literatur beschäftige sich ausschließlich mit der Einzelmittelhomöopathie (klassischen Homöopathie), obwohl die Anwendungsmodalitäten für homöopathische Einzelmittel (klassische Homöopathie) nicht 1:1 auf homöopathische Kombinationsmittel (Komplexmittelhomöopathie) übertragen werden könnten. Der Hinweis auf Belange des Patientenschutzes in der Selbstmedikation greife nicht. Das streitgegenständliche Arzneimittel sei im Verkehr, ohne dass Risiken oder unerwünschte Arzneimittelwirkungen bekannt geworden seien, obwohl es als apothekenpflichtiges Arzneimittel unter die Beratung durch die Apotheken und unter die Risikoüberwachung des BfArM falle.

Das VG wies die Klage unter Zulassung der Berufung ab. Die Berufung der Klägerin hatte im Wesentlichen Erfolg.

Gründe:

Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft, soweit sie gegen die Auflage A.2 gerichtet ist. Im Übrigen betrifft die Klage eine Verpflichtung des BfArM, die begehrte Dosierungsanleitung im Zusammenhang mit der Verlängerung der fiktiven Zulassung zu genehmigen. Denn die angegriffene Regelung im Nachzulassungsbescheid 2004 enthält neben einer Vorgabe für den Dosierungshinweis in der Packungsbeilage (A.2) als echte Auflage nach § 105 Abs. 5a Satz 1 i. V. m. § 28 AMG auch die Ablehnung der beantragten Dosierung und damit die Teilversagung eines begünstigenden Verwaltungsakts, der mit der Verpflichtungsklage erstrebt werden kann.

Die angegriffenen Auflage A.2 bezieht sich nur auf die Texte für die Packungsbeilage (Anlage 1 und 3 zum Zulassungsbescheid). Damit wird aber zugleich materiell die "richtige" Dosierung geregelt. Das BfArM hätte das streitgegenständliche Arzneimittel - wie sich schon aus seinem gesamten Vortrag im Klageverfahren ergibt - nicht mit der beantragten Dosierung zugelassen. Die Dosierung eines Arzneimittels ist untrennbar mit dem Arzneimittel und der Arzneimittelzulassung verknüpft; ohne Dosierung darf ein Arzneimittel nicht zugelassen werden. Gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 10 AMG ist dem Zulassungsantrag die Dosierungsangabe beizufügen und gemäß § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 AMG bedürfen Änderungen der Dosierung der Zustimmung des BfArM.

Vgl. OVG NW, Urteile vom 6.9.2007 - 13 A 4643/06 -, A&R 2007, 279, und - 13 A 4644/06 -, juris; Beschluss vom 21.5.2008 - 13 A 1096/06 -, juris.

Charakteristisch ist in Fällen der vorliegenden Art daher die rechtliche Verengung bei der Bescheidung der beantragten Vergünstigung. Dies ist in dem Nachzulassungsbescheid konkludent geschehen, indem nicht nur die streitbefangene Auflage A.2 ausdrücklich erlassen, sondern mittelbar auch materiell der Inhalt der Begünstigung geregelt worden ist. Die Dosierungsregelung darf im Wege der Auflage nämlich nur verbindlich gemacht werden, wenn diese Regelung in der Zulassungsentscheidung selbst enthalten ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.5.2007 - 13 A 3657/04 -, juris; nachgehend BVerwG, Beschluss vom 27.3.2008 - 3 B 91.07 -, juris; VG Köln, Urteil vom 26.8.2008 - 7 K 238/06 -, juris; zu einer sog. Gegenanzeige vgl. aber BVerwG, Urteil vom 21.6.2007 - 3 C 39.06 -, NVwZ-RR 2007, 776 und OVG NRW, Urteil vom 27.9.2005 - 13 A 4378/03 -, A&R 2006, 128; vgl. hierzu nunmehr OVG, Urteil vom 11.2.2009 - 13 A 2150/06 -.

Bei einer alleinigen Aufhebung der angefochtenen Auflage A.2 bliebe ein unvollständiger Bescheid übrig, der deshalb rechtswidrig wäre.

Die Ablehnung der beantragten Dosierung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Antrags auf Nachzulassung bezüglich der Dosierungsempfehlung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), da der Nachzulassungsbescheid fehlerhaft ist.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf eine Verlängerung der Zulassung im Hinblick auf die von ihr beantragte Dosierungsanleitung, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 i. V. m. § 105 Abs. 4f Satz 1 AMG vorliegt; Besonderheiten der homöopathischen Therapierichtung sind bei der Beurteilung der Versagungsgründe zu berücksichtigen (§ 105 Abs. 4f Satz 2 AMG). Liegt ein Versagungsgrund vor, hat die Behörde den Antragsteller auf die Beanstandungen hinzuweisen und eine angemessene Frist, höchstens jedoch 12 Monate, zur Beseitigung der Mängel zu setzen. Erst wenn den Mängeln nicht innerhalb der Frist abgeholfen wird, ist die Zulassung zu versagen (§ 105 Abs. 5 Satz 1 und 2 AMG).

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für eine Ablehnung der begehrten Dosierungsanleitung als teilweise Versagung der Nachzulassung nicht erfüllt. Die Bezugnahme des BfArM auf die Dosierempfehlungen der Kommission D aus dem Jahre 2002 und 2004 ist rechtsfehlerhaft.

Die Dosierungsempfehlungen der Kommission D von 2002 und 2004 heben die frühere Dosierungsrichtlinie der Kommission D vom 2.7.1993 auf, die ihrerseits eine Berichtigung und Präzisierung der Dosierungsangaben in allen bereits veröffentlichten Monographien der Kommission D zum Gegenstand hatte, und ändern sie ab. Es bedarf hier keiner Erörterung, ob die Kommission D nach der Beendigung der Aufbereitungstätigkeit durch das 5. Änderungsgesetz im Jahr 1994 für den Erlass einer allgemeingültigen Monographie zur Dosierung aller homöopathischen Arzneimittel zuständig ist und diese Zuständigkeit aus der Aufgabe, bei Einzelfallentscheidungen der Zulassungsbehörde mit grundsätzlicher Bedeutung mitzuwirken, abgeleitet werden kann (§ 25 Abs. 7 Satz 4 AMG). Jedenfalls ist die Kommission D weiterhin als sachverständiges Gremium anzusehen, das den wissenschaftlichen Erkenntnisstand auf dem Gebiet der Homöopathie wiedergibt und daher bei einer Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse hierzu sachverständige Stellungnahmen abgeben kann.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.1.2007 - 3 B 16.06 - PharmaRecht 2007, 159; Urteile vom 16.10.2008 - 3 C 23.07 und 3 C 24.07 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 29.4.2008 - 13 A 4996/04 -, juris.

Die Dosierungsrichtlinie der Kommission D vom 12.6.2002 in der Fassung vom 17.3.2004 genügt indessen nicht den Anforderungen, die nach allgemeinen Grundsätzen an eine sachverständige Feststellung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu stellen sind. Eine sachverständige Stellungnahme der Kommission, die eine neue Standarddosierung für eine ganze Therapierichtung festlegt, muss wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Arzneimittelzulassung nachvollziehbar und begründet darlegen, warum die wissenschaftlichen Erkenntnisse eine Abkehr von früheren Erfahrungswerten erfordern. Der Widerspruch zu den früheren Anwendungserfahrungen in der Homöopathie, die sich in den älteren Monographien widerspiegeln, hat erhebliches Gewicht, weil es sich bei der Homöopathie in erster Linie um eine Erfahrungswissenschaft handelt.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 26.8.2008 - 7 K 238/06 -, a. a. O.

Die Ausführungen zu Wirksamkeit und Risiken homöopathischer Arzneimittel in den Sitzungsniederschriften der Arbeitsgruppe "Dosierung" der Kommission D vom 11.6.2002 und der Kommission D vom 12.6.2002 sind aber nicht geeignet, eine Reduzierung der Arzneimittelgaben im Gegensatz zu den vorangegangen Therapieerfahrungen aus wissenschaftlicher Sicht nachvollziehbar zu machen und zu rechtfertigen. Zudem ist nicht erkennbar, dass die Erkenntnisse zur erforderlichen Mindestdosis und zu den speziellen Risiken homöopathischer Medikamente auf die "Komplexmittelhomöopathie" übertragbar sind, weil die Dosierungsempfehlung aus den Jahren 2002 und 2004 Besonderheiten der Komplexmittelhomöopathie nur unzureichend berücksichtigt. In der Ergebnisniederschrift der Sitzung der Arbeitsgruppe heißt es hierzu, da für homöopathische Mittel im Wesentlichen keine Substanzwirkung beansprucht werde, bestehe kein Grund, für Mischungen homöopathischer Arzneimittel (fixe Kombinationen) eine andere Dosierung vorzusehen. Eine weitere Begründung ist der Ergebnisniederschrift nicht zu entnehmen. Auch die Ergebnisniederschrift der 18. Sitzung der Kommission D zeigt keine weiteren Erkenntnisse auf. Andererseits wurde aber auch Kritik an den Vorschlägen zur Dosierungsangabe geäußert, weil abweichende Verordnungsgewohnheiten bei fixen Kombinationen nicht berücksichtigt würden. Eine etwaige Diskussion hierzu ist aber nicht dokumentiert, so dass die Richtigkeit der jeweiligen Auffassung nicht überprüfbar ist. Nach allem Anschein sollen die Erkenntnisse für die "klassische Homöopathie" gelten, die die Anwendung von Einzelmitteln vorsieht. Die Frage der Übertragbarkeit auf homöopathische Kombinationsarzneimittel ist ausweislich der Ergebnisniederschriften demnach nicht nachvollziehbar begründet worden.

Abgesehen hiervon stützt das BfArM seine Teilversagung unter Bezugnahme auf die aktuelle Dosierungsrichtlinie im Wesentlichen auf Kriterien, die im Arzneimittelgesetz keine Grundlage finden und daher nicht sachgerecht sind. Entscheidend für die Änderung der Dosierungsempfehlungen war die Einschätzung der Arbeitsgruppe Dosierung, dass durch die zu große, zu häufige und zu langfristige Gabe homöopathischer Arzneimittel ein erhebliches Gefährdungspotential in Form von Erstverschlimmerungen und des Auftretens einer Arzneimittelprüfsymptomatik bestehe. Spezielle Risiken homöopathischer Medikamente wie Erstverschlimmerung und Prüfsymptomatik sind im gesetzlichen Genehmigungsverfahren hingegen nicht relevant. Denn diese fallen nicht unter den Begriff der "Bedenklichkeit" oder der "schädlichen Wirkungen" im Sinne des § 5 Abs. 1 und 2 AMG und erfüllen damit nicht die Voraussetzungen eines Versagungsgrundes. In dieser Vorschrift sind - wie bei den allopathischen Arzneimitteln - nur pharmakologisch-toxikologische Wirkungen erfasst. Bestätigt wird diese Auslegung durch die Regelung in § 38 Abs. 2 Satz 3 AMG, wonach sich die Unbedenklichkeit insbesondere aus einem angemessen hohen Verdünnungsgrad ergeben kann. Durch die Verdünnung wird aber nur das Risiko von toxischen Wirkungen des Stoffes beseitigt, da diese von der Menge des zugeführten Stoffes abhängig sind. Die spezifischen Risiken homöopathischer Arzneimittel, wie Erstverschlimmerung und Prüfsymptomatik, bleiben jedoch auch bei hohen Verdünnungsgraden bestehen. Sie können daher vom Gesetzgeber mit dem Begriff der Unbedenklichkeit nicht gemeint sein. Auch der Wegfall der Dosierungsanleitung in der Neuregelung für registrierte homöopathische Arzneimittel verdeutlicht (vgl. § 11 Abs. 3 AMG i. V. m. § 10 Abs. 4 AMG und Art. 69 der Richtlinie 2001/83/EG), dass der Gesetzgeber ab einer bestimmten Verdünnungsstufe keine Risiken mehr sieht, die durch die Dosierung beeinflusst werden können. Eine Dosisreduktion aus Risikogründen ist danach nicht erforderlich. Die Erwägungen zur Registrierung homöopathischer Fertigarzneimittel sind auf die Verlängerung der Zulassung von homöopathischen Arzneimitteln nach § 105 Abs. 4 und Abs. 4a Satz 2 AMG übertragbar. Bei diesen ist die Nachzulassung zu versagen, wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist (§ 105 Abs. 4f Satz 1, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG). Hierbei fallen unter den Begriff des "Risikos" schädliche Wirkungen, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen und in wortgleichen Formulierungen in § 39 Abs. 2 Nr. 4, § 5 Abs. 2 AMG und § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 der früheren Gesetzesfassung genannt waren. Mit der Änderung des Wortlauts des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG durch das 14. Änderungsgesetz war keine inhaltliche Änderung verbunden (BTDrucks 15/5316 S. 38). Unter den Begriff des Risikos fallen daher wie bei den allopathischen Medikamenten nur pharmakologisch-toxikologische Risiken. Zwar sind gemäß § 105 Abs. 4f Satz 2 AMG die Besonderheiten der homöopathischen Therapierichtung zu berücksichtigen. Diese Regelung lässt es aber nicht zu, die Risiken der Erstverschlimmerung und des Auftretens einer Prüfsymptomatik als relevante Risiken in die Nutzen-Risiko-Abwägung einzustellen. Eine Nutzen-Risiko-Abwägung ist nicht möglich, weil die genannten Risiken nicht messbar sind und weder von der Wahrscheinlichkeit des Auftretens noch von der Schwere der Wirkungen abgeschätzt werden können.

Vgl. hierzu VG Köln, Urteile vom 29.1.2008 - 7 K 4227/04 -, juris, und vom 26.8.2008 - 7 K 238/06 -, a. a. O.

Zudem ist ein Zusammenhang zwischen Dosis und etwaigen Risiken bezogen auf die Anwendung des streitbefangenen Arzneimittels nicht plausibel. Statt dessen hat das BfArM gemutmaßt, warum nur eine geringe Zahl von Veröffentlichungen hierzu vorliege und für die Selbstmedikation kaum mit Meldungen unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW-Meldung) zu rechnen sei. Den Grund sieht es, ohne die Einschätzung mit Falldokumentationen verifizieren zu können, darin, dass homöopathische Arzneimittel vom Patienten in der Regel als "unschädlich" angesehen würden. Soweit das BfArM auf die Studie Homeopathy for Menopausal Symptoms in Brest Cancer Survivors: A Preliminary Randomized Controlled Trial (j. Jacobs et al.) abhebt, bei der nur die Teilnehmer an der mit einem homöopathischen Komplexmittel behandelten Gruppe über vermehrte Kopfschmerzen geklagt hätten, ist ein Zusammenhang mit der verabreichten Dosis nicht belegt. Ein konkretes Risiko aufgrund der Anwendung des Arzneimittels in der von der Klägerin beantragten Höhe ist nicht erkennbar und auch nicht aufgezeigt worden. Es erfolgt lediglich der pauschale Hinweis auf die Möglichkeit der Erstverschlimmerung und des Auftretens einer Prüfsymptomatik. Es ist bislang nicht ersichtlich, dass die Arzneimittelsicherheit bei Anwendung des Fertigarzneimittels in der Selbstmedikation und in der beantragten Dosierung gefährdet ist. Ob die Einzeldosishöhe für Erstverschlimmerungen und Arzneimittelprüfsymptomen Bedeutung hat, ist nicht geklärt. Das BfArM hat sich im Mängelschreiben vom 22.4.2002 auf ein unvertretbar hohes Risiko bei der Einnahme des Fertigarzneimittels in der von der Klägerin im gerichtlichen Verfahren begehrten Höhe auch gar nicht berufen, sondern die Dosierung in Entsprechung der Dosierungsrichtlinie aus dem Jahr 1993 selbst vorgeschlagen. Der Klägerin war mit Mängelschreiben aufgegeben worden, den therapeutischen Nutzen der (ursprünglich) beanspruchten Dosierung präparatespezifisch zu belegen oder die Dosierungsangaben an die Empfehlungen der Kommission D anzupassen. Die Klägerin hatte sich für Letzteres entschieden und die Dosierung an die Dosierungsempfehlungen der Kommission D aus dem Jahre 1993 angepasst. Ob das BfArM damit ein ordnungsgemäßes Mängelbeseitigungsverfahren durchgeführt hat, kann aber offen bleiben, da es hierauf nicht ankommt. Will das BfArM indes von der Dosierungsempfehlung aus dem Jahr 1993 inhaltlich abweichen, müssen unvertretbar schädliche Wirkungen oder ein entsprechendes Risiko des streitgegenständlichen Fertigarzneimittels vorliegen. Anderenfalls fehlt es an einem beachtlichen Grund für die Ablehnung der begehrten Dosierungsanleitung. Tragfähige Anhaltspunkte für ein negatives Risiko-Nutzen-Verhältnis hat aber das BfArM nicht aufgezeigt (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG).

Eine Einbeziehung von nicht messbaren Risiken in die Dosierung von homöopathischen Arzneimitteln ist auch nicht zum Schutz von Patienten in der Selbstmedikation erforderlich. Der Arzneimittelsicherheit kann nämlich in ausreichender Weise durch den in der Packungsbeilage des streitigen Arzneimittels enthaltenen Hinweis auf die Gefahr einer Erstverschlimmerung und die Empfehlung das Medikament abzusetzen, Rechnung getragen werden. Dieser Hinweis ist seit der Bekanntmachung der Kommission D vom 2.7.1993 Bestandteil aller D-Monographien und daher in die Informationstexte aufzunehmen, wenn der Wirksamkeitsnachweis durch die Bezugnahme auf die D-Monographien geführt werden soll.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 26. August 2008 - 7 K 238/06 -, a. a. O.

Andere Versagungsgründe des § 25 Abs. 2 AMG liegen ebenfalls nicht vor.

Insbesondere durfte das BfArM die begehrte Dosierungsanleitung nicht ablehnen, weil das streitbefangene Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG). Die Auffassung des BfArM, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit seien hinsichtlich der Dosis nicht ausreichend geprüft, ist nicht zutreffend. Eine Dosisfindungsstudie hat die Klägerin hier nicht vorzulegen. Gemäß § 105 Abs. 4a Satz 2 AMG sind zu dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung die Unterlagen nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AMG sowie die Gutachten nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 AMG nicht nachzureichen, wenn das Arzneimittel nach einer im Homöopathischen Teil des Arzneibuches beschriebenen Verfahrenstechnik hergestellt ist. Vorzulegen sind also nicht die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche und die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen Erprobung.

Das führt zwar nicht dazu, dass im Nachzulassungsverfahren überhaupt kein wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden müsste. § 105 Abs. 4a AMG regelt nur, welche Unterlagen (zeitlich gestaffelt) im Zusammenhang mit dem Antrag (also ex ante) und nicht erst auf Mängelrüge vorzulegen sind. Der Gesetzgeber des Arzneimittelneuordnungsgesetzes ging davon aus, dass auf pharmakologisch-toxikologische und klinische Studien grundsätzlich verzichtet werden kann, soweit die Altarzneimittel durch den therapeutischen Gebrauch bereits hinreichende Erkenntnisse ermöglichen. Die Zulassungsbehörde sollte deshalb auf der Grundlage der Aufbereitungsmonographien entscheiden und erst bei Mängeln der eingereichten Unterlagen eine Mängelbeseitigung verlangen (BTDrucks 7/5091 S. 22). Die Verpflichtung zur Vorlage von weitergehendem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ist somit nicht ausgeschlossen, sondern unter den Vorbehalt gestellt worden, dass Aufbereitungsmonographien nicht vorliegen oder keine hinreichende Bewertung ermöglichen. Die in § 105 Abs. 4 AMG fehlende ex-ante-Verpflichtung zur Vorlage von wissenschaftlichem Erkenntnismaterial bezieht sich auf die Frage der Wirksamkeit.

Zu Verpflichtung der Vorlage einer Kombinationsbegründung für ein homöopathisches Fertigarzneimittel vgl. BVerwG, Urteile vom 16.10.2008 - 3 C 23.07 und 3 C 24.07 -, a. a. O.

Hier liegen allerdings die Aufbereitungsmonographien der Einzelbestandteile sowie die Dosierempfehlung der Kommission D aus dem Jahre 1993 vor, so dass eine hinreichende Bewertung der Wirksamkeit gewährleistet ist und weitere Studien in Form von Dosisfindungsstudien nicht beizubringen sind. Entsprechendes gilt daher für den vom BfArM geltend gemachten Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2 AMG, wonach die Zulassung versagt werden darf, wenn die therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller unzureichend begründet ist.

Es ist daher bislang nicht ersichtlich, dass die hier beauflagte Dosierung des streitbefangenen Arzneimittels im Interesse der Arzneimittelsicherheit und zur Gewährleistung der Unbedenklichkeit der Anwendung des Präparates geboten ist. Zwar muss die Dosierung als Bindeglied zwischen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels im Grundsatz geeignet sein, die beanspruchten therapeutischen Erfolge zu erzielen; sie darf aber wegen der mit der Anwendung von Arzneimitteln potentiell verbundenen Risiken nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Es ist nicht erkennbar, dass die beauflagte Dosierung dem Selbstverständnis und den Erfahrungen der homöopathischen Therapie entspricht. Die Dosierempfehlungen aus den Jahren 2002 und 2004 sind somit nicht zu berücksichtigen.

Die Sache ist wegen der unzureichenden Klärung der maßgeblichen Dosierungsfragen und der daraus sich ergebenden ungenügenden Sachaufklärung im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO nicht spruchreif, so dass das BfArM zur Neubescheidung des Antrags zu verpflichten war. Das BfArM verfügt im Hinblick auf die zu klärenden Fragen über die besseren Aufklärungsmittel und den geeigneteren Apparat, so dass es seine Aufgabe ist, das Nachzulassungsverfahren zu den Einzelheiten der in Rede stehenden Dosierungsauflage nochmals durchzuführen. Soweit die Klägerin über die Neubescheidung hinaus eine Verpflichtung der Beklagten erstrebt, bleibt ihre Klage ohne Erfolg. Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Anfechtungsklage auf Aufhebung der Auflage A.2 ebenfalls begründet ist. Die Auflage ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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