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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 03.11.2004
Aktenzeichen: 13 A 3937/04.A
Rechtsgebiete: AsylVfG, VwGO


Vorschriften:

AsylVfG § 78 Abs. 2
AsylVfG § 78 Abs. 4
VwGO § 58 Abs. 2
VwGO § 124
VwGO § 124a
Wird in einem Urteil in einem Asylverfahren eine falsche Rechtsmittelbelehrung nach den allgemeinen Rechtsmittelbestimmungen der §§ 124,124a VwGO erteilt und gibt der Rechtsmittelführer zu erkennen, dass er von den danach laufenden Fristen für die Einlegung und die Begründung des Rechtsmittels ausgeht, so muss er sich auf diese Fristen verweisen lassen und ist der Antrag auf Zulassung der Berufung nach Ablauf der Begründungfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO unzulässig, wenn bis dahin keine Begründung eingeht.
Tatbestand:

Dem Kläger wurde in dem sein Asylbegehren ablehnenden Urteil eine (falsche) Rechtsmittelbelehrung nach den §§ 124,124a VwGO erteilt. Unter Berücksichtigung der danach laufenden Fristen stellte er durch seinen Prozessbevollmächtigten Antrag auf Zulassung der Berufung, den er innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils begründen wollte. Eine Begründung innerhalb dieser Frist erfolgte nicht. Nach Ablauf der Frist wies das OVG den Antrag auf Zulassung der Berufung wegen nicht fristgerechter Darlegung etwaiger Zulassungsgründe zurück.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Es fehlt an einer fristgerechten Darlegung etwaiger Zulassungsgründe.

Gegen verwaltungsgerichtliche Urteile in asylrechtlichen Streitigkeiten ist, wenn die Klage nicht als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde, der Antrag auf Zulassung der Berufung das richtige Rechtsmittel (§ 78 Abs. 2 AsylVfG), der gemäß § 78 Abs. 4 AsylVfG innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils geltend zu machen ist und in dem die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen sind. Eine derartige auf § 78 AsylVfG bezogene Rechtsmittelbelehrung enthält das Urteil des VG nicht, sondern eine solche nach den allgemeinen, in Asylrechtsverfahren nicht anwendbaren Bestimmungen der §§ 124, 124 a VwGO.

Die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil führt an sich gemäß § 58 Abs. 2 VwGO dazu, dass für die Einlegung von Rechtsbehelfen eine Jahresfrist gilt, wobei diese sowohl die Einlegung des Rechtsmittels als auch - wenn eine solche erforderlich ist - die Begründung desselben betrifft.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.12.1999 - 6 B 88.99 -, NVwZ-RR 2000, 325.

Gleichwohl ist es hier angesichts der konkreten Umstände nicht gerechtfertigt, dem Kläger für die Einlegung des Rechtsmittels und seine Begründung die Jahresfrist zu Gute kommen zu lassen. Es ist anerkannt, dass die Berechtigung zum Einlegen von Rechtsmitteln auch schon vor dem Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO erlöschen kann.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.1.1974 - IV C 2.72 -, BVerwGE 44, 294, und vom 16.5.1991 - 4 C 4.89 -, NVwZ 1991, 1182; Beschluss vom 28.8.1987 - 4 N 3.86 -, BVerwGE 78, 85.

Gleiches muss nach Auffassung des Senats gelten für den - auch hier relevanten - Fall, dass zwar eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung mit der Angabe unzutreffender Fristen erfolgt ist, der Betreffende sowohl für die Einlegung des Rechtsmittels als auch für die Begründung desselben von diesen unzutreffenden Fristen ausgeht, die Fristen aber dennoch nicht einhält. Auch in diesen Fällen ist es nach den auch im öffentlichen Recht anwendbaren und auch für die Frage der Verwirkung entscheidenden Grundsätzen von Treu und Glauben nicht gerechtfertigt, dem von einer falschen Rechtsmittelbelehrung Betroffenen den zeitlichen Vorteil des § 58 Abs. 2 VwGO zukommen zu lassen, wenn er selbst davon ausgeht, die Jahresfrist für die Einlegung und die Begründung von Rechtsmitteln nicht ausnutzen zu wollen oder zu müssen. § 58 Abs. 2 VwGO ist Ausdruck der Erwägung, dass niemand wegen einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung Nachteile in der gerichtlichen Verfolgung seiner Rechte erleiden soll und begründet mit der Jahresfrist einen entsprechenden zeitlichen Schutz nach falschen Rechtsmittelbelehrungen. Dieser Schutzgedanke verliert seine Bedeutung, wenn zwar eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde, der davon Betroffene aber den damit verbundenen Schutz der Jahresfrist nicht in Anspruch nehmen will und von sich aus auf kürzere Fristen für die Einlegung und die Begründung eines Rechtsmittels verweist. Das ist hier der Fall.

Der Kläger hat entsprechend der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil und in Anlehnung an die darin genannten falschen Fristen die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG gestellt, und ausgeführt, dass die Begründung "innerhalb der gesetzten Frist" erfolge. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er die (falschen) Fristvorgaben in der Rechtsmittelbelehrung des VG als maßgebend ansieht und sich an diese halten will und dass er der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zur Wahrung seiner Rechte nicht bedarf. Dementsprechend muss er sich an den von ihm selbst als verbindlich angesehenen Fristen festhalten lassen und wäre es mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar, wenn ihm für die Begründung des Zulassungsantrags eine weitergehende Frist eingeräumt werden müsste. Bis zu dieser von ihm selbst angegebenen Frist ist aber ein dem Darlegungserfordernis nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügender Schriftsatz bei Gericht nicht eingegangen. Eine jetzt noch eingehende Begründung wäre nicht mehr fristwahrend und daher nicht mehr verwertbar. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist daher unzulässig. Dies gilt umso mehr, als der Bevollmächtigte des Klägers mit gerichtlicher Verfügung darauf hingewiesen wurde, dass das Urteil des VG eine falsche Rechtsmittelbelehrung enthalte und gegen das Urteil nicht ein Antrag auf Zulassung der Berufung nach §§ 124,124a VwGO, sondern ein solcher nach § 78 AsylVfG gegeben sei. Dies musste wegen der kürzeren (Begründungs-)Fristen nach der asylrechtlichen Vorschrift dem Bevollmächtigten des Klägers Veranlassung geben zu einer erneuten Überprüfung der Rechtsmittelmöglichkeiten und zu einer erhöhten Sorgfalt bei der Einhaltung von Rechtsmittelfristen.

Angesichts des Vorstehenden kann dahinstehen, ob die Zurückweisung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch deshalb gerechtfertigt ist, weil den Kläger, dem ein Verschulden seines Bevollmächtigten zuzurechnen ist, ein Verschulden in der Weise trifft, dass sein rechtskundiger und in Asylverfahren erfahrener Bevollmächtigter die Rechtsmittelbelehrung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen hatte und hätte erkennen müssen, dass die dem verwaltungsgerichtlichen Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft war,

vgl. LSG Saarl., Beschluss vom 16.12.2002 - L 2 U 88/02 -, JURIS.



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