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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 22.08.2006
Aktenzeichen: 13 A 4491/04
Rechtsgebiete: AMNG


Vorschriften:

AMNG Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 3
AMNG Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5
1. Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG (§ 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG) lässt eine Änderung eines arzneilich wirksamen Bestandteils eines Kombinationsarzneimittels unter Bezugnahme auf eine oder mehrere Einzelstoffmonographien nicht zu.

2. Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 3 AMNG (§ 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 3 AMG) ermöglichte ausschließlich die Änderung der Menge der pflanzlichen Bestandteile von Kombinationsarzneimitteln.

3. Nach den allgemeinen Grundlagen der Phytotherapie ist die jeweilige pflanzliche Zubereitung in ihrer Gesamtheit als ein arzneilich wirksamer Bestandteil im Sinne des Arzneimittelgesetzes anzusehen.

4. Die qualitative und quantitative Zusammensetzung des Inhaltsstoffspektrums der jeweiligen pflanzlichen Zubereitung wird durch diverse Faktoren, zu denen die Drogenart und der Drogenteil, das Auszugsmittel sowie das Auszugsverfahren zählen, beeinflusst. Diese Faktoren sind im Sinne des Arzneimittelgesetzes damit für die Art des jeweiligen arzneilich wirksamen Bestandteils verantwortlich.

5. Der Austausch eines Extrakts aus Weißdornfrüchten gegen einen Extrakt aus Weißdornblättern mit Blüten stellt eine Änderung der Art der arzneilich wirksamen Bestandteile dar.


Tatbestand:

Die Klägerin zeigte am 19.6.1978 das Fertigarzneimittel "D." beim Bundesgesundheitsamt (BGA) gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 AMNG vom 24.8.1976 an. Das angezeigte Arzneimittel enthielt pro Dragee die wirksamen Bestandteile Knoblauchzwiebelextrakt (5 mg), Knoblauchzwiebelpulver (35 mg), Mistelextrakt (10 mg) und Weißdornfrüchteextrakt (15 mg). Sie beantragte am 20.12.1989 die Verlängerung der Zulassung nach Art. 3 § 7 Abs. 3 Satz 1 AMNG (sog. Kurzantrag) und gab u.a. an, das Arzneimittel enthalte pro Dragee die wirksamen Bestandteile Knoblauchzwiebelextrakt (3 mg), Knoblauchzwiebelpulver (35 mg), Mistelextrakt (9 mg) und Weißdornfrüchteextrakt (15 mg). Am 10.9.1990 zeigte sie Änderungen des Arzneimittels an. Hiernach enthielt dieses pro Dragee die wirksamen Bestandteile Knoblauchzwiebelpulver (115 mg), Mistelextrakt (10 mg) und Extrakt aus Weißdornblättern mit Blüten (15 mg). Das BGA bestätigte mit Schreiben vom 12.11.1990 den Eingang der Änderungsanzeige und wies darauf hin, dass eine abschließende fachliche Beurteilung der angezeigten Änderung und eine Entscheidung über die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels mit der Be-stätigung nicht verbunden sei. Die Klägerin beantragte am 4.8.1993 die Verlängerung der Zulassung nach Art. 3 § 7 Abs. 4 Satz 2 AMNG (sog. Langantrag) und führte die zuvor genannten wirksamen Bestandteile an. Sie verwies auf die Aufbereitungsmonographien zu den genannten Einzelstoffen und bemerkte, für die Wirkstoffkombination sei noch keine Monographie erstellt worden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12.4.2001 ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das VG ab. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Bescheid vom 12.4.2001, mit dem die Beklagte die am 4.8.1993 beantragte Verlängerung der (fiktiven) Zulassung für das Arzneimittel "D." abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags.

Nach dem für die Beurteilung des Klagebegehrens maßgeblichen § 105 Abs. 4f Satz 1 Halbsatz 1 AMG ist die Zulassung nach Abs. 1 auf Antrag nach § 105 Abs. 3 Satz 1 AMG um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt. Eine Verlängerung der Zulassung setzt daher zunächst voraus, dass für das jeweilige Arzneimittel eine "Zulassung nach Abs. 1", also eine sog. fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG bzw. bis zum Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 9.8.1994 (BGBl. I S. 2071, 2082, 2086) nach Art. 3 § 7 Abs. 1 AMNG entstanden ist und diese im Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung noch fortbesteht. Dies ist hier indes nicht der Fall.

Das (ursprüngliche) Arzneimittel "D." ist zwar gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 AMNG in der Fassung vom 24.8.1976 (BGBl. I S. 2445, 2477) ordnungsgemäß angezeigt worden. Auch die Verlängerung der fiktiven Zulassung nach Art. 3 § 7 Abs. 3 Satz 1 AMNG (sog. Kurzantrag) in der genannten Fassung wurde fristgemäß beantragt. Des Weiteren kann insoweit zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die bezüglich der arzneilich wirksamen Bestandteile Knoblauchzwiebelextrakt und Mistelextrakt gegenüber der Anzeige vom 19.6.1978 veränderten Mengenangaben im Kurzantrag sich mit Blick auf die in den Extrakten enthaltenen Hilfsstoffe erklären.

Gegenstand des am 4.8.1993 gestellten Antrags nach Art. 3 § 7 Abs. 4 Satz 2 AMNG (sog. Langantrag) in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 11.4.1990 (BGBl. I S. 717, 724 f.) war jedoch nicht mehr das ursprünglich angezeigte bzw. vom Kurzantrag umfasste Arzneimittel, sondern ein zwischenzeitlich unzulässig geändertes Arzneimittel. Die fiktive Zulassung des ursprünglich angezeigten Arzneimittels erstreckt sich nicht auf das geänderte Arzneimittel, weil die am 10.9.1990 angezeigte Änderung den durch Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG in der auch insoweit maßgeblichen, vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31.10.2002 - OVG 5 B 24.00 und OVG 5 B 25.00 -, juris, im Zeitpunkt der Änderung des Arzneimittels geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes gesteckten Rahmen überschritten hat mit der Folge, dass das geänderte Arzneimittel mangels fortbestehender fiktiver Zulassung einer Neuzulassung bedarf.

Gemäß Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG in der genannten Fassung war eine Änderung eines fiktiv zugelassenen Fertigarzneimittels nur möglich, wenn die jeweiligen Voraussetzungen einer der dort unter Nrn. 1 bis 5 beschriebenen Alternativen vorlag. Weder die Voraussetzungen des hier von den Beteiligten vorrangig diskutierten Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG (a) noch die Voraussetzungen des neben dieser Alternative hier allein zu erwägenden Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 3 AMNG (b) waren gegeben.

a) Nach Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG in der genannten Fassung darf ein Fertigarzneimittel nach Abs. 1 bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung abweichend von § 29 Abs. 3 AMG mit geänderter Art oder Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile ohne Erhöhung ihrer Anzahl innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs und der gleichen Therapierichtung in den Verkehr gebracht werden, wenn das Arzneimittel insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG bekannt gemachten Ergebnis oder einem vom BGA vorgelegten Muster für ein Arzneimittel angepasst und das Arzneimittel durch die Anpassung nicht verschreibungspflichtig wird.

Innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs und der gleichen Therapierichtung ermöglicht diese Alternative nicht nur Änderungen der Menge (wie die Nrn. 1 bis 4), sondern auch der Art der arzneilich wirksamen Bestandteile - ohne eine Erhöhung ihrer Anzahl - eines Kombinationspräparats. Das Arzneimittel darf allerdings durch die Anpassung nicht verschreibungspflichtig werden und muss insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG bekannt gemachten Ergebnis oder einem vom BGA vorgelegten Muster für ein Arzneimittel angepasst werden. Eine Änderung eines arzneilich wirksamen Bestandteils eines Kombinationsarzneimittels unter Bezugnahme auf eine oder mehrere Einzelstoffmonographie/n der Aufbereitungskommission kommt - nach dem jedenfalls insoweit eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung - demzufolge nicht in Betracht.

Vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand: 100. Ergänzungslieferung Januar 2006, Bd. 3, § 105 Anm. 29; Sander, Arzneimittelrecht, Stand: 42. Ergänzungslieferung März 2006, Bd. 2, § 105 AMG, Anm. 10c; 6. Bekanntmachung des BGA über die Verlängerung der Zulassungen nach Art. 3 § 7 AMNG vom 23.10.1990, BAnz Nr. 206 vom 6.11.1990, S. 5827, A 1e).

Auch und nicht zuletzt die Arzneimittelsicherheit erfordert dieses Verständnis der Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG bzw. seit Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes des § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG. Würde die Änderung der Art von arzneilich wirksamen Bestandteilen eines Kombinationsarzneimittels unter Bezugnahme auf die Monographien der jeweiligen Einzelstoffe zugelassen, würden neue Arzneimittel geschaffen, die in dieser Zusammensetzung weder in einem Zulassungsverfahren überprüft sind noch sich in langer Praxis bewährt haben. Die Ermöglichung des bis zur Nachzulassungsentscheidung unkontrollierten Inverkehrbringens solcher Arzneimittel wäre nicht vertretbar.

Vgl. Kloesel/Cyran, a.a.O.

Jedenfalls im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG kann die Klägerin demzufolge die von ihr vorgenommenen Änderungen des aus den arzneilich wirksamen Bestandteilen Knoblauchzwiebelpulver, Mistelextrakt und Weißdornextrakt aus Blättern und Blüten bestehenden Kombinationsarzneimittels nicht durch eine Bezugnahme auf die diese Bestandteile betreffenden Einzelstoffmonographien rechtfertigen. Mithin war, weil eine diesem Kombinationsarzneimittel entsprechende Kombinationsmonographie nicht existiert (hat) und auch nicht ersichtlich ist, dass das Arzneimittel einem vom BGA vorgelegten Muster angepasst worden ist, der Klägerin die in Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG vorgesehene Änderungsmöglichkeit nicht eröffnet.

b) Nach Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 3 AMNG bzw. seit Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes nach § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 3 AMG, der zwischenzeitlich durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 4.7.2000 (BGBl. I S. 1002, 1003) aufgehoben worden ist, durfte ein Fertigarzneimittel nach Abs. 1 bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung abweichend von § 29 Abs. 3 AMG mit geänderter Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile in den Verkehr gebracht werden, soweit es Stoffe im Sinne des § 3 Nr. 2 AMG oder deren Zubereitungen und mehr als einen arzneilich wirksamen Bestandteil enthielt, wenn sich die Änderung im Rahmen eines nach § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG bekannt gemachten Ergebnisses hielt und erforderlich war, um die Wirksamkeit im bisherigen Anwendungsbereich zu erhalten. Trotz zwischenzeitlicher Aufhebung ist Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 3 AMNG vorliegend anwendbar, weil diese Vorschrift zur Zeit der Vornahme der Änderungen noch nicht außer Kraft getreten war.

Durch Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 3 AMNG war eine besondere Anpassungsmöglichkeit für pflanzliche Kombinationsarzneimittel an Einzelstoffmonographien geschaffen worden. Diese Regelung forderte - im Gegensatz zu Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG - nicht das Vorliegen einer (Kombinations-)Monographie für die jeweilige Kombination der arzneilich wirksamen Bestandteile. Sie ermöglichte, dass die Anzahl der Kombinationsbestandteile verringert werden konnte, gleichzeitig aber durch eine sinnvolle Erhöhung der Menge der verbleibenden Bestandteile die Wirksamkeit der Arzneimittel erhalten blieb.

Vgl. die Begründung zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucks. 11/5373, S. 19; Kloesel/Cyran, a.a.O., § 105 Anm. 22; Sander, a.a.O., § 105 AMG Anm. 10c.

Unter Berufung auf Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 3 AMNG konnte der jeweilige Zulassungsinhaber ausschließlich die Menge der pflanzlichen Bestandteile von Kombinationsarzneimitteln im Rahmen der jeweiligen Einzelstoffmonographie, nicht jedoch die Art der pflanzlichen Bestandteile verändern.

Vgl. Kloesel/Cyran, a.a.O., § 105 Anm. 27; Sander, a.a.O., § 105 AMG Anm. 10c.

Die Klägerin hat am 10.9.1990 zum einen die Erhöhung der Menge der Bestandteile Mistelextrakt von 9 mg auf 10 mg und Knoblauchzwiebelpulver von 35 mg auf 115 mg angezeigt. Zu Gunsten der Klägerin kann insoweit wiederum unterstellt werden, dass die bezüglich des arzneilich wirksamen Bestandteils Mistelextrakt gegenüber dem Kurzantrag veränderte Mengenangabe sich mit Blick auf die in dem Extrakt enthaltenen Hilfsstoffe erklärt. Zu ihren Gunsten kann weiter unterstellt werden, dass die den arzneilich wirksamen Bestandteil Knoblauchzwiebelpulver betreffende Mengenvariation von der nach Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 3 AMNG gegebenen Änderungsmöglichkeit gedeckt war. Gleichzeitig hat die Klägerin zum anderen jedoch den Austausch des Weißdornfrüchteextrakts durch einen Extrakt aus Weißdornblättern und Blüten angezeigt. Es handelt sich insoweit um eine Änderung der Art der arzneilich wirksamen Bestandteile, die Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 3 AMNG - wie dargelegt - nicht zuließ.

Bei Phytopharmaka, zu denen auch das streitbefangene Arzneimittel zählt, besteht im Vergleich zu chemisch definierten Arzneimitteln die Besonderheit, dass die jeweilige pflanzliche Zubereitung ein komplex zusammengesetztes Vielstoffgemisch darstellt. Nach den allgemeinen Grundlagen der Phytotherapie ist (dennoch) die jeweilige pflanzliche Zubereitung in ihrer Gesamtheit als ein arzneilich wirksamer Bestandteil im Sinne des Arzneimittelgesetzes anzusehen.

Vgl. Gaedcke/Steinhoff, Phytopharmaka - Wissenschaftliche und rechtliche Grundlagen für die Entwicklung, Standardisierung und Zulassung in Deutschland und Europa, Stuttgart 2000, S. 2, 37, 69.

Die qualitative und quantitative Zusammensetzung des Inhaltsstoffspektrums der jeweiligen pflanzlichen Zubereitung wird durch diverse Faktoren, zu denen die Drogenart und der Drogenteil, das Auszugsmittel sowie das Auszugsverfahrens zählen, beeinflusst. Diese Faktoren sind im Sinne des Arzneimittelgesetzes damit für die Art des jeweiligen arzneilich wirksamen Bestandteils verantwortlich.

Vgl. Gaedcke/Steinhoff, a.a.O., S. 12 f.

Dieses Verständnis des Arzneimittelgesetzes ist auch mit Blick auf Art. 1 Nr. 30 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 6.11.2001 (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67) in der Fassung der Richtlinie 2004/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 85) bzw. den wortgleichen - durch das u.a. der Umsetzung der genannten Richtlinien dienende 14. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29.8.2005 (BGBl. I S. 2570) eingefügten - § 4 Abs. 29 AMG angezeigt. Demnach werden pflanzliche Arzneimittel als Arzneimittel definiert, die als Wirkstoff ausschließlich einen oder mehrere pflanzliche Stoffe oder eine oder mehrere pflanzliche Zubereitungen oder eine oder mehrere solcher pflanzlichen Stoffe in Kombination mit einer oder mehreren solchen pflanzlichen Zubereitungen enthalten. Pflanzliche Zubereitungen sind nach Art. 1 Nr. 32 Satz 1 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/24/EG Zubereitungen, die dadurch hergestellt werden, dass pflanzliche Stoffe Behandlungen wie Extraktion, Destillation, Pressung, Fraktionierung, Reinigung, Konzentrierung oder Fermentierung unterzogen werden.

Hiernach bestimmt auch vorliegend bereits die Auswahl des Pflanzenteils - Weißdornfrüchte zum einen und Weißdornblätter mit Blüten zum anderen - die qualitative und quantitative Zusammensetzung der Inhaltsstoffe des jeweiligen Extrakts und damit - mangels Identität der Inhaltsstoffspektren - die unterschiedlichen Arten der arzneilich wirksamen Bestandteile. Die diesbezüglichen Einwendungen der Klägerin führen zu keiner anderen Bewertung.

Der Tatsache, dass die Extrakte beider Pflanzenbestandteile dieselben wirksamkeits(mit)bestimmenden Inhaltsstoffe, nämlich Flavonoide bzw. oligomere Procyanidine, enthalten, rechtfertigt nicht die Annahme, es handele sich um arzneilich wirksame Bestandteile derselben Art. Es ist zum einen - wie dargelegt - auf die jeweilige pflanzliche Zubereitung in ihrer Gesamtheit und nicht auf das Vorhandensein einzelner Inhaltsstoffe, möge es sich auch um die hauptwirksamen Inhaltsstoffe handeln, abzustellen. Insoweit kann im Übrigen nicht außer Acht gelassen werden, dass es zahlreiche unterschiedliche Flavonoide (u.a. Hyperosid) und oligomere Procyanidine gibt, so dass die Beschreibung der qualitativen Zusammensetzung einer weitergehenden Differenzierung bedürfte. Daneben ist zum anderen die - hinsichtlich eines Extrakts aus Weißdornfrüchten und eines Extrakts aus Weißdornblättern mit Blüten unstreitig differierende - quantitative Zusammensetzung der jeweiligen pflanzlichen Zubereitung zu berücksichtigen.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe im Zeitpunkt der im Jahre 1990 erfolgten Änderungsanzeige auf die (gemeinsame) Monographie zu Weißdorn vom 22.12.1983 (BAnz Nr. 1 vom 3.1.1984) in der korrigierten Fassung vom 26.2.1988 (BAnz Nr. 85 vom 5.5.1988) in dem Sinne vertraut, dass den Extrakten aller Pflanzenbestandteile das gleiche Inhaltsstoffspektrum zukomme. Dies überzeugt schon deshalb nicht, weil gerade der im Extrakt aus Weißdornblättern mit Blüten im Vergleich zum Extrakt aus Weißdornfrüchten signifikant erhöhte Anteil an Hyperosid und damit die aus der Sicht der Klägerin vorzugswürdige quantitative Zusammensetzung der Inhaltsstoffe des Extrakts aus Weißdornblättern mit Blüten sie veranlasst hat, die Zusammensetzung des streitbefangenen Arzneimittels zu ändern und den Extrakt aus Weißdornfrüchten gegen einen Extrakt aus Weißdornblättern mit Blüten auszutauschen. Dessen ungeachtet rechtfertigte auch der Inhalt der genannten Monographie ein solches Vertrauen in keiner Weise. Deren Ausgangspunkt waren die Bestandteile des Arzneimittels "Blätter mit Blüten und/oder Früchte sowie deren Zubereitungen in wirksamer Dosierung". Auf dieser Grundlage wurden die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe (u.a. Flavonoide und oligomere Procyanidine) genannt. Schon die fehlende Differenzierung zwischen den Pflanzenbestandteilen, die auf mangelnden wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründet haben dürfte, lässt jedoch die Annahme, dass den jeweiligen Extrakten der Pflanzenbestandteile dieselbe qualitative, geschweige denn dieselbe quantitative Zusammensetzung der Inhaltsstoffe zugeschrieben wurde, nicht zu.

Dieses wird nicht zuletzt durch die von der Kommission E im Jahre 1994 publizierten spezifizierten Aufbereitungsmonographien zu den verschiedenen Pflanzenbestandteilen, nämlich die Monographien zu Weißdornblüten, zu Weißdornblättern, zu Weißdornblättern mit Blüten und zu Weißdornfrüchten vom 21.6.1994 (BAnz Nr. 133 vom 19.7.1994) unterstrichen. Bei der Monographie zu Weißdornblättern mit Blüten handelt es sich um eine sog. Positivmonographie. Mangels wissenschaftlichen Erkenntnismaterials sind dagegen nur sog. Negativmonographien zu Weißdornblüten, zu Weißdornblättern und zu Weißdornfrüchten veröffentlicht worden. Deren Informationsgehalte sind denknotwendig beschränkt. So wird in der Monographie zu Weißdornfrüchten ausdrücklich ausgeführt, zur Pharmakologie und Toxikologie der Droge läge kein wissenschaftliches Erkenntnismaterial vor. Der hieran anschließende Hinweis, "aufgrund der Inhaltsstoffe der Droge, die sich quantitativ (Flavonoide) als auch qualitativ (oligomere Procyanidine) nur wenig von denen der Droge Weißdornblätter mit Blüten unterscheiden, könnten für die Droge ähnliche pharmakodynamische Wirkungen angenommen werden, wie sie für Weißdornblätter mit Blüten nachgewiesen wurden", gibt keinen Anlass zu der Annahme, es handele sich bei einem Extrakt aus Weißdornfrüchten und einem Extrakt aus Weißdornblättern und Blüten um arzneilich wirksame Bestandteile derselben Art. Dieser Hinweis beruht, wie der Monographie zu entnehmen ist, schon nicht auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ihm kommt nur die Qualität einer Vermutung zu, was nicht zuletzt die Verwendung des Konjunktivs ("könnten") belegt. Im Übrigen wird nicht die Identität der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung der jeweiligen Inhaltsstoffe vermutet. Es werden vielmehr - wenn auch nur geringfügige - Unterschiede hinsichtlich der Qualität und Quantität angeführt. Gerade solche begründen jedoch die Verschiedenartigkeit der arzneilich wirksamen Bestandteile. Konsequenterweise wurde nach dem genannten Hinweis für die Droge Weißdornfrüchte nur die Möglichkeit ähnlicher, nicht jedoch gleicher pharmakodynamischer Wirkungen angenommen, wie sie für die Droge Weißdornblätter mit Blüten nachgewiesen worden sind.

Dass es sich bei einem Extrakt aus Weißdornfrüchten und bei einem Extrakt aus Weißdornblättern mit Blüten um arzneilich wirksame Bestandteile unterschiedlicher Art handelt, wird letztlich auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Europäische Arzneibuch bezüglich der Droge Weißdornblätter mit Blüten verschiedene Weißdornarten als Stammpflanzen vorsieht und (damit) diverse Inhaltsstoffspektren zulässt. Nicht eine derartige Kategorisierung im Europäischen Arzneibuch, sondern das jeweilige Inhaltsstoffspektrum einer pflanzlichen Zubereitung bestimmt - wie dargelegt - die Art des arzneilich wirksamen Bestandteils. Im Übrigen sind die im Europäischen Arzneibuch enthaltenen Angaben zu Weißdornblättern mit Blüten vorliegend bereits deshalb nicht weiterführend, weil es hier nicht auf die - von der jeweiligen Stammpflanze abhängenden - Inhaltsstoffspektren von Extrakten aus Weißdornblättern mit Blüten, sondern auf die Inhaltsstoffspektren eines Extrakts aus Weißdornblättern mit Blüten einerseits und eines Extrakts aus Weißdornfrüchten andererseits ankommt.

Mit der Klägerin kann letztlich davon ausgegangen werden, dass der Austausch des Extrakts aus Weißdornfrüchten durch einen Extrakt aus Weißdornblättern mit Blüten die pharmazeutische Qualität des Arzneimittels verbessert hat. Auch eine etwaige Qualitätssteigerung lässt die Unzulässigkeit der Änderung der Art eines arzneilich wirksamen Bestandteils im Rahmen der von der Klägerin beanspruchten Nr. 3 des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG jedoch nicht entfallen.

Nach alledem war die seitens der Klägerin am 10.9.1990 angezeigte Änderung des streitbefangenen Arzneimittels nicht von den in Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nrn. 1 bis 5 AMNG vorgesehenen Änderungsmöglichkeiten gedeckt. Die fiktive Zulassung des Arzneimittels ist jedenfalls mit dieser Änderung erloschen.

Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin auf den Fortbestand der Zulassung des Arzneimittels vertraut hat. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob es angesichts des objektiv-rechtlichen Charakters arzneimittelrechtlicher Vorschriften überhaupt auf Vertrauensschutz ankommen kann. Jedenfalls muss die Klägerin sich entgegen halten lassen, dass es ihr oblegen hat bzw. obliegt, die Verkehrsfähigkeit ihres Arzneimittels fortwährend zu erhalten. Wird ein Arzneimittel - wie hier - unzulässig geändert, treten die beschriebenen Folgen kraft Gesetzes, mithin unabhängig von der Vorgehensweise der Zulassungsbehörde ein.

Auch mit Blick darauf, dass das auf die am 10.9.1990 beim BGA eingegangene Änderungsanzeige ergangene Bestätigungsschreiben vom 12.11.1990 den ausdrücklichen Hinweis enthielt, eine abschließende fachliche Beurteilung der angezeigten Änderung und eine Entscheidung über die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels sei mit der Bestätigung nicht verbunden, war die Erwartung der Klägerin, die begehrte Nachzulassung werde trotz der angezeigten Änderung erteilt, nicht gerechtfertigt. (wird ausgeführt)

Soweit sie geltend macht, sie habe ihre gesamte Dokumentation zum Langantrag auf die am 10.9.1990 angezeigte Änderung abgestimmt und damit im Kern anführt, sie könnte ihre diesbezüglichen Investitionen im Falle der Versagung der Nachzulassung nicht mehr Gewinn bringend einsetzen, ist ihr entgegen zu halten, dass es ihr gerade, weil die Unzulässigkeit der Änderung der Art eines arzneilich wirksamen Bestandteils für längere Zeit unerkannt geblieben ist, möglich war, das Arzneimittel weiterhin Gewinn bringend zu vertreiben.

Ihr Einwand, sie habe ihre "Lebensverhältnisse" im Vertrauen auf den Bestand der Änderung so einschneidend, dauernd und nicht mehr korrigierbar umgestellt, dass eine Rückgängigmachung unzumutbar wäre, ist schon wegen der Möglichkeit, einen Neuzulassungsantrag zu stellen, nicht nachvollziehbar.

Ende der Entscheidung

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