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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.08.2003
Aktenzeichen: 13 A 5022/00
Rechtsgebiete: LMBG, MPG


Vorschriften:

LMBG § 4
MPG § 3
MPG § 27
Zahnbleichmittel, die vom Zahnarzt anzuwenden sind, sind Medizinprodukte und keine Kosmetika.
Tatbestand:

Die Klägerin vertreibt für die amerikanische Firma U. Zahnbleichmittel im europäischen Raum. Es handelt sich um die Produkte Opalescence Quick und Opalescence Xtra mit jeweils 35% Wasserstoff-Peroxid. Hingegen enthalten Opalescence Regular und Opalescence Mint nur 10% Wasserstoff-Peroxid; diese beiden Gels unterscheiden sich nur im Geschmack. Sie werden zur Zahnaufhellung bei vitalen Zähnen in eine individuell angefertigte Schiene eingespritzt, die dann auf den Zähnen - z.B. nachts - getragen wird. Quick und Xtra werden von dem Zahnarzt nur in Praxissitzungen auf einzelne vitale Zähne aufgebracht oder bei avitalen Zähnen nach dem Aufbohren der Pulpahöhle in diese eingespritzt. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Wirkung innerhalb der Zähne erfolgt, wohl indem eine oxidative Veränderung der die Verfärbung hervorrufenden Moleküle (mineralische Umwandlung der kristallinen Zahnsubstanz) vorgenommen wird. Eine pharmakologische Wirkung ist nicht gegeben.

Drei der vier Zahnbleichmittel wurden am 28.11.1997, das Produkt Opalescence Extra im September 1998 durch die RW TÜV Anlagentechnik GmbH, in ihrer Eigenschaft als benannte Stelle nach dem Medizinproduktegesetz als Medizinprodukte der Klasse II a zertifiziert und mit der CE-Kennzeichnung versehen. Sie wurden in den Mitgliedstaaten der EU an Zahnärzte vertrieben.

Nach der Ergänzung des § 2 des Medizinproduktegesetzes vom 2.8.1998 durch Anfügen des Abs. 5 prüfte die Beklagte auf Grund der Nr. 2 der genannten Vorschrift, ob es sich bei den vier Zahnbleichmitteln der Klägerin um Medizinprodukte oder Kosmetika handele. Mit Ordnungsverfügung vom 26.11.1998 wurde der Klägerin untersagt, "die Produkte Opalescence Regular, Opalescence Quick, Opalescence Mint und Opalescence Xtra mit einer CE-Kennzeichnung nach dem Gesetz über Medizinprodukte in den Verkehr zu bringen."

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin (Anfechtungs-)Klage, die vor dem VG und dem OVG NRW Erfolg hatte.

Auf Grund Beweisbeschlusses vom 18.12.2002 hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Auskunft des Direktors der Poliklinik für Zahnerhaltung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Prof. Dr. O., als sachverständigen Zeugen. Auf die Beweisfragen im Einzelnen und ihre Beantwortung wird verwiesen.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen und des Vorbringens der Parteien wird auf die Streitakten und Beiakten sowie auf die Akten des Eilverfahrens 13 B 96/99 Bezug genommen.

Gründe:

1) Die Untersagungsverfügung der Beklagten in der Fassung ihres Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

a) Eingriffsgrundlage war § 27 Abs. 2 Satz 2 des Medizinproduktegesetzes vom 2.8.1994, BGBl. I S. 1963, in der Änderungsfassung vom 6.8.1998, BGBl. I S. 2005, (MPG). Nach § 27 Abs. 2 S.1 MPG ist, wenn die zuständige Behörde feststellt, dass die CE-Kennzeichnung unrechtmäßig angebracht worden ist, der Verantwortliche im Sinne des § 7 MPG verpflichtet, die Voraussetzungen für das rechtmäßige Anbringen der CE-Kennzeichnung nach Weisung der zuständigen Behörde zu erfüllen. Satz 2 lautet:

"Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so hat die zuständige Behörde das Inverkehrbringen dieses Medizinproduktes im Geltungsbereich dieses Gesetzes einzuschränken, von der Einhaltung bestimmter Auflagen abhängig zu machen, zu untersagen oder zu veranlassen, dass das Medizinprodukt vom Markt genommen wird."

Durch Gesetz vom 13.12.2001, BGBl. I S. 3586, mit Berichtigung vom 23.5.2002, BGBl. I, 1678, (2. MPG-ÄndG) hat § 27 MPG Änderungen erfahren - künftig: § 27 MPG n.F. -, indem der bisherige Absatz 1 entfallen ist, der bisherige Absatz 2 mit einer redaktionellen Änderung (Verweisung auf § 5 statt bisher § 7) Absatz 1 geworden ist und ein neuer Absatz 2 angefügt wurde, der wie folgt lautet:

"Trägt ein Produkt unzulässigerweise die CE-Kennzeichnung als Medizinprodukt, trifft die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend."

Zugleich ist die amtliche Überschrift des § 27 MPG "Verfahren bei unrechtmäßiger Anbringung der CE-Kennzeichnung" um die Wörter "und unzulässiger" erweitert worden.

Die Antwort auf die Frage, welche Fassung des § 27 MPG im vorliegenden Fall anzuwenden ist, ist zunächst davon abhängig, ob es sich bei der Untersagungsverfügung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, bei dem in der Regel auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist.

Vgl. zum Dauerverwaltungsakt und dem maßgeblichen Zeitpunkt OVG NRW, Urteil vom 10.12.1998 - 13 A 2711/97 -, LRE 36, 150 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerwG.

Hier handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, obwohl die Untersagung - auch - dauernde Rechtsfolgen zeitigt. Ihr wesentlicher Inhalt ist nämlich, dass die Untersagungsverfügung den Rechtszustand beenden soll, der durch die Erteilung der CE-Kennzeichnung begründet worden ist. In einem solchen Fall richtet sich eine Anfechtungsklage - wie sonst regelmäßig auch - nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22.7.1982 - 3 B 36.82 -, Buchholz, 418.21, ApBo Nr. 4 betreffend Widerruf einer Apothekenbetriebserlaubnis und vom 26.6.1970 - VII B 36.68 -, 442.10, § 4 StVG Nr. 32 zur Entziehung einer Fahrerlaubnis; OVG NRW, Beschluss vom 20.5.2003 - 4 A 1673/02 -, (zur Veröffentlichung bestimmt) zum Widerruf nach § 20 Abs. 2 Wirtschaftsprüferverordnung, m.w.N. und unter Abgrenzung zur Rspr. des BGH.

Die Besonderheit, dass die Zertifizierung nicht durch den Staat selbst, sondern durch eine sog. "Benannte Stelle" (§ 20 MPG), einen Beliehenen, erfolgt ist, zeitigt keine solchen Unterschiede, dass nicht wie bei den sonstigen Fällen der Beendigung eines Rechtszustandes zu entscheiden und ein anderer Zeitpunkt maßgeblich wäre.

Da es für den vorliegenden Fall zudem keine den maßgeblichen Zeitpunkt abweichend regelnde materiell-rechtliche Bestimmung gibt, ist auf die im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung geltende Fassung des § 27 MPG abzustellen.

b) Die Untersagungsverfügung konnte nicht rechtmäßigerweise auf § 27 Abs. 2 Satz 2 MPG gestützt werden.

Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass der Verantwortliche für das erstmalige Inverkehrbringen nicht zunächst nach Abs. 2 Satz 1 der genannten Vorschrift aufgefordert worden ist, "die Voraussetzungen für das rechtmäßige Anbringen der CE-Kennzeichnung nach Weisung der zuständigen Behörde zu erfüllen". Handelt es sich bei dem fraglichen Erzeugnis nach Auffassung der Behörde um kein Medizinprodukt, so kann die CE-Kennzeichnung auch nicht durch eine behördliche Weisung rechtmäßig und eine solche Weisung nicht zur Eingriffsvoraussetzung gemacht werden. Hiervon geht auch § 27 Abs. 2 MPG n.F. bei der Verweisung auf Satz 2 und nicht auch Satz 1 des Absatzes 1 aus.

Auch sonst bestehen gegen die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 27 Abs. 2 Satz 2 MPG auf den vorliegenden Fall keine Bedenken.

Der Senat hält an seiner bereits im vorausgegangenen Eilverfahren - vgl. Beschluss vom 24.6.1999 - 13 B 96/99 -, LRE 37, 184 = NJW 2000, 891 = PharmaR 2000, 61 - vertretenen Auffassung fest, dass sich schon die alte Fassung des § 27 Abs. 2 MPG so verstehen ließ, dass auch eine unzulässige Anbringung des CE-Zeichens an einem Nicht-Medizinprodukt umfasst war und auf Grund des Gebots richtlinienkonformer Auslegung jedenfalls im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung so interpretiert werden musste. Dafür, dass sich auch im vorliegenden Fall die Untersagung - trotz der subjektiven Behördenansicht, es handele sich bei den Zahnbleichmitteln um Kosmetika und nicht um Medizinprodukte - nach § 27 MPG und nicht nach Vorschriften des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) richtet, spricht, dass es inhaltlich um die Untersagung wegen unzulässiger Anbringung der CE-Kennzeichnung geht, nämlich die fraglichen Zahnbleichmittel "mit einer CE-Kennzeichnung nach dem Gesetz über Medizinprodukte in den Verkehr zu bringen", also kein sonstiges Verkehrsverbot ausgesprochen wird.

2) Die zentrale Frage des Rechtsstreits, ob die Zahnbleichmittel der Klägerin Kosmetika sind und deshalb die CE-Kennzeichnung als Medizinprodukte unzulässigerweise tragen, ist zu verneinen.

Dabei kommt es nach der Begründung der Ordnungsverfügung nicht darauf an, ob die Bleichmittel unter die Definition für Medizinprodukte in § 3 Nrn. 1 - 3 oder 8 MPG fallen, was nur insofern verneint wird, als die Behörde von Kosmetika - nicht aber etwa von Arzneimitteln - ausgeht, so dass die "CE-Kennung nach dem Gesetz über Medizinprodukte" einem rechtmäßigen Inverkehrbringen entgegen stehen würde. Das ist im Ansatz zutreffend. Zwar ist es denkbar, dass Produkte unter die Definitionen sowohl des Medizinproduktegesetzes als auch des § 4 LMBG für Kosmetika fallen. Rechtlich kann es sich aber nur um ein Medizinprodukt oder um ein Kosmetikum handeln. Das folgt aus § 2 Abs. 5 Nr. 2 MPG, wonach das Medizinproduktegesetz nicht für "kosmetische Mittel im Sinne des § 4 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes" gilt. (§ 27 Abs. 2 MPG ist eine an sich systemwidrige, aber durch Spezialnorm begründete Ausnahme). Hieraus hat das VG zutreffend gefolgert, dass eigentliche Abgrenzungsnorm § 4 LMBG ist, was im Hinblick auf die kosmetischen Mittel im Übrigen aus der Definition des § 4 Abs. 1 LMBG hervorgeht.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18.12.1997 - 3 C 46.96 -, LRE 34, 411 zum Verhältnis von § 2 Abs. 3 AMG zu § 4 Abs. 1 LMBG.

Der Vorrang von § 4 LMBG vor § 3 MPG hat insbesondere zur Folge, dass es nicht - wie nach der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 1 MPG - auf die Zweckbestimmung durch den Hersteller ankommt.

Vgl. Schorn, Medizinprodukte-Recht, Stand 6/2002, OrdnungsNr. M 2, § 1 MPG, Rz. 1.

§ 4 LMBG lautet in seinem hier allein interessierenden Abs. 1 wie folgt:

"Kosmetische Mittel im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, äußerlich am Menschen oder in seiner Mundhöhle zur Reinigung, Pflege oder zur Beeinflussung des Aussehens oder des Körpergeruchs oder zur Vermittlung von Geruchseindrücken angewendet zu werden, es sei denn, dass sie überwiegend dazu bestimmt sind, Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu lindern oder zu beseitigen."

Allerdings ist bei der Auslegung dieser der Umsetzung des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie des Rates 76/68/EWG vom 27.7.1976 zur Angleichung von Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel, ABl L 262, 169, mit späteren Änderungen, insbesondere durch die Art. 1 Abs. 1 ändernde Richtlinie des Rates 93/35/EWG vom 14.6.1993, ABl L 151/32, und zuletzt durch Richtlinie des Rates 2003/15/EG v. 27.2.2003, ABl L 66/26 (Kosmetik-RL), dienenden nationalen Regelung auch das Gemeinschaftsrecht zu berücksichtigen, insbesondere Art. 1 Abs. 1 Kosmetik-RL in der Fassung vom 14.6.1993 (a.a.O.) der (seit 1976 bis heute) lautet:

"Kosmetische Mittel sind Stoffe oder Zubereitungen, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den verschiedenen Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern und/oder den Körpergeruch zu beeinflussen und/oder um sie zu schützen oder in gutem Zustand zu halten."

Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass nach § 4 Abs. 1 LMBG ein Kosmetikum dann nicht vorliegt, wenn das in Rede stehende Mittel überwiegend zu einem anderen Zweck, z.B. dazu bestimmt ist, Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu lindern oder zu beseitigen, während nach Art. 1 Abs. 1 Kosmetik-RL der kosmetische Zweck überwiegen muss, so dass es im Fall der Gleichgewichtigkeit von kosmetischer und sonstiger Bestimmung zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt: Nach deutschem Recht bliebe das Mittel ein Kosmetikum, nach der Richtlinie wäre es ein Medizinprodukt (oder ggf. ein Arzneimittel). Der Senat hat bereits entschieden, - Urteil vom 14.6.1994 - 13 A 2476/93 -, LRE 30, 425 und ausführlicher Urteil vom 29.3.1995 - 13 A 3778/93 -, LRE 31, 440 - dass für eine Auslegung ein Auslegungsspielraum erforderlich ist.

Vgl. auch EuGH, Urteil vom 26.9.1996 - C-168/95 -, Slg. 1996, I-4705 Rz 39 bis 41; BGH, Urteil vom 13.11.2001 - X ZR 134/00 -, LRE 42, 354 mit weiteren Fundstellen in der Anm.

Angesichts des klaren Wortlauts des § 4 Abs. 1 LMBG würde im Fall der Gleichgewichtigkeit ein solcher Auslegungsspielraum fehlen.

Wenn dies auch einer richtlinienkonformen Auslegung entgegenstehen würde, käme wohl trotzdem die genannte Richtlinien-Vorschrift - insofern - zur Anwendung. Der deutsche Staat könnte sich nämlich deshalb nicht auf die Lösung der 50:50-Situation in § 4 Abs. 1 LMBG berufen, weil er die Richtlinie in diesem Punkt nicht umgesetzt hat. Art. 10 EG (ex Art. 5 EGV) verlangt nach der Rechtsprechung des EuGH von allen staatlichen Stellen und im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch von den Gerichten, dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts Geltung zu verschaffen, wenn die nicht ordnungsgemäß umgesetzte europäische Regelung für den Bürger günstiger ist und diese Begünstigung unbedingt und hinreichend bestimmt ist. Diese Bedingungen dürften hier erfüllt sein, wenn man - wozu der Senat neigt - davon ausgeht, dass bei der Frage der Begünstigung auf den konkreten Fall, also auf das Interesse der Klägerin abzustellen ist und nicht auf eine generelle Gewährung eines subjektiven Rechts; mit anderen Worten hätte der Senat im Sinne der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts ("effet utile") keine Bedenken, dass es bei Art. 1 Abs. 1 Kosmetik-RL nicht um die Einräumung eines der Klägerin gewährten Anspruchs, sondern um eine - an sich - neutrale Definition mit - im konkreten Fall - Auswirkungen zu Gunsten der Klägerin geht.

Vgl. EuGH, Urteil vom 11.8.1995 - C-431/92 -, Slg. 1995, I-2189 Rz. 24 ff; Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 249 Rz. 31, Callies/Ruffert, Komm. zum EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl. 2002, Art. 249, Rz. 87 ff m.w.N.

Jedoch ist dies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und angesichts der folgenden Ausführungen nicht zu vertiefen.

3) Bei den streitbefangenen Zahnbleichmitteln handelt es sich schon nicht um Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, "äußerlich am Menschen oder in seiner Mundhöhle" zur Beeinflussung des Aussehens angewendet zu werden, so dass sie bereits den ersten Teil der Definition in § 4 Abs. 1 LMBG nicht erfüllen.

a) Hierbei ist davon auszugehen, dass das Wort "äußerlich" sich nicht nur auf die nachfolgenden Wörter "am Menschen" bezieht, sondern auch auf die Mundhöhle. Dies ist allerdings nicht zwingend, weil auch vertretbar erscheint, den Begriff "äußerlich" als nicht zur Mundhöhle passend zu beurteilen. Es besteht somit ein Auslegungsbedürfnis.

Das Kriterium "äußerlich" findet sich auch in der vorstehend zitierten Begriffsbestimmung in Art. 1 Abs. 1 Kosmetik-RL; statt "Mundhöhle" heißt es dort "äußerlich ... mit den Zähnen und Schleimhäuten der Mundhöhle". Bei Heranziehung der Richtlinie ergibt sich auch für den deutschen Begriff "äußerlich" eine eindeutige Auslegung in Bezug auf "Mundhöhle".

Allerdings hält der Senat für unzutreffend konstruiert die Interpretation der Klägerin, im Anschluss an Art. 1 Abs. 1 Kosmetik-RL in der oben wiedergebenen Änderungsfassung vom 14.6.1993 folge wegen der Verbindung von "Zähnen" sowie "Schleimhäuten" durch das Wort "und", dass etwas kein Kosmetikum sein könne, das nur mit den Zähnen oder den Schleimhäuten in Verbindung kommen solle. Auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin betonten Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ist ihre Interpretation des Wortes "und" an dieser Stelle nicht überzeugend. Es ist nämlich vor allem nicht zu erkennen, warum im Sinne der Klägerin ein Ausschluss von nur auf die Zähne oder nur auf die Schleimhäute bezogenen Produkten hätte gewollt sein können. Hinzu kommt, dass auch in dem Klammerzusatz der Gebrauch von "und" nicht additiv, sondern trennend gemeint ist.

Jedoch wird in dem Richtlinien-Text der Begriff "äußerlich" ergänzt um die Worte "in Berührung zu kommen", was deutlich auf Äußerlichkeit hinweist, und zwar nach der Stellung im Satz auch bei Zähnen und Schleimhäuten. (Letztere sind zwar bei den streitigen Produkten gerade nicht im Anwendungsbereich, die Schleimhäute müssen sogar geschützt werden.) Hätten die Zähne von dem Erfordernis "äußerlich" ausgenommen werden sollen, wäre Art. 1 Abs. 1 Kosmetik-RL anders zu formulieren gewesen.

b) Ob bei den Zahnbleichmitteln der Klägerin kosmetische Mittel im Sinne des § 4 Abs. 1 LMBG vorliegen, ist weiter danach zu beurteilen, ob sie "dazu bestimmt" sind, in der Mundhöhle des Menschen "äußerlich" zur Beeinflussung des Aussehens angewendet zu werden. Nach ständiger Rechtsprechung zu Abgrenzungsfragen des Kosmetik-, Arzneimittel- und Lebensmittelrechts hat die Einordnung eines Produktes hinsichtlich der Zweckbestimmung nach objektiven Merkmalen zu erfolgen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 24.11.1994 - 3 C 2.93 -, BVerwGE 97, 132, und vom 18.12.1997 - 3 C 46.96 -, a.a.O., und Beschluss vom 18.10.2000 - 1 B 45.00 -, LRE 40, 166 sowie BGH, Urteil vom 11.7.2002 - I ZR 34/01 -, LRE 44, 37, OVG NRW, Urteil vom 21.6.1995 - 13 A 1362/94 -, LRE 32, 308 mit weiteren verwaltungsgerichtlichen Nachweisen; ähnlich EuGH, Urteil vom 21.3.991 - C - 369/88 -, Rz. 40 f., LRE 28, 3.

Diese objektiven Merkmale bestimmen die Verkehrsauffassung und im Rahmen dieser, wie sich die fraglichen Produkte für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.1997 - 3 C 46.96 -, a.a.O., und Beschluss vom 18.10.2000 - 1 B 45.00 -, a.a.O., sowie BGH, Urteil vom 11.7.2002 a.a.O. jeweils m.w.N.

Die Verbrauchererwartung als Teil der Verkehrsauffassung knüpft regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung des Produktes kann weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügte oder in Werbeprospekten enthaltene Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt.

So BGH, Urteil vom 11.7.2002, a.a.O., m.w.N., OVG NRW, Urteil vom 21.6.1995, a.a.O.

Diese Kriterien wären zugleich für die Beurteilung maßgeblich, welche von mehreren Zweckbestimmungen überwiegt - hier, ob die Produkte überwiegend dazu bestimmt sind, krankhafte Beschwerden und Krankheiten zu lindern oder zu beseitigen (§ 3 Abs. 1 lit. a MPG) oder Behinderungen zu lindern oder zu kompensieren (lit. b), wie die Klägerin meint, oder ob es bei einer kosmetischen Zweckbestimmung wegen deren Überwiegens bleibt. Jedoch kommt es hierauf nicht mehr an, wenn die Bestimmung zur "äußerlichen" Anwendung schon nicht erfüllt ist.

An vorstehender Definition ist wesentlich, dass die Vorstellung der Verbraucher auch von der medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein kann. Das rechtfertigt, nicht auf den noch nicht vom Zahnarzt aufgeklärten Durchschnittsverbraucher abzustellen, der zunächst nur die ihn störend verfärbten Zähne aufgehellt wissen möchte, ohne von der Vorgehensweise, insbesondere davon, ob sie "äußerlich" oder nicht "äußerlich" wirkt, eine Vorstellung zu haben.

Soweit das angefochtene Urteil als Maßstab bildende Durchschnittsverbraucher allerdings die Zahnärzte selbst und nicht die Patienten ansehen sollte, was nicht ganz klar wird, spricht hierfür, dass bestimmungsgemäß eine Abgabe im Sinne von § 6 LMBG zunächst an die Zahnärzte erfolgt. Sollen vitale Zahnreihen aufgehellt werden, geben diese das Produkt mit einer Zahnschiene allerdings an die Patienten zur Verwendung zu Hause mit. Nicht nur deshalb neigt der Senat dazu, hier als durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher in diesem besonderen Zusammenhang den Kunden anzusehen, der sich für eine Zahnaufhellung interessiert, mag er sich für diese entschließen oder nicht. Maßgeblich ist nämlich der "angesprochene" Verbraucher.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.10.2000, a.a.O., m.w.N., ferner Urteil des Senats vom 6.3.1986 - 13 A 752/83 -, LRE 19, 220.

Dass dies der potentielle Patient ist, wird auch dadurch erhellt, dass er und nicht der Zahnarzt - jedenfalls üblicherweise - die Initiative ergreift und die Letztentscheidungskompetenz, ob die Maßnahme erfolgt, bei ihm liegt. Wären die Zahnärzte maßstabbildend, würden auch sie bei der Frage der Bestimmung der Zahnbleichmittel, "äußerlich" zu wirken, zu keinem anderen, die Frage bejahenden Ergebnis kommen; dies zeigt auch die sachverständige Stellungnahme von Prof. Dr. O.

aa) Für die Prägung einer Verbrauchererwartung des Patienten ist - unabhängig von der Öffnung der Pulpahöhle bei avitalen Zähnen - wesentlich, dass die Wirkung der Anwendung der Gattung der Bleichmittel und auch des in Rede stehenden Opalescence nicht äußerlich, sondern im Zahn selbst - wohl durch mineralogischen Umbau und Oxidation, worauf es aber im Einzelnen nicht ankommt - erfolgt. Zwar wird vertreten, - vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 3/03, C 100, § 4 RZ 23-25, dass es zur Erfüllung des Begriffs "äußerlich" nicht auf die "äußerliche Wirkung", sondern nur auf die "äußerliche Anwendung" ankomme. Jedoch lässt sich eine solche (oder auch die umgekehrte) Aussage nicht generell treffen. Vorliegend ist nach der Auffassung des Senats, dessen Mitglieder sich z.T. schon vor diesem Verfahren und dem vorausgegangenen Eilverfahren aber auch im Rahmen der Prüfung der diversen fachlichen Stellungnahmen in den genannten Verfahren - vgl. BGH, Urteil vom 18.4.1984 - 2 StR 103/84 -, VRS Bd. 67, S. 264, und OVG LSA, Beschluss vom 30.9.1998 - A 2 S 52/96 -, NVwZ-Beilage 16/1999, S. 57 (LS) - über Bleichmittel informiert haben und die deshalb die Verbrauchererwartung beurteilen können, von einer anderen, mehr von den Umständen des Einzelfalls geprägten Sichtweise des angesprochenen Verbrauchers auszugehen. Dabei gilt zunächst, dass bei der Vorgehensweise im Falle avitaler Zähne und vitaler Zähne der innerliche Wirkmechanismus - wenn auch in umgekehrter Richtung - gleich ist, wobei bei avitalen Zähnen noch das Öffnen der Pulpahöhle prägend hinzukommt. Die innere Wirkungsweise ist für den Verbraucher gerade deshalb bedeutsam und nicht etwa eine technische Detailfrage, weil er durch die Wirkung im Inneren - anders als bei nur äußerlicher, mechanischer Vorgehensweise wie bei Zahnweißern (diesen Unterschied betont die Klägerin zu Recht, wenn auch nachfolgend festzustellen sein wird, dass im Bereich der EG-Kommission diese Differenzierung in der Bezeichnung nicht aufgegriffen wird) - Hoffnung auf ein dauerhaftes Ergebnis setzen kann, anderseits Fragen nach Schmerzen, Funktionsbeschränkungen und Nebenfolgen nahe gelegt werden.

Dem Vorstehenden steht nicht entgegen, dass Anlass des Betroffenen für den Gang zum Zahnarzt regelmäßig das ihn störende Aussehen der Zähne sein wird, denn die Verbrauchererwartung (und nicht anders die Verkehrsanschauung) geht auch bei vitalen Zähnen nicht dahin, dass der Vorgang äußerlich sei. Dass dies am Anfang der gedanklichen Befassung des Verbrauchers zunächst anders sein mag, ist nicht entscheidend. Vielmehr gehört zu dem "interessierten und informierten" Durchschnittsverbraucher angesichts des möglichen Eingriffs in seinen Körper und angesichts seiner Unkenntnis über Zeitaufwand, Kosten und Erstattungsmöglichkeiten, aber auch über Schmerzen, Funktionsstörungen und eventuelle Nebenwirkungen die Information durch den Zahnarzt. Dieser Durchschnittsverbraucher wird dann auch verstehen, dass es äußerliche Ablagerungen auf den Zähnen gibt, die mit anderen Aufhellungsmitteln, sog. Zahnweißern (im Gegensatz zu Bleichmitteln), beseitigt werden können. Dass beide für die unterschiedlichen Methoden einzusetzenden Mittel als einer Gattung angehörig verstanden werden, ist mangels entsprechender Anhaltspunkte entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht anzunehmen, zumal der Wirkungsunterschied "äußerlich, mechanisch" - "innerlich" deutlich ist. Nach Einholung zahnärztlichen Rates erwartet der Durchschnittsverbraucher auch bei vitalen Zähnen keine nur äußere Aussehensveränderung (mehr).

Schließlich wird die Verbrauchererwartung an die Zweckbestimmung der Bleichmittel und auch der hier streitigen Produkte trotz des eher ästhetisch/kosmetischen Anlasses durch die zahnärztliche Aufklärung dadurch von der Annahme einer nur kosmetischen Zweckbestimmung der Bleichmittel hin zu einer eher medizinischen geführt, weil der Zahnarzt an dem (Behandlungs-)Vorgang wesentlich beteiligt ist und auch dann, wenn es nicht um devitale und deshalb aufzubohrende Zähne geht, wichtig erscheint, weil sonst das Zahnfleisch durch die Wirkstoffe in Mitleidenschaft gezogen werden könnte; hinzu kommt die Notwendigkeit der Anpassung einer individuellen Schiene durch den Zahnarzt für vitale Zahnreihen.

Die Anwendungsmöglichkeit - hier Wirkung im Innern der Zähne, Anwendung und Aufsicht durch den Zahnarzt, ggf. individuelle Schiene - ist einer der Gesichtspunkte, die auch der EuGH bei Abgrenzungsentscheidungen heranzieht.

Vgl. etwa Urteile vom 25.1.1994 - C-212/91 -, Slg. 1994, I-171, 205 Rz. 16, und vom 16.4.1991 - C-112/89 -, Slg. 1991, I-171, 205, Rz. 15.

Auch Inhaltsstoffe können die objektive Zweckbestimmung beeinflussen.

Vgl. die beiden vorstehend zitierten Urteile des EuGH sowie BVerwG, Urteil vom 18.12.1997 - 3 C 46.96 -, a.a.O.

Gleiches gilt für die Gefahren bei der Verwendung.

Vgl. etwa EuGH Urteil vom 20.5.1992 - C-290/90 -, Slg. 1992, I-3317, 3347 Rz. 17 -.

Aus der bei den Akten befindlichen, am 23.6.1999 beschlossenen Klarstellung der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses für Kosmetik und Non-Food-Produkte für den Verbraucher (SCCNFP) der EG bezüglich Wasserstoff-(Carbamid-)Peroxid in Zahnweißprodukten ergibt sich zu den Kriterien Inhaltsstoffe und Gefahren die folgende - zunächst gefasste - Beurteilung: Wenn Zahnweißprodukte, die mehr als 0,1% Wasserstoffperoxid (0,3% Carbamid-Peroxid) enthalten, mit einem Hinweis versehen sein sollten, mit dem vor einer übermäßigen bzw. mehrmaligen Anwendung von Zahnweißmitteln sowie vor einer Anwendung während der Schwangerschaft oder durch gewohnheitsmäßige Tabak- und Alkoholkonsumenten gewarnt werde, werde über 50% der allgemeinen Bevölkerung von der Anwendung dieser Produkte ausgeschlossen, so dass die für die Regulierung kosmetischer Mittel innerhalb der Gemeinschaft zuständigen Dienststellen der Kommission der Meinung waren, dass angesichts der in der Stellungnahme des SCCNFP angegebenen Einschränkungen es nicht angebracht wäre, Bestimmungen in Bezug auf einen solchen Inhaltsstoff in die Richtlinie 76/768/EWG über kosmetische Mittel aufzunehmen. Auch wenn der SCCNFP alsdann klargestellt hat, dass es auf der Grundlage toxikokinetischer Erwägungen unwahrscheinlich sei, dass Wasserstoffperoxid den Fötus erreiche und deshalb auf eine Warnung in Bezug auf eine Schwangerschaft verzichtet werden könne, ergibt sich, dass gesundheitliche Bedenken nicht nur in Bezug auf das Zahnfleisch bestehen, sondern gegenüber ganzen Bevölkerungsgruppen, und zwar - wie die Beklagte geltend macht - wegen der Gefahr einer Tumorbildung bei anfälligen Personen mit Risikoverhalten.

Diese Kriterien - Anwendungsmöglichkeit, Inhaltsstoff, Gefahren - bewirken, dass der informierte Verbraucher nicht nur von einer nicht äußerlichen Wirkung der Zahnbleichmittel ausgeht, sondern den beschriebenen Umständen auch wesentliches Gewicht beimisst, so dass der ursprüngliche ästhetische Anlass zurücktritt.

Soweit dem von der Beklagten herangezogenen Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 20.2.2001 - 22 U 222/00 -, Report Frankfurt, zu entnehmen ist, dass es auch zur äußerlichen Zahnweißung ein Gel gibt, das mit einer Schiene angewandt wird, ist dies kein Grund, von einer einheitlichen Gattung von äußerlich wirkendem Gel und intern wirkenden Zahnbleichmitteln auszugehen, zumal die Zusammensetzung des Gels nicht berichtet wird und eine etwaige Wirkung auf das Zahninnere in jenem Wettbewerbsverfahren nicht Streitgegenstand war. Zudem fällt auf, dass die fachliche Stellungnahme des Zahnarztes Dr. H. vom 19.6.2000 die Wirksamkeit von Gels gegenüber den Zähnen aufhaftenden Belägen verneint.

Hingegen spricht die Darlegung der Klägerin über eine Vielzahl als Medizinprodukte zertifizierte Zahnbleichmittel dafür, dass diese mit den klägerischen Opalescence-Bleichmitteln als im Zahninnern wirkende Mittel eine Gattung bilden.

Der Senat hat keinen Anhalt dafür, dass die - von der Beklagten betonte - Äußerung der Kommissarin Bonino für die Kommission vom 15.2.1996 auf Anfrage des Abg. Newens (ABl. C 109/56) Einfluss auf die Verkehrsauffassung zu dem Begriff "äußerlich" gewonnen hat. Immerhin enthalten die bei Schorn (aaO) unter E 2-6 (8. Erg.-Lieferung 5/99) abgedruckten "Guidelines relating of the application of ... the Direktive 93/42/EEC on medical devices", nachdem sie unter I.1.1.1 d) "bleaching products of teeth", die im Rahmen des Gegensatzes "medical" - "toiletry purpose" Bleichmittel als nicht "medizinisch" behandelt haben, die Einschränkung, dass es einer weiteren Diskussion für solche Zahnbleichmittel bedürfe, die speziell für die Anwendung durch Zahnärzte bestimmt seien ("... intended specifically for application by dentists"). Durch das unveränderte Fortbestehen der "Guidelines" wird die Auskunft der Kommissarin Bonino wieder in Frage gestellt, zumal die Auskunft keine Begründung enthält und erst Recht keine Aussage zur "äußerlichen" Anwendung.

Anhang III (1. Teil) zur KosmetikRL schreibt unter der lfd. Nr. 12 vor, dass "Wasserstoffperoxid und andere Wasserstoffperoxid freisetzende Verbindungen oder Gemische, Carbamid-Peroxid und Zinkperoxid" in "Mundpflegemitteln" nur in einer Höchstkonzentration von 0,1 % H2O2 anwesend oder freigesetzt sein dürfen. Dass die Konzentration in den Opalescence-Produkten höher ist (wie dies auch bei anderen Erzeugnissen dieser Gattung üblich ist), sagt für die hier strittige Einordnung nichts. Sie sind schon keine "Mundpflegemittel". Ebenso wenig kann die Beklagte etwas für ihre Auffassung aus der entsprechenden Regelung in der deutschen Kosmetik-Verordnung (Anlage 2, Teil A, lfd. Nr. 12) herleiten.

Damit setzt sich der beschließende Senat auch nicht in Widerspruch zu dem Beschluss des BVerfG (1. Kammer des 1. Senats) vom 30.1.2002 - 1 BvR 1542/00 -, LRE 43, 222.

Danach ist bei der Auslegung von Kennzeichnungen auf gesetzliche Vorgaben abzustellen und nicht - unabhängig davon - auf die Sicht der Verbraucher. Hier kann jedoch nach dem Regelungszusammenhang "Höchstkonzentration" nicht auf einen Willen des Normgebers zu einer Begriffsfestlegung oder Produkteinordnung geschlossen werden. Das gilt umso mehr als die 1999 in der Kommission diskutierte Ergänzung der lfd. Nr. 12 in Anhang III (1. Teil) KosmetikRL, wo die schon beschriebene Regelung für Zahnweißer ("Tooth withening Products") angefügt werden sollte, nicht erfolgt ist. Die - zeitweilige - Normergänzungsabsicht bestätigt aber, dass die fraglichen Produkte keine "Mundpflegemittel" sind.

Außerdem lässt sich aus einer Zusammenschau der Antwort der Kommissarin Bonino 1996 und den gesetzgeberischen Bemühungen der Kommission 1999 entnehmen, dass die Einordnungsproblematik der von Zahnärzten verwandten - hier strittigen - Zahnbleichmittel über Jahre virulent war, ohne dass der Normgeber die Einordnung als Kosmetikum dadurch vorgenommen hätte, dass der KosmetikRL eine derartige Kategorie - unter Beschränkung der Höchstkonzentration - hinzugefügt worden wäre; die Aufgabe dieser Absicht im Jahre 2000 lässt vielmehr die Auffassung zu, dass die strittigen Produkte keine Kosmetika sein sollen. Dies wird unterstützt dadurch, dass den Normgebern bekannt sein musste, dass eine CE-zertifizierte Anzahl von Zahnbleichern in den Mitgliedstaaten auf dem Markt war. Das bedeutet zugleich, dass die fraglichen Inhaltsstoffe, deren zulässige (Höchst-)Kon-zentration gerade nicht geregelt ist - zumal in Verbindung mit der von ihnen ausgehenden Gefahren und den Anwendungsmodalitäten - eine Einordnung als Kosmetika nicht zulassen.

Der Senat geht sogar davon aus, dass dies auch (künftig) nicht geschieht. Die Produkte sind seit 1985 am Markt, dass sie ernste Schäden angerichtet haben, ist nicht bekannt geworden und wird auch von der Beklagten nicht behauptet. Eine Aufnahme in den genannten Anhang zur KosmetikRL mit der Beschränkung der bisherigen Konzentrationen würde vielmehr gegen den - europarechtlichen - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, weil gegenüber dem von einer solchen Einordnung als Kosmetikum ausgehenden tatsächlichen Verkehrsverbot mildere Maßnahmen - z.B. Vorschreiben weiterer Warnhinweise und nicht nur übliche, sondern zwingende Abgabe nur an Zahnärzte - zur Verfügung stünden.

Der englische Produktname gibt für die Verkehrsanschauung in Deutschland nichts her, da das engl. Wort "opalescent" - von der Beklagten mit "schimmernd" übersetzt, (Langenscheidts Taschenwörterbuch besagt nur "opalisierend") - zumal in der Verfremdung "Opalescece" dem Durchschnittsverbraucher nicht bekannt ist. Daher ist auch nichts daraus für die "äußerliche" Wirkung abzuleiten.

Der Senat verkennt nicht, dass in dem vergleichbaren englischen Fall, von dem drei Urteile bei den Akten sind, das erste Urteil des Richters Laws vom 4.8.1998 ebenfalls auf die Wirkweise der strittigen Bleichmittel im Zahninneren abgestellt hat, dass diese Sichtweise jedoch in den nachfolgenden Urteilen vom 1.7.1999 des Courts of Appeal und vom 28.6.2001 des Houses of Lords verworfen worden ist. Soweit das Berufungsurteil vom 1.7.1999 ausführt, es sei nicht richtig gewesen, dass der Vorderrichter der Wirkung des Mittels so viel Gewicht beigemessen habe, weil es nicht auf die Wirkung, sondern auf den beabsichtigten Zweck ankomme, bedarf es keiner vertieften Auseinandersetzung damit. Die englischen Urteile stellen - anders als nach der ständigen Rechtsprechung in Deutschland geboten - nicht auf die Verkehrsanschauung oder auch nur auf die von dieser umfasste Verbrauchererwartung ab. Beide werden jedoch - wie ausgeführt - sehr wohl von der Anwendungsmöglichkeit, den Inhaltsstoffen und den Gefahren der Zahnbleichmittel geprägt.

Bereits danach ist das Kriterium "äußerlich" i.S.d. § 4 Abs. 1 LMBG objektiv und nach der Verkehrsanschauung nicht gegeben.

bb) Zudem ergibt sich klar aus der zweiten Stellungnahme des sachverständigen Zeugen Prof. Dr. O. vom 14.3.2003, dass er die äußere Anwendung mehrheitlich verneint. Nach Wiedergabe möglicher Begriffsbestimmungen für "kosmetische Mittel" - auch von § 4 Abs. 1 LMBG - schreibt er: "Demnach würde man Bleichmittel nicht zu der Gruppe der Kosmetika rechnen können, weil sie nicht auf die Haut, sondern in (und gelegentlich auf) die Zähne appliziert werden". Die Aussage, Bleichmittel würden in (und gelegentlich auf) die Zähne appliziert, lässt auch keinen Zweifel zu. Der Gebrauch des Wortes "Haut" ist zwar eine gewisse begrifflich verkürzende Unschärfe, die aber für die eigentliche Gewichtung unerheblich ist.

Allerdings stellt Prof. Dr. O. nicht auf den Wirkungsort der Zahnbleichmittel allein ab, sondern darauf, dass avitale Zähne zunächst aufgebohrt werden müssen und die Wirkung des Bleichmittels von ihrem Innern ausgeht.

Der Senat verkennt auch nicht, dass nicht alle Anwendungsgründe im Zahn krankheitsbezogener Art sind. Wie es in der ersten Stellungnahme von Prof. Dr. O. vom 12.2.2003 heißt, gibt es degenerative Veränderungen der Zahnpulpa im Rahmen des natürlichen Alterungsprozesses. Ob - wie anzunehmen - wegen dieses Grundes Bleichmittel eingesetzt werden und in welchem Umfang, bedarf keiner weiteren Aufklärung. Im Rahmen der Beurteilung des Erfordernisses "äußerlich" kommt es nämlich auf den nur die überwiegende objektive Zweckbestimmung prägenden Gegensatz "im weiten Sinne krankheitsbezogen" - "altersbedingt" nicht an.

Maßgeblicher Einfluss auf die Verbrauchererwartung des informierten Durchschnittverbrauchers kommt dem zu, was die Zahnärzte den Patienten erklären. Der Senat geht mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon aus, dass die Zahnärzte sinngemäß aufklärende Aussagen gegenüber den Patienten machen, wie sie Prof. Dr. O. in seinen Stellungnahmen geäußert hat. Deshalb ist als informierter Durchschnittsverbraucher der Patient anzusehen, der zumindest einen avitalen Zahn hat und dem erklärt worden ist, dass der Zahn aufgebohrt wird, um das Bleichmittel in die Pulpahöhle einbringen zu können oder dem dieses Verfahren nach Feststellung des Verfärbungsgrundes vorgeschlagen worden ist. Er wird schon auch deshalb begreifen, dass das Anwendungsgebiet von Bleichmitteln nicht äußerlich ist, wie dies der sachverständige Zeuge ausgeführt hat. Der Patient mit verfärbten vitalen Zähnen wird durch die zahnärztliche Beratung verstanden haben, dass es zwei Methoden zur Zahnaufhellung gibt: die äußerliche, mechanische Beseitigung von Ablagerungen (Belägen) auf der Oberfläche einerseits und andererseits die im Zahninnern wirkende Gel-Methode, bei der im Falle einer Reihe aufzuhellender Zähne eine Schiene angepasst wird.

4) Nachdem sich im Rahmen der Ausführungen zum Fehlen des Erfordernisses "äußerlich" gezeigt hat, dass die diesbezügliche Verbrauchererwartung und Verkehrsanschauung auch durch die Modalitäten der Anwendung (Zahnarzt), den hochdosierten Inhaltsstoff mit seiner Wirkung im Zahninnern - dieser Gesichtspunkt wäre nicht etwa unberücksichtbar, falls man entgegen der Meinung des Senats das Kriterium "äußerlich" als erfüllt ansehen müsste - und die damit verbundenen Gefahren beeinflusst wird, begründet der Senat die Entscheidung zusätzlich auch damit, dass aus diesen Gesichtspunkten und den gescheiterten Bemühungen einer Ergänzung der KosmetikRL durch die Kommission folgt, dass die kosmetische Zweckbestimmung - trotz des jeweils kosmetisch/ästhetischen Ausgangspunkts - nicht gegeben ist, jedenfalls nicht überwiegt. Auch das zentrale Argument der Beklagten, die kosmetische Zweckbestimmung ergebe sich aus den Verkaufszahlen und dem Fehlen von Kassenleistungen greift nicht durch; diese Argumentation hat die Klägerin ohnehin überzeugend widerlegt.

5) Scheitern nach den vorstehenden Ausführungen schon die Feststellung des Tatbestandsmerkmals "äußerlich" in § 4 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 LMBG und die Anerkennung einer kosmetischen Zweckbestimmung im Sinne der genannten Vorschrift, brauchte auf das Vorliegen einer anderen Zweckbestimmung nicht eingegangen zu werden, denn die Untersagung ist erkennbar nur erfolgt, weil die streitigen Produkte von der Beklagten als Kosmetika angesehen werden. Letztlich hat der Senat keine Bedenken, die fraglichen Zahnbleichmittel mit dem angefochtenen Urteil als Medizinprodukte anzusehen, da sie die Kriterien der Begriffsbestimmung in § 3 MPG erfüllen.

Ende der Entscheidung

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