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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 17.05.2002
Aktenzeichen: 13 A 5293/00
Rechtsgebiete: GG, TKG


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 10
TKG § 89 Abs. 2
TKG § 89 Abs. 4
TKG § 89 Abs. 10
TKG § 90 Abs. 1
TKG § 90 Abs. 2
Auch Anbieter von Prepaid-Produkten (z.B. Kartentelefon) sind zur Führung von Kundendateien mit Rufnummer, Name und Anschrift des Nummerinhabers sowie zur Prüfung der Identität des Nummerninhabers anhand bestimmter Dokumente verpflichtet.

Die Aufsichtsbehörde kann die Einhaltung dieser gesetzlichen Verpflichtungen durch Leitlinien sicherstellen und deren Verbindlichkeit gegenüber dem einzelnen Anbieter durch feststellenden Verwaltungsakt begründen.

Die Verpflichtung zur Führung von Kundendateien für sicherheitsbehördliche Auskunftsersuchen ist nicht auf die nach § 89 Abs. 2 TKG erlaubtermaßen erhebbaren ... Daten beschränkt.


Tatbestand:

Die Mobilfunk betreibende Klägerin bietet u.a. Prepaid-Produkte an, für die mit einem Guthaben erworbene Telefonkarten verkauft werden. Wegen der Vorauszahlung des Kunden ist für die Klägerin die Erhebung von Kundendaten nicht erforderlich. Um Auskunftsbefugnisse der Sicherheitsbehörden zu gewährleisten, teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18.9.1997 bei der Vermarktung von Prepaid-Produkten zu berücksichtigende Leitlinien mit, bei deren Beachtung gegen die Vermarktung keine Bedenken bestünden. Nach diesen muss die Identität des Nutzers durch alternativ angeführte Dokumente - etwa den amtlichen Lichtbildausweis - nachgewiesen, die Nummer des Ausweispapiers festgehalten sowie Name und Adresse des Nutzters gem. Identitäsnachweis und Rufnummer in das Verzeichnis nach § 90 TKG eingestellt und darf der Telekommunikationsdienst erst nach Identitätsnachweis freigegeben werden.

Der gegen diesen Bescheid von der Klägerin erhobenen Klage gab das VG statt, das OVG wies sie auf die Berufung der Beklagten ab.

Gründe:

Der Bescheid der Beklagten - Bundesminister für Post und Telekommunikation - (BMPT) vom 18.9.1997 mit dem nachfolgend dargestellten Inhalt ist rechtmäßig.

Inhaltlich trifft der angefochtene Bescheid die sinngemäße Feststellung, dass die Leitlinien für die Vermarktung von Prepaid-Produkten - auch - gegenüber der Klägerin verbindlich gelten. Die Beklagte verlangt noch kein von ihr vorgezeichnetes Tun oder Verhalten der Klägerin im einzelnen Anwendungsfall, sondern nur, wenn auch verbindlich regelnd, dass die Leitlinien zu "berücksichtigen" seien. Damit ist der Verwaltungsakt auf die Feststellung eines bestimmten Rechtsverhältnisses, nämlich einer Verpflichtung der Klägerin der Beklagten gegenüber gerichtet.

Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 TKG kann die Regulierungsbehörde u.a. Anordnungen treffen, um die Einhaltung der Vorschriften des Elften Teils des Telekommunikationsgesetzes sicherzustellen. Diese Vorschrift ermächtigt grundsätzlich auch zum Erlass von Verwaltungsakten, die den einzelnen Telekommunikationsdiensteanbieter an Leitlinien bindet, die eine gleichmäßige Einhaltung des § 90 TKG durch die Anbieter bewirken sollen. Im Übrigen ist die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), deren Funktion bis Ende 1997 der BMPT gemäß § 98 TKG wahrgenommen hat, nach der Rechtsprechung des Senats vgl. die Beschlüsse vom 24.8.2000 - 13 B 112/00 -, NVwZ 2001, 696, und vom 27.11.2001 - 13 A 2940/00 -, zur Feststellung der Vorabgenehmigunggspflichtigkeit von Entgelten entsprechend dem aus den Regelungen des Telekommunikationsgesetzes, insbesondere der allgemeinen Aufsichtsbefugnis (§ 71 TKG) erkennbaren Willen des Gesetzgebers ermächtigt, im Rahmen der Überwachung der Einhaltung des Telekommunikationsgesetzes feststellende Verwaltungsakte gegenüber Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen auszusprechen. Wenn die RegTP bzw. vor ihrer Zeit der BMPT berechtigt ist bzw. war, Missachtungen des Telekommunikationsrechts durch Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen mit Bußgeldern zu ahnden, wie hier nach § 96 Nr. 16 TKG, um so auf eine Erfüllung der telekommunikationsrechtlichen Regelungen hinzuwirken, muss sie bzw. er aus dem Gesichtspunkt des milderen Mittels auch berechtigt sein, die zu befolgende Verpflichtung des Anbieters zu einem bestimmten telekommunikationsrechtlich vorgeschriebenen Verhalten oder Handeln regelnd festzustellen.

Die Feststellung, dass die Leitlinien auch von der Klägerin zu beachten sind, ist rechtmäßig.

Sie unterliegt nicht etwa deshalb verfassungsrechtlichen Bedenken aus den Prinzipien der Gewaltenteilung und/oder des Vorbehalts des Gesetzes, weil sie exekutiven Bestimmungen gleichsam normative Wirkung vermittelt. Denn der Aufsichtsbehörde ist es nicht verwehrt, die Einhaltung gesetzlicher Verpflichtungen sicher zu stellen durch den Erlass von Richtlinien oder Leitlinien auf einer allgemeinen Stufe und Erhebung dieser Richtlinien/Leitlinien zur Verbindlichkeit gegenüber den Adressaten. Voraussetzung ist lediglich, dass sich derartige Richtlinien/Leitlinien im Rahmen derjenigen Gestzesvorschriften halten, deren Beachtung sie sicher stellen sollen. Verstößt ein Adressat gegen die Richtlinie/Leitlinie, verstößt er zugleich gegen die zugehörige Gesetzesvorschrift und berechtigt dies zu aufsichtsrechtlichem Eingreifen.

Vgl. hierzu: Eyermann/Rennert, VwGO, 11. Aufl., § 114 Rdnrn. 19, 28 f.

Vorliegend konkretisieren und beschreiben die Leitlinien die Handlungs- und Verhaltenspflichten der Telekommunikationsdiensteanbieter aus § 90 Abs. 1 TKG. Sie fordern verkürzt dargestellt 1. eine Identitätsprüfung nach beschriebener Modalität nebst Notierung des Identitäts-Ausweispapiers, 2. das Einstellen von Name, Anschrift und Dienstenummer in die Datei und 3. die Dienstefreischaltung erst nach erfolgtem Identitätsnachweis. Diese Anforderungen leiten sich ohne Weiteres aus § 90 Abs. 1 TKG ab, so dass ihre Beachtung durch den Anbieter zugleich die Erfüllung der Verpflichtungen aus dieser Vorschrift beinhaltet.

Nach § 90 Abs. 1 TKG ist ein Anbieter von Telekommunikationsdiensten verpflichtet, Kundendateien zu führen, in die .... Rufnummer und Rufnummernkontingente ... sowie Name und Anschrift der Inhaber aufzunehmen sind ... Nach Abs. 2 Satz 1 sind die aktuellen Kundendateien von den Diensteanbietern verfügbar zu halten, so dass sie die Regulierungsbehörde abrufen kann. Das Führen von Kundendateien, aus denen Kundendaten abgerufen werden können, setzt zwingend die Erhebung dieser Kundendaten und ihr Einstellen in die Datei voraus. Das Führen einer Datei ohne Inhalt wäre unsinnig und kann nicht Anliegen des Gesetzgebers gewesen sein. Die Erhebung der in die Kundendatei einzustellenden Daten, nämlich Nummer, Name und Anschrift des Nummerninhabers, ist daher eine Selbstverständlichkeit, die keiner wörtlichen Erwähnung in § 90 Abs. 1 und 2 TKG bedurfte.

Ebenso selbstverständlich ist, dass es sich bei den in die Datei einzustellenden Daten um zutreffende Daten handeln muss. Das ergibt sich nicht nur aus Sinn und Zweck der Vorschrift, nämlich den zuständigen Sicherheitsbehörden die Strafverfolgung anhand der - von der RegTP - abrufbaren Daten zu ermöglichen oder zu erleichtern, sondern auch aus der ausdrücklichen Forderung nach "aktuellen" Daten. Die von den Diensteanbietern abverlangte Identitätsprüfung dient mithin der Sicherstellung der Richtigkeit der zu erhebenden und in die Datei einzustellenden Kundendaten (nach der TDSV-Terminologie Bestandsdaten). Diesem Ziel dient auch die Notierung der Nummer des Identitätsdokuments, weil sie zur Überprüfung von Inhalt und Echtheit des Dokuments und damit letztlich der Daten selbst erforderlich sein kann. Die Einstellung der angeführten Daten in die Datei ist, wie erwähnt, zwingende Voraussetzung zum Datenabruf. Die Freischaltung des Dienstes erst nach Abschluss des Identitätsnachweises ist notwendige Voraussetzung für eine ihrem Zweck entsprechende Anwendung der Vorschrift. Ein Abrufen "gesicherter" Daten eines benutzten oder benutzbaren freigeschalteten Dienstes ist vor Abschluss der Identitätsprüfung nicht möglich.

§ 90 TKG ist entgegen der Ansicht der Klägerin und des VG auch auf die Prepaid-Produkte der Klägerin anwendbar.

Zunächst kann der Ansicht des VG nicht gefolgt werden, dem Wortlaut des § 90 TKG sei eine Verpflichtung, die entsprechenden Bestandsdaten ihrer Kunden zu "erheben", nicht zu entnehmen; eine solche sei auch nicht durch Auslegung der Vorschrift zu gewinnen; vielmehr ergebe sich aus der Systematik des Gesetzes und seiner Entstehungsgeschichte, dass sich die Verpflichtung zur Führung von Kundendateien lediglich auf die nach § 89 Abs. 2 TKG i.V.m. der - seinerzeitigen - Telekommunikationsdienstunternehmen-Datenschutzverordnung (TDSV) erlaubtermaßen gewonnenen Daten beziehe.

§ 89 TKG und § 90 TKG sind zwei selbständig nebeneinander stehende Regelungen. Weder nimmt § 90 TKG auf § 89 TKG Bezug noch ergänzt § 90 TKG die Regelungen des § 89 TKG. Anhaltspunkte für eine solche Ergänzung oder Bezugnahme weist der Wortlaut des § 90 TKG nicht auf. Auch inhaltlich besteht zwischen beiden Regelungen keine irgendwie geartete Verknüpfung. Charakter und Zielrichtung beider Vorschriften sind unterschiedlich. Nach § 89 Abs. 2 TKG, der im Mittelpunkt der Argumentation des VG steht, "dürfen" Telekommunikationsdienste erbringende oder an der Erbringung mitwirkende Unternehmen Kundendaten unter den dort genannten Voraussetzungen erheben, verarbeiten und nutzen. Ihnen wird insoweit eine Befugnis oder Rechtfertigung zum Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht bezüglich der Kundendaten zugesprochen, von dem sie mehr oder minder Gebrauch machen können, aber nicht müssen. § 90 Abs. 1 und 2 TKG "verpflichtet" dagegen den Anbieter - und nicht nur den Erbringer - von Telekommunikationsdiensten zur Führung von Kundendateien und, wie ausgeführt, zuvor zur Erhebung und Überprüfung ganz bestimmter Kundendaten. § 89 Abs. 2 TKG zielt daher, wie in der Überschrift des Elften Teils des Gesetzes vorgezeichnet, auf den Datenschutz, während § 90 Abs. 1 und 2 TKG den Bedürfnissen der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben dient und unter den in der Überschrift des Elften Teils des Telekommunikationsgesetzes enthaltenen Begriff "Sicherung" zu fassen ist. Diese an die frühere Auskunftspflicht des vor der Privatisierung staatlichen Unternehmens anknüpfende Ausrichtung der Vorschrift ist bereits in der Begründung der Fraktionen und der Bundesregierung zum Entwurf eines Telekommunikationsgesetzes, vgl. BT-Drucks. 13/3609, S. 55, zu § 87, herausgestellt worden, während Ausgangspunkt der Begründung zu § 86 des Entwurfs (= § 89 TKG) der Ausgleich der Unternehmensinteressen bezüglich der Kundendaten und der Nutzerinteressen war. Eine andere Ausrichtung haben beide Vorschriften auch durch die Stellungnahme des Bundesrates, vgl. BT-Drucks. 13/4438 S. 24 ff, und durch die Empfehlungen des Ausschusses für Post und Telekommunikation, vgl. die Begründungen für die vorgeschlagenen Änderungen in BT-Drucks. 13/4864 S. 83 f, nicht erfahren. Die durch den Wortlaut der Vorschriften, ihren unterschiedlichen Regelungsinhalt und ihre unterschiedliche Zielrichtung zum Ausdruck kommende Selbständigkeit der Regelung des § 90 TKG gegenüber § 89 TKG wird noch bestätigt durch die spezielle Ermächtigung der Regulierungsbehörde zur Reaktion auf Verstöße des Anbieters gegen seine Verpflichtungen aus § 90, die in entsprechender Ausgestaltung dem § 89 TKG fehlt.

Die von der Klägerin und vom VG vertretene Reduzierung des § 90 TKG lässt sich nicht aus der Systematik des Gesetzes, insbesondere nicht mit Blick auf die Auskunftspflicht des Telekommunikationsdiensteerbringers aus § 89 Abs. 6 TKG rechtfertigen. Zwar betreffen § 89 TKG und § 90 TKG den Umgang mit Daten von Kunden; so schreibt § 89 TKG in Verbindung mit der - früheren - Telekommunikationsdienstunternehmen-Datenschutzverordnung (jetzt: Telekommunikations-Datenschutzverordnung) detailliert die Behandlung von Kundendaten vor, während § 90 TKG u.a. die technische Abwicklung des Datenabrufs regelt. Hieraus folgt aber noch nicht, dass § 90 TKG an § 89 TKG anknüpft und die nach § 90 Abs. 1 TKG erfassten Daten auf die nach § 89 Abs. 2 TKG erlaubtermaßen erhebbaren, verarbeitbaren und nutzbaren Daten zu reduzieren sind. Denn es ist sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht zu unterscheiden zwischen der nach § 89 TKG erlaubterweise und der nach § 90 TKG bindend zu führenden Datei. Erstere darf, muss aber nicht vom Telekommunikationsdiensteerbringer angelegt und geführt werden und umfasst ein relativ weites Datenspektrum; soweit die Datei geführt wird, hat der Diensteerbringer den in Abs. 6 angeführten Stellen über alle vorgehaltenen Daten Auskunft zu erteilen; er hat sogar unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Nr. 3 auf Antrag eines privaten Nutzers Daten zu erheben und ihm ggf. preiszugeben. Von dieser Datei ist die nach § 90 TKG zu führende Datei getrennt zu führen. Das folgt daraus, dass aus letzterer Datei gemäß § 90 Abs. 2 TKG allein die Regulierungsbehörde Daten abrufen kann und sicherzustellen ist, dass der Diensteanbieter von einem solchen Abruf keine Kenntnis nehmen kann. Nicht der Anbieter erteilt die Datenauskunft nach § 90 Abs. 1 TKG und nicht er, sondern die Regulierungsbehörde hat die Hoheit über den Dateiinhalt und prüft kursorisch die Zulässigkeit der Nachfrage der jeweiligen Behörde; der Anbieter erfährt nicht einmal später von dem erfolgten Datenabruf. Der Abruf ist zudem auf ein nur drei Daten umfassendes Spektrum (Name, Anschrift, Anschlussnummer) sowie auf den Kreis der Nachfrage haltenden öffentlichen Stellen gemäß Abs. 4 beschränkt, der nicht identisch ist mit dem des § 89 Abs. 6 TKG. Nach alledem trifft es nicht zu, dass § 89 Abs. 6 und § 90 TKG sich nur unterschieden in der Art und Weise des Zurverfügungstellens der Daten. Der inhaltliche Unterschied beider Dateien und der Unterschied des Abrufvorgangs sowie der Verwendung des Dateieninhalts verdeutlichen, dass der Gesetzgeber durch § 90 TKG gerade keine Verpflichtung zur Führung einer den Anforderungen des § 89 Abs. 2 TKG unterfallenden Datei begründen und nicht bloß eine Abrufautomatisierung regeln wollte. Wäre das der Fall gewesen, hätte es nahegelegen, dass er entsprechende Regelungen in § 89 TKG eingearbeitet und nicht neben diesem eine eigenständige Vorschrift ebenfalls mit Detailregelungen, nämlich zum ausschließlichen Datenmaterial, ausschließlichen Verwendungszweck und zur technischen Durchführung der Auskunft, geschaffen hätte. Nur am Rande sei hier angemerkt, dass es entgegen der Ansicht der Klägerin von der Sache her keiner weiteren Detailregelungen zum Schutze des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in § 90 TKG bedurfte und sich die umfassenden Detailregelungen des § 89 TKG in Verbindung mit der Telekommunikationsdienstunternehmen-Datenschutzverordnung bzw. der Telekommunikations-Datenschutzverordnung daraus rechtfertigen, dass dort Kundendaten allein der relativ ungeschützten Handhabung durch den privaten Telekommunikationsdiensterbringer unterliegen.

Der von der Klägerin und dem VG gesehene Widerspruch zwischen den Regelungen des § 89 Abs. 10 und § 90 Abs. 1 TKG löst sich auf. Soweit die "Erbringung von Telekommunikationsdiensten" nicht von der Preisgabe personenbezogener Daten, die für die Erbringung oder Entgeltfestsetzung dieser Dienste nicht erforderlich sind, abhängig gemacht werden darf, steht das schon vom Wortlaut her einer Weigerung des Verkaufs der notwendigen Prepaid-Card ohne Preisgabe der Daten nach § 90 Abs. 1 TKG durch den Kunden nicht entgegen. Im Übrigen ist die Untersagung aus Absatz 10 im Lichte der Zielrichtung des § 89 TKG zu interpretieren. Dieser regelt den Umgang mit Kundendaten durch den Diensteerbringer und den Schutz des Kunden vor unnötiger Verwendung seiner Daten aus den allein dem Diensteerbringer zugänglichen Dateien. Demgemäß untersagt Absatz 10 die Koppelung der Diensteerbringung durch den Erbringer mit der Preisgabe der Daten durch den Kunden - nur - vor den Hintergrund dieser Dateien. Kundendateien, die der Diensteanbieter gleichsam im zwingenden Gesetzesaufrag für staatliche Behörden einrichtet, bzw. die in eine solche Datei einzustellenden Daten werden dagegen von § 89 Abs. 10 TKG nicht erfasst. Eine Beachtung der Untersagungsregelung im Zusammenhang mit der Dateiführungspflicht aus § 90 TKG wäre auch unvereinbar mit der Selbständigkeit der Vorschriften der § 89 und § 90 TKG.

Schließlich stützt auch die Entstehungsgeschichte des § 90 TKG die Rechtsansicht der Klägerin und der Vorinstanz nicht. Dass der Gesetzgeber mit einem selbständigen § 90 TKG eine direkte und schnelle, weil bei der Regulierungsbehörde zentralisierte "Rufnummernauskunft" unabhängig von den Regelungen des § 89 TKG für jede Form der Kommunikation, also auch für anonyme Kundenverhältnisse schaffen wollte, wird bestätigt durch die von der Beklagten in der Berufung vorgelegten Vorgänge auf Regierungsebene vor Einbringung des Entwurfs eines Telekommunikationsgesetzes in das Gesetzgebungsverfahren. Aus dem Bericht der Bundesregierung über Möglichkeiten zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs bei "modernen Telekommunikationsformen" vom 24.01.1995 geht die Erkenntnis hervor, dass die seinerzeitigen Überwachungsverfahren der Sicherheitsbehörden, die auf örtlich unveränderbare Anschlüsse ausgerichtet waren, angesichts der modernen Kommunikationsmöglichkeiten, insbesondere der Mobilfunknetze (D-Netze) unterlaufen werden konnten und diese Problematik einer Lösung durch zusätzliche Soft- und Hardware innerhalb der eigentlichen Telekommunikationssysteme und einer zentralen, neutralen Auskunftsstelle bedurfte. Hierbei ist auch der Blick gefallen auf ausländische Prepaid-Karten, deren Einsatz als Folge der Liberalisierung - durch eine nationale Regelung - vermutlich nicht abwendbar sei, was jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin keinen "Vorerst-Verzicht" des Gesetzgebers und erst recht keine inhaltliche Beschränkung des Auskunftsersuchens entsprechend den Datenschutzregelungen beinhaltet. Des gleichen ist die Problematik und sind Lösungsansätze zeitgleich von der Bundesministerin der Justiz in einem Bericht aus Mai 1995 aufgezeigt worden. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse ist der Entwurf eines Telekommunikationsgesetzes im Frühjahr 1996 erarbeitet und mit § 87 (dem späteren § 90 TKG) - einem der vorgeschlagenen Lösungsansätze zumindest nahekommend - ein separates, zentralisiertes Verfahren u.a. der Rufnummernauskunft vorgesehen worden. Insofern hat der Gesetzgeber entgegen der Ansicht der Klägerin das erkannte Problem der weitgehenden Unüberwachbarkeit von Telekommunikation mit Prepaid-Produkten durch eine einheitliche Regelung für alle Anbieter hinreichend gelöst. Welche Regelungen darüber hinaus erforderlich gewesen sein sollen und weshalb deren Fehlen das von der Klägerin verfochtene Verständnis von § 90 TKG rechtfertigen soll, hat diese nicht aufgezeigt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin beinhaltet § 90 TKG auch keinen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) und ist deshalb auch keine einschränkende verfassungskonforme Interpretation des § 90 Abs. 1 TKG im Sinne der Klägerin geboten. Das Fernmeldegeheimnis umfasst den Inhalt sowie die näheren Umstände von Telekommunikation. Die Pflicht zur Führung der Datei nach § 90 Abs. 1 TKG bzw. das Erheben von Bestandsdaten, deren Einstellen in die Datei sowie das Verfügbarhalten der Datei berührt den Bereich des einzelnen Telekommunikationsvorgangs und seiner jeweiligen Umstände nicht, sondern verhält sich lediglich im Vorfeld dessen. Eine Kenntnisnahme von Inhalt und Umständen des jeweiligen Telekommunikationsvorgangs erfolgt noch nicht durch Abruf und Weitergabe der Daten durch die Regulierungsbehörde an die nachfragenden Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitsbehörden, sondern wird erst durch deren konkreten Zugriff auf einzelne Verbindungen möglich. Einer Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Klägerin zu Problematiken des Fernmeldegeheimnisschutzes bedarf es daher nicht.

Soweit die Klägerin in § 90 TKG einen Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit sieht, greift dies ebenfalls nicht durch. Die Verpflichtung zur Führung einer Datei über Namen, Anschrift und Nummer/Nummernkontingente des Anschlussinhabers beinhaltet lediglich eine nach der Rechtsprechung des BVerfG auf der untersten Stufe der Eingriffsintensität einzuordnende Berufsausübungsregelung, die durch vernünftige Gemeinwohlbelange, nämlich die effektive Wahrnehmung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden gerechtfertigt ist. Der Eingriff ist nicht unverhältnismäßig. Die zur Sicherstellung der Verpflichtung aus § 90 Abs. 1 TKG notwendigen Maßnahmen der Telekommunikationsdiensteanbieter bei Vertrieb von Prepaid-Produkten führen zwar möglicherweise zu einem eingeschränkten Umsatz und zu Mehrkosten, was aber angesichts des angestrebten Sicherheitsgewinns für die Allgemeinheit zumutbar und nicht unerträglich schwer, etwa für die Anbieter existenzgefährdend ist, zumal jeder Anbieter in der gleichen Weise betroffen ist. Dass die durch § 90 TKG den Sicherheitsbehörden eröffneten Möglichkeiten ungeeignet wären, die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zumindest zu fördern, kann nicht festgestellt werden. Daran ändert nichts, dass die sicherheitsbehördliche telekommunikative Observierung von Verdächtigen möglicherweise umgangen werden kann und eine internationale Regelung der Erfassung anonymer Kundenverhältnisse noch nicht erfolgt ist. Bereits der Effekt der Regelung des § 90 TKG, dass die Begehung von Straftaten unter Einsatz von Prepaid-Produkten erschwert wird, stellt einen gewissen Sicherheitsgewinn und eine hinreichende Legitimation für die Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit dar.

Dasselbe gilt im Hinblick auf den in § 90 TKG liegenden Eingriff in das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die verfassungsrechtlich gebotenen Vorkehrungen gegen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts sehen die den Zugriff auf die Personendaten regelnden Fachgesetze - z.B. Strafprozessordnung oder G 10 - vor.

Zwar hat der Bundesrat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Begleitgesetzes zum Telekommunikationsgesetz die Effektivität der Regelung des § 90 TKG in Zweifel gezogen, doch indiziert dies keine Ungeeignetheit des Eingriffsmittels in Bezug auf das Gesetzesziel und bietet dies erst recht keinen Anhaltspunkt für eine inhaltliche Einschränkung der Dateiführungspflicht aus § 90 Abs. 1 TKG am Maßstab des § 89 Abs. 2 TKG. Die seinerzeitigen Zweifel des Bundesrates erklären sich erkennbar dadurch, dass, wie die Bundesregierung an derselben Stelle eingeräumt hat, der Bund seinerzeit technisch noch nicht in der Lage war, Rufnummernauskünfte gemäß § 90 TKG zu erteilen, eben weil die für die Durchführung des Auskunftsverfahrens notwendigen technischen und inhaltlichen Maßstäbe für die Telekommunikationsdiensteanbieter noch nicht entwickelt waren. Ihre Ablehnung des Bundesratsvorschlags hierzu begründete die Bundesregierung u.a. damit, sie sei bemüht, die automatisierte Rufnummernauskunft nach § 90 TKG schnellstmöglich einzuführen. Gerade diese im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Begleitgesetzes zum Telekommunikationsgesetz geäußerte Erwägung der Bundesregierung zur Gesetz gewordenen Fassung des § 87 spricht nicht, wie das Verwaltungsgericht meint, gegen das von der Beklagten angelegte Verständnis von § 90 TKG, sondern gerade dafür. Die Bundesregierung und ihr folgend der TKG-Gesetzgeber wollten von jedem Anbieter von Telekommunikation in welcher technischen Ausgestaltung auch immer, also auch in Form des Mobilfunks mit Prepaid-Card, die Verpflichtung zur automatisierten Rufnummernauskunft nach § 90 TKG.

Vgl. hierzu auch die Begründung des Ausschusses für Post und Telekommunikation, BT-Drucks. 13/4864 (neu), Seite 84, zu § 87 Abs. 1, dessen Geltungsbereich sich auf alle Fälle des geschäftsmäßigen Erbringens von Telekommunikationsleistungen erstrecken sollte.

Diesem deutlich erkennbaren Gesetzesanliegen wird die Interpretation des § 90 TKG durch die Klägerin und die Vorinstanz nicht gerecht.

Der angefochtene Bescheid ist auch nicht etwa deshalb zu beanstanden, weil die Leitlinien eine Identitätsprüfung nicht an Hand anderer, im Klageantrag zu 3. äußerst hilfsweise angeführter Ausweisdokumente (Führerschein, Studenten-/Schülerausweis usw.) erlaubt. Denn es existiert jedenfalls kein Recht des Telekommunikationsdiensteanbieters zu einer durch diese Dokumente erfolgten Identitätskontrolle. Die Modalitäten der Überprüfung schreibt § 90 TKG nicht vor, so dass insoweit die zuständige Behörde die für alle Anbieter gleiche, dem Sinn und Zweck der Vorschrift Rechnung tragende Identitätsprüfungsmodalität nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen konnte. Sinn und Zweck der Regelung des § 90 TKG erfordern auch unter Berücksichtigung von Zumutbarkeitserwägungen zugunsten der Anbieter eine Identitätsüberprüfung bei Bewerbern von Prepaid-Produkten, die eine angemessene aber gleichwohl hohe Sicherheit für die Richtigkeit der aufzunehmenden Daten gewährleistet. Eine solche ist bei den im Bescheid der Beklagten vom 18.9.1997 angeführten Dokumenten und dem von ihr nachträglich akzeptierten US-amerikanischen Truppenausweis gegeben. Den von der Klägerin angeführten Dokumenten kommt eine derart hohe Zuverlässigkeit für die Richtigkeit der Daten jedoch nicht zu. Sie bieten zum einen nicht den erforderlichen hohen Grad an Sicherheit für die Richtigkeit der in ihnen dokumentierten Inhaberdaten, weil sie nicht einer regelmäßigen fachbehördlichen Kontrolle und Aktualisierung unterliegen, mitunter auch gar keine aktuelle Anschrift des Inhabers (Schülerausweis) und gar kein Lichtbild enthalten, und zum anderen im allgemeinen Rechtsverkehr isoliert nicht als Identitätspapier, sondern allenfalls als Statusnachweis anerkannt sind. Hierbei handelt es sich um sachliche Gesichtspunkte, die es rechtfertigen, die von der Klägerin genannten Dokumente vom Kreis der akzeptierten Identitätsnachweise auszuschließen, so dass jedenfalls ein Rechtsanspruch eines Anbieters im Sinne des äußerst hilfsweisen Antrages zu 3. nicht besteht.

Soweit die Klägerin ihre Hilfsanträge in der Berufung weiterverfolgen und ihnen überhaupt eigenständige Bedeutung zukommen sollte und mit ihrem Klageantrag zu 2. (=erster Hilfsantrag) begehrt festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, bestimmte, im Bescheid vom 18.9.1997 benannte Kundendaten zu erheben und zu überprüfen, ist der Antrag bereits gemäß § 43 Abs. 2 VwGO unzulässig, weil die Klägerin ihre Rechte insoweit durch Anfechtungsklage verfolgen kann. Im Übrigen wäre er nach den obigen Ausführungen jedenfalls unbegründet, weil die Verpflichtung zur Führung von Kundendateien mit abrufbaren Daten zwingend die Verpflichtung zur Erhebung dieser Daten voraussetzt.

Im Grunde dasselbe gilt für den Klageantrag zu 3., erster Teil (=weiterer Hilfsantrag), der Klägerin. Auch dieser Antrag ist unzulässig, im Übrigen aber auch unbegründet, weil die Verpflichtung zur Erhebung von Daten nach Sinn und Zweck der Vorschrift selbstverständlich auf zutreffende Daten gerichtet ist, was zwangsläufig deren Überprüfung erfordert.

Auch der abschließend von der Klägerin äußerst hilfsweise gestellte Klageantrag zu 3., zweiter Teil, festzustellen, dass sie die Identitätsüberprüfung nicht ausschließlich anhand der im Bescheid vom 18.9.1997 genannten Dokumente oder eines US-amerikanischen Truppen-/Dienstausweises durchzuführen habe, sondern auch anhand anderer geeigneter und dort beispielhaft angeführter Ausweisdokumente durchzuführen berechtigt sei, hat, selbst wenn es sich um einen echten Hilfsantrag handelte, keinen Erfolg. Soweit die Identitätsprüfung durch "andere geeignete Ausweisdokumente" vorgenommen werden soll, ist der Antrag bereits unzulässig, weil das o.a. Begehren nicht hinreichend bestimmt ist. Soweit die Klägerin die "anderen geeigneten Ausweisdokumente" beispielhaft benennt, ist der Antrag nach den obigen Ausführungen jedenfalls unbegründet.

Ende der Entscheidung

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