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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 07.12.2005
Aktenzeichen: 13 A 711/02 (1)
Rechtsgebiete: PostG


Vorschriften:

PostG § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4
Zur Rechtmäßigkeit einer einem Wettbewerber der Deutschen Post AG erteilten Lizenz nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG.

Eine Lizenz für eine sog. "overnight"-Zustellung (werktägliche Abholung von Briefsendungen bei den Auftraggebern nach 17.00 Uhr und eine Zustellung dieser Sendungen bis spätestens 12.00 Uhr des folgenden Tages) erfüllt die Tatbestandsmerkmale des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG ("Trennbarkeit von Universaldienstleistungen", "besondere Leistungsmerkmale", "qualitative Höherwertigkeit").


Tatbestand:

Die bundesweit die Briefbeförderung durchführende Klägerin, der nach dem Postgesetz die derzeit bis Ende 2007 befristete gesetzliche Exklusivlizenz für die gewerbsmäßige Beförderung von Briefsendungen und adressierten Katalogen bis zu einer bestimmten Gewichts- und Preisgrenze zusteht (§ 51 Abs. 1 Satz 1 PostG) und die seit Februar 2002 für den Zeitraum der gesetzlichen Exklusivlizenz verpflichtet ist, Universaldienstleistungen im Sinne der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) zu erbringen, wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte "Lizenz zur gewerbsmäßigen Beförderung von Briefsendungen" nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG. Nach dieser Bestimmung gilt die gesetzliche Exklusivlizenz für die Klägerin nicht für Dienstleistungen, die von Universaldienstleistungen trennbar sind, besondere Leistungsmerkmale aufweisen und qualitativ höherwertig sind.

Gegenstand der Lizenz für die Beigeladene ist u.a. die sog. "Overnight"-Zustellung (E+1, werktägliche Abholung von Briefsendungen bei den Auftraggebern nach 17.00 Uhr und garantierte Zustellung dieser Sendungen bis spätestens 12.00 Uhr des folgenden Werktags). Die Lizenz für die Beigeladene enthält zudem weitere Merkmale z. B. zur Rückholbarkeit von Sendungen, zur Nichtberechnung des Sendungsentgelts bei Verfehlen des Zustellzeitziels, zur nachträglichen Abrechnung der tatsächlich erbrachten Dienstleistungen, zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe des Sendungsentgelts bei Verfehlen des Zustellzeitziels und zur Haftung bis zu einer bestimmten Summe für den Verlust oder die Beschädigung von Sendungen.

Das VG hob die "Overnight"-Lizenz für die Beigeladene auf. Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen wies das OVG, nachdem das BVerwG die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hatte, in einer erneuten Berufungsentscheidung die Klage ab. Die Revision wurde zugelassen.

Gründe:

Der für das Klagebegehren und die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung der angefochtenen Lizenz maßgebliche Zeitpunkt richtet sich nach materiellem Recht.

BVerwG, Beschluss vom 23.11.1990 - 1 B 155.90 -, NVwZ 1991, 372.

(Wird ausgeführt).

Die Klage ist zulässig. Insbesondere hat das VG die Klagebefugnis der Klägerin zu Recht bejaht (Wird ausgeführt).

Die Klage ist nicht begründet.

Die angefochtene Lizenz ist nicht wegen fehlender Bestimmtheit aufzuheben. Zwar kann sich auch ein Drittbetroffener auf eine fehlende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts berufen und liegt insoweit eine Rechtsverletzung seinerseits vor, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um einen ihm zukommenden Schutzbereich (hier auf Grund der Exklusivlizenz) zu wahren und eine Verletzung desselben zu verhindern.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6.8.2002 - 10 B 939/02 -, NWVBl. 2003, 214; Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 37 Rdnr. 12.

Die Lizenz für die Beigeladene verstößt aber nicht gegen das in § 37 Abs. 1 VwVfG normierte Gebot hinreichender Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Dem steht nicht entgegen, dass sich die konkreten Regelungen i.S.d. § 35 VwVfG nicht schon aus dem Entscheidungssatz der Lizenz ergeben und sich dieser auf die Wiedergabe des Wortlauts des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG beschränkt. (Wird ausgeführt)

Die der Beigeladenen erteilte Lizenz ist materiell rechtmäßig. Dies gilt auch angesichts der Entscheidung des BVerfG vom 7.10.2003 - 1 BvR 1712/01 -, BVerfGE 108,370, u.a. mit der Aussage, dass Art. 143b Abs. 2 Satz 1 GG gegenüber dem Art. 12 Abs. 1 GG vorrangig ist und dass sich Wettbewerber der Klägerin im monopolisierten Bereich nicht auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen können.

Die angefochtene Lizenz hat ihre Rechtsgrundlagen in §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3, 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG.

Gem. § 5 Abs. 1 PostG bedarf der Lizenz, wer Briefsendungen, deren Einzelgewicht nicht mehr als 1000 Gramm beträgt, gewerbsmäßig für andere befördert. Briefsendungen sind dabei nach § 4 Nr. 2 PostG adressierte schriftliche Mitteilungen; Kataloge und wiederkehrend erscheinende Druckschriften wie Zeitungen und Zeitschriften gehören nicht dazu.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 PostG ist die Lizenz zu erteilen, wenn kein Versagungsgrund nach § 6 Abs. 3 PostG besteht.

Ein Grund für die Versagung der Lizenz nach § 6 Abs. 3 PostG, der nach dem Willen des Gesetzgebers insoweit eine abschließende Regelung darstellt, vgl. BT-Drucks. 13/7774 S. 21 -, ist nicht gegeben. Von den dort aufgeführten Versagungsgründen kommt nur Nummer 2 in Betracht, zumal die subjektiv bezogenen Versagungsgründe des § 6 Abs. 3 Nrn. 1 und 3 PostG wegen fehlenden Drittschutzes hier nicht einschlägig sind.

Nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 PostG ist die Lizenz zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch die Aufnahme einer lizenzpflichtigen Tätigkeit die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet würde. Dies ist anzunehmen, wenn die Lizenz für die Beigeladene die der Klägerin eingeräumte Exklusivlizenz tangiert und deren reservierten Dienstleistungsbereich beeinträchtigt. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Entscheidung der Beklagten, bei der der Beigeladenen lizenzierten Overnight-Zustellung die Tatbestandsmerkmale des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG zu bejahen, ist rechtmäßig und nicht zu beanstanden.

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll(te) die Exklusivlizenz für die Klägerin "zur Bewältigung des anstehenden Strukturwandels" dienen (BT-Drucks. 13/7774, S. 33). Durch die Postreform II in 1994 wurden die rechtlichen Voraussetzungen für die Privatisierung des Postwesens, das bis dahin durch ein Monopol zu Gunsten des Staates charakterisiert war, und die Liberalisierung des Postmarktes geschaffen. Die bislang in bundeseigener Verwaltung geführte Deutsche Bundespost wurde privatisiert und in Aktiengesellschaften umgewandelt. Damit verbunden war eine Umwandlung von einem hierarchisch strukturierten Behördenapparat zu einem Unternehmen, das den Regeln und Maßstäben des Wettbewerbs unterliegt und sich an betriebswirtschaftlichen Kriterien zu orientieren hat. Die mit der Umwandlung verbundenen Kosten, die sich u.a. aus der Übernahme von Beamten der Deutschen Bundespost (Art. 143 b GG), Pensionszahlungen sowie einer Modernisierung und Optimierung der Unternehmensstruktur ergaben, sollten mit der - etwa 86 % des Briefbeförderungsmarktes (unter Ausschluss des Marktes für Massensendungen) umfassenden - Exklusivlizenz für die Deutsche Post AG "abgesichert" werden. Die der Klägerin zuerkannte Exklusivlizenz war/ist somit für eine Übergangszeit dafür gedacht, einen abrupten Systemwechsel zu vermeiden und statt dessen einen sich stufenweise vollziehenden Übergang vom Monopol zum Wettbewerb zu ermöglichen. Der Erlass des Postgesetzes war zudem beeinflusst durch europarechtliche Vorgaben zur Liberalisierung des gemeinsamen Marktes auf dem Postsektor, wie sie beispielsweise in der Richtlinie 97/67/EG - Postdienste-RL - vom 15.12.1997 (Abl. EG. Nr. L 15, S. 14), jetzt geltend in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2002/39/EG vom 10.6.2002 (Abl. EG Nr. L 176, S. 21), ihren Niederschlag gefunden haben. In die Gesetzesberatungen einbezogen wurde auch die Rechtsprechung des EuGH zu den Grenzen von Monopolen auf dem Postsektor und zur Möglichkeit des Marktzutritts für konkurrierende Dienste, insbesondere die sog. "Corbeau"-Entscheidung.

EuGH, Urteil vom 19.5.1993 - C 320/91 -, Slg. 1993, I - 2533; NVwZ 1993, 874; EuZW 1993, 422.

Ein Beurteilungsspielraum mit der Folge einer nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung steht der Behörde bei der Frage, ob ein Versagungsgrund gegeben oder eine postrechtliche Lizenz zu erteilen ist, nicht zu. Dies gilt auch für Entscheidungen im Rahmen von § 51 Abs. 1 Satz 2 PostG, weil insoweit ebenfalls eine "Lizenz"-Entscheidung nach §§ 5, 6 PostG ansteht. Ein Beurteilungsspielraum wird von der Rechtsprechung üblicherweise anerkannt bei Prüfungs- oder prüfungsähnlichen Entscheidungen, insbesondere im Schulbereich, bei beamtenrechtlichen Beurteilungen, bei Entscheidungen wertender Art insbesondere durch mit mehreren Personen besetzte Gremien und bei Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen. Eine derartige, durch eine besondere Situation (z.B. Prüfung) gekennzeichnete oder von der Bewertung Mehrerer abhängige Entscheidungslage steht bei der Entscheidung, ob einem Antrag auf Erteilung einer postrechtlichen Lizenz ein Versagungsgrund entgegensteht, nicht an. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Lizenzierungsvorbehalt des § 5 Abs. 1 PostG um einen Eingriff in die Berufs- und Unternehmensfreiheit handelt, und gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 PostG die Lizenz zu erteilen ist, wenn kein Versagungsgrund nach § 6 Abs. 3 PostG besteht, ist die Lizenzerteilung vielmehr als gebundene Entscheidung zu werten, auf die bei Nichtvorliegen eines Versagungsgrundes ein Anspruch besteht.

Vgl. Badura in Beck'scher PostG-Kommentar, 2. Aufl., § 51 Rdn. 142.

Dies gilt auch im Hinblick auf § 6 Abs. 2 Satz 1 PostG, wonach bei der Lizenzerteilung die Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 PostG zu beachten sind und zur Sicherstellung dieser Regulierungsziele der Lizenz Nebenbestimmungen beigefügt werden können. Dabei folgt schon aus dem Umstand des Fehlens der "Beachtung der Regulierungsziele" bei den Lizenzversagungsgründen des § 6 Abs. 3 PostG und aus der vom Gesetzgeber gewollten abschließenden Regelung der Versagung einer Lizenz durch diese Vorschrift, dass die Nichtbeachtung der Regulierungsziele nicht als eigenständiger Versagungsgrund für die Lizenz gelten soll. Die Notwendigkeit der Beachtung der Regulierungsziele beeinflusst vielmehr lediglich den Inhalt möglicher Nebenbestimmungen der Lizenz, eine eigenständige Bedeutung im Sinne eines Versagungsgrundes für eine beantragte Lizenz kommt ihnen darüber hinaus nicht zu.

Im Rahmen des § 51 Abs. 1 PostG, der in Satz 1 die Exklusivlizenz für die Klägerin bestimmt und in Satz 2 den hiervon ausgenommenen liberalisierten Bereich der Briefbeförderung betrifft, steht die Frage der Abgrenzung zwischen dem auf Grund der Exklusivlizenz der Klägerin vorbehaltenen Tätigkeitsbereich und dem Bereich "besonderer höherwertiger Dienstleistungen" i.S.d. § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG , auf den sich die Lizenz für die Beigeladene bezieht, an. Bezüglich der drei in § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG genannten Tatbestandsmerkmale der "von Universaldienstleistungen trennbaren Dienstleistungen", der "besonderen Leistungsmerkmale" und der "qualitativen Höherwertigkeit" gibt das Gesetz nicht vor, welches jeweils der "Vergleichsmaßstab" bzw. die - von der Beklagten so bezeichnete - "Referenzdienstleistung" sein soll, an denen die Merkmale und ihre abgrenzenden, sie von anderen Postdienstleistungen heraushebenden Kriterien zu messen sind. Der Senat sieht als Vergleichsmaßstab für § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG, offenbar in Übereinstimmung mit den Beteiligten, die normativen Vorgaben der Post-Universaldienstleistungsverordnung an, weil dies eine durchgängige und gleich bleibende, von subjektiven Einflüssen unberührt bleibende Vergleichsbetrachtung gewährleistet. Das Abstellen auf den tatsächlich von der Klägerin durchgeführten Postdienst würde hingegen bedeuten, dass davon das Schicksal postrechtlicher Lizenzen von Wettbewerbern nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG abhängen würde und die Klägerin es in der Hand hätte, durch Erhöhung ihres Standards zu beeinflussen, ob Postdienstleistungen von Wettbewerbern dessen Merkmale erfüllen. Dadurch würde jedoch der im Postbereich gewollte verstärkte Wettbewerb verhindert, zumindest aber erschwert.

Die Frage der Höherwertigkeit der Leistungen eines Postdienstes im Verhältnis zu einem anderen Postdienst kann nach Auffassung des Senats nur objektiv aus der Sicht eines Dritten bzw. eines Dienstleistungen nachfragenden Postkunden bestimmt werden, vgl. Herdegen in Beck'scher PostG-Kommentar, 2. Aufl., § 51 Rdn. 107 ff, und in einer wertenden Gesamtschau aller für die Dienstleistung relevanten Umstände erfolgen. Jede Art von Postdienst erfolgt, unabhängig von wirtschaftlichen Interessen des betreffenden Dienstbetreibers, gerade zur Bedienung der Interessen der Nutzer, also derjenigen, die Postdienstleistungen als Absender oder Empfänger in Anspruch nehmen (vgl. Art. 2 Nr. 17 Postdienste-RL 97/67/EG). Dies folgt bereits aus dem in § 1 PostG normierten Zweck, flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten, was ebenso wie die Forderung in § 11 Abs. 1 PostG, als Universaldienstleistungen ein Mindestangebot an Postdienstleistungen vorzuhalten, die flächendeckend und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden, nur an den Interessen der Postkunden orientiert sein kann. Auch die europarechtliche Sicht (vgl. die genannte Corbeau-Entscheidung des EuGH und Art. 3 Postdienste-RL 97/67/EG) stellt auf die Nutzer von Postdienstleistungen ab und geht von dessen Nachfrageperspektive aus. Der Wert einer Postdienstleistung, zu der insbesondere auch die Beförderung von Briefsendungen, also das Einsammeln, Weiterleiten oder Ausliefern von Postsendungen an den Empfänger zählt (§ 4 Nr. 1 a), Nr. 3 PostG), bestimmt sich aus der Sicht eines Nutzers danach, welche Qualitätsmerkmale insgesamt dem einen oder anderen Postdienst zukommen, und inwieweit ihm, dem Nutzer, ein "Mehrwert" zufließt. Maßgebend für die Sicht des Briefbeförderung Nachfragenden auf Grund objektiver Betrachtung kann dabei nur eine Gesamtschau aller Leistungsmerkmale einer lizenzierten Briefbeförderung im Vergleich zu den Leistungsmerkmalen, die die Post-Universaldienstleistungsverordnung vorsieht, sein. Eine nur auf einzelne Merkmale abstellende Betrachtungsweise ohne Berücksichtigung anderer Leistungsmerkmale würde zu einer in der Sache ungemessenen formalen Atomisierung einer Postlizenz in mehrere Einzelaspekte führen. Der Wert einer Postdienstleistung gewinnt seine Bedeutung aber nicht aus einzelnen isoliert betrachteten Anordnungen bzw. Berechtigungen, sondern aus einer Gesamtwertung der insgesamt erlaubten Dienstleistungen mit ihren wechselseitigen und sich ergänzenden Merkmalen. Nicht anders als in einer Gesamtschau gestaltet sich im Übrigen auch die Betrachtung des Universaldienstes und seiner Qualitätsmerkmale der Briefbeförderung, beispielsweise in § 2 PUDLV. Wertbildende Faktoren sind dabei in Bezug auf die Briefbeförderung alle die Dienstleistung für den Nutzer eines Postdienstes - vom Einsammeln bis zur Auslieferung der Postsendung - definierenden Umstände, wozu u.a. neben dem Aufgabe- und Zustellzeitpunkt der Sendung deren Laufzeit rechnet, aber auch der für die Dienstleistung zu entrichtende Preis.

Vgl. auch Herdegen in Beck'scher PostG-Kommentar, 2. Aufl., § 51 Rdn. 109 f.

Der Senat sieht in dem Preis für eine Postdienstleistung und den damit in Zusammenhang stehenden Zahlungsmodalitäten nicht nur eine für die Bewertung der Leistung nicht zu berücksichtigende Gegenleistung. Die Außerachtlassung des für eine Leistung zu entrichtenden Entgelts wird der Bedeutung dieses Umstandes aus Kundensicht nicht gerecht. Der vom Postkunden für eine konkrete Postdienstleistung bzw. Briefbeförderung zu entrichtende Preis und etwaige Zahlungsmodalitäten sind nämlich ebenfalls von erheblicher, wenn nicht entscheidender Bedeutung für die Wahl eines bestimmten Postdienstes durch den Nutzer, was jedenfalls dann gilt, wenn der Preis bei ansonsten gleichem Standard bei einem alternativen Postdienst günstiger sein sollte als im Universalpostdienst. Das hat auch dann seine Berechtigung, wenn die weiteren eine Postdienstleistung qualifizierenden Merkmale so viel besser sind als bei einer Leistung im Universaldienst, dass um deren Vorteile willen ein ggf. höheres Entgelt vom Nutzer in Kauf genommen wird. Den Zusammenhang zwischen dem ("Mehr"-)Wert einer Postdienstleistung und dem Preis lassen zudem beispielsweise auch die Nrn. 11 und 18 der Begründungserwägungen der Postdienste-RL 97/67/EG erkennen.

Nach diesen Wertungsvorgaben handelt es sich bei der lizenzierten sog. Overnight-Zustellung um Dienstleistungen, die von Universaldienstleistungen trennbar sind, besondere Leistungsmerkmale aufweisen und qualitativ höherwertig sind.

Da die Overnight-Zustellung gem § 4 Nr. 1 Buchst. a) PostG als Beförderung von Briefsendungen anzusehen und damit Postdienstleistung i. S. d. Postgesetzes ist, bedarf es nicht einer abschließenden Klärung, wie der Begriff "Dienstleistungen" im Rahmen des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG zu definieren ist.

Die lizenzierte Overnight-Zustellung ist trennbar von Universaldienstleistungen. Zu diesem Tatbestandsmerkmal des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG sieht der Senat keine Veranlassung, die im Rahmen des § 51 Abs. 1 PostG anstehende Trennlinie zwischen der nach Satz 1 bestehenden Exklusivlizenz für die Klägerin und dem in Satz 2 hiervon ausgenommenen liberalisierten Bereich der Briefbeförderung nach Kriterien einer betriebswirtschaftlichen Marktabgrenzung zu bestimmen. Das Postgesetz und speziell die Vorschrift des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Gesetzes erfordern keinen Rückgriff auf Marktabgrenzungstheorien ("Bedarfsmarktkonzept"), auch wenn es sein mag, dass mit Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG zugleich feststeht, dass eine diese Voraussetzungen erfüllende Briefbeförderung einem anderen Markt als dem der Klägerin vorbehaltenen zuzuordnen ist und damit die Märkte abgegrenzt sind. Die Abgrenzung ist mit § 51 Abs. 1 Satz 2 PostG, wonach der die Exklusivlizenz der Klägerin betreffende Satz 1 für die Tatbestände des Satzes 2 nicht gilt, normativ vorgezeichnet. Marktabgrenzungskonzepte erfordern zudem das Bestehen von Märkten, was aber im durch ein ausschließliches Recht reservierten Bereich, in dem ein Tätigwerden anderer nicht zulässig ist, gerade nicht der Fall ist. § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG verdeutlicht durch den der Klägerin reservierten Tätigkeitsbereich auf Grund der Exklusivlizenz, durch die praktisch ein eigener "Markt" für ein ausschließliches Tätigwerden in diesem Bereich geschaffen wurde, dass es im Rahmen des § 51 Abs. 1 PostG gerade nicht auf eine Marktabgrenzung ankommt. Zu einer anderen Sichtweise zwingt nach Auffassung des Senats auch nicht die "Corbeau"-Entscheidung des EuGH. In jener Entscheidung wurden die Grenzen der Gewährung von Ausschließlichkeitsrechten an Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, und die Möglichkeiten der Liberalisierung des Wettbewerbs angesprochen. Abgesehen davon, dass der in der Entscheidung angeführte Begriff der "Trennbarkeit" dort nicht näher definiert und konkretisiert wurde und der Entscheidung keine konkretisierenden Auslegungskriterien für diesen Begriff entnommen werden können, beinhaltet diese Entscheidung auch keine Bindung des nationalen Gesetzgebers für die Ausgestaltung des Universaldienstes. Eine differenzierte Betrachtung der Märkte würde auch nicht weiterführen, weil die Klage unabhängig von irgendwelchen Marktabgrenzungs- oder Marktbeherrschungsfragen danach zu beurteilen ist, ob die Beklagte die Merkmale des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu Recht oder zu Unrecht angenommen hat und diese Entscheidung im Wege der üblichen Subsumtion erfolgen kann.

Die Trennbarkeit der Overnight-Zustellung von Universaldienstleistungen dokumentiert sich bereits durch ihren äußeren Ablauf und die sie charakterisierenden wesentlichen Merkmale. § 11 Abs. 1 PostG definiert die Universaldienstleistungen als "ein Mindestangebot an Postdienstleistungen nach § 4 Abs. 1 PostG, die flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden." Der Universaldienst umfasst nur solche Dienstleistungen, die allgemein als unabdingbar angesehen werden. Die auf § 11 Abs. 2 PostG beruhende Post-Universaldienstleistungsverordnung konkretisiert die für den Universaldienst erforderlichen Postdienstleistungen und enthält u.a. in ihrem § 2 Qualitätsmerkmale der Briefbeförderung. Was die Frage des Einsammelns einer Postsendung anbelangt, so sieht diese Bestimmung in ihren Nrn. 1 und 2 die Notwendigkeit zahlenmäßig bestimmter stationärer Einrichtungen für den Abschluss und die Abwicklung von Verträgen über Briefbeförderungsleistungen sowie eine ausreichende Anzahl von Briefkästen mit an den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens zu orientierenden Leerungszeiten vor. Von der - dem Bereich des "Einsammelns" von Postsendungen i.S.d. § 4 Nr. 3 PostG zuzurechnenden - Abholung von Briefsendungen beim Kunden, die Gegenstand der Lizenz der Beigeladenen ist, ist darin ebenso wenig die Rede wie von der die Overnight-Zustellung bestimmenden Kombination der Abholung von Briefsendungen nach 17.00 Uhr und der Zustellung dieser Sendungen bis 12.00 Uhr des folgenden Tages. Bezüglich des Zustellungszeitraums bzw. des Zustellungszeitziels bei Briefsendungen bestimmt § 2 Nr. 3 PUDLV, dass von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen - mit Ausnahme der Sendungen, die eine Mindesteinlieferungsmenge von 50 Stück je Einlieferungsvorgang voraussetzen - im Jahresdurchschnitt mindestens 80 vom Hundert an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 95 vom Hundert bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag ausgeliefert werden müssen. Für die Zustellung von Briefsendungen, also das Ausliefern von Postsendungen an den Empfänger i.S.d. § 4 Nr. 3 PostG, sehen § 2 Nrn. 4 und 5 PUDLV vor, dass diese mindestens einmal werktäglich und an der in der Anschrift genannten Wohn- oder Geschäftsadresse durch Einwurf in eine für den Empfänger bestimmte und ausreichend aufnahmefähige Vorrichtung für den Empfang von Briefsendungen oder durch persönliche Aushändigung an den Empfänger zu erfolgen hat; bei Unmöglichkeit dieser Zustellung ist die Möglichkeit der Aushändigung an einen Ersatzempfänger vorgesehen. Konkretere zeitliche Zielvorgaben für die Briefbeförderung sind hingegen in der Post-Universaldienstleistungsverordnung nicht enthalten; eine bestimmte Zustellzeit wird danach nicht geschuldet. Weitere den Bereich der Zustellung konkretisierende Leistungsmerkmale sind für den Universaldienst nicht geregelt, während die der Beigeladenen lizenzierte Dienstleistung insoweit einen weiteren Zustellversuch oder die Ermittlung von Nachsendeadressen bei verzogenen Empfängern, die Weitergabe der neuen Anschrift an den Auftraggeber und einen erneuten Zustellversuch im Lizenzgebiet umfasst.

Auch im Hinblick auf Sendungen mit Eilzustellung, die die Klägerin vom Zustellzeitfenster her mit der der Beigeladenen lizenzierten Overnight-Zustellung vergleicht, ist eine Trennbarkeit von Universaldienstleistungen gegeben. Derartige Postsendungen sind zwar nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 PUDLV als besondere Sendungsform von der Briefbeförderung umfasst, eine tages- oder stundenbezogene Zielvorgabe oder ein durch Aufgabe- und Auslieferungszeitpunkt bestimmtes Zeitfenster ist dafür aber in der Post-Universaldienstleistungsverordnung ebenfalls nicht genannt. Zudem sieht § 1 Abs. 2 Nr. 4 PUDLV in zeitlicher Hinsicht bei einer Eilzustellung nicht eine Übermittlung an den Empfänger "frühzeitig am Folgetag" - wovon das VG ausgegangen ist - vor, sondern eine Zustellung "so bald wie möglich" nach ihrem Eingang bei einer Zustelleinrichtung. Im Übrigen ist die von der Klägerin praktizierte Eilzustellung nicht Gegenstand der gesetzlichen Exklusivlizenz und nicht Standard des Universaldienstes, sondern - wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat - Bestandteil einer weiteren eigenständigen Lizenz für die Klägerin. Überdies gibt die Post-Universaldienstleistungsverordnung beispielsweise mit der Orientierung der Leerungszeiten für Briefkästen an den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens (§ 2 Nr. 2 PUDLV) einen Spielraum für die Ausgestaltung des Universaldienstes vor, den die Klägerin sowohl zur oberen als auch zur unteren Grenze hin ausnutzen kann.

Ob generell die Overnight-Zustellung von einer Vielzahl von Postdienste-Nutzern nachgefragt wird oder es, wie die Klägerin geltend macht, den meisten Nutzern von Postdienstleistungen gleichgültig ist, ob eine Postsendung an einem Tag bis 12.00 Uhr oder in den Nachmittagsstunden des Tages zugestellt wird, ist für das Merkmal der Trennbarkeit der Leistung von Universaldienstleistungen nicht von Bedeutung und demnach kein Abgrenzungskriterium. Das Angebot der Beigeladenen und anderer Lizenzinhaber, Postdienstleistungen in Form von Overnight-Zustellungen mit einem ihnen immanenten engen Zeitfenster durchzuführen, geht jedenfalls von einer entsprechenden Nachfrage aus; ob diese Erwartung sich realisiert, unterfällt dem Risiko unternehmerischer Tätigkeit.

Die der Beigeladenen lizenzierte Overnight-Zustellung erfüllt auch das Tatbestandsmerkmal der "besonderen Leistungsmerkmale" des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG, das komplementär zur Trennbarkeit von Universaldienstleistungen zu sehen ist. Eine gesetzliche Definition der "besonderen Leistungsmerkmale" ist nicht vorhanden. Vor dem Hintergrund, dass § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG durch die "Corbeau"-Entscheidung des EuGH beeinflusst wurde, erscheint jedoch eine Orientierung dieses Tatbestandsmerkmales an der dortigen Formulierung angezeigt, dass ein Wettbewerbsausschluss nicht gerechtfertigt ist bei trennbaren Dienstleistungen, die (u.a.) "bestimmte zusätzliche Leistungen verlangen, die der herkömmliche Postdienst nicht anbietet". Besondere Leistungsmerkmale sind daher solche spezifischen Eigenheiten einer Postdienstleistung bzw. eines postalischen Beförderungsvorgangs im Sinne des § 4 PostG, die im herkömmlichen Postdienst nicht vorzufinden sind und bei einem Vergleich aus Nachfragersicht diesem gegenüber als spezifische Besonderheit der alternativen Postdienstleistung in Erscheinung treten. Dazu zählen beispielsweise Vorgänge der Abholung von Postsendungen beim Kunden, der Umlenkbarkeit von Postsendungen zwischen Abholung und Zustellung oder der nachträglichen Abrechnung der erbrachten Dienstleistungen mit dem Auftraggeber und diesbezügliche Vereinbarungen sowie die Schnelligkeit und Zuverlässigkeit der Beförderung der Postsendung und der Zeitpunkt ihrer Auslieferung an den Empfänger, wobei in der "Corbeau"-Entscheidung die Abholung beim Absender, eine schnellere und/oder zuverlässigere Verteilung oder auch die Möglichkeit, den Bestimmungsort während der Beförderung zu ändern, ausdrücklich als "bestimmte zusätzliche Leistung" qualifiziert wurden. Die Lizenz für die Beigeladene und deren Leistungsangebot der Overnight-Zustellung weisen danach in diesem Sinne besondere Leistungsmerkmale aus, die normativ für den Universaldienst nicht vorgesehen sind. Die Wertigkeit der der gesetzlichen Exklusivlizenz für die Klägerin unterfallenden Postdienstleistungen wird, wie sich aus § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG ergibt, zunächst durch die Parameter Preis und Gewicht bestimmt. Wertbestimmend für die Dienstleistung der Beigeladenen ist aus objektiver Nutzersicht nicht nur die Zustellung der Briefsendung am Werktag nach der Abholung, vielmehr kommt in Verbindung damit bereits der Abholung der Sendung als solcher nach 17.00 Uhr des Vortages und der Zeitbegrenzung für die Zustellung bis 12.00 Uhr des folgenden Werktags eine hervorzuhebende Besonderheit gegenüber dem Universaldienst, der diese Merkmale nicht bedient, zu.

Auch das Merkmal der qualitativen Höherwertigkeit ist bei der der Beigeladenen lizenzierten Overnight-Zustellung zu bejahen. Der Begriff ist weder gesetzlich noch in der "Corbeau-Entscheidung" definiert und deshalb nach seinem allgemeinen Begriffsinhalt zu interpretieren. Eine qualitativ höhere Wertigkeit einer Leistung setzt einen wertenden Vergleich mit einer anderen Leistung bzw. einem anderen Produkt voraus und stellt das Ergebnis einer Gewichtung aller Eigenschaften/Merkmale der Leistung/des Produkts dar. Maßgebend ist auch insoweit - wie dargelegt - die objektive Sicht des Briefbeförderung Nachfragenden in einer Gesamtschau aller lizenzierten Leistungsmerkmale. Das Erfordernis der Wertung in einer Gesamtbetrachtung aller Leistungsmerkmale schließt es aus, nur - wie dies die Klägerin mit dem Hinweis darauf tut, dass im regionalen Bereich am Abend des Vortags eingeworfene Briefe zu fast 100% am Folgetag zugestellt würden - die reinen Laufzeiten von Briefzeiten in den Blick zu nehmen. Unabhängig davon, dass sich auf Grund einer Gesamtschau aller lizenzierten Leistungsmerkmale auch bei Überschneidungen in einzelnen Segmenten eine qualitative Höherwertigkeit einer Dienstleistung gegenüber einer anderen ergeben kann, wird damit isoliert nur auf einen Einzelaspekt abgestellt, was der notwendigen Betrachtung der Gesamtheit aller wertbildenden Faktoren nicht gerecht wird. Der Beschluss des Senats vom 6. 10. 2003 - vgl. K&R 2004, 104 -, dem ohnehin keine Verbindlichkeit mehr zukommt, konnte auch nicht in dem Sinne verstanden werden, dass das angegebene Zeitfenster zwischen der Abholung von Briefsendungen beim Auftraggeber und der Zustellung derselben beim Empfänger als das einzige wertbildende Element angesehen wurde. Auch das Vorbringen der Klägerin, die Tätigkeit der Beigeladenen entspreche eher dem Normtatbestand des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 PostG, stellt die qualitative Höherwertigkeit der der Beigeladenen lizenzierten Tätigkeit nicht in Frage. Diese Bestimmung betrifft Postdienstleistungen, bei denen Briefsendungen im Auftrage des Absenders bei diesem abgeholt und bei der nächsten Annahmestelle der Deutschen Post AG eingeliefert werden. Einen solchen Abhol- und Einlieferungsdienst betreibt die Beigeladene aber nicht.

Die Post-Universaldienstleistungsverordnung sieht zeitbezogene Leistungsmerkmale in der Weise, dass bei der Overnight-Zustellung durch die Beigeladene u.a. die Abholung beim Kunden nach 17.00 Uhr und die Auslieferung dieser abgeholten Sendungen bis 12.00 Uhr des folgenden Tages erfolgt, nicht vor und geht von einer Briefeinlieferung in Briefkästen oder Annahmestellen und der Auslieferung regelmäßig einen Tag nach der Einlieferung aus. Die werktägliche Abholung von Briefsendungen bei den Auftraggebern nach 17.00 Uhr und die garantierte Zustellung dieser Sendungen bis spätestens 12.00 Uhr des folgenden Werktags führt aus der Sicht des Auftraggebers ebenso wie aus der des Empfängers zu einem Qualitätszuwachs und damit zu einer qualitativen Höherwertigkeit, weil der Auftraggeber auch bei Postsendungen, die von der Beigeladenen in den späten Nachmittags- oder Abendstunden abgeholt werden, von einer Zustellung bis 12.00 Uhr des folgenden Werktags ausgehen und der Empfänger damit rechnen kann, diese kurzfristig bis 12.00 Uhr des folgenden Tages zu erhalten. Schon das Leistungsmerkmal der Abholung von Briefsendungen beim Auftraggeber nach 17.00 Uhr trägt betrieblichen und geschäftlichen Interessen, die sich aus längeren Betriebsarbeits- und Öffnungszeiten ergeben, Rechnung. Dieses Leistungsmerkmal ermöglicht es, Briefsendungen auch noch gegen Ende der werktäglichen Arbeitszeit in die Beförderungskette einzubringen und führt in Verbindung mit der garantierten Zustellung dieser Sendungen bis 12.00 Uhr des folgenden Werktags zu einer kurzfristigen Auslieferung an den Empfänger. Eine derartige Verlässlichkeit auf eine kurzfristige Zustellung auch solcher Briefsendungen, die gegen Ende eines Arbeits- oder Geschäftstags erstellt werden, gewährleistet die Post-Universaldienstleistungsverordnung nicht. Soweit die Klägerin darauf hinweist, auch sie biete eine Abholung von Sendungen bei Kunden an, ist nicht ersichtlich, dass dies im Rahmen des Universaldienstes und zu den von der Beigeladenen offerierten Konditionen erfolgt. Die qualitative Höherwertigkeit der Leistung der Beigeladenen dokumentiert sich zudem dadurch, dass der Absender einer Briefsendung einen vertraglich gesicherten Anspruch auf Abholung bei ihm durch die Beigeladene hat. Die in der Post-Universaldienstleistungsverordnung vorgesehene Orientierung der Briefkasten-Leerungszeiten an den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens, wenn insoweit von Briefkästen mit abendlichen Leerungszeiten ausgegangen wird, erfordert andererseits, dass die Postsendungen zu bestimmten Briefkästen gebracht werden müssen. Auch der Umstand, dass bei der Beigeladenen das Beförderungsentgelt erst nachträglich zu entrichten ist und daher im Gegensatz zur Entgeltvorleistungspflicht bei der Klägerin bei Leistungsstörungen verweigert werden kann, macht das Leistungsangebot der Beigeladenen qualitativ höherwertig. In welchem Ausmaß dies erfolgt und ob dieses Kriterium entscheidend ist für die Wahl eines Postdienstes, ist dabei unerheblich, weil dies wiederum zu einer nicht akzeptablen übergewichteten Betrachtung eines Einzelaspekts führen würde. Des Weiteren unterliegen die Zeitmerkmale nach § 2 Nr. 2 PUDLV der von deren Einschätzung der wirtschaftlichen Bedürfnisse abhängigen Interpretation durch die Klägerin, die dementsprechend die Briefkasten-Leerungszeiten verändern und u.U. auch zeitlich nach vorne verlagern kann, ohne dass es einem Nutzer von Postdienstleistungen möglich ist, darauf Einfluss zu nehmen und ohne dass seinen Interessen nach nachmittäglicher oder abendlicher Postversendung Rechnung getragen wird.

Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG sind des Weiteren auch zu bejahen in Bezug auf die Merkmale eingeschränkte Rückholbarkeit der Sendung, Nichtberechnung des Sendungsentgelts bei Verfehlen des Zustellzeitziels, nachträgliche Entgeltabrechnung. Soweit sie nicht schon im Vorstehenden in Zusammenhang mit anderen Leistungsmerkmalen als höherwertige Dienstleistung eingestuft wurden, ergibt sich diese Wertung daraus, dass auch diese Leistungsmerkmale im Universaldienst nicht vorgesehen sind. Dass sie sich zum Teil auf die Gegenleistung für die eigentliche Postdienstleistung der Briefbeförderung beziehen, steht ihrer Berücksichtigung nicht entgegen, da es bei der Einschätzung der Wertigkeit einer Postdienstleistung auf die Gesamtschau aller Leistungsmerkmale ankommt und den fraglichen Merkmalen, wenn sie auch im Einzelnen keine oder nur geringe Bedeutung haben sollten, jedenfalls in der Gesamtschau mit anderen Merkmalen eine (zusätzliche) wertbestimmende Wirkung zukommt.

Im Übrigen würde sich nach Auffassung des Senats hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG auch keine andere als die dargelegte Wertung ergeben, wenn als Vergleichsmaßstab statt auf die abstrakten Vorgaben der Post-Universaldienstleistungsverordnung auf den tatsächlich von der Klägerin durchgeführten Postdienst abgestellt würde. Maßstab könnte auch insoweit nur sein, was von der Klägerin im Universaldienst angeboten wird. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewonnen, dass dieses Angebot dem mit der lizenzierten Overnight-Zustellung für die Beigeladene einhergehenden Angebot entspricht und sich die Leistungsmerkmale der Lizenz für die Beigeladene nicht im Sinne einer Höherwertigkeit von den Universaldienstleistungen der Klägerin abheben.

Den bei der Lizenz für die Beigeladene zu bejahenden Tatbestandsmerkmalen des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG kann auch nicht quasi "aufrechnend" gegenübergestellt werden, die Klägerin erbringe ihre Leistung bundesweit, während sich die Beigeladene tatsächlich nur regional betätige. Räumlich relevant in Bezug auf die der Klägerin zustehende Exklusivlizenz ist zwar das gesamte Bundesgebiet. Auf diesen Bereich bezieht sich formal auch die Lizenz für die Beigeladene. Der Rechtmäßigkeit der erteilten Lizenz steht aber nicht entgegen, dass die Beigeladene tatsächlich nicht im gesamten Bundesgebiet Postdienstleistungen erbringt. Die das gesamte Bundesgebiet umfassende Exklusivlizenz für die Deutsche Post AG zwingt nicht dazu, dass auch ein Wettbewerber im liberalisierten Bereich Postdienstleistungen im gesamten Bundesgebiet erbringen muss und dass für die Frage der "höherwertigen Dienstleistungen" i.S.d. § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG auf das gesamte Bundesgebiet als Vergleichsmaßstab abzustellen ist.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.4.2001 - 6 C 6.00 -, BVerwGE 114,160, zur regionalen Beschränkung des relevanten Marktes im Telekommunikationsrecht.

Das Postgesetz geht davon aus, dass Wettbewerb im Postsektor (gerade) auch im lokalen und regionalen Bereich gewollt war und erwartet wird. Im Rahmen des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG ausschließlich auf das gesamte Bundesgebiet als räumlichen Vergleichsmaßstab abzustellen, würde demgegenüber bedeuten, dass ein nennenswerter Wettbewerb sich nicht ergeben würde, weil nur wenige Unternehmen logistisch und finanziell zu einem flächendeckenden, bundesweiten Angebot an Postdienstleistungen in der Lage wären/sind. Zudem hat die Beklagte zwischenzeitlich generell auf das sog. - auch im vorliegenden Fall zunächst in der angefochtenen Lizenz enthaltene - Flächenkriterium für eine Lizenzerteilung, wonach die lizenzierte Tätigkeit in einem wesentlichen Teil des Bundesgebietes ausgeübt werden müsse und als ein solcher wesentlicher Teil dabei ohne weiteres ein Gebiet angesehen werde, das der Größe des kleinsten Flächenstaats der Bundesrepublik (rund 2.500 km2) entspreche, verzichtet und dieses für die streitgegenständliche Lizenz für gegenstandslos erklärt. Für den sich einer Overnight/E+1-Zustellung bedienenden Nutzer wird die Höherwertigkeit zudem nicht durch die regionale Geschäftstätigkeit der Beigeladenen relativiert, weil der mit dieser Zustellungsmodalität erwünschte Effekt eines gezielt kurzfristigen Sendungs- und Informationsgehalts in der Regel nur in Bezug auf Adressaten in der Region eintreten soll. Im Übrigen könnte auch die Klägerin ihrerseits unter Aufrechterhaltung des Universaldienstes nach der Post-Universaldienstleistungsverordnung regional eine besonders ausgestaltete Briefbeförderung aufbauen und betreiben.

Der Senat ist im Rahmen des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG der Auffassung, dass der Vorschrift über die ausdrücklich genannten Merkmale hinaus keine weiteren ungeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen immanent sind. Er hat dazu bereits Ausführungen gemacht in dem vom BVerwG aufgehobenen Beschluss vom 6. 10. 2003. Der Senat hält daran auch unter Berücksichtigung des genannten Beschlusses des BVerfG vom 7.10.2003 und des Vorbringens der Beteiligten fest. Auch der Hinweis darauf, dass seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren ein Mitarbeiter des damaligen Ministeriums für Post und Telekommunikation vor einem Parlamentsausschuss eine fehlerhafte Auskunft zu den Folgerungen aus der "Corbeau"-Entscheidung des EuGH gegeben und sich der Ausschuss dementsprechend in einem Rechtsirrtum befunden habe, ändert nichts daran, dass die Sicherung des wirtschaftlichen Gleichgewichts des Universaldienstes vom Gesetzgeber nicht als Kriterium in das Postgesetz aufgenommen wurde und deshalb auch nicht als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal im Rahmen des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG berücksichtigt werden kann. Wäre die Nichtgefährdung des wirtschaftlichen Gleichgewichts des Universaldienstes für den Gesetzgeber von entscheidender Bedeutung gewesen, hätte er dieses Kriterium trotz der - vermeintlich - unrichtigen Auskunft eines Ministeriumsbediensteten ausdrücklich in das Gesetz aufnehmen können. Das bewusste Unterlassen kann nicht über eine ausdehnende Auslegung des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG, praktisch gegen den Willen des Gesetzgebers, "korrigiert" werden. Vor dem Hintergrund, dass der Gesichtspunkt der "ausreichenden Finanzierungsgrundlage" schon bei der Bewilligung der gesetzlichen Exklusivlizenz für die Klägerin eine ausschlaggebende Rolle gespielt hat, würde im Übrigen eine erneute Berücksichtigung der Frage der Gefährdung des wirtschaftlichen Gleichgewichts für den Universaldienstbetreiber im Rahmen von Lizenzerteilungen nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG darauf hinauslaufen, dass diese Erwägung praktisch zwei Mal zum Tragen käme. Dies ist weder geboten noch nach den Intentionen des Gesetzgebers gerechtfertigt. Davon, dass der Gesichtspunkt der ausreichenden Finanzierungsgrundlage für den Universaldienstbetreiber maßgebend war bei der Einräumung der gesetzlichen Exklusivlizenz für die Klägerin, geht im Übrigen auch das BVerfG mit den Ausführungen aus, dass der Gesetzgeber diesem Gesichtspunkt Bedeutung zumessen durfte und dass diese Erwägung als Alternative zu dem in §§ 11 ff. PostG an sich vorgesehenen Regulierungssystem mit Ausgleichsabgaben zu Gunsten des Universaldienstbetreibers bestand.

Die Ausführungen des BVerfG im Beschluss vom 7.10.2003, dass angesichts der in Europa überwiegend noch nicht verwirklichten Liberalisierung im Postsektor der Gesetzgeber dem Gesichtspunkt der ausreichenden Finanzierungsgrundlage des Universaldienstes Bedeutung zumessen und ihm durch Verlängerung der Exklusivrechte Rechnung tragen durfte, zwingen nach Auffassung des Senats nicht dazu, die Sicherung des wirtschaftlichen Gleichgewichts des Universaldienstes als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung einer Lizenz für Wettbewerber der Klägerin anzusehen. Eine Bindungswirkung der Entscheidung in dem Sinne, dass die Sicherstellung des finanziellen Gleichgewichts des Universaldienstes entscheidender Regelungsinhalt des Postgesetzes ist und dessen Gefährdung ausschlaggebendes Kriterium für die Erteilung/Versagung einer Lizenz für einen Wettbewerber sein soll, ergibt sich daraus nicht. Die Bindungswirkung von Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs. 1 BVerfGG bezieht sich auf den Tenor und die tragenden Gründe einer Entscheidung, also auf jene Rechtssätze, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10.6.1975 - 2 BvR 1018/74 -, BVerfGE 40, 88, 93, und vom 12.11.1997 - 1 BvR 479/92 u. a. -, BVerfGE 96, 375, 404; BVerwG, Urteil vom 29.10.1981 - 1 D 50.80 -, BVerwGE 73, 263, 268.

Der Tenor und die tragenden Gründe des Beschlusses des BVerfG vom 7.10.2003 betreffen die Frage der Verlängerung der gesetzlichen Exklusivlizenz für die Klägerin bis zum 31.12.2007 und dementsprechend (nur) die zeitliche Komponente der insoweit bedeutsamen verfassungsrechtlichen Normen. Für den übrigen, nicht die zeitliche Ausdehnung von Übergangsvorschriften bzw. die Verlängerung der Exklusivlizenz betreffenden Bereich, der keinen unmittelbaren Bezug zu dieser zeitlichen Komponenten hat, kann den Ausführungen im Beschluss des BVerfG hingegen keine Bindungswirkung zuerkannt werden. Das BVerfG hat zudem ausgeführt, dass die Entstehungsgeschichte der maßgebenden Verfassungsnormen (Art. 143b Abs. 2, 87f GG) keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür gibt, dass die Zielsetzung des Art. 143b Abs. 2 Satz 1 GG vorrangig oder gar ausschließlich die Bewältigung der besonderen finanziellen und sozialen Verpflichtungen, insbesondere hinsichtlich der den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost auferlegten Pensionslasten, Rechtfertigungsgrund für die Exklusivrechte war. Zwar ist ausgehend von der vom Gesetzgeber in den Blick genommenen Corbeau-Entscheidung des EuGH ein Ausschluss von Wettbewerb u.a. dann gerechtfertigt, "sofern die Dienstleistungen (des Wettbewerbers) ....das wirtschaftliche Gleichgewicht der vom Inhaber des ausschließlichen Rechts übernommenen Dienstleistungen von allgemein wirtschaftlichem Interesse in Frage stellen", und darf der nationale Gesetzgeber dieses wirtschaftliche Gleichgewicht der übernommenen Dienstleistungen (Universaldienst) zum politischen Ziel oder Motiv für einen Wettbewerbsausschluss (Reservierung eines Postbeförderungsrechts) zu Gunsten des dienstverpflichteten Unternehmens nehmen. Damit ist ein solches Ziel oder Motiv, selbst wenn es sich später als unerreicht herausstellt, aber noch nicht zur Tatbestandsvoraussetzung einer Lizenzerteilung an Wettbewerber erhoben. Vielmehr bleibt es eine bloße rechtspolitische Erwägung im Vorfeld der eigentlichen Willenskodifizierung im Gesetzgebungsverfahren. In Konsequenz dieser Erwägung erscheint es nicht gerechtfertigt, den Gesichtspunkt der Bewältigung der finanziellen Lasten bzw. der Sicherung des finanziellen Gleichgewichts des von der Klägerin durchgeführten Universaldienstes im Sinne eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals für die Erteilung oder Versagung einer Lizenz nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG zu werten.

Ende der Entscheidung

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