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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 14.10.2003
Aktenzeichen: 13 A 744/02.T
Rechtsgebiete: BO, HeilBerG NRW


Vorschriften:

BO § 20
BO § 20 Abs. 1
HeilBerG NRW § 29
Zulässige Werbung durch einen Zahnarzt für eine bestimmte Behandlungsmethode bei Zahnimplantaten.
Tatbestand:

Der Beschuldigte, ein Zahnarzt, führte in den Räumen einer Magazin-Redaktion ein Gespräch zu den Möglichkeiten eines neuen Knochenaufbausystems im Rahmen der zahnärztlichen Implantologie. Anschließend erschien in mehreren Ausgaben des Magazins ein entsprechender Artikel, u. a. mit einem Bild des Beschuldigten. Wegen dieser Artikel erkannte das Berufsgericht für Heilberufe gegen den Beschuldigten auf eine Warnung wegen Verletzung seiner Berufspflichten, weil er gegen das Verbot der sachlichen Information verstoßen habe. Das Landesberufsgericht für Heilberufe hob das Urteil auf und stellte fest, dass eine Verletzung von Berufspflichten nicht vorliege.

Gründe:

Dem Beschuldigten ist in Zusammenhang mit den in Rede stehenden Presseveröffentlichungen eine Berufspflichtverletzung nicht vorzuwerfen.

Die dem Beschuldigten vorgeworfene Pflichtverletzung wird gestützt auf § 20 der Berufsordnung - BO -.

Gemäß § 29 HeilBerG NRW sind die Kammerangehörigen verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Hierzu gehört auch die Beachtung der in der Berufsordnung der Antragstellerin geregelten Berufspflichten.

Gemäß § 20 Abs. 1 BO ist dem Zahnarzt jede Werbung und Anpreisung untersagt. Diese als generelles Werbeverbot formulierte Bestimmung ist im Lichte der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten freien Berufsausübung, zu der nicht nur die berufliche Praxis selbst gehört, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient, und zu der daher auch die berufliche Außendarstellung der Grundrechtsberechtigten einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste zählt, verfassungskonform dahin auszulegen, dass dem Zahnarzt (nur) berufswidrige Werbung verboten ist.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19.11.1985 - 1 BvR 934/82 -, BVerfGE 71, 162, vom 11.2.1992 - 1 BvR 1531/90 -, BVerfGE 85, 248 = NJW 1992, 2341, vom 23.7.2001 - 1 BvR 873/00 u.a. -, NJW 2001, 2788, vom 18.10.2001 - 1 BvR 881/00 -, NJW 2002, 1864, vom 17.7.2003 - 1 BvR 2115/02 - und vom 26.8.2003 - 1 BvR 1003/02 -; BVerwG, Urteil vom 13.11.1997 - 3 C 44.96 -, DVBl. 1998, 532; BGH, Urteil vom 8.6.2000 - I ZR 269/97 -, MedR 2001, 516; OLG Schl.-H., Urteil vom 3.4.2001 - 6 U 89/00 -, MedR 2001, 579; ÄrzteGH Saarl., Urteil vom 10.10.2001 - ÄGH 2/01 -, NJW 2002, 839.

Generelle verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein (zahn-)ärztliches Werbeverbot bestehen nicht, weil es auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar und durch Gemeinwohlbelange gedeckt ist. Das Werbeverbot für Ärzte/Zahnärzte dient dem Schutz der Bevölkerung und soll das Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente verordnet. Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Das Werbeverbot beugt einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor. Es soll eine Verfälschung des ärztlichen Berufsbildes verhindern, die einträte, wenn der Arzt Werbemethoden verwendete, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind. Werbebeschränkungen orientieren sich damit letztlich am Rechtsgut des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung. Als berufswidrig ist deshalb eine Werbung dann anzusehen, wenn sie den Interessen des Gemeinwohls im Hinblick auf die (zahn-)ärztliche Berufsausübung zuwiderläuft. Für eine interessengerechte und sachangemessene Information, die keinen Irrtum erregt, muss im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr hingegen Raum bleiben.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18.2.2002 - 1 BvR 1644/01 -, NJW 2002, 3091 (bzgl. Werbebeschränkungen für Tierärzte), vom 8.1.2002 - 1 BvR 1147/01 -, NJW 2002, 1331, und vom 18.10.2001 - 1 BvR 881/00 -, a.a.O., m.w.N.

Die Abgrenzung zwischen erlaubter sachlicher Information und verbotener berufswidriger Werbung kann nicht generalisierend-abstrakt erfolgen, sondern ist im Einzelfall - unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Berufsausübungsfreiheit auf der einen Seite und der Sicherung des Werbeverbots auf der anderen Seite - aufgrund einer Abwägung im Rahmen des gesamten Lebensvorganges vorzunehmen, in dem die fragliche Werbemaßnahme ihre Wirkung entfaltet.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.7.2003 - 1 BvR 2115/02 -; BGH, Urteil vom 8.6.2000 - I ZR 269/97 -, a.a.O.; OLG Schl.-H., Urteil vom 3.4.2001 - 6 U 89/00 -, a.a.O.; OLG Köln, Urteil vom 9.3.2001 - 6 U 127/00 -, MMR 2001, 702.

Als Abgrenzungskriterium ist u.a. darauf abzustellen, dass sich berufswidrige Werbung von legitimer ärztlicher Information dadurch unterscheidet, dass sie auf den "Verkauf" ärztlicher Leistungen abzielt. Berufsrechtlich verboten sind daher irreführende Werbung oder - weil typischerweise die gesundheitlichen Interessen der Bevölkerung zu gefährden geeignet - aufdringliche Methoden der Werbung, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind; sie können dazu führen, das notwendige Vertrauen in ein dem Patienten gegenüber ausschließlich an medizinischen Gesichtspunkten orientiertes ärztliches Verhalten zu beeinträchtigen.

Vgl. ÄrzteGH Saarl., Urteil vom 20.10.2001 - ÄGH 2/01 -, a.a.O.; OLG Hamm, Urteil vom 14.9.2000 - 4 U 57/00 -, NJW 2001, 2809.

Gleiches gilt für eine übertriebene, unsachliche oder marktschreierische Werbung oder eine Werbung mit sachlichen Aussagen, die eine den Laien mehr verwirrenden als aufklärenden Umfang erreicht. Verboten bleibt auch bei verfassungskonformer Auslegung des Werbeverbots jede Art von reklamehafter Anpreisung, die über das notwendige Informationsinteresse des Patienten hinausgeht, wobei entscheidend ist, ob im Einzelfall und in Orientierung insbesondere am Adressatenkreis, an den sich die Werbung richtet, die sachliche Information oder der Werbeeffekt im Vordergrund steht. Berufswidrig sind neben irreführenden Aussagen auch solche, die geeignet erscheinen, das Schutzgut der Volksgesundheit zu beeinträchtigen. Das kann bereits dadurch geschehen, dass Ärzte Kranken aus Gewinnstreben falsche Hoffnungen machen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.7.2000 - 1 BvR 547/99 -, MedR 2000, 523; OLG Schl.-H., Urteil vom 3.4.2001 - 6 U 89/00 -, a.a.O.; OLG Köln, Urteil vom 9.3.2001 - 6 U 127/00 -, a.a.O.

Entscheidend für die Abgrenzung kann auch sein, ob es sich um eine gezielte Werbung mit einem entweder durch das verwendete Medium oder durch die Aufmachung gewollten spezifischen werblichen Charakter handelt oder ob die Maßnahme eine andere Zielrichtung hat und eine Werbewirkung praktisch als Nebeneffekt auftritt; dem liegt die Unterscheidung zwischen Werbung im engeren Sinne und einem sog. werbewirksamen Verhalten zugrunde.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11.2.1992 - 1 BvR 1531/90 -, a.a.O., und vom 24.7.1997 - 1 BvR 1863/96 -, NJW 1997, 2510; BVerwG, Urteil vom 13.11.1997 - 3 C 44.96 -,a.a.O.; OVG Rh.-Pf., Urteile vom 25.6.1997 - LBGH A 10532/97 -, DVBl. 1998, 151, und vom 27.4.1994 - LBGH A 12498/93 -, NJW 1995, 1633.

In Bezug auf - auch hier in Frage stehende - Veröffentlichungen in der Presse und die Mitwirkung von Ärzten/Zahnärzten an Presseartikeln, die einen Werbeeffekt für den Betreffenden haben, ist die Frage, ob unzulässige berufswidrige Werbung gegeben ist, im Lichte aller Umstände des Falls zu betrachten einschließlich des Inhalts des Presseartikels sowie des Zusammenhangs der Veröffentlichung. Dabei kommt es auch darauf an, ob die Presseberichte auf Initiative des Arztes und in dessen Interesse oder auf Initiative der Presse und im Interesse ihrer Leser entstehen; ferner kann es für die Zulässigkeit der Mitwirkung eine Rolle spielen, ob der Arzt dadurch erstmals Gegenstand der Presseberichterstattung wird oder ob er sich aufgrund einer vorgängigen, zumal einer kritischen Auseinandersetzung mit seiner Person und seinen Heilmethoden zur Mitwirkung an einer Presseveröffentlichung entschließt. Zu bedenken und hinzuweisen ist insoweit auch auf die unverzichtbare Funktion der Presse in einer demokratischen Gesellschaft und deren Aufgabe, in einer mit ihren Pflichten und ihrer Verantwortung vereinbaren Weise über alle die Allgemeinheit betreffenden Tatsachen und Meinungen zu unterrichten. Vor diesem Hintergrund kann die Wertung eines bei einem Presseartikel mit der Nennung der Erfolgsrate und dem Abdruck eines Fotos zum Ausdruck kommenden Werbeeffekts davon abhängig gemacht werden, ob sich diese Werbewirkung gemessen am Hauptinhalt des Artikels "als zweitrangig" erweist oder im Vordergrund steht. Angesichts dessen, dass sich der Arzt/Zahnarzt auch auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen kann und zwischen einer Meinungsäußerung von ihm über seine berufliche Tätigkeit und einem redaktionellen Bericht der Presse über denselben Gegenstand ein Unterschied besteht, ist dabei des Weiteren zu berücksichtigen, dass die Presse im Rahmen ihrer Berichterstattung Aussagen machen darf, die einem Arzt/Zahnarzt aus Gründen des Werbeverbots untersagt wären. Etwas anderes kommt nur dann in Frage, wenn der Arzt die Presse erkennbar zum Instrument seiner beruflichen Selbstdarstellung gemacht hat.

Vgl. EGMR, Urteile vom 17.10.2002 - 37928/97 -, NJW 2003, 497 = MedR 2003, 290, und vom 25.3.1985 - 10/1983/66/101 -, EuGRZ 1985,170; BVerfG, Beschluss vom 11.2.1992 - 1 BvR 1531/90 -, a.a.O.; ÄrzteGH Saarl., Urteil vom 10.10.2001 - ÄGH 2/01 -, a.a.O.

Nach Maßgabe dieser Kriterien und in Orientierung am dargelegten Sinn und Zweck (zahn-)ärztlicher Werbeverbote ist dem Beschuldigten eine Berufspflichtverletzung in Zusammenhang mit den Presseveröffentlichungen nicht vorzuwerfen.

Das Interview, das den Magazin-Berichten vorausging, wurde nicht in den Praxisräumen des Beschuldigten, sondern in der Redaktion des Magazins geführt und ist auch nicht auf Initiative des Beschuldigten zu Stande gekommen. Dass sich der Beschuldigte zu dem Interview bereit erklärt und dafür zur Verfügung gestellt hat, kann ihm nicht im Sinne einer unzulässigen Mitwirkung an einer anpreisenden und unkritischen gewerblichen Werbung vorgeworfen werden. Eine solche Wertung wird dem Hintergrund und den Ausgangsumständen für das Interview nicht gerecht. Konkreter Ausgangspunkt für die Recherchen der Redakteurinnen des Magazins und für das Interview waren deren Kenntniserlangung von dem - in den späteren Veröffentlichungen als "Weltneuheit" bezeichneten - PRP-Verfahren im Rahmen der Implantologie sowie Informationen, die sich in diesem Zusammenhang auf Grund entsprechenden Informationsmaterials dieser Firma ausschließlich auf Produkte bzw. ein Produkt der Firma D. bezogen. Der Magazin-Redaktion kam es sehr gelegen, in ihrem örtlichen Verbreitungsgebiet und direkt vor Ort einen Ansprech- und Interviewpartner zu haben, der Produkte der Firma einsetzte, auf deren Darstellung die Redakteurinnen offenbar ausschließlich ihre Informationen zu dem anstehenden zahnmedizinischen Komplex stützten. Dementsprechend ist von einem gezielten Herantreten der Redaktion des Magazins an den Beschuldigten als jemand, der in seiner Praxis Produkte der Firma D. verwendete, auszugehen. Vor diesem Hintergrund und angesichts des anzunehmenden gezielten Ansprechens des Beschuldigten kann diesem - auch wenn mit dem Interview die Erwartung einer Werbewirkung für sich bzw. seine Praxis verbunden gewesen sein mag - kein Vorwurf aus seiner Mitwirkung an dem Interview gemacht werden, zumal zum Zeitpunkt des Interviews nicht absehbar war, ob und in welcher Form dieses abgedruckt würde. In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage der Zeugin von Bedeutung, der Beschuldigte habe in dem Interview nicht mehr erklärt, als in den ihnen vorliegenden Pressemitteilungen enthalten gewesen sei. An medizinischen Details, die sie für die geplanten Artikel nicht verwerten konnten, war den Redakteurinnen bei dem Interview offenbar ohnehin nicht gelegen.

In der Überlassung der von ihm verfassten Broschüre an die Zeuginnen während des Interviews und der Gestattung, daraus zitieren zu dürfen, kann ebenfalls kein berufswidriges Verhalten des Beschuldigten gesehen werden. Die Broschüre ist im Fachhandel erhältlich, so dass sich die Redakteurinnen des Magazins das Buch hätten beschaffen und aus- und verwerten können, auch ohne dass es ihnen vom Beschuldigten überlassen worden wäre. Dass mit der Überlassung der Broschüre eine über das Interview und über das den Redakteurinnen vorliegende Werbematerial der Firma D. hinausgehende Werbewirkung für den Beschuldigten und/oder seine Praxis verbunden war/ist, ist nicht ersichtlich, zumal in dem Interview selbst kein Hinweis des Beschuldigten auf diese Broschüre enthalten ist und die Broschüre zum eigentlichen Interviewanliegen der Information über das PRP-Verfahren auch keine konkreten Ausführungen enthält.

An die Art und Form des Interviews, bei dem zumindest hinsichtlich der zusammengefassten Antworten des Beschuldigten davon ausgegangen werden kann, dass der tatsächliche Gesprächsverlauf im Wesentlichen so erfolgt ist, wie es in dem Artikel wiedergegeben wurde, kann kein Vorwurf berufswidrigen Verhaltens gegenüber dem Beschuldigten geknüpft werden. In dem Interview hat der Beschuldigte nicht in besonderer Weise auf seine Praxis, seine Anschrift oder seine Telefonnummer hingewiesen. Dass am Ende des Interviews und am Anfang des Berichts im Magazin ein Foto des Beschuldigten abgedruckt wurde, kann diesem nicht zugerechnet werden. Das Foto, das der Illustrierung der Magazin-Berichte dient, wurde den Redakteurinnen des Magazins nicht von diesem selbst übergeben; es wurde vielmehr von diesen aus der überlassenen Broschüre übernommen und ist deshalb dem Verantwortungsbereich der Redakteurinnen zuzuschreiben.

Auch inhaltlich ist das Interview nicht zu beanstanden. Es enthält keine anpreisenden und übertriebenen Aussagen des Beschuldigten. Die Verwendung des anpreiserischen Begriffs "Weltneuheit" im Zusammenhang mit dem PRP-Verfahren in den Magazin-Berichten kann dem Beschuldigten nicht vorgehalten werden. Der Begriff wurde vom Beschuldigten in dem Interview nicht verwendet, sondern entstammt der Formulierungsfreiheit der Redakteurinnen und ist somit allein deren Verantwortungsbereich zuzuschreiben. Das Interview enthält auch keinen Hinweis auf eine bestimmte Herstellerfirma, so dass auch der Vorwurf, der Beschuldigte habe in Bezug auf eine bestimmte Firma Fremdwerbung betrieben, nicht gerechtfertigt ist. Das in dem Interview-Abdruck genannte synthetische Knochenaufbaumaterial wird zwar von der Firma D. hergestellt. Da in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Knochenaufbaumittel aber weder der Beschuldigte noch seine Praxis genannt wurde, kann auch insoweit nicht von einer besonderen Werbewirkung für den Beschuldigten gesprochen werden. Ansonsten enthält das Interview weder den Beschuldigten noch seine Praxis besonders herausstellende Informationen zu den Vorteilen von Implantaten. Im Hinblick auf Implantate handelt es sich um allgemeine und im Rahmen der Implantologie bekannte Aussagen (z.B. "Implantate sind im Kiefer fest verankert", "sie können weder wackeln noch verrutschen", "kein Fremdkörpergefühl", "Abschleifen u.U. kariesfreier Nachbarzähne bleibt erspart") und solche über die Möglichkeit, die Substanz des Kieferknochens durch Einsatz des PRP-Verfahrens zu stärken, sowie zu einzelnen Merkmalen des PRP-Verfahrens. Eine besondere Hervorhebung gerade in Bezug auf den Beschuldigten bzw. seine Praxis ist dabei nicht zu verzeichnen.

Im Zusammenhang mit dem Interview bzw. dessen Abdruck im Magazin ist gegen den Beschuldigten auch der Vorwurf, nicht auf Risiken und Bedenken hingewiesen zu haben, nicht berechtigt. In dem Interview findet sich die Äußerung des Beschuldigten, "dass eine Implantatversorgung eine gründliche zahnärztliche Untersuchung voraussetzt". Dies ist eine Selbstverständlichkeit bei in Erwägung gezogenen zahnimplantologischen Maßnahmen, die keiner weiteren Ausführungen bedurfte, zumal erst auf Grund einer solchen gründlichen zahnärztlichen Untersuchung ein patientenspezifisches Risiko bei der Implantatversorgung beurteilt werden kann und deshalb generelle Risikoschilderungen im Rahmen einer allgemeinen Information über Implantatmöglichkeiten und über ein bestimmtes Knochenaufbau-Verfahren ohnehin nicht ausreichend oder sogar irreführend wären. Zu bedenken ist auch, dass das Interview mit dem Beschuldigten für den geplanten Magazin-Bericht nicht die alleinige Informationsquelle der Redakteurinnen war, sondern deren Grundinformationen aus den Unterlagen der Herstellerfirma stammten und das Interview lediglich eine Ergänzung dazu war. Das Interview enthält allgemeine grundlegende Informationen zu Zahnimplantaten und zum PRP-Verfahren und kann auf Grund dieses Charakters schon von der Sache her keine spezifischen patientenbezogenen Risiken darstellen. Vor dem Hintergrund der allgemein gehaltenen Informationen hat der Beschuldigte auf die Frage, ob es auch Einschränkungen bei Implantaten gebe, auf einen aus seiner Sicht bedeutsamen patientenunabhängigen Risiko-Gesichtspunkt, der einer Zahnimplantation entgegenstehen kann, hingewiesen, nämlich auf den einer u.U. nicht ausreichenden Substanz des Kieferknochens. Im Übrigen ist den Aussagen der Zeuginnen zu entnehmen, dass eine dezidierte Darlegung der Risiken bei Zahnimplantationen bzw. bei dem PRP-Verfahren ohnehin nicht zum Abdruck gekommen wäre, weil das Magazin ausschließlich auf eine Positiv-Berichterstattung ausgerichtet ist und etwaige Negativpunkte von vornherein ausgeblendet werden. An medizinischen Details waren die Redakteurinnen bei dem Interview, dem eine gezielte tendenzielle Fragestellung zu Grunde lag ..., zudem sowieso nicht interessiert. Dem Beschuldigten war bei dem Interview auch nicht gesagt worden, wie ein späterer Bericht aussehen werde. Für diesen tendenziellen Stil in der Berichterstattung des Magazins kommt dem Beschuldigten keine Verantwortlichkeit zu, auch nicht in dem Sinne, dass er gerade deswegen intensiv auf Risiken hätte hinweisen müssen, um die Redakteurinnen eventuell doch zur Mitteilung solcher Risiken zu veranlassen. Dass dies Erfolg gehabt hätte, war bei den in ihren Aussagen deutlich gewordenen Einstellungen der Magazin-Verantwortlichen nicht zu erwarten. Maßgebend dafür, ob dem Beschuldigten ein berufswidriges Verhalten vorzuwerfen ist, kann aber nur sein, ob Versäumnisse und Fehlhandlungen in einem Bereich gegeben sind, der von ihm überhaupt beeinflussbar war/ist.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts kann dem Beschuldigten auch nicht vorgeworfen werden, sich hinsichtlich der Magazin-Berichte und des Interview-Abdrucks nicht einen Korrekturvorbehalt einräumen lassen zu haben. Erfahrungsgemäß wird ein solcher Vorbehalt von den Medien(vertretern) im allgemeinen nicht akzeptiert. Ein solcher Vorwurf wird deshalb der Rolle der freien Presse und des Journalismus einerseits und der Möglichkeit der Einflussnahme des Betroffenen auf einen Pressebericht andererseits nicht hinreichend gerecht.

Generell dürfen berufsrechtliche Standesregeln für Ärzte/Zahnärzte, die bei Presseveröffentlichungen mit dem berechtigten Interesse der Bevölkerung an Aufklärung abgewogen werden müssen und darauf zu beschränken sind, die Funktionsfähigkeit des Berufsstandes insgesamt zu erhalten, nicht so ausgelegt werden, dass den Ärzten die unverhältnismäßige Last einer inhaltlichen Kontrolle von Presseveröffentlichungen auferlegt wird; eine unverhältnismäßige Beschränkung ihrer Berufsausübungsfreiheit ist zudem zu vermeiden.

Vgl. EGMR, Urteil vom 17.10.2002 - 37928/97 -, a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom 8.11.1995 - 1 BvR 2088/94 -, NJW-RR 1996,439.

Vor diesem Hintergrund ist einem Arzt/Zahnarzt zuzumuten, bei Interviews eines ihm bislang nicht näher bekannten Journalisten darauf hinzuweisen, dass es ihm berufsrechtlich untersagt ist, die Veröffentlichung von Berichten werbenden Charakters zu dulden, und dass ihm deshalb aus einem solchen pflichtwidrigen Artikel Schwierigkeiten erwachsen können.

Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 27.4.1994 - LBGH A 12498/93 -, a.a.O.

Dies ist hier, wie der Einlassung des Beschuldigten zu entnehmen ist, geschehen. Weitergehende "presserechtliche Vorsorgemaßnahmen" des Beschuldigten waren hingegen nicht geboten, zumal die Annahme als unrealistisch erscheint, ein Zeitungsredakteur stelle sich bei der Abfassung von Zeitungsberichten der Zensur und der Bewertung durch einen anderen, namentlich der von der Berichterstattung betroffenen Person. Dies gilt hier in besonderem Maße, weil nach Aussage der Zeugin die Vorabgenehmigung eines Presseberichts durch den Betroffenen generell nicht eingeholt wird, in diesem Fall auch wohl nicht eingeholt worden wäre. Eine entsprechende Bitte des Beschuldigten wäre also von vornherein aussichtslos gewesen und ins Leere gegangen.

Bezüglich des (späteren) Abdrucks des Interviews kommt hinzu, dass der Beschuldigte seinerzeit nicht mehr mit einem Abdruck und/oder einem weiteren Bericht über Implantate und das PRP-Verfahren in den späteren Ausgaben des Magazins zu rechnen brauchte. Ein weiterer Kontakt zwischen ihm und den Redakteurinnen hat nach dem Interview nicht stattgefunden; eine Ankündigung nach dem ersten Bericht, dass ein weiterer Bericht erfolgen und das Interview gedruckt werde, ist seitens des Magazins nicht erfolgt. Demgemäß konnte der Beschuldigte davon ausgehen, dass es im Hinblick auf sein Interview mit dem ersten erschienenen Artikel sein Bewenden haben würde; dementsprechend brauchte keine weitere "presserechtliche Vorsorge" bezüglich des Erscheinens weiterer Artikel und des Interviews zu treffen.

Bei einer Gesamtbetrachtung der Magazin-Berichte und des Interview-Abdrucks ist demnach zwar nicht auszuschließen, dass die Veröffentlichungen einen Werbeeffekt für den Beschuldigten und seine Praxis gehabt haben mögen. Dass dieser gemessen am Hauptinhalt der Veröffentlichungen nicht nur zweitrangig war, sondern im Vordergrund der Berichte stand, oder dass der Bericht unter Rückgriff auf aufdringliche Werbemethoden vorrangig auf den "Verkauf zahnärztlicher Leistungen" oder auf eine unangemessene Selbstdarstellung des Beschuldigten ausgerichtet war, ist in Orientierung an den jeweiligen Verantwortungsbereichen der Mitwirkenden hiernach bei verständiger Würdigung nicht zu bejahen.

Ende der Entscheidung

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