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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 23.09.2009
Aktenzeichen: 13 A 987/09
Rechtsgebiete: AMG, VwGO, StPO


Vorschriften:

AMG § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a
AMG § 28 Abs. 3
AMG § 105 Abs. 4f Satz 1
AMG § 105 Abs. 5 Satz 2
AMG § 105 Abs. 5a Satz 2
VwGO § 86 Abs. 1 Satz 1
StPO § 244 Abs. 3 Satz 1
§ 28 Abs. 3 AMG ist im Nachzulassungsverfahren nicht anwendbar.

In der Regel kann das VG die im Rahmen des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens eingereichten Unterlagen und die dazu gemachten Ausführungen der fachkundigen Beteiligten ohne Hinzuziehung weiteren fachwissenschaftlichen Sachverstands beurteilen. Insoweit unterscheidet sich diese Beurteilung nicht von derjenigen, die die Bewertung eines Sachverständigengutachtens zum Gegenstand hat.


Tatbestand:

Die Klägerin begehrte die Verlängerung der Zulassung eines Arzneimittels, das u. a. den arzneilich wirksamen Bestandteil "Fluidextrakt aus Digitalis-purpurea-Blättern" enthielt. Die Beklagte versagte dies mit der Begründung, der Beitrag dieses Wirkstoffs zur positiven Beurteilung des Präparats sei nicht ausreichend begründet worden. Die dagegen erhobene Klage auf Neubescheidung wies das VG ab. Der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb erfolglos.

Gründe:

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Das VG hat zur Begründung seines klageabweisenden Urteils ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Nachzulassung des Arzneimittels "V.-J.". Für den arzneilich wirksamen Bestandteil "Fluidextrakt aus Digitalis-purpurea-Blättern" sei bis zum Abschluss des Mängelbeseitigungsverfahrens keine hinreichende Kombinationsbegründung vorgelegt worden. Den vorgelegten Unterlagen lasse sich nicht hinreichend zuverlässig entnehmen, dass der Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Bewertung des streitigen Arzneimittels leiste. Die Kommission E habe sich zwar für die Nachzulassung ausgesprochen. Deren Stellungnahme sei jedoch nicht aussagekräftig. Sie verhalte sich in erster Linie zu den möglichen Nebenwirkungen und den fehlenden Therapiealternativen. Nicht ersichtlich sei hingegen, ob sich die Kommission im Rahmen ihrer Beratung mit den rechtlichen Vorgaben an eine ausreichende Kombinationsbegründung auseinandergesetzt habe. Der Mangel einer ausreichenden Kombinationsbegründung könne auch nicht durch eine Auflage behoben werden. Die Voraussetzungen des § 105 Abs. 5a Satz 2 AMG seien nicht gegeben. Zum einen liege ein gravierender Mangel vor, weil die Kombinationsbegründung erhebliche Defizite aufweise. Zum anderen sei die Auflage ungeeignet, den Mangel zu beseitigen, weil ungewiss sei, ob durch weitere - im Wege der Auflage anzuordnende - Studien ein positiver Beitrag von Digitalis in der hier in Rede stehenden Darreichungsform und -menge belegt werden könne. Auf der Grundlage von § 28 Abs. 3 AMG komme eine Auflage ebenfalls nicht in Betracht. Die Vorschrift sei auf fiktiv zugelassene Arzneimittel nicht anwendbar. Dies ergebe sich aus § 105 Abs. 5a Satz 2 AMG, der die Auflagenbefugnis im Nachzulassungsverfahren abschließend regele.

Die dagegen erhobenen Einwände zeigen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht auf.

Das VG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Nachzulassungsbegehren der Versagungsgrund des § 105 Abs. 4f Satz 1, Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG entgegenstehe. Die Klägerin hat den Beitrag des fraglichen Digitalis-Extrakts zur positiven Beurteilung des Arzneimittels bis zum Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist nicht ausreichend begründet. Nach den eingehenden wie überzeugenden Ausführungen des VG hat das fristgerecht vorgelegte bibliographische Erkenntnismaterial i. S. v. § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG keine den Ergebnissen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 AMG in etwa gleichgewichtige Aussagekraft. Die Klägerin ist dem nicht substantiiert entgegengetreten. Sie beschränkt sich auf allgemeine Ausführungen zur Wirksamkeit und Verträglichkeit des Präparats und verweist pauschal auf die im Nachzulassungsverfahren eingereichten Gutachten sowie die "schon lange bekannten pharmakologischen Wirkungen" des Digitalis-Extrakts. Belastbare Daten, denen in Bezug auf die erforderliche Kombinationsbegründung des Wirkstoffs in der hier in Rede stehenden Darreichungsform und -menge eine hinreichende Aussagekraft zukommen könnte, benennt sie hingegen nicht. Das Ergebnis der tierexperimentellen Untersuchung mit dem fraglichen Digitalis-Extrakt von Olszewski, die eine leicht negative Beeinflussung eines provozierten Ödems gegenüber Placebo ergeben hat, wird ebenfalls nicht thematisiert.

Ebenso ausführlich und nachvollziehbar hat das VG das positive Votum der Kommission E als nicht aussagekräftig bewertet. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass und warum Digitalis in der hier fraglichen Darreichungsform und -menge einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels liefern könnte, lassen sich den Protokollen über die Kommissionssitzungen auch nach Auffassung des Senats nicht entnehmen.

Der Mangel einer ausreichenden Kombinationsbegründung kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht durch eine Auflage nach § 28 Abs. 3 AMG oder § 105 Abs. 5a Satz 2 AMG behoben werden.

§ 28 Abs. 3 AMG ist im Nachzulassungsverfahren nicht anwendbar. Das folgt aus § 105 Abs. 5a Satz 2 AMG. Hiernach können Auflagen neben der Sicherstellung der in § 28 Abs. 2 AMG genannten Anforderungen auch die Gewährleistung von Anforderungen an die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit zum Inhalt haben, es sei denn, dass wegen gravierender Mängel der pharmazeutischen Qualität, der Wirksamkeit oder der Unbedenklichkeit Beanstandungen nach § 105 Abs. 5 AMG mitgeteilt werden müssen oder die Verlängerung der Zulassung versagt werden muss. Damit hat der Gesetzgeber für fiktiv zugelassene Arzneimittel hinsichtlich der Mängel, die die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit (und damit auch die Kombinationsbegründung) betreffen, eine eigenständige und abschließende Auflagenregelung getroffen, die der Anwendung von § 28 Abs. 3 AMG entgegensteht. Dieses Normverständnis kommt im Wortlaut von § 105 Abs. 5a Satz 2 AMG, der auf § 28 Abs. 2 AMG, nicht aber auf die (ohnehin auf das Neuzulassungsverfahren zugeschnittene) Regelung in § 28 Abs. 3 AMG verweist, hinreichend deutlich zum Ausdruck. Anhaltspunkte für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers oder für das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke sind nicht ersichtlich.

Zur Entstehungsgeschichte von § 105 Abs. 5a AMG vgl. BT-Drucks. 12/7554, S. 29, und 12/7572, S. 7.

Eine Auflage nach § 105 Abs. 5a Satz 2 AMG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dazu hat das VG das Erforderliche ausgeführt. Hierauf wird Bezug genommen.

Auch die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor, so dass die Berufung insoweit weder nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen ist.

Die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags,

"ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, dass die für die Kombinationsbegründung vorgelegten Unterlagen und dazu abgegebenen Begründungen ausreichend sind",

findet im Prozessrecht eine hinreichende Stütze. Die Beweiserhebung wäre in entsprechender Anwendung von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO unzulässig gewesen. Das Beweisthema ist - wie das VG zutreffend festgestellt hat - eine vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage und damit einer Beweiserhebung nicht zugänglich.

Vgl. Sommer, in: Krekeler/Löffelmann, StPO, 2007, § 244 Rn. 70; Höfling/Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 86 Rn. 97; BGH, Urteil vom 13.12.1967 - 2 StR 619/67 -, NJW 1968, 1293.

Eine Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) wird auch im Übrigen nicht substantiiert dargelegt. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, das VG habe das zur Kombinationsbegründung vorgelegte Erkenntnismaterial ohne eigene Sachkunde bewertet. In der Regel kann das VG die im Rahmen des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens eingereichten Unterlagen und die dazu gemachten Ausführungen der fachkundigen Beteiligten ohne Hinzuziehung weiteren fachwissenschaftlichen Sachverstands beurteilen. Insoweit unterscheidet sich diese Beurteilung nicht von derjenigen, die die Bewertung eines Sachverständigengutachtens zum Gegenstand hat.

Eingehend hierzu OVG NRW, Beschluss vom 24.2.2009 - 13 A 813/08 -, A & R 2009, 94, m. w. N.

Dass sich dem VG hier ausnahmsweise die Einholung weiteren fachwissenschaftlichen Sachverstands hätte aufdrängen müssen, hat die Klägerin nicht schlüssig aufgezeigt.

Ende der Entscheidung

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