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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 05.10.2009
Aktenzeichen: 13 B 1056/09
Rechtsgebiete: PostG


Vorschriften:

PostG § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
PostG § 36
PostG § 45 Abs. 1 Satz 1
PostG § 45 Abs. 2
Kein vorläufiger Rechtsschutz gegen postrechtliche Auskunftsanordnung mit Fragen zu Subunternehmen.
Tatbestand:

Im Januar 2009 forderte die Antragsgegnerin (Bundesnetzagentur, im Folgenden: BNetzA) die Antragstellerin und andere Postdienstleister nach § 45 PostG auf, einen der Auskunftsanordnung beigefügten "Fragebogen zu den Arbeitsbedingungen im lizenzierten Bereich" auszufüllen. Der Fragebogen besteht aus fünf Teilen und enthält in Teil III ("Allgemeine Fragen zur Beförderung von Briefsendungen für Dritte") Fragen zu Erfüllungsgehilfen (Subunternehmen) und u. a. die Frage 5 nach Firmenbezeichnung und Anschrift der Erfüllungsgehilfen. Die Antragstellerin füllte den Teil III des Fragebogens nicht vollständig aus, legte Widerspruch gegen die Auskunftsanordnung ein und erhob nach dem Ergehen eines Widerspruchsbescheids Klage. Ihrem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen die Auskunftsanordnung gab das VG statt. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin änderte das OVG den Beschluss und lehnte den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der dargelegten Gründe befindet, ist begründet.

Bei der in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung bestehen keine die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage rechtfertigende Bedenken gegen die Fragen in Teil III Ziffern 3 - 9 des Fragebogens der Auskunftsanordnung, die Gegenstand des Klagebegehrens sind, und auch nicht speziell gegen die Frage 5 im Teil III, der der Senat zudem nicht die entscheidende Bedeutung wie das VG zumisst. Insbesondere kann bei summarischer Prüfung nicht von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit des in Frage stehenden Teils der Auskunftsanordnung ausgegangen werden.

Die Auskunftsanordnung ist gestützt auf § 45 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 PostG. Ein Einsichts- und Prüfungsrecht nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 PostG oder ein vom VG in dem angefochtenen Beschluss bezeichnetes Betretungs- und Durchsuchungsrecht und der Anwendungsbereich des Art. 13 GG stehen hingegen nicht im Raum, so dass es darauf bezogener Erwägungen und Ausführungen nicht bedarf.

Die nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 PostG erforderlichen tatbestandsmäßigen Voraussetzungen sind erfüllt.

Hinsichtlich der verfahrensmäßigen Anforderungen des § 45 Abs. 2 PostG hat der Senat keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Auskunftsanordnung. Durch diese Anforderungen soll gewährleistet werden, dass das betroffene Unternehmen in die Lage versetzt wird, Art und Ausmaß der ihm auferlegten Pflichten zu erfassen und die Chancen eines etwaigen Rechtsmittels abzuschätzen. Die Ausführungen der BNetzA tragen dem Rechnung. Jedenfalls in der Zusammenschau der Auskunftsanordnung, des Widerspruchsbescheids und ihres Vorbringens im gerichtlichen Verfahren wurde die Erforderlichkeit der Auskunftsanordnung und der Zweck derselben formell und materiell hinreichend dargelegt. Die Auskunftsanordnung ist auch geeignet und erforderlich, die Erfüllung der der BNetzA übertragenen Aufgabe nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG sicherzustellen.

Der Regulierungsbehörde ist nach dem Postgesetz der Bereich der Lizenzierung von Postdienstleistern zugeschrieben, also das Spektrum von der Erteilung (§ 6 PostG) bis zum Widerruf einer Lizenz (§ 9 PostG). Dazu gehört auch die Kontrolle darüber, ob die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, nicht unerheblich unterschritten werden (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG). Der Fragebogen bezieht sich - nicht nur formal in der angegebenen Bezeichnung - auf diese Arbeitsbedingungen. Die fragliche Auskunftsanordnung knüpft an frühere vergleichbare Anordnungen an, die auch Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Verfahren waren, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31.10.2007 - 13 B 1428/07 u. a. -, DVBl. 2007, 1570; VG Köln, Beschluss vom 13.8.2007 - 22 L 1042/07 -, und hat insbesondere vor dem Hintergrund der Anfang 2008 erfolgten Liberalisierung des Postmarktes, die eine weitere Prüfung der Entwicklungen und Umstände in diesem Markt durch die Regulierungsbehörde erforderlich macht, und der - auch in der Öffentlichkeit diskutierten - Frage der Entlohnung für Briefzusteller ihre grundsätzliche Berechtigung. Im Speziellen gilt dies auch für die streitigen Fragen 3 - 9 im Teil III des Fragebogens, die sich auf Erfüllungsgehilfen (Subunternehmen) beziehen.

Subunternehmen prägen in zunehmendem und entscheidendem Maße das Bild des Postmarkts und speziell des Briefmarkts, der üblicherweise durch lizenzierte Betriebe bestimmt ist, und machen einen großen Teil der in diesen Märkten Beteiligten aus. Erkenntnisse auch zu diesen Beteiligten sind deshalb für die der Regulierungsbehörde obliegende Kontrolle des lizenzierten Bereichs des Postmarktes unerlässlich. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Subunternehmen gehörten nicht zum lizenzierten Bereich und der lizenzierte Bereich betreffe den Bereich der Deutschen Post AG mit der bis Ende 2007 bestehenden Exklusivlizenz und deren mit einer Lizenz versehenen Wettbewerber. Wenn ein lizenzierter Betrieb ein Subunternehmen einschaltet oder als Subunternehmen für einen anderen lizenzierten Betrieb tätig wird, erfolgt die Tätigkeit aller Beteiligten und auch die des Subunternehmens im "lizenzierten Bereich" und nicht außerhalb desselben, weil das Subunternehmen für den lizenzierten Betrieb oder - bei einer Subunternehmenstätigkeit für einen anderen Lizenzinhaber - als solcher tätig wird. Die Annahme einer Tätigkeit des Subunternehmens außerhalb des Lizenzbereichs würde dazu führen, dass die für diesen Bereich maßgebenden Konditionen umgangen werden könnten und die Regulierungsbehörde ihrer Aufgabe der Kontrolle des lizenzierten Bereichs, zu dem alle in diesem Bereich tätigen Dienstleistungsanbieter zu zählen sind, nicht mehr mit der notwendigen Effizienz nachkommen könnte. Ob die Auskunftsanordnung oder einzelne Teile des zugehörigen Fragebogens (hier Teil III, Fragen 3 - 9) durch einen konkreten Anfangsverdacht veranlasst sind oder ein solcher nicht besteht, ist nicht relevant, weil sich die Anordnung aus den gesetzlich normierten Kontrollbefugnissen der BNetzA, hier in Bezug auf § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, rechtfertigt und die Notwendigkeit eines Anfangsverdachts bei Fällen des Verdachts einer missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung angenommen wird, bei Auskunftsanordnungen nach § 45 Abs. 1 PostG aber nicht geeignet erscheint.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.1.2008 - 13 A 4362/00 -, DVBl. 2008, 460; Beschlüsse vom 31.10.2007 - 13 B 1428/07 u.a. -, a.a.O., und vom 2.4.1998 - 13 B 213/98 -, NJW 1998, 3370.

Unter Berücksichtigung dieses Hintergrundes dienen (auch) die Fragen 3 - 9 im Teil III des Fragebogens der Erfüllung der Kontrollaufgabe der Regulierungsbehörde nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG. Die Fragen beziehen sich auf die im Postsektor tätigen Betriebe und lassen Rückschlüsse zu deren Zahl und deren Strukturen sowie Erkenntnisse über die grundsätzlichen Entgeltkonditionen zu. Der Frage 5 kommt dabei nach Auffassung des Senats eine das gesamte Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage entscheidend beeinflussende Bedeutung nicht zu.

Die in Teil III des Fragebogens abgefragten Daten betreffen die "wirtschaftlichen Verhältnisse" der Antragstellerin i. S. d. § 45 Abs.1 Nr.1 PostG; dies gilt auch in Bezug auf die Frage 5. Zwar ist eine gesetzliche Definition dieses Begriffs nicht vorhanden. Eine am Zweck des § 45 PostG orientierte Auslegung, der Regulierungsbehörde Maßnahmen zur Durchsetzung nach dem Postgesetz übertragener Aufgaben zu ermöglichen, führt aber dazu, dass der Begriff der wirtschaftlichen Verhältnisse weit zu verstehen ist und nicht allein durch die beispielhafte Benennung der Umsatzzahlen in § 45 Abs. 1 Nr. 1 PostG begrenzt und definiert wird. Er umfasst alle tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten und Beziehungen des betroffenen Unternehmens und somit die gesamte betriebliche und gesellschaftsrechtlich relevante Unternehmenssphäre. Dazu gehören u. a. auch die Marktstellung sowie Art und Umfang vertraglicher Beziehungen zu vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufen und demnach auch Geschäftsbeziehungen zu Dritten. Zwar erstreckt sich die Auskunftspflicht nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse Dritter; dass die Auskunft über eigene Daten Rückschlüsse darauf ermöglicht, schließt hingegen die Auskunftspflicht nicht aus.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.5. 2009 - 6 C 14.08 -, N&R 2009, 209; OVG NRW, Urteil vom 22.1.2008 - 13 A 4362/00 -, a.a.O., Beschluss vom 2.4.1998 - 13 B 213/98 -, a.a.O.; Badura, in: Beck'scher PostG-Kommentar, 2. Aufl., § 45 Rdn. 12 f.; Holznagel, in: Habersack/Holznagel/Lübbig, Behördliche Auskunftsrechte und besondere Missbrauchsaufsicht im Postrecht, S. 59.

Wenn danach konkrete und substantiierende Auskünfte zu Art und Umfang der wirtschaftlichen Betätigung und der Geschäftsbeziehungen zu Dritten, also auch zu Subunternehmen, gefordert werden dürfen, ist nicht erkennbar, warum dies nicht auch bezüglich der Firmenbezeichnungen und Anschriften von Subunternehmen gelten soll. Wie dargelegt, wird der Post-/ Briefmarkt entscheidend auch geprägt von der Einschaltung und Hinzuziehung von Subunternehmen und deren Tätigkeit in dem Bereich. Da diese der BNetzA nicht allesamt bekannt sind, etwa weil einige ihrer Anzeigepflicht nach § 36 PostG nicht nachkommen, und es ihr nicht möglich sein wird, mit der gebotenen Effektivität die entsprechenden Firmendaten anders als in der praktizierten Form zu erhalten, die Daten von Subunternehmen aber (auch) relevant sind für eine wirkungsvolle Kontrolle des lizenzierten Bereichs durch die BNetzA - auch in Bezug auf mögliche künftige Auskunftsverlangen - und dazu grundsätzlich die Firmenbezeichnungen und Anschriften derselben zur Verfügung stehen müssen, ist deshalb auch für diese Frage eine sachliche Berechtigung anzunehmen. Dass der Fragenkatalog zur Auskunftsanordnung zu Subunternehmen differenzierter ist als der Fragenkatalog 2007, ist auch der weiteren Liberalisierung des Postbereichs Anfang 2008 geschuldet, die zu einer intensiveren, im Rahmen der Kontrollbefugnisse der BNetzA zu beachtenden Beteiligung von Subunternehmen in diesem Bereich geführt hat. Der gesetzlich normierten Aufgabe der Kontrolle, ob die im lizenzierten Bereich üblichen wesentlichen Arbeitsbedingungen eingehalten oder erheblich unterschritten werden (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG), kann die BNetzA sachgerecht und wirkungsvoll nur nachkommen, wenn ihr (auch) Name und Anschrift der Subunternehmen bekanntgegeben werden. Anonymisierte abstrakte Angaben der auskunftspflichtigen Betriebe ohne konkrete Benennung dieser Angaben der eingeschalteten Subunternehmen reichen insoweit nicht aus. Eine zur Verifizierung der Angaben eventuell notwendige Gegenkontrolle der mitgeteilten anonymen Daten durch entsprechende Nachfrage bei den Subunternehmen wäre der BNetzA ohne diese Angaben nicht möglich. Dies ist vor allem bezüglich der Entlohnung der Briefzusteller relevant, die in Zusammenhang mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und der zugehörigen bundesministeriellen Verordnung über Arbeitsbedingungen in der Branche Briefdienstleistungen bereits Gegenstand gerichtlicher Verfahren war.

Vgl. z.B. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 18.12. 2008 - 1 B 13.08 -, juris.

Dass die BNetzA auf andere Art als durch Nachfrage bei den auskunftspflichtigen Betrieben die (mit der Frage 5) nachgefragten Angaben zu den im Postbereich tätigen Subunternehmen erhalten kann, ist nicht erkennbar. Schutzwürdige Belange der Antragstellerin stehen dem Auskunftsverlangen in der Frage 5 vor dem Hintergrund, dass es nicht ihre Aufgabe ist, entsprechende Schutzinteressen der Subunternehmen wahrzunehmen, nicht entgegen. Schutzwürdige Belange der betroffenen Subunternehmen werden durch das in Frage stehende Auskunftsverlangen nicht verletzt. Die Mitteilung der in Frage 5 geforderten Angaben (Name und Anschrift von Subunternehmen) ist für eine wirksame Kontrolle der BNetzA nach dem Postgesetz notwendig. Konkrete Angaben zu den Subunternehmen, beispielsweise in Bezug auf die dortigen Arbeitskonditionen, werden (auch) mit der Frage 5 nicht angefordert. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die Firmenbezeichnungen und Anschriften der Subunternehmen weitgehend auch durch entsprechende Eintragungen in öffentlichen Registern und Verzeichnissen bekannt sind.

Die Antragstellerin kann sich für die Verweigerung der Antworten auf die Fragen im Teil III des Fragebogens nicht auf Datenschutzbestimmungen berufen (...). Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, zu denen auch vertragliche Beziehungen zu Dritten rechnen, unterliegen nicht von vornherein einem absoluten Schutz. Insoweit stellt vielmehr § 45 Abs. 1 PostG eine zulässige Beschränkung des aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzbereichs dar. Nach § 13 BDSG ist das Erheben personenbezogener Daten zudem zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der verantwortlichen Stelle erforderlich ist. Das ist hier - wie dargelegt - auch in Bezug auf Name und Anschrift von Subunternehmen der Fall.

Vorrangige Interessen der Antragstellerin, von der Durchsetzung der Auskunftsanordnung vorläufig verschont zu bleiben, sind nicht gegeben. Die Beantwortung der Fragen auch des Teils III des Fragebogens einschließlich der Frage 5 ist für sie nicht unzumutbar. Dass nach dem Vorbringen der Antragstellerin die geforderte Mitteilung der in der Frage 5 geforderten Angaben zu Subunternehmen "mit Schwierigkeiten" verbunden sein soll, kann angesichts der elektronischen Möglichkeiten zur Speicherung von Adressdaten nicht ernsthaft geltend gemacht werden. Im Übrigen hätte auch im Rahmen der Interessenabwägung bei - hier nach dem Vorstehenden nicht anzunehmenden - offenem Verfahrensausgang der in § 44 PostG angeordnete Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen, in dem das öffentliche Vollzugsinteresse zum Ausdruck kommt, erhebliches Gewicht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.6. 2007 - 6 VR 5.07 -, NVwZ 2007, 1207.

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