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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 22.10.2007
Aktenzeichen: 13 B 1585/07
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 123
Keine Fahrerbescheinigung für türkischen Fahrer eines LKW einer deutschen Spedition.
Tatbestand:

Die Antragstellerin ist eine deutsche Spedition und Inhaberin einer Gemeinschaftslizenz für die Durchführung grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs. Sie kooperiert mit einer Spedition in Istanbul/Türkei in der Weise, dass sie für Touren Türkei/Europa die LKW stellt und von ihrem Kooperationspartner in der Türkei für diese Fahrzeuge türkische LKW-Fahrer zur Verfügung gestellt werden.

Die Antragstellerin begehrt die Erteilung einer Fahrerbescheinigung für einen türkischen LKW-Fahrer. Den entsprechenden Antrag nach § 123 VwGO lehnte das VG mit der Begründung ab, die Überlassung der türkischen Fahrer durch die türkische Spedition sei nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG - unzulässig. Die Beschwerde der Antragstellerin hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die verwaltungsgerichtliche Ablehnung des Antrags der Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr für einen namentlich benannten türkischen LKW-Fahrer eine Fahrerbescheinigung im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr auszustellen, begegnet keinen Bedenken. Der Senat schließt sich dabei dem VG an und zwar sowohl hinsichtlich der genannten maßgebenden europarechtlichen Rechtsvorschriften (EWG-Verordnung Nr. 881/92, EG-Verordnung Nr. 484/2002) als auch hinsichtlich der in Auswertung der Rechtsprechung des EuGH und nationaler Obergerichte erfolgten Wertung, der Antragstellerin stehe wegen fehlender Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache ein Anordnungsanspruch nicht zu. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die Erwägung des VG, bei summarischer Prüfung spreche viel dafür, dass der von der Antragstellerin auf ihren LKW eingesetzte türkische Fahrer von dessen türkischem Arbeitgeber als Leiharbeitnehmer zur Verfügung gestellt werde, letzterer aber nicht im Besitz der dafür nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz erforderlichen Genehmigung sei.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 13.9.2007 - 3 C 49.06 - zu Hess. VGH, Urteil vom 18.7.2006 - 2 UE 2037/05 - (zitiert im angefochtenen Beschluss).

Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen.

Auch nach Auffassung des Senats ist es nicht gerechtfertigt, die bezüglich des Einsatzes türkischer Fahrer auf ihren LKW relevanten vertraglichen Beziehungen der Antragstellerin zu ihren türkischen Kooperationspartnern als Werksvertragsverhältnis, das vom AÜG nicht erfasst würde, vgl. BAG, Urteil vom 6.8.2003 - 7 AZR 180/03 -, BB 204, 669, einzustufen.

Für die Annahme eines Dienst- oder Werkvertrags ist kennzeichnend, dass die eingesetzten Arbeitnehmer der Weisung ihres Arbeitgebers unterliegen und dessen Erfüllungsgehilfe sind, während bei einem Leiharbeitsverhältnis die Arbeitskräfte in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sind und ihre Arbeiten nach dessen Weisungen ausführen. Der von der Antragstellerin vorgelegte Kooperationsvertrag mit der Firma ..., Istanbul, enthält - möglicherweise bewusst - keine konkreten Regelungen zur Frage, welchem der beteiligten Unternehmer die eingesetzten türkischen Fahrer, die der Antragstellerin von den türkischen Kooperationspartnern für die Fahrtroute Europa/ Nah-Mittel-Ost (Türkei) zur Verfügung gestellt werden, weisungsunterworfen sind. Dass die türkischen Fahrer während der gesamten Fahrt und insbesondere auch während der Fahrtstrecke in Deutschland allein Weisungen ihres türkischen Arbeitgebers und nicht - auch/ ausschließlich - der Antragstellerin unterworfen sein sollen, ist bei realistischer Betrachtung nicht glaubhaft und deshalb nicht überzeugend. Unabhängig von den damit schon wegen der Entfernung verbundenen Problemen in der praktischen Durchführung kann bei verständiger und realitätsbezogener Betrachtung nicht davon ausgegangen werden, dass es tatsächlich dem Willen und der Intention der Antragstellerin (und ihrer türkischen Kooperationspartner) entspricht, dass die Antragstellerin - auch für die Fahrtstrecken in Deutschland - auf alle unternehmerischen Einflussmöglichkeiten und Weisungsbefugnisse gegenüber den türkischen Fahrern in der Durch- und Ausführung der Frachtaufträge verzichtet und für die Fahrer allein eine ausschließliche Weisungsbefugnis des in der Türkei ansässigen Partnerunternehmens anzunehmen ist. Dies gilt schon angesichts des Umstands, dass für die gesamte Fahrtroute LKW der Antragstellerin und nicht solche der türkischen Kooperationspartner zum Einsatz kommen. Schon allein dieser Umstand lässt die Annahme als äußerst fernliegend und lebensfremd erscheinen, dass sowohl das Fahrzeugmaterial als auch der entsprechende Fahrer der Disposition der Antragstellerin gänzlich entzogen sein sollen. Dies würde u. a. mehr oder weniger zu einem Leerlaufen der der Antragstellerin erteilten Gemeinschaftslizenz für die Durchführung grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs führen, zumal insofern ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dieser und der Fahrerbescheinigung besteht, als die Fahrerbescheinigung nach Art. 6 Abs. 2 EG-VO Nr. 881/92, Nr. 484/2002 (nur) dem Inhaber der Gemeinschaftslizenz ausgestellt wird. Die Antragstellerin behauptet zwar eine uneingeschränkte Dispositionsbefugnis der Speditionsfirma in der Türkei, tatsächlich gesehen ist die türkische Firma mangels eigener geeigneter Fahrzeuge und wegen fehlender entsprechender Lizenzen aber offenkundig nicht in der Lage, die im Rahmen grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs in Europa anfallenden Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und Gegebenheiten zu organisieren und durchzuführen. Überdies lässt auch die Beteiligtenstellung in diesem und dem früheren gerichtlichen Verfahren (VG Gelsenkirchen - 7 L 2482/03 -, OVG NRW - 13 B 765/04 - ) erkennen, dass allein die Antragstellerin in dem gesamten Vertragsgeflecht mit den türkischen Kooperationspartnern und den eingesetzten türkischen LKW-Fahrern als "die treibende Kraft" erscheint.

Angesichts dieses realistischerweise anzunehmenden Hintergrunds vermag auch der Hinweis der Antragstellerin, unter Berücksichtigung der handelsrechtlichen Vorschriften zum Frachtgeschäft (§§ 407 ff. HGB) bzw. zum Speditionsgeschäft (§§ 453 ff. HGB) müsse ihr Vertragsverhältnis zum türkischen Kooperationspartner als Werkvertragsverhältnis eingestuft werden, der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.9.2007 - 3 C 49.06 -.

Zwar kann ein Lohnfuhrvertrag, als der der Kooperationsvertrag bezeichnet ist, als Sonderform des Frachtvertrages (§§ 407 ff. HGB) angesehen werden. Wie bereits das VG geht aber auch der Senat davon aus, dass die in der Kooperationsvereinbarung enthaltenen Bestimmungen und Bezeichnungen der Vertragsbeteiligten nicht der tatsächlichen Durchführung des Vertrags und dem wirklichen Willen der Vertragsparteien entsprechen, und dass Vieles dafür spricht, in Bezug auf die Antragstellerin den eigentlichen Hintergrund darin zu sehen, durch die nach türkischem Standard entlohnten und sozialversicherten Fahrer Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Eine ständige ausschließliche Weisungsbefugnis des türkischen Kooperationspartners gegenüber den eingesetzten LKW-Fahrern, die auch bei den Fahrtstrecken in Deutschland bzw. Europa greift, ist - wie dargelegt - schon aus Gründen der praktischen Durchführbarkeit nicht denkbar. Sie wird auch nicht belegt durch die exemplarische Vorlage von Abrechnungsvorgängen eines Transport-Rundlaufs von der Türkei über Staaten Europas zurück in die Türkei, zumal sich aus diesen Unterlagen ergibt, dass der Antragstellerin direkt Transportaufträge erteilt werden und die Antragstellerin Frachtrechnungen im eigenen Namen an Versender ausstellt. Bei einem typischen Frachtvertrag und bei der von der Antragstellerin behaupteten Konstellation der alleinigen Organisations- und Entscheidungskompetenz der Speditionsfirma in der Türkei wäre aber diese Vertragspartner des Frachtvertrags und hätte diese auch die vereinbarte Fracht zu zahlen.

Vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 407 Rdnrn. 12, 15.

Auf die Entscheidungen des SG Nürnberg vom 12./13.5.1997 mit der Verpflichtung der damaligen Bundesanstalt für Arbeit, davon auszugehen, dass im grenzüberscheitenden Güterkraftverkehr eingesetzte türkische Arbeitnehmer (Fahrer) keiner Arbeitserlaubnis bedürften, die in dem o. a. Verfahren eine Rolle gespielt haben, kann sich die Antragstellerin nicht (mehr) mit Erfolg berufen. Zum einen sind für die Frage der Ausstellung von Fahrerbescheinigungen nunmehr Bestimmungen maßgebend, die zum Zeitpunkt der angegebenen sozialgerichtlichen Entscheidungen noch nicht erlassen waren.

Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 8.8.2006 - 11 CE 05.2152 -.

Zum anderen liegt nach heutigem Erkenntnisstand eine andere als die seinerzeit erfolgte Bewertung und Gewichtung der nach Rücknahme der jeweils eingelegten Beschwerden rechtskräftig gewordenen Beschlüsse des SG Nürnberg nahe, zumal entsprechende gerichtliche Hauptsacheverfahren zu deren Problematik nicht anhängig waren.

Ende der Entscheidung

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