Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 23.04.2009
Aktenzeichen: 13 B 269/09
Rechtsgebiete: VergabeVO NRW


Vorschriften:

VergabeVO NRW § 6 Abs. 3
VergabeVO NRW § 6 Abs. 4
VergabeVO NRW § 6 Abs. 5
VergabeVO NRW § 17
VergabeVO NRW § 23
Zu den Voraussetzungen der Zulassung zu einem Zweitstudium (hier: Tiermedizin).
Tatbestand:

Die Antragstellerin hat ein Lehramtsstudium mit der Gesamtnote "befriedigend" abgeschlossen. Nunmehr begehrt sie die Zuweisung eines Studienplatzes im Studiengang "Tiermedizin". Den Zulassungsantrag begründete sie damit, es sei ihr Wunsch, sich dem Forschungsbereich des Tierversuchersatzes zu widmen. Die ZVS lehnte den Zulassungsantrag ab. Ihr Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes blieb ohne Erfolg.

Gründe: Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt nicht, ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Zulassung zum Studium der Tiermedizin gemäß dem zum Wintersemester 2008/2009 gestellten Zulassungsantrag stattzugeben.

Die Antragstellerin stützt ihre Beschwerde darauf, ein Studium der Tiermedizin sei eine sinnvolle Ergänzung des durchgeführten Lehramtsstudiums der Biologie. Einen Berufswechsel bezwecke sie nicht. Sie strebe eine forschende Tätigkeit in einem wissenschaftlichen fachübergreifenden Bereich der Zoologie und Botanik an und wolle sich dem Forschungsbereich des Tierversuchersatzes widmen.

Hiervon ausgehend kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Das Begehren, ein Zweitstudium aufzunehmen, wird nach Maßgabe des § 17 der Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen in Nordrhein-Westfalen (VergabeVO NRW) vom 15.5.2008 (GV.NRW. S. 386) behandelt. Danach besteht für die Aufnahme eines Zweitstudiums ein eigener Zugangsweg. Zwar kann auch derjenige, der bereits ein Studium abgeschlossen hat, grundsätzlich die Möglichkeit wahrnehmen, ein weiteres Studium aufzunehmen. Verschärfte Zulassungsbedingungen nach § 17 VergabeVO NRW finden ihre Rechtfertigung aber darin, dass sich dieser Bewerber bereits durch eine Ausbildung im Hochschulbereich die Grundlage für eine berufliche Tätigkeit geschaffen hat. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf Zulassung zum Studium der Wahl wird durch den Abschluss eines Erststudiums nicht verbraucht. Das Grundrecht der freien Berufswahl umfasst daher auch einen Berufswechsel als Akt freier Selbstbestimmung; wegen des inneren Zusammenhangs von Berufswahl und Berufsausübung gilt insoweit das Gleiche für die Ausbildung zu einem weiteren Beruf.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 8.2.1977 - 1 BvF 1/76 u. a. -, BVerfGE 43, 291 = NJW 1977, 569, 575; Beschluss vom 3.11.1982 - 1 BvR 900/78 -, BVerfGE 62, 117 = NVwZ 1983, 277, 278.

In Studiengängen mit Zulassungsbeschränkungen ist die Zulassung zu einem Zweitstudium auf eine Sonderquote allerdings gerechtfertigt beschränkt; der Ausschluss von Zweitstudienbewerbern von den generellen Kriterien des allgemeinen oder besonderen Auswahlverfahrens ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24.5.1996 - 13 B 1011/96 - und vom 27.3.2008 - 13 B 310/08 -, juris; Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, § 23 Vergabeordnung Rn. 1.

Bewerber für ein Zweitstudium werden nicht im Rahmen der Quoten nach § 6 Abs. 3 bis 5 VergabeVO NRW ausgewählt (§ 17 Abs. 1 VergabeVO NRW). Die Rangfolge wird durch eine Messzahl bestimmt, die aus dem Ergebnis der Abschlussprüfung des Erststudiums und dem Grad der Bedeutung der Gründe für das Zweitstudium ermittelt wird. Die Einzelheiten der Ermittlung der Messzahl ergeben sich aus Anlage 3 zur VergabeVO NRW (§ 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 VergabeVO NRW). Nach Abs. 1 der Anlage 3 ist die Messzahl die Summe der Punktzahlen, die für das Ergebnis der Abschlussprüfung des Erststudiums und für den Grad der Bedeutung der Gründe für das Zweitstudium vergeben werden. Hiernach hat die Antragsgegnerin die für die Bewerbung der Antragstellerin maßgebliche Messzahl zutreffend ermittelt. Da die Antragstellerin bei der Ersten Staatsprüfung für das Amt des Lehrers die Gesamtnote "befriedigend" erzielt hatte, waren hierfür 2 Punkte zu vergeben (Abs. 2 Nr. 3 der Anlage 3). Den Grad der Bedeutung der Gründe für das Zweitstudium hat die Antragsgegnerin in rechtlich nicht anfechtbarer Weise mit einem Punkt bewertet, weil kein i. S. d. Abs. 3 Nr. 1 bis 4 der Anlage 3 anerkannter Grund gegeben ist.

Für den Grad der Bedeutung der Gründe für das Zweitstudium wird zwischen "zwingenden beruflichen" (9 Punkte) sowie "wissenschaftlichen" (7 - 11 Punkte), "besonderen beruflichen" (7 Punkte) und "sonstigen beruflichen Gründen" (4 Punkte) unterschieden; wer keine dieser Gründe vorweisen kann, also einen bloßen Berufswechsel ohne Bezug zur bisherigen Ausbildung anstrebt, erhält einen Punkt.

Zwingende berufliche Gründe liegen vor, wenn normativ vorgeschrieben ist, dass der angestrebte Beruf nur aufgrund zweier abgeschlossener Studiengänge ausgeübt werden kann (Abs. 3 Nr. 1 der Anlage 3).

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 7.1.1997 - 13 E 1382/96 -.

Unstreitig sind solche Gründe hier nicht gegeben. Gleichfalls liegen wissenschaftliche Gründe für ein Zweitstudium der Antragstellerin i. S. v. Abs. 3 Nr. 2 der Anlage 3 fraglos nicht vor. Die beabsichtigte spätere Mitwirkung in Forschungsprojekten ist insoweit nicht relevant.

Besondere berufliche Gründe bestehen, wenn die berufliche Situation dadurch erheblich verbessert wird, dass der Abschluss des Zweitstudiums das erste Studium sinnvoll ergänzt (Abs. 3 Nr. 3 der Anlage 3). Auch dieser Grund ist vorliegend nicht gegeben.

Prägend für die Auslegung - auch - des Abs. 3 Nr. 3 der Anlage 3 zur VergabeVO NRW ist das schützenswerte Interesse von Erstbewerbern an der Zulassung zu einem Studium, so dass der Zugang zu einem Zweitstudium von Bewerbern mit erfolgreicher Hochschulausbildung erheblich erschwert werden darf.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.11.1982 - 1 BvR 900/78 -, BVerfGE 62, 117 = NVwZ 1983, 277, 278.

Der mit der Zweitstudienregelung bezweckte Schutz der Erststudienbewerber zwingt zu einer engen Auslegung der Fallgruppen. Da das Zweitstudium eine sinnvolle Ergänzung des Erststudiums darstellen muss, ist ein Berufswechsel durch ein Zweitstudium in berufsfremden zulassungsbeschränkten Studiengängen ausgeschlossen. Zugelassen ist aber der Erwerb einer Doppelqualifikation durch ein interdisziplinäres Studium, wenn dies für die sachgemäße Ausübung des angestrebten Berufs sinnvoll ist, ohne dass dabei einseitig herkömmliche Berufsbilder bevorzugt werden.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.11.1982 - 1 BvR 900/78 -, a.a.O.

Ergänzen sich die beiden Studiengänge sinnvoll, kommt es nicht darauf an, wo der Schwerpunkt der späteren Berufsausübung liegt und in welcher zeitlichen Reihenfolge das Erst- und das Zweitstudium betrieben werden (vgl. auch ZVS-Info WS 2008/09, S. 56).

Das von der Antragstellerin angestrebte Zweitstudium stellt in diesem Sinne keine sinnvolle Ergänzung des Erststudiums dar. Ob die Antragstellerin mit Abschluss des Lehramtsstudiums bereits eine hinreichende Berufsqualifikation erreicht hat, ist bei der Anwendung des § 17 VergabeVO, der diesbezüglich keine weitere Differenzierung enthält, ohne ausschlaggebende Bedeutung; maßgeblich ist der - hier erfolgte - Abschluss des Studiums. Besondere berufliche Gründe für die Aufnahme des Zweitstudiums hat die Antragstellerin nicht nachvollziehbar dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass hier eine durch die Absolvierung von universitären Studiengängen erlangte Doppelqualifikation angestrebt wird. Die Antragstellerin hat in der Begründung für das Zweitstudium als angestrebtes Berufsziel eine Tätigkeit in Lehre und Forschung im biologischen Bereich mit veterinärmedizinischem Schwerpunkt angegeben und ohne nähere konkrete Ausführungen zu einer sinnvollen Ergänzung des Erststudiums darauf hingewiesen, dass sie im Biologiestudium Einblicke habe sammeln können, die für das beabsichtigte Studium der Veterinärmedizin und einer späteren Tätigkeit in Lehre und Forschung von Bedeutung seien. Auch die weitere Begründung bleibt allgemein und vage und zeigt die Sinnhaftigkeit einer Doppelqualifikation nicht auf. Vielmehr beschreibt die Antragstellerin die Tätigkeit in Lehre und Forschung sowie die inhaltlichen Zusammenhänge beiden Studiengänge und verweist zudem auf ihr Engagement für den Tierschutz. Schließlich gibt sie an, dass sie sich eine Tätigkeit in der Parasitenforschung und pharmakologischen Forschung sowie auf dem Gebiet der Forschung an Alternativmethoden zu Tierversuchen vorstellen könne. Vor diesem Hintergrund bleibt es indessen unklar, warum die Antragstellerin das Lehramtsstudium überhaupt absolviert hat. Eine Tätigkeit als Lehrerin strebt sie nunmehr augenscheinlich auch nicht mehr an. Eine nachträgliche Umorientierung bezüglich der künftigen beruflichen Perspektiven kann nicht zu einer höheren Messzahl-Bewertung für das geplante Zweitstudium führen. Dass die von der Antragstellerin jetzt favorisierte Forschungstätigkeit nicht allein aufgrund eines veterinärmedizinischen Studiums möglich ist, hat sie abgesehen hiervon nicht plausibel dargetan. Der Senat folgt daher dem VG in der Einschätzung, dass das angestrebte Zweitstudium sich nicht als Teil einer aus zwei Abschnitten sinnvoll sich ergänzenden Gesamtausbildung darstellt. Es liegt weder eine Ergänzung des Lehramtsstudiums durch das angestrebte Studium der Tiermedizin vor noch ist der umgekehrte Fall gegeben. Es ist nicht zu erkennen, dass es der Absolvierung zweier Vollstudien bedarf, um eine Tätigkeit in Lehre und Forschung im biologischen Bereich aufzunehmen.

Zu dem Erfordernis eines Vollstudiums im Rahmen von Zweitstudiengängen vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24.5.1996 - 13 B 1011/96 -, vom 4.2.1998 - 13 B 3022/07 - und vom 27.3.2008 - 13 B 310/08 -, a.a.O.

Schließlich scheidet eine Zuordnung zur Fallgruppe 4 des Abs. 3 der Anlage 3 aus.

Sonstige berufliche Gründe liegen vor, wenn das Zweitstudium aufgrund der beruflichen Situation aus sonstigen Gründen zu befürworten ist; in diesem Fall werden 4 Punkte vergeben. Die Fallgruppe 4 hat der Verordnungsgeber in der Erkenntnis geschaffen, dass die nach einem Erststudium erreichte berufliche Situation durch ein Zweitstudium auch ohne inhaltliche Berührung beider Studiengänge und daher ohne - sinnvolle - Ergänzung des Erststudiums durch das Zweitstudium faktisch verbessert werden kann, dass mithin das Raster der Fallgruppen 3 ("besondere berufliche Gründe") und 5 ("keiner der vorgenannten Gründe") zu grob sei.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.3.2000 - 13 B 76/00 -.

Die Schaffung der Fallgruppe 4 ist demnach Ausdruck einer verhältnismäßigen Vergabe von Zweitstudienplätzen. Mit Rücksicht auf die nach wie vor für jeden Studienplatz notwendigen erheblichen öffentlichen Mittel kann aber nur ein Grund in Betracht kommen, der eine zu erwartende Verbesserung der beruflichen Situation des Bewerbers durch das Zweitstudium erkennen lässt. Hiervon abzugrenzen ist die durch das Zweitstudium angestrebte berufliche Situation im Zuge eines Wechsels des aufgrund des Erststudiums erlangten oder erreichbaren Berufes. Dem schlichten Berufswechsel kommt keine weitere als der von der Fallgruppe 5 ("keiner der vorgenannten Gründe") mit einem Punkt versehenen Bedeutung zu.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.3.2008 - 13 B 310/08 -, a.a.O.

So liegt es hier. Die berufliche Situation der Antragstellerin in dem von ihr bisher angestrebten Beruf als Grundschullehrerin würde sich durch ein abgeschlossenes Studium im Studiengang Tiermedizin nicht verbessern. Da sich die Bedeutung der Fallgruppe 4 hauptsächlich in der Abgrenzung zu der Fallgruppe 5 erschließt, wobei allerdings auch ein Blick auf das System des Abs. 3 der Anlage 3 mit seiner abgestuften Punkteskala zeigt, dass nur spezifische berufliche Gründe die Zulassung zu einem Zweitstudium rechtfertigen können, kann der bloße Wunsch eines Berufswechsels oder eines weiteren Studiums nicht ausreichend sein, auch wenn der Studienbewerber - wie die Antragstellerin - sich davon bessere berufliche Perspektiven verspricht.

Da berufsspezifische Gründe i. S. d. Abs. 3 Nr. 1 bis 4 der Anlage 3 nicht gegeben sind, ist die Antragstellerin zutreffend der Fallgruppe 5 mit dem Wert "1 Punkt" zugeordnet worden. Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass die Einordnung der Gründe für das angestrebte Zweitstudium nicht auf Dauer zur Versagung eines Tiermedizinstudiums führt, sondern nur solange besser qualifizierte Konkurrenten die begrenzte Zahl an Zweitstudienplätzen in dem Studiengang Tiermedizin einnehmen.

Ende der Entscheidung

Zurück