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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.10.2008
Aktenzeichen: 13 C 259/08
Rechtsgebiete: HG


Vorschriften:

HG § 60 Abs. 5 Satz 1
§ 60 Abs. 5 Satz 1 HG schließt die Aufnahme von Studienanfängern, aber nicht die Aufnahme von denjenigen aus, die ihre Ausbildung an dem Studienort nach den Modalitäten des bisherigen Studiengangs vor dem Sommersemester 2007 begonnen haben. Der bloße Wechsel des Studiengangs oder des Studienorts darf grundsätzlich unberücksichtigt bleiben.
Tatbestand:

Der Antragsteller, der den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre belegt hat, begehrt die hochschulrechtliche Zulassung zum Diplomstudiengang Betriebswirtschaftslehre. Der Antragsgegner lehnte diesen Antrag ab, weil nach § 60 Abs. 5 Satz 1 HG zum und ab dem Wintersemester 2007/2008 in den Studiengängen, die zu einem Diplomgrad führen, keine Studienanfänger mehr aufgenommen würden. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung blieb vor dem VG und dem OVG ohne Erfolg.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO - im Grundsatz - nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen - vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 = NJW 2004, 2510, 2511; Bay. VGH, Beschluss vom 16.1.2003 - 1 CS 02.1922 -, NVwZ 2003, 632 - des Antragstellers befindet, ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss des VG ist unter Würdigung des Beschwerdevorbringens des Antragstellers nicht zu beanstanden. Sowohl der Hauptantrag des Antragstellers auf Zurückverweisung der Sache an das VG als auch seine Hilfsanträge, dem Antragsgegner aufzugeben, ihn nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2008 vorläufig im 6., hilfsweise im 5., hilfsweise im 4. oder hilfsweise im 3. Fachsemester außerhalb der festgesetzten Kapazität im Studiengang Betriebswirtschaftslehre (Diplom) zuzulassen, haben bei der gegebenen Rechtslage keinen Erfolg. Dies ist dem Antragsteller mit Verfügungsschreiben vom 9.9.2008 unter Berücksichtigung der Beschwerdeerwiderung des Antragsgegners vom 8.9.2008 mitgeteilt worden. Der Senat verweist demnach auf den zutreffenden Inhalt des angefochtenen Beschlusses des VG und führt ergänzend aus:

Dem Wechsel von dem Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre zum Diplomstudiengang Betriebswirtschaftslehre steht § 60 Abs. 4 und 5 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG) vom 31.10.2006 entgegen, der die Umstellung von Diplomstudiengängen auf Bachelor- und Magisterstudiengänge im Zuge des sog. Bologna-Prozesses regelt. Nach § 60 Abs. 4 HG stellen die Hochschulen ihr bisheriges Angebot von Studiengängen, die zu einem Diplomgrad führen, zu einem Angebot von Studiengängen um, welche zum Erwerb eines Bachelorgrades oder eines Mastergrades führen. Demgemäß werden nach § 60 Abs. 5 Satz 1 HG zum und ab dem Wintersemester 2007/2008 in den Studiengängen, die zu einem Diplomgrad führen, keine Studienanfänger mehr aufgenommen. Die Ordnung über die Einstellung der Studiengänge Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre sozialwissenschaftlicher Richtung, Sozialwissenschaften und Wirtschaftspädagogik an der Universität zu Köln (Auslaufordnung) vom 16.4.2007 vollzieht auf der Grundlage von § 2 Abs. 4 Satz 1 HG diese formalgesetzlichen Vorgaben, indem § 1 Satz 1 das Auslaufen dieser Studiengänge anordnet und Satz 2 Einschreibungen sowie Zulassungen als Zweithörer in das erste oder in höhere Fachsemester nur noch für das Sommersemester 2007 zulässt.

Dass § 60 Abs. 5 Satz 1 HG die Aufnahme von Studienanfängern ausschließt und nicht auch von denjenigen, die ihre Ausbildung an dem Studienort nach den Modalitäten des bisherigen Studiengangs vor dem Sommersemester 2007 begonnen hatten, ist Ausdruck des zu gewährenden Vertrauensschutzes bei einer verfassungsgemäßen Handhabung des Übergangszustands.

Die grundgesetzlich geschützte freie Wahl der Ausbildungsstätte (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) erfährt ihren teilhaberechtlichen Charakter mit Hilfe des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG sowie des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG), woraus ein Höchstmaß an zu gewährender Chancengleichheit, Kapazitätsnutzung sowie an freiheits- und sozialstaatsgerechter Zugangsmöglichkeit folgt.

Vgl. Scholz in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 12 Rn. 457.

Dem Studienbewerber steht daher kein beliebig freies Zugangsrecht zu staatlichen Ausbildungseinrichtungen ohne Rücksicht auf vorhandene Ressourcen zu. Bezogen auf den beabsichtigten Wechsel des Studiengangs oder des Studienorts sind diese Voraussetzungen abhängig von den persönlichen Verhältnissen des Studienbewerbers, weil er selbst den maßgeblichen Sachverhalt setzt. Sich hierauf beziehende Begrenzungsmöglichkeiten unterscheiden sich damit von denen, die außerhalb des Einflussbereichs des Studienbewerbers liegen.

Vgl. auch Bay. VerfGH, Entscheidung vom 2.7.1997 - Vf. 10-VII-94 -, NVwZ 1998, 838, 839.

Diese Unterscheidung hat auch Bedeutung für die Pflicht zur Schaffung von Regelungen zum Übergang von auslaufenden zu neu eingerichteten Studiengängen. Hier steht der Grundsatz des Vertrauensschutzes inmitten. Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass es dem Studierenden nicht verwehrt sein darf, sein einmal aufgenommenes Studium an dem bisherigen Studienort abzuschließen. Im Übrigen steht dem Gesetzgeber im Rahmen der Willkürgrenze und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Vgl. auch BVerfG, Urteil vom 10.4.1984 - 2 BvL 19/82 -, BVerfGE 67, 1, 15 = NJW 1984, 2567.

Daraus folgt hier, dass der bloße Wechsel des Studiengangs oder des Studienorts grundsätzlich unberücksichtigt bleiben darf. Nach Auffassung des Senats muss der Gesetzgeber deshalb für solche Bewerber keine günstige Übergangsregelung schaffen. Die vom Gesetzgeber bei der Schaffung des § 60 HG vorgenommene Abwägung genügt den von Verfassungs wegen zu stellenden Anforderungen. Der Studienbewerber hatte sich für einen bestimmten Studiengang oder Studienort entschieden, so dass sich sein Vertrauen auf die weitere Durchführung des aufgenommenen Studiums konzentriert hat. Unangemessene Belastungen entstehen für ihn bei einem nicht mehr möglichen Wechsel nicht. Er kann vielmehr sein bereits begonnenes Studium nach den bisherigen Regelungen durchführen und beenden. Der Gesetzgeber durfte daher maßgeblich auf die Einführung von Bachelor- und Magisterstudiengängen im Zuge des sog. Bologna-Prozesses abstellen, als er sich für eine strikte Stichtagsregelung entschieden und allein Studierenden die Fortführung und den Abschluss des bereits begonnenen Diplomstudiengangs ermöglicht hat.

Hiermit hat das Landeshochschulrecht die Hochschulen des Landes verpflichtet, nur noch Studiengänge, die auf die Erlangung eines Bachelor- oder Mastergrades ausgerichtet sind, anzubieten und ihre bisherigen Diplom- und Magisterstudiengänge auslaufen zu lassen. Das Auslaufenlassen von Diplom-Studiengängen und die Einrichtung neuer Studiengänge mit hiervon abweichenden Studienabschlüssen ist zwar im Ausgangspunkt Teil der der Hochschule von Gesetzes wegen (Art. 16 Abs. 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen) zukommenden Selbstverwaltung, die grundgesetzlich von der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) abgesichert ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.5.2008 - 13 C 150/08 -, juris.

Hochschulen und ihre Fakultäten können aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aber kein Recht ableiten, den Bereich der wissenschaftsorientierten Berufsausbildung autonom zu gestalten. Den staatlichen Gesetzgeber trifft in dem Bereich der auf einen berufsqualifizierenden Abschluss zielenden Lehre im Hinblick auf die Grundrechtspositionen der Auszubildenden aus Art. 12 Abs. 1 GG eine Mitverantwortung. Es ist dem Gesetzgeber indes verboten, den Wissenschaftsbetrieb so zu gestalten, dass die Gefahr der Funktionsunfähigkeit oder der Beeinträchtigung des für die wissenschaftliche Betätigung der Mitglieder erforderlichen Freiheitsraums herbeigeführt wird. In diesen Grenzen ist der Gesetzgeber frei, den Wissenschaftsbetrieb so zu regeln, dass die unterschiedlichen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und die Interessen aller daran Beteiligten in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Die Grenzen seines Gestaltungsspielraums hat der Landesgesetzgeber bei der Neuregelung des Hochschulwesens in Nordrhein-Westfalen allerdings hinreichend beachtet, als er die Kompetenz der Hochschulen, Studienanfängern einen Diplomstudiengang anzubieten, abgeschafft hat.

So BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 7.8.2007 - 1 BvR 2667/05 -, NVwZ-RR 2008, S. 33 f.

Mit dem "Auslaufen" der bisherigen Diplom-Studiengänge und dem Wegfall einer Zulassung von Studienanfängern scheidet die Berechnung und Festsetzung einer Aufnahmekapazität aus. Das Fehlen von normativ festgesetzten Zulassungszahlen in den jeweiligen Fachsemestern führt indes nicht dazu, dass ein Studienplatzbewerber ohne Weiteres beanspruchen könnte, von seinem bislang betriebenen Studium unter Anrechnung von Studienleistungen zu einem anderen Diplom-Studiengang zu wechseln. Dies widerspräche den normativen Vorgaben, nach denen das bisherige Studienangebot mit seinen Diplom-Studiengängen gerade nicht mehr aufrechtzuerhalten ist.

Vgl. auch VG Münster, Beschluss vom 19.5.2008 - 9 Nc 136/08 -, juris.

Mit diesem Grundverständnis erklärt sich auch der auslegungsfähige Begriff "Studienanfänger" in § 60 Abs. 5 Satz 1 HG. In Übereinstimmung mit dem VG geht der Senat deshalb davon aus, dass Studienanfänger hier derjenige ist, der sich zum und ab dem Wintersemester 2007/2008 erstmals in der auslaufenden Fachrichtung einschreiben möchte, auch wenn der Bewerber bereits an einem anderen Studienort in dieser Fachrichtung eingeschrieben gewesen ist. Es handelt sich daher - wie bei dem Antragsteller - um einen Studienbewerber, der sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen im oben genannten Sinne berufen kann, weil er nicht die Fortführung und den Abschluss des an dem Studienort bereits aufgenommenen Studiums anstrebt.

Bei dieser Rechtslage bedarf es keiner Ausführungen mehr zum ferner fraglichen Anordnungsgrund und zur Zulässigkeit einer Vorwegnahme der Hauptsache bei fortbestehender Einschreibung des Antragstellers im Studiengang Volkswirtschaftslehre/Diplom.

Ende der Entscheidung

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