Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 15.08.2006
Aktenzeichen: 13 E 918/06
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 20 Abs. 1
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1
Ein in einem gerichtlichen Verfahren wegen Anfechtung einer Lizenz nach dem PostG irrtümlich beigeladener Rechtsanwalt hat einen Anspruch auf Vergütung gegen die Staatskasse. Es steht ihm aber nicht eine Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) zu, sondern (nur) eine Gebühr für einen Rat oder eine Auskunft (§ 20 Abs. 1 BRAGO).
Tatbestand:

In einem gerichtlichen Verfahren wegen Anfechtung einer Lizenz nach dem PostG hatte das VG den Antragsteller, einen Rechtsanwalt, irrtümlich beigeladen. Nach Beendigung des Verfahrens durch Klagerücknahme entschied das VG, dass die Staatskasse die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers trage. Den Antrag des Antragstellers auf Festsetzung von Kosten gegen die Staatskasse lehnte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des VG wegen Unwirksamkeit der Beiladung des Antragstellers ab. Die Erinnerung des Antragstellers dagegen hatte keinen Erfolg. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Bevollmächtigter sei entbehrlich gewesen. Auf die Beschwerde des Antragstellers änderte das OVG die ablehnenden Beschlüsse teilweise und gestand dem Antragsteller zwar nicht eine Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO), aber eine Gebühr für einen Rat oder eine Auskunft (§ 20 Abs. 1 BRAGO) zu.

Gründe:

Der Senat hat das Rubrum und die Bezeichnung der Beteiligten geändert. Der Antragsteller macht auf Grund des Einstellungsbeschlusses des VG, wonach seine außergerichtlichen Kosten als zunächst Beigeladener die Staatskasse trägt, einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, hier in Form der Landeskasse, geltend. In einem solchen Verfahren stehen sich der die Vergütung fordernde Rechtsanwalt und die Landeskasse als Beteiligte gegenüber, die Beteiligten des Hauptsacheverfahrens sind im Kostenfestsetzungsverfahren nicht beteiligt.

Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 55 RdNr. 11.

Dieser Vorgabe trägt die Änderung des Rubrums Rechnung.

Die Beschwerde, über die der Senat in der Besetzung mit drei Richtern entscheidet und die auch im Hinblick auf die in § 146 Abs. 3 VwGO genannte Wertgrenze von 200,- € statthaft ist, hat nur zum Teil Erfolg.

Aus der Kostenentscheidung im Einstellungsbeschluss des VG kann der Antragsteller keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten in voller Höhe ableiten. Jener Beschluss enthält die Kostengrundentscheidung, während der Umfang der Erstattung der außergerichtlichen Kosten nach § 162 Abs. 3 VwGO im Rahmen der Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten des Gerichts nach § 164 VwGO zu beurteilen ist. Da der Einstellungsbeschluss des VG auch hinsichtlich der Kostenentscheidung unanfechtbar war/ist und deshalb die Kostengrundentscheidung nicht mehr änderbar ist, ist es unerheblich, ob im Rahmen der Billigkeitsentscheidung auch eine andere Entscheidung als die, die Kosten des Beigeladenen der Staatskasse aufzuerlegen, gerechtfertigt gewesen wäre.

Vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 162 RdNr. 139.

Zu den erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen können auch Kosten für die Zuziehung eines Bevollmächtigten gehören, wenn der Beigeladene diese zu seiner Rechtsverfolgung für erforderlich halten durfte.

Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 162 RdNr. 23.

Auch die Gebühren und Auslagen eines sich selbst vertretenden Rechtsanwalts sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch einen verständigen, nicht rechtskundigen Verfahrensbeteiligten veranlasst worden wäre. Insoweit erfolgt nachträglich im Kostenfestsetzungsverfahren im Sinne einer Art "Schlüssigkeitsprüfung" eine Kontrolle und Prüfung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4.1.1989 - 10 B 2241/88 -, NVwZ-RR 1990, 279.

Danach ist hier die Einschaltung eines Rechtsanwalts nach der erfolgten Beiladung des Antragstellers als notwendig anzusehen. Im zunächst übersandten Beiladungsbeschluss war der Antragsteller als Beigeladener bezeichnet; diese irrtümliche Bezeichnung erfolgte auch im weiteren Verlauf des Verfahrens durchgängig bis zur Änderung des Beiladungsbeschlusses durch Beiladung der Lizenzinhaberin ca. 2 1/4 Jahre später. Mit der Zustellung des (ursprünglichen) Beiladungsbeschlusses wurde der Antragsteller Beteiligter des gerichtlichen Verfahrens und war er befugt, sich zu äußern. Mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts hätte auch ein verständiger Verfahrensbeteiligter nach einer formellen Beiladung in einem gerichtlichen Verfahren nicht zuzuwarten brauchen.

Sodan/Ziekow, a.a.O., § 162 RdNr. 137.

Die Tätigkeit eines eingeschalteten Rechtsanwalts in einem solchen Umfang, dass die vom Antragsteller geltend gemachte Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 (der früher geltenden) BRAGO gerechtfertigt ist, war aber nicht erforderlich. Die Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO setzt die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Prozessbevollmächtigten in einem Verfahren voraus und erfordert in Bezug auf eine Beiladung einen Auftrag zur Wahrnehmung und Verfolgung der sich aus der Stellung als Beigeladener ergebenden Rechte und Pflichten in dem Verfahren. Eine derartige Tätigkeit eines Rechtsanwalts in Ausführung eines Prozessauftrags war nach der Übersendung des Beiladungsbeschlusses, des zugehörigen gerichtlichen Anschreibens und der Klageschrift aber nicht angezeigt. Ein Blick in die übersandten Unterlagen hätte für einen sorgfältig und gewissenhaft arbeitenden Rechtsanwalt genügt, um zu erkennen, dass die Beiladung des Antragstellers irrtümlich erfolgt sein musste, weil offenkundig war, dass er mit dem Verfahren wegen Anfechtung einer postrechtlichen Lizenz nichts zu tun hatte. Ein gewissenhafter Rechtsanwalt hätte deshalb einem Beigeladenen den Rat erteilt, beim VG telefonisch und/oder schriftlich darauf hinzuweisen, dass die Beiladung offensichtlich irrtümlich erfolgt war. Eines Prozessauftrags im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO bedurfte es insoweit nicht. Infolgedessen ist der Ansatz der Prozessgebühr nach dieser Bestimmung nicht gerechtfertigt, sondern (lediglich) einer Gebühr nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO (Gebühr für einen mündlichen oder schriftlichen Rat oder eine Auskunft). Eine solche Gebühr hat der Antragsteller zwar nicht ausdrücklich beantragt. Der Senat sieht diese aber wertmäßig als vom Erstattungsantrag umfasst an, zumal im Erinnerungsverfahren - und dementsprechend konsequenterweise auch im zugehörigen Beschwerdeverfahren - die Sache beim Gericht wegen der Richtigkeit des festgesetzten Gesamtbetrags, nicht aber wegen einzelner Kostenansätze anfällt.

Vgl. Sodan/Ziekow, a. a. O., § 165 Rdnr. 24.

Innerhalb des nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO möglichen Gebührensatzrahmens von einem Zehntel bis zehn Zehnteln der vollen Gebühr hält der Senat unter Berücksichtigung der Kriterien des § 12 Abs. 1 BRAGO eine Gebühr von zwei Zehnteln der vollen Gebühr für angemessen. Das Erkennen, dass die Beiladung irrtümlicherweise erfolgt war, erforderte keinen umfangreichen zeitlichen Aufwand anwaltlicher Tätigkeit und war auch nicht besonderes schwierig, so dass eine Gebühr deutlich im unteren Bereich des Gebührensatzrahmens nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO anzusetzen ist. Der die Erinnerung des Antragstellers zurückweisende Beschluss des VG und der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des VG sind insoweit zu ändern.

Vgl. Sodan/Ziekow, a. a. O., § 165 RdNr. 35.

Eine Ermäßigung der vom Antragsteller/Beschwerdeführer zu tragenden Gerichtsgebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG (50,00 €) ist angesichts der überwiegenden Erfolglosigkeit der Beschwerde und der dargelegten Umstände nicht angezeigt.

Ende der Entscheidung

Zurück