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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 16.10.2006
Aktenzeichen: 14 A 1093/05
Rechtsgebiete: KAG NRW


Vorschriften:

KAG NRW § 10
Die Gemeinde darf Kostenersatz für Haus- und Grundstücksanschlüsse nur für solche Maßnahmen erheben, die unmittelbar fremdbestimmt durchgeführt werden. Daran fehlt es stets, wenn die Gemeinde Maßnahmen in Bezug auf ein eigenes Grundstück vornimmt. Dies gilt auch dann, wenn das Grundstück in einem städtebaulichen Entwicklungsbereich liegt.
Tatbestand:

Der Kläger erwarb von der Gemeinde X. im April 1999 ein im Bereich der Entwicklungsmaßnahme "Wohn- und Gewerbepark W" gelegenes Grundstück. Die Umschreibung im Grundbuch erfolgte im Juli 1999. Nach § 2 Nr. 6 des Kaufvertrages stellt der Kaufpreis den Verkehrswert dar, wie er sich durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des Entwicklungsbereichs ergibt. Ausgleichsbeiträge gemäß § 154 BauGB sind deshalb künftig nicht mehr zu entrichten. Erschließungsbeiträge gemäß § 127 BauGB sowie Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die erstmalige Herstellung der Abwasseranlage werden nicht erhoben; sie sind mit dem Kaufpreis abgegolten. Hierunter fallen nicht die Gebühren und Kosten für die jeweiligen Hausanschlüsse.

Mit Bescheid vom 3.11.2003 forderte der Rechtsvorgänger der Beklagten Kostenersatz für die Verlegung von zwei Hausanschlussleitungen in Höhe von 7.662,00 Euro. Diese Leitungen waren am 30.9.1998 im Zuge der Verlegung der öffentlichen Abwasseranlage in der Straße zu dem jetzt dem Kläger gehörenden Grundstück verlegt worden.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, die Anschlusskosten seien mit dem Kaufpreis abgegolten. Nach Zurückweisung des Widerspruchs erhob der Kläger Klage, die das VG mit der Begründung abwies, der den Ersatzanspruch auslösende Sondervorteil fordere in der Regel die tatsächliche Nutzung der Anschlussleitungen. Dieser Sondervorteil sei erst verwirklicht worden, als der Kläger als Eigentümer des Grundstücks dieses bebaut und an die Kanalisation angeschlossen habe. Es bestehe kein Grund in Fällen, in denen die Gemeinde im Zeitpunkt der Herstellung eines "Vorratsanschlusses" Grundstückseigentümerin gewesen sei, vom Grundsatz der Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage im Entstehungszeitpunkt des Erstattungsanspruchs abzuweichen. Die von dem VG zugelassene Berufung hatte Erfolg.

Gründe:

Der früher für diese Verfahren zuständige 22. Senat des Gerichts hat entschieden, dass die Gemeinde Kostenersatz für Haus- und Grundstücksanschlüsse nur für solche Maßnahmen erheben darf, die unmittelbar fremdbestimmt durchgeführt werden. Daran fehlt es stets, wenn die Gemeinde Maßnahmen in Bezug auf ein eigenes Grundstück vornimmt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8.2.1990 - 22 A 712/89 -, StGR, 1991, 63.

Dieser Auffassung, die der 22. Senat im Wesentlichen aus der Entstehungsgeschichte des § 10 KAG begründet hat, schließt sich der erkennende Senat an. Er folgt nicht der Ansicht der Beklagten, das Urteil des 22. Senats könne jedenfalls nicht für solche Grundstücke gelten, die in einem Gebiet lägen, das durch Satzung als Entwicklungsmaßnahme festgelegt worden sei. In städtebaulichen Entwicklungsbereichen soll die Gemeinde zwar die Grundstücke erwerben (vgl. § 166 Abs. 3 BauGB) und sie später wieder veräußern (vgl. § 169 Abs. 5 ff. BauGB). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass alle Grundstücksanschlüsse notwendigerweise fremdbestimmt für einen gegebenenfalls noch nicht bekannten Erwerber verlegt werden. In einem Entwicklungsbereich können auch Grundstücke liegen, die die Gemeinde für eigene Zwecke verwenden will. Ferner kann sich eine Entwicklungsmaßnahme über einen langen Zeitraum hinziehen, die Absicht, was mit einzelnen Grundstück geschehen soll, kann sich ändern oder es ist möglich, den Entwicklungsbereich neu zu fassen. Darüber hinaus sind weitere Gegebenheiten denkbar, die im Nachhinein die Feststellung erschweren könnten, die Gemeinde habe den Grundstücksanschluss fremdbestimmt durchgeführt. Die Rechtssicherheit, die durch die Entscheidung des 22. Senats für gemeindeeigene Grundstücke geschaffen wurde, wäre nicht mehr gewährleistet.

Für die Gemeinde ergeben sich keine Nachteile daraus, wenn sie keinen Kostenersatz für Grundstücksanschlüsse verlangen kann, die sie für ein eigenes Grundstück vorgenommen hat. Der 22. Senat hat in dem erwähnten Urteil vom 8.2.1990 darauf hingewiesen, dass diese Aufwendungen über den Kaufpreis auf den Grundstückserwerber abgewälzt werden können. Dies gilt auch hier. Nach § 169 Abs. 8 BauGB ist das Grundstück zu dem Verkehrswert zu veräußern, der sich durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs ergibt. In diesen Neuordnungswert sind die für das Grundstück wertbildenden Faktoren nach der Wertermittlungsverordnung einzubeziehen und damit auch das Vorhandensein eines Grundstücksanschlusses.

Soweit das VG seine Ansicht, der Kostenersatzbescheid sei rechtmäßig, auf das Urteil des 22. Senats vom 17.1.1996 - 22 A 2467/93 - gestützt hat, ist folgendes anzumerken: Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung des 22. Senats, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, der Anspruch auf Kostenersatz für den Grundstücksanschluss erst entsteht, wenn das Vorhandensein des Anschlusses für den Eigentümer einen Sondervorteil auslöst. Bei bebaubaren Grundstücken tritt der Sondervorteil in der Regel erst ein, wenn die Anschlussleitung tatsächlich genutzt wird oder genutzt werden muss oder aus sonstigen Gründen erforderlich ist. Eine Anschlussverlegung für ein unbebautes Grundstück auf "Vorrat" genügt somit regelmäßig nicht. Soweit allerdings der Grundstücksanschluss auf Antrag des Grundstückseigentümers oder mit seinem Wissen und Wollen, das heißt in Abstimmung mit ihm, verlegt worden ist, ist wegen der dadurch getroffenen subjektiven Bestimmung ein Sondervorteil anzunehmen, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser Vorteil auch objektiv gegeben ist. Die zuletzt genannte Sachlage ist hier gegeben, weil die Gemeinde für ihr eigenes Grundstück den Grundstücksanschluss geschaffen hat. Sie hat als Grundstückseigentümerin den Anschluss gewollt. Auf die Frage, ob damit für sie auch ein Sondervorteil verbunden war, kommt es dann nicht mehr an.

Ende der Entscheidung

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