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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 26.08.2009
Aktenzeichen: 14 B 86/09
Rechtsgebiete: KAG NRW, GG


Vorschriften:

KAG NRW § 3
GG Art. 5 Abs. 3
Der Gesamtcharakter einer Veranstaltung, der sich u. a. aus der werbenden Außendarstellung erschließt, ist maßgeblich dafür, ob sie als gewerbliche Tanzveranstaltung vergnügungssteuerpflichtig ist (hier: DJ-Auftritt mit künstlerischem Anspruch in diskothekenähnlichem Betrieb).
Gründe:

Das VG hat sich auf den Standpunkt gestellt, es sei überwiegend wahrscheinlich, dass es sich bei den von der Antragstellerin in ihren Vergnügungssteuererklärungen als Konzerte bezeichneten Veranstaltungen um vergnügungssteuerpflichtige Tanzveranstaltungen i. S. v. § 1 Nr. 1 der Vergnügungssteuersatzung der Stadt M. vom 18.5.2006 in der hier maßgeblichen Änderungsfassung vom 13.12.2007 gehandelt habe. Nach der Rechtsprechung des OVG NRW erfülle eine Veranstaltung die Merkmale einer "Tanzveranstaltung", wenn ihr inhaltlicher Charakter für den Besucher erkennbar auf das Vergnügen am Tanz gerichtet sei. Eine Veranstaltung werde typischerweise zweckgerichtet durchgeführt, wobei die Initiative hierfür vom Veranstalter ausgehe. Er entscheide, was die Besucher der Veranstaltung zu erwarten hätten, indem er ausgerichtet an dem von ihm bestimmten Inhalt und Zweck die tatsächlichen Bedingungen für die Durchführung der Veranstaltung setze. Die Erwartungshaltung des Veranstaltungsbesuchers werde geprägt durch die anhand objektiver Kriterien erkennbare tatsächliche Gestaltung der Veranstaltung wie etwa die Werbung, die Art und Weise der zu erwartenden Darbietung und die sonstigen äußeren (Rahmen-)Bedingungen. Auf die Bezeichnung der Veranstaltung allein komme es nicht an. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung etwa zu Auftritten von Discjockeys, die mit Hilfe von Mischpulten die von ihnen ausgewählten Musikstücke individuell bearbeiteten und mixten, sei hingegen nicht einschlägig. Der vergnügungssteuerrechtliche Begriff der gewerblichen Tanzveranstaltung knüpfe vielmehr an Ziel und Zweck der Veranstaltung an. Sei die Veranstaltung darauf ausgerichtet, zum Tanzvergnügen aufzurufen, handele es sich vergnügungssteuerrechtlich um eine Tanzveranstaltung auch dann, wenn die Gelegenheit zum Tanzen von den Teilnehmern kaum oder nicht wahrgenommen werde. Umgekehrt bedeute der Umstand, dass die Teilnehmer einer Veranstaltung zu der dargebotenen Musik Tanzbewegungen machten, nicht, dass es sich bereits deshalb um eine Tanzveranstaltung handele. Hiervon ausgehend sei unbeachtlich, dass - wie die Antragstellerin angegeben habe - der Auftritt der engagierten Discjockeys als "Live-Act" der Veranstaltung jeweils das Gepräge gegeben habe. Es sei auch nicht entscheidend, dass die aufgetretenen Discjockeys selbst neue Musikstücke mit Hilfe der vorhandenen technischen Einrichtungen geschaffen hätten. Schließlich sei unerheblich, dass das Publikum (auch) wegen des Bekanntheitsgrades der Discjockeys an den Veranstaltungen teilgenommen habe. Maßgebend sei, ob nach dem äußeren Rahmen eine Tanzveranstaltung angeboten worden sei. Hiervon sei auszugehen. An den Veranstaltungsorten sei jeweils eine Tanzfläche vorhanden gewesen, so dass ausreichend Möglichkeit zum Tanzen bestanden habe. Die Veranstaltungen hätten erst am späten Abend zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr begonnen. Dieser Umstand entspreche der heutigen Gewohnheit der jungen Leute - dieser Zielgruppe dürfe die hier angebotene Musik entsprochen haben - die Veranstaltungsorte zum Feiern und Tanzen anders als bei einem ausschließlich auf das Zuhören ausgerichteten Konzert erst spät aufzusuchen. Auch seien Getränke ausgeschenkt worden. Lege schon die äußere Gestaltung den Eindruck eines discothekenähnlichen Rahmens nahe, so spreche hierfür auch die Werbung. Angesichts der Werbung erwarte der potenzielle Veranstaltungsbesucher, dass für ihn die Möglichkeit bestehe, zur dargebotenen Musik zu tanzen. Dem Umstand, dass die Musik von - wie die Antragstellerin angebe - bekannten und in der Szene als bedeutend eingestuften Discjockeys dargeboten worden sei, habe kein maßgebliches Gewicht. Im Übrigen seien auch weitere - eher lokal bekannte - Discjockeys aufgetreten.

Hiergegen macht die Antragstellerin geltend, soweit sich das VG auf die Entscheidung des 22. Senats des OVG NRW vom 11.12.1991 berufe, sei anzumerken, dass zum damaligen Zeitpunkt die elektronische Musikszene in Deutschland noch in den Kinderschuhen gesteckt habe. Der Umstand, dass eine Tanzfläche vorhanden sei, sei nicht geeignet, den Veranstaltungen den Charakter einer Tanzveranstaltung zuzuerkennen. Damit wären "normale" Konzerte in Discotheken immer Tanzveranstaltungen. Es werde übersehen, dass die Tanzfläche multifunktional sei. Bei Discjockeykonzerten stehe dort das Publikum und feiere den Künstler. Der optische Eindruck verdeutliche, dass bei ihren Konzerten ebenso wie bei Veranstaltungen in der Halle A vorgegangen werde, lediglich in einer kleineren Variante. Art und Form einer musikalischen Darbietung führten dazu, dass der Besucher - wie auch von ihm durch die werbliche Ankündigung wahrgenommen - zu einem Konzert gehe. Es würden Gagen wie bei klassischen Konzertkünstlern verlangt und gezahlt. Die Auffassung des VG führe zu einem nicht lösbarem Problem, dass es keinerlei Abgrenzungskriterien bezogen auf "normale" Konzerte und Tanzveranstaltungen gebe. Eine im Vordergrund stehende künstlerische Betätigung müsse bereits dann angenommen werden, wenn das Tanzen als reiner Unterhaltungszweck in den Hintergrund trete und ein gewisses künstlerisches Niveau erreicht werde. Die verwendeten Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der werblichen Darstellung führten nicht zu der Erkenntnis, dass gewerbliche Tanzveranstaltungen durchgeführt würden. Die Begriffe "Konzert", "Fest" oder "Party" stünden auch im Zusammenhang mit "normalen" Konzerten. Der Zeitpunkt der Veranstaltungen sei ungeeignet, eine Abgrenzung zwischen Konzerten und gewerblichen Veranstaltungen herbeizuführen. So würden auch bei der Veranstaltung "Rock am Ring" Auftritte erst spät in der Nacht stattfinden. Getränke würden etwa auch in der Halle A bei Konzerten ausgeschenkt. Der Begriff "Tanzveranstaltung" sei im Lichte der Freiheit der Kunst und dem Gleichbehandlungsgrundsatz verfassungskonform auszulegen. Künstlerisch tätige Discjockeys würden gegenüber "normalen" Künstlern in eine wesentlich schlechtere Wettbewerbsbedingung versetzt, falls die Vergnügungssteuer in Höhe von 22 % anfalle.

Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klagen anzuordnen. Die Annahmen des VG, dass für die Veranstaltungen wie für übliche Tanzveranstaltungen in einer Diskothek geworben wurde und eine Tanzfläche vorhanden war, auf der auch getanzt wurde, werden in der Beschwerde nicht substanziiert in Zweifel gezogen. Auch der von dem VG gewürdigte Umstand, dass die Veranstaltungen ab 22.00 Uhr begannen und damit der Beginn deutlich später lag als üblicherweise bei Konzerten wird nicht in rechtserheblicher Weise in Frage gestellt. Der Hinweis, dass etwa bei der Veranstaltung "Rock am Ring" auch spät in der Nacht Künstler auftreten, ist für die Bewertung hier unerheblich. Dies gilt gerade auch im Hinblick darauf, dass eine Freiluft-Großveranstaltung, die sich über einen längeren Zeitraum hinzieht, nicht mit den von der Antragstellerin durchgeführten Veranstaltungen vergleichbar ist, selbst wenn sich manche Konzertbesucher zeitweise - etwa im "Moshpit" - ähnlich verhalten wie Teilnehmer an einer Tanzveranstaltung. Konzertveranstaltungen fangen typischerweise früher an und enden zu einem festgelegten Zeitpunkt, der allenfalls überschritten wird. Die Antragstellerin hat in ihrer Beschwerde keine Angaben dazu gemacht, wann die von ihr durchgeführten Veranstaltungen enden. Dies könnte den Schluss zulassen, dass das Ende mit der Schließung der Diskotheken zusammen fällt. Für den Besucher wäre auch damit äußerlich nicht erkennbar, dass er - wie von der Antragstellerin angegeben - ein Konzert besucht statt eine Diskothek, um dem Tanzvergnügen nachzugehen. Der Umstand, dass die von der Antragstellerin engagierten Discjockeys einen künstlerischen Anspruch für sich erheben, stellt im Hinblick auf den Gesamtcharakter der Veranstaltungen kein nach außen erkennbares Kriterium dafür dar, es lägen hier Konzerte und keine Tanzveranstaltungen vor. Der Betreiber einer Diskothek wird im eigenen Interesse immer bemüht sein, gute und interessante Discjockeys zu beschäftigen. Nichts anderes gilt, wenn der Betreiber Bands engagiert, die tanzbare Musik darbieten.

Der Hinweis, dass die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützte künstlerische Betätigung hier durch finanzielle Nachteile erschwert wird, dürfte der Besteuerung nicht entgegen stehen. Die sich aus Art. 5 Abs. 3 GG ergebende Kunstfreiheit gewährt keinen Anspruch auf besondere Steuervorteile.

Vgl. Jarras/Pieroth, Grundgesetz, 9. Aufl., Art. 5 Rn. 111 unter Hinweis auf eine Entscheidung des BVerfG.

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch nicht zu erkennen. Discjockeys, die im Rahmen einer in einer Diskothek veranstalteten Tanzveranstaltung tätig werden, werden gleich behandelt. Außerhalb einer solchen Tanzveranstaltung wird - wenn sie dort auftreten sollten - keine Vergnügungssteuer erhoben, die an den hier vom VG als wahrscheinlich angenommenen Steuertatbestand anknüpft.

Ende der Entscheidung

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