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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 12.06.2006
Aktenzeichen: 14 E 1045/05
Rechtsgebiete: ZWStS, AO


Vorschriften:

ZWStS § 3 Abs. 1
ZWStS § 1 Abs. 3
ZWStS § 2 Abs. 1
ZWStS § 2 Abs. 3
AO § 163
AO § 222
AO § 227
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die erforderlichen Erfolgsaussichten (vgl. § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung - ZPO -) für die Durchführung des Klageverfahrens verneint.

Es spricht vieles dafür, dass die Klage bereits unzulässig ist, weil die Klageschrift nicht unterschrieben ist und deshalb eine schriftliche Klageerhebung i.S. des § 81 Abs. 1 VwGO nicht vorliegen dürfte.

Im Übrigen dürfte die Klage auch unbegründet sein.

Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu der hier umstrittenen Zweitwohnungssteuer ist die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Stadt B. vom 11. Dezember 2002 (ZWStS).

Gemäß § 3 Abs. 1 ZWStS ist steuerpflichtig, wer im Stadtgebiet eine Zweitwohnung oder mehrere Wohnungen inne hat. Inhaber einer Zweitwohnung ist derjenige, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken oder der Inhaber einer Zweitwohnung i.S. von § 2 Abs. 1 ist.

Zutreffend hat sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss vom 11. Juli 2005 auf den Standpunkt gestellt, bei der Zweitwohnungssteuer handele es sich um eine örtliche Aufwandssteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2 a des Grundgesetzes (GG), die einen besonderen Aufwand, also eine über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehende Verwendung von Einkommen oder Vermögen erfasse. Soweit die Steuer auch von Studenten verlangt werde, dürfte dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein.

Diese Auffassung steht in Übereinstimmung mit der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach (grundsätzlich) auch die aus beruflichen Gründen oder zu Ausbildungszwecken gehaltenen Zweitwohnungen einer Zweitwohnungsbesteuerung zu unterwerfen sind.

Vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 -, in: BVerfGE 65, 325, und BVerwG, Urteil vom 12. April 2000 - 11 C 12.99 -, in: BVerwGE 111, 122.

Denn für die Abgrenzung des Kreises der Steuerpflichtigen spielt es keine Rolle, aus welchen Gründen der Aufwand in Form der Haltung als Zweitwohnung betrieben wird. Auch der erkennende Senat ist dieser Rechtsprechung gefolgt,

vgl. u.a. Beschluss vom 12.November 2003 - 14 A 2917/03 -.

Soweit es Studierende, wie den Kläger, betrifft, hat er die Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für ein Zimmer im Studentenwohnheim bei einer entsprechenden satzungsrechtlichen Regelung für rechtmäßig gehalten,

vgl. Beschluss vom 13. Mai 2004 - 14 B 778/04 -, in: NVwZ-RR 2005, 852.

Auch das Verwaltungsgericht Lüneburg hat in dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil vom 16. Februar 2005 - 5 A 118/04 - keinen abweichenden Rechtsstandpunkt vertreten. Es hat vielmehr ausgeführt: "Mit der Antragsgegnerin ist davon auszugehen, dass grundsätzlich auch Studenten, die zwei eigene Wohnungen i.S. des § 1 Abs. 3 ZWStS innehaben, mit der melderechtlichen Nebenwohnung zur Zweitwohnungssteuer herangezogen werden könne" (Urteilsabdruck S. 6).

Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts Lüneburg im o.a. Urteil, wonach aus den melderechtlichen Verhältnissen (Haupt- und Nebenwohnung) nur geschlossen werden kann, wo der Betreffende seinen Lebensmittelpunkt hat und damit melderechtlich mit seiner Hauptwohnung und seiner Nebenwohnung gemeldet ist, sind - zumindest für Beurteilung der hier umstrittenen Zweitwohnungssteuersatzung der Stadt B. - die landesrechtlichen Vorgaben des Meldegesetzes NRW (MG NRW) maßgebend. Denn bei der satzungsrechtlichen Definition des Begriffs der Zweitwohnung knüpft die Zweitwohnungssteuersatzung an die melderechtlichen Definitionen an. § 2 Abs. 1 ZWStS bestimmt, dass jede Wohnung i.S. des Abs. 3, die jemand neben seiner Hauptwohnung als Nebenwohnung i.S. des nordrhein-westfälischen Meldegesetzes dient oder die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des eigenen persönlichen Lebensbedarfs oder des persönlichen Lebensbedarfs seiner Familie innehat, Zweitwohnung ist. In § 2 Abs. 3 ZWStS wird als Wohnung i.S. dieser Satzung jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird, definiert. Damit hat der Satzungsgeber die Begriffsbestimmungen aus den §§ 15 und 16 MG NRW auf die Zweitwohnungssteuersatzung übertragen. Dies dürfte sich im Rahmen des dem Satzungsgeber zustehenden Ermessens halten und nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. In dieser Auffassung sieht sich der Senat durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 - 1 BvR 1232/00 und 1 BvR 2627/03 -, NJW 2005, 3556 = FamRZ 2005, 2047 = JZ 2006, 253, bestätigt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in diesem Beschluss ausgeführt, die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befinde, diskriminiere die Ehe und verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Zur Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standen jedoch die Zweitwohnungssteuersatzungen der Städte Hannover (Beschlussabdruck S. 7 f) und Dortmund (Beschlussabdruck S. 14), die im Rahmen der Begriffsbestimmungen ebenfalls an Regelungen der jeweiligen Meldegesetze anknüpfen. Diesen melderechtlichen Bezug hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht infrage gestellt, sondern nur dessen Auswirkungen im Hinblick auf den Schutz der Ehe gemäß Art. 6 GG (vgl. Beschlussabdruck S. 32), der im vorliegenden Fall nicht betroffen sein dürfte.

Gemäß der Definition in § 2 Abs. 3 ZWStS der Stadt B. , wonach als Wohnung bereits jeder umschlossene Raum gilt, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird, dürfte an der Wohnungseigenschaft sowohl des Zimmers in der Wohnung der Eltern als auch des Zimmers im Studentenwohnheim kein Zweifel bestehen.

Eine Ermäßigung oder Befreiung von der Zweitwohnungssteuer auf Grund sachlicher Unbilligkeit dürfte nicht in Betracht kommen. Zwar hat sich das Verwaltungsgericht Lüneburg im o.a. Urteil auf den Standpunkt gestellt, es bestehe die Pflicht zur Prüfung, ob eine Ermäßigung oder Befreiung gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) in Betracht komme. Denn in einer Universitätsstadt sei es offenkundig, dass bei der Mehrzahl der Studenten das Innehaben einer abgeschlossenen Wohnung am Studienort regelmäßig nicht Ausdruck einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei. Das aber sei Voraussetzung zur Erhebung der Zweitwohnungssteuer als Aufwandssteuer. Dem dürfte jedoch nicht zu folgen sein. Mit seinen Ausführungen hat das Verwaltungsgericht Lüneburg ersichtlich auf sachliche Billigkeitsgründe abgestellt, die in den Regelungen der § 163 AO betreffend Billigkeitsmaßnahmen im Festsetzungsverfahren und des § 227 AO bereffend Billigkeitsmaßnahmen im Erhebungsverfahren dieselben Voraussetzungen aufweisen. Allerdings ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg insofern in sich widersprüchlich. Sachliche Billigkeitsgründe sind dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - i.S. der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte, oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung den Wertungen des Gesetzgebers widerspricht. Da die genannten Regelungen der Abgabenordnung keine vom Gesetzgeber nicht gewollte Befreiungsvorschrift ersetzen können, soll ein Erlass nur in solchen Fällen zulässig und geboten sein, die bei Erlass des Gesetzes nicht vorausgesehen wurden und deren Härten nicht in Kauf genommen worden wären.

Vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Band II, § 227, Rdnr. 40.

Wenn nach der oben wiedergegebenen eigenen Auffassung des Verwaltungsgerichts Lüneburg, die zudem mit der obergerichtlichen Rechtsprechung übereinstimmt, grundsätzlich Studenten, die zwei Wohnungen innehaben, zur Zweitwohnungssteuer herangezogen werden können, entspricht dies gerade dem Willen des Satzungsgebers. Für die Mehrzahl der Studenten, also für den Regelfall, für diese Konstellation sachliche Billigkeitsgründe zu konstruieren, würde die Umkehrung des satzungsgeberischen Willens zur Folge haben.

Soweit es schließlich die Frage von Billigkeitsmaßnahmen auf Grund der finanziellen Verhältnisse des Klägers betrifft, er also persönliche Billigkeitsgründe geltend macht, erscheint es fraglich, ob das Verwaltungsgericht zu Recht darauf verwiesen hat, es stehe dem Kläger frei, außerhalb des Heranziehungsverfahrens einen entsprechenden Antrag bei dem Beklagten zu stellen. Denn der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2004, auf dessen Begründung er im Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2005 verwiesen hat, bereits eine Entscheidung zur Frage von Billigkeitsmaßnahmen gemäß § 227 AO im Hinblick auf die persönliche Zahlungsfähigkeit des Klägers getroffen. Insoweit hat er die Erlassbedürftigkeit des Klägers verneint, weil er bei Vorlage entsprechender Nachweise eine Stundung in Aussicht gestellt hat. Damit hat er im Ergebnis Billigkeitsmaßnahmen aus persönlichen Gründen abgelehnt und den Kläger auf eine Stundungsregelung i.S. von § 222 AO verwiesen. Auch dies dürfte letztlich nicht zu beanstanden sein. Die Stundung setzt voraus, dass die Einziehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis für den Steuerpflichtigen eine momentane besondere Härte bedeutet. Es kommt auf die konkrete Situation zum Zeitpunkt der Einziehung an. Im Augenblick der Einziehung muss die Besteuerung als solche gerecht, die Einziehung aber ungerecht sein. Darum ist Stundung stets dann angeboten, wenn der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis an sich in seiner wirtschaftlichen Auswirkung den Schuldner ebenso trifft, wie jeden anderen, der Schuldner indes aus Gründen, die außerhalb des speziellen Falles liegen und in seiner wirtschaftlichen Gesamtlage wurzeln, zur Leistung zeitweilig nicht in der Lage ist. Bei einem Erlass nach § 227 AO muss die Einziehung des Anspruchs im Einzelfall ungerecht sein, im Gegensatz zur Stundung jedoch unabhängig vom Zeitpunkt der Einziehung. Bei der Stundung darf folglich nicht die generelle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gemindert sein (dann Erlass), sondern nur die Zahlungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Einziehung.

Vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 222, Rdnr. 22.

Nach diesen Grundsätzen dürfte die Entscheidung des Beklagten, den Kläger auf die Möglichkeit einer Stundung zu verweisen, nicht zu beanstanden sein.

Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts B. im Beschluss vom 11. Juli 2005.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO sowie auf § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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