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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 03.09.2002
Aktenzeichen: 15 A 1676/00
Rechtsgebiete: EuWahlG, BWahlG, Wahlprüfungsgesetz NRW, VwGO, KWahlG NRW, LWahlG NRW, GO NRW, GG, WRV


Vorschriften:

EuWahlG § 4
EuWahlG § 26 Abs. 4
BWahlG § 11 Satz 3
BWahlG § 49
Wahlprüfungsgesetz NRW § 1
VwGO § 43 Abs. 1
KWahlG NRW § 2 Abs. 7
KWahlG NRW § 39
LWahlG NRW § 12
GO NRW § 29 Abs. 1
GG Art. 4
GG Art. 140
WRV Art. 136
Zur Freistellung von der Tätigkeit als Wahlhelfer aus Glaubensgründen.
Tatbestand:

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass er auf Grund seiner spezifischen religiösen Einstellung zu öffentlichen Wahlen befugt sei, ehrenamtliche Wahlhelfertätigkeit abzulehnen. Die Klage war in beiden Instanzen erfolgreich.

Gründe:

Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben. Die Frage, ob der Kläger als Wahlhelfer zu einer Tätigkeit in Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung von Kommunal-, Landtags-, Bundestags- oder Europaparlamentswahlen herangezogen werden kann, ist nicht nach den in den jeweiligen Wahlgesetzen enthaltenen Regelungen (§ 26 Abs. 4 EuWahlG, § 49 BWahlG, § 1 Wahlprüfungsgesetz NRW, § 39 KWahlG NRW) in einem Wahlprüfungsverfahren zu überprüfen.

Vgl. zum fehlenden Ausschluss des Verwaltungsrechtswegs durch § 26 Abs. 4 EuWahlG für Klagen gegen die Berufung zu einem Wahlehrenamt BVerwG, Urteil vom 10.4.2002 - 6 C 22/01 -, NJW 2002, 2263 m.w.N.

Auch im Übrigen ist die Klage zulässig. Sie stellt eine sog. vorbeugende Feststellungsklage i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO dar. Das danach für die Zulässigkeit einer solchen Klage erforderliche besondere Feststellungsinteresse liegt - wie das VG zutreffend dargelegt hat - vor. Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen die Auffassung der Beklagten, er könne gegenüber der Heranziehung zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Vorbereitung und Durchführung von Kommunal-, Landtags-, Bundestags- oder Europaparlamentswahlen nicht geltend machen, er unterliege auf Grund seines Glaubens einem Gewissenskonflikt, der ihm eine solche Tätigkeit verbiete. Zur Heranziehung des Klägers zu einer solchen ehrenamtlichen Tätigkeit - auch in Zukunft - hält sich die Beklagte für berechtigt. Dies begründet ein rechtliches Interesse des Klägers, im Hinblick auf eine mit hinreichender Sicherheit zu erwartende neuerliche Heranziehung vorbeugend gerichtlich feststellen zu lassen, dass der von ihm geltend gemachte Gewissenskonflikt einen "wichtigen Grund" i.S.d. Wahlbestimmungen darstellt. Es ist ihm auch nicht zuzumuten, sich - wie in der Vergangenheit geschehen - gegen jeden einzelnen Heranziehungsbescheid der Beklagten zu wehren. Er darf vielmehr zwecks Erlangung eines wirksamen Rechtsschutzes die Heranziehungspraxis der Beklagten ihm gegenüber insgesamt zur gerichtlichen Überprüfung stellen.

Vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 26.6.1974 - VII C 36.72 -, BVerwGE 45, 224 (226), und vom 27.3.1992 - 7 C 21/90 -, BVerwGE 90, 112 (114 f.).

Mit dem Klageantrag wird auch ein feststellungsfähiges, hinreichend konkretisiertes Rechtsverhältnis bezeichnet, weil die Anwendung bestimmter Normen des öffentlichen Rechts auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt streitig ist.

Vgl. zur Feststellungsfähigkeit eines Rechtsverhältnisses BVerwG, Urteil vom 23.1.1992 - 3 C 50.89 -, BVerwGE 89, 327 (329 f.).

Mit der Beschränkung auf "allgemeine Wahlen" wird hinreichend deutlich gemacht, dass es um die vom Prinzip der Allgemeinheit geprägten öffentlichen Wahlen geht, von deren Vorbereitung und Durchführung im Wege ehrenamtlicher Tätigkeit der Kläger glaubt, aus Glaubensgründen befreit zu sein. Das sind die Kommunal-, die Landtags-, die Bundestags- und die Europaparlamentswahlen.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger ist aus einem "wichtigen Grund" i.S.d. Wahlbestimmungen berechtigt, bei allgemeinen Wahlen die Heranziehung zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit aus Glaubensgründen abzulehnen.

Bei der Tätigkeit im Wahlvorstand bei Europaparlaments-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen handelt es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit, zu deren Übernahme jeder Einwohner (§ 2 Abs. 7 KWahlG NRW, § 12 LWahlG NRW jeweils i.V.m. § 28 Abs. 1 GO NRW) bzw. jeder Wahlberechtigte (§ 11 Abs. 1 BWahlG, § 4 EuWahlG i.V.m. § 11 BWahlG) grundsätzlich verpflichtet ist. Diese ehrenamtliche Tätigkeit kann jedoch aus einem "wichtigen Grund" abgelehnt werden (§ 2 Abs. 7 KWahlG NRW bzw. § 12 LWahlG NRW jeweils i.V.m. § 29 Abs. 1 GO NRW, § 11 Satz 3 BWahlG, § 4 EuWahlG i.V.m. § 11 Satz 3 BWahlG). Welche Umstände einen "wichtigen Grund" i.S.d. Regelungen darstellen, ist in den zu den Gesetzen erlassenen Wahlordnungen z.T. konkretisiert (§ 9 BWO, § 9 EuWahlO). Die in diesen Regelungen ausdrücklich erwähnten Gründe sind nicht abschließend, sondern nach dem eindeutigen Wortlaut ("oder") nur beispielhaft genannt.

Vgl. zur BWO Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 5. Aufl. 1994, zu § 11 BWG, Rz. 3 .

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sich der Kläger gegen die Heranziehung zu einer Tätigkeit bei der Vorbereitung und Durchführung der genannten Wahlen auf einen "wichtigen Grund" berufen. Auch wenn dieser unbestimmte Rechtsbegriff restriktiv auszulegen ist, weil dadurch eine Ausnahme von der nach dem Willen des Gesetzgebers allgemeinen Staatsbürgerpflicht zur Unterstützung demokratischer Wahlen gerechtfertigt werden soll, ergibt die verfassungskonforme Anwendung, dass ein "wichtiger Grund" für die Ablehnung jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn die Durchsetzung der Pflicht die Glaubensfreiheit aus Art. 4 GG des Betroffenen verletzen würde.

Der Kläger wird durch die Heranziehung zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Vorbereitung und Durchführung der genannten Wahlen in seinem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG verletzt, weil ihm seine Glaubensüberzeugung diese Tätigkeit verbietet. Die in den Wahlgesetzen allgemein normierte Pflicht zur Ausübung einer solchen Tätigkeit muss dahinter zurücktreten; damit ist zugleich gesagt, dass ein "wichtiger Grund" i.S.d. Wahlregelungen gegeben ist.

Nach Art. 4 Abs. 1 GG ist die Freiheit des Glaubens unverletzlich. Religiös fundierter Glauben in diesem Sinne setzt eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens voraus, wobei eine den Menschen überschreitende und umgreifende ("transzendente") Wirklichkeit zu Grunde gelegt wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.3.1992 - 7 C 21/90 -, a.a.O., S. 115.

Einen solchen auf der Religion der Zeugen Jehovas basierenden Glauben hat der Kläger.

(wird ausgeführt)

Aus dem für den Staat verbindlichen Gebot weltanschaulich-religiöser Neutralität und dem Grundsatz der Parität der Kirchen und Bekenntnisse folgt, dass die zahlenmäßige Stärke oder soziale Relevanz einer bestimmten Glaubenshaltung keine Rolle spielen kann. Als spezifischer Ausdruck der in Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Menschenwürde schützt Art. 4 Abs. 1 GG gerade auch die vereinzelt auftretende Glaubensüberzeugung, die von den Lehren der Kirchen und Religionsgemeinschaften abweicht. Dem Staat ist es verwehrt, bestimmte Bekenntnisse zu privilegieren oder den Glauben oder Unglauben seiner Bürger zu bewerten.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.4.1972 - 2 BvR 75/71 -, BVerfGE 33, 23 (28 f.) = NJW 1972, 1183 ff.

In den Schutzbereich der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG fällt nicht nur das Glaubendürfen als solches. Art. 4 Abs. 1 GG schützt auch die äußere Freiheit des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren des Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln.

Ständige Rechtsprechung, grundlegend BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971 - 1 BvR 387/65 -, BVerfGE 32, 98 (106 f.) = NJW 1972, 327 ff.; Beschluss vom 11.4.1972 - 2 BvR 75/71 -, a.a.O.

Daher kann auch eine aus Glaubensgeboten hergeleitete Ablehnung der Mitwirkung bei der Vorbereitung und Durchführung von politischen Wahlen als Bestandteil einer glaubensgeleiteten Lebensführung unter den Schutzbereich des Art. 4 GG fallen.

Angesichts dieses weiten, im Sinne einer umfassenden Verwirklichungsfreiheit interpretierten Schutzbereichs des Art. 4 GG sind bei den Voraussetzungen für das Vorliegen eines Eingriffs in die Glaubensfreiheit strenge Anforderungen zu stellen. Es ist ein Widerspruch zu einer persönlichen Entscheidung zu verlangen, die den Charakter einer ernstlichen Gewissens-, Glaubens- oder Bekenntnisentscheidung erreichen muss.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.6.1974 - VII C 36.72 -, BVerwGE 45, 224 (234 f.).

Denn nur wenn der Betroffene eine solche Entscheidung getroffen hat, kann ein Konflikt zwischen einem staatlichem Gebot und einem Glaubensgebot ihn "in seiner geistig-sittlichen Existenz als autonome Persönlichkeit" - vgl. BVerfG, Urteil vom 11.4.1972, a.a.O., S. 1184 - und damit in der durch Art. 4 in spezifischer Weise geschützten Menschenwürde berühren. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG liegt daher nicht schon bei jedweder Tangierung von behaupteten Glaubensinhalten und Glaubensgeboten vor. Vielmehr wird erst dann in die Glaubensfreiheit eingegriffen, wenn der Betroffene sich durch verbindliche Ge- oder Verbote seines Glaubens gehindert sieht, einer gesetzlichen Pflicht zu genügen, und als Konsequenz aus dem Zwang, der eigenen Glaubensüberzeugung zuwiderzuhandeln, in einen Gewissenskonflikt gestürzt würde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.8.1993 - 6 C 8/91 -, NVwZ 1994, 578 (579).

Die Verweigerung einer allgemeinen Pflicht muss auf einer ernsten, sittlichen Entscheidung beruhen, gegen die der Betroffene nicht ohne seelische Not handeln kann.

So ausdrücklich im Fall einer religiös motivierten Gewissensentscheidung BVerwG, Urteil vom 29.6.1999 -1 D 104/97 (BDiszG) -, NJW 2000, 88, m.w.N.

Hierfür trägt der Betroffene die Darlegungslast. Er muss die religiösen oder weltanschaulichen Motive seines Handelns als für ihn verpflichtend darstellen und begründen können. Er trägt auch die Darlegungslast dafür, dass er eine Gewissensentscheidung getroffen hat und deshalb in einen Gewissenskonflikt gestürzt würde, wenn er entgegen diesen Ge- oder Verboten die gesetzliche Pflicht erfüllen müsste.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.8.1993, a.a.O., S. 579; OVG NRW, Urteil vom 12.7.1991 - 1 A 1706/90 -, NWVBl. 1992, 35 (37), m.w.N.

Der Senat hat auf Grund der Parteivernehmung des Klägers in der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, dass die Weigerung des Klägers, bei der Vorbereitung und Durchführung der genannten Wahlen als Wahlhelfer mitzuwirken, auf einer von ihm für sich persönlich getroffenen und damit individuellen ernsten Gewissensentscheidung beruht, gegen die er nicht ohne seelische Not handeln kann.

(wird ausgeführt)

Dieser Eingriff in die Glaubensfreiheit des Klägers ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Die Glaubensfreiheit ist unbeschränkt gewährleistet. Sie darf weder durch die allgemeine Rechtsordnung noch durch eine unbestimmte Güterabwägungsklausel relativiert werden. Ihre Grenzen werden allein durch andere Rechtsgüter mit Verfassungsrang, insbesondere Grundrechte Dritter, gezogen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971 - 2 BvR 387/65 -, a.a.O., S. 329; Beschluss vom 11.4.1972 - 2 BvR 75/71 -, a.a.O., S. 1184.

Die Glaubensüberzeugung des Klägers kollidiert mit der allgemeinen Pflicht zur Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit als Wahlhelfer. Diese Tätigkeit dient der ordnungsgemäßen Durchführung allgemeiner öffentlicher Wahlen. Diese genießen Bedeutung von Verfassungsrang. Das ergibt sich für Europaparlamentswahlen aus Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG, wonach die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mitwirkt, die u.a. demokratischen Grundsätzen verpflichtet ist. Der Verfassungsrang von Bundestagswahlen folgt aus dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sowie der Regelung in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG, der die allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl der Bundestagsabgeordneten vorschreibt. Für den Verfassungsbereich der Länder ergibt sich der bundesrechtliche Verfassungsrang von Landtags- und Kommunalwahlen aus dem Homogenitätsprinzip des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG, wonach die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern u.a. den demokratischen Grundsätzen im Sinne des Grundgesetzes entsprechen muss. Insbesondere schreibt das Bundesverfassungsrecht in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG die Existenz von Volksvertretungen in den Ländern, Kreisen und Gemeinden vor, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen sind.

Gerät die Glaubensfreiheit mit einem anderen Recht von Verfassungsrang, wie hier mit der Institution allgemeiner öffentlicher Wahlen, in Widerstreit, so genießt keines der Verfassungsgüter stets und ausnahmslos Vorrang. Vielmehr müssen beide mit dem Ziel der Optimierung zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Dabei kommt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zu. Es muss im Wege einer Abwägung der widerstreitenden Belange eine Konkordanz der Verfassungsgüter hergestellt werden.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 -, BVerfGE 83, 130 (139, 143).

Die ordnungsgemäße Durchführung von Wahlen wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass im Einzelfall eine Befreiung von der allgemeinen Pflicht hingenommen wird. Die Freistellung von der gesetzlichen in den Wahlgesetzen niedergelegten Pflicht zur Übernahme der ehrenamtlichen Tätigkeit im Einzelfall hebt die generelle Gültigkeit der pflichtbegründenden Norm nicht auf.

So zur Freistellung von der allgemeinen Pflicht zur Eidesleistung BVerfG, Beschluss vom 11.4.1972 - 2 BvR 75/71 -, a.a.O., S. 1184.

Soweit der Beklagte einwendet, dass - sollte dieses Beispiel Schule machen - in letzter Konsequenz die Abhaltung von Wahlen als Grundlage demokratischer Willensbildung und damit die Demokratie schlechthin gefährdet werden könnte, liegt eine solche Gefahr zurzeit nicht vor, da derartige Glaubensüberzeugungen wie die des Klägers nach den tatsächlichen Erfahrungswerten schon zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen.

Demgegenüber würde das Beharren auf einem Einsatz des Klägers als Wahlhelfer diesen, wie oben ausgeführt, in eine ernste glaubensfundierte Gewissensnot bringen, die ihn zwänge, entweder gegen sein als innerlich zwingend empfundenes religiöses Verhaltensgebot zu allgemeinen öffentlichen Wahlen zu verstoßen oder aber sich bußgeldbewehrt rechtswidrig und möglicherweise auch disziplinarrechtlich relevant zu verhalten. Angesichts der hier auftretenden Schwere der Glaubensbeeinträchtigung auf der einen Seite und der fehlenden Gefahr für die ordnungsgemäße Durchführung allgemeiner öffentlicher Wahlen auf der anderen Seite fällt die Abwägung in diesem Einzelfall zu Gunsten des Klägers aus.

Sieht man die Glaubensfreiheit entgegen der Rechtsprechung des BVerfG durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 WRV unter den Vorbehalt der allgemeinen Gesetze gestellt - so nunmehr BVerwG, Urteil vom 23.11.2000 - 3 C 40/99 -, NJW 2001, 1225 (1226), m.w.N.; ebenso v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 1999, zu Art. 4, Rz. 75 bis 77, 80 - , ergibt sich nichts anderes. Auch nach dieser Auffassung kann nämlich bei der Auslegung und Anwendung der allgemeinen Gesetze eine etwaige Beschränkung des Grundrechts der Glaubensfreiheit nicht unberücksichtigt bleiben. Die allgemeinen Gesetze müssen zurückweichen, wenn - wie hier - der konkrete Konflikt zwischen einer nach allgemeinen Anschauungen bestehenden Rechtspflicht und einem Glaubensgebot den Betroffenen in eine seelische Bedrängnis bringt, die unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu verantworten ist.

Ende der Entscheidung

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