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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 08.01.2002
Aktenzeichen: 15 A 2052/99
Rechtsgebiete: FlüAG 1984, Viertes Gesetz zur Änderung des FlüAG vom 29.11.1994, LHO 1999, LV NRW


Vorschriften:

FlüAG 1984 § 6 Abs. 1
Viertes Gesetz zur Änderung des FlüAG vom 29.11.1994 Art. 4
LHO 1999 § 23
LHO 1999 § 44
LV NRW Art. 78 Abs. 3
1. § 6 Abs. 1 FlüAG 1984 gibt den Gemeinden grundsätzlich einen Anspruch auf Gewährung einer Landesleistung. Dieser ist jedoch seinem Umfang nach auf eine Höchstgrenze von 80 v.H. der förderungsfähigen Kosten beschränkt und durch die haushaltsrechtlichen Vorgaben bedingt.

2. Ein hiernach entstandener Anspruch wurde durch den Übergang zu einem System pauschaler Landeserstattungen durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vom 29.11.1994 (GV NRW S. 1087) nicht nachträglich ausgeschlossen.

3. Dem Land ist es nicht generell verwehrt, Zuwendungsanträge mit der Begründung fehlender Haushaltsmittel abzulehnen, sofern es von realitätsgerechten Haushaltsansätzen ausgegangen war und die nach diesen Haushaltsansätzen bereitgestellten Haushaltsmittel vorzeitig erschöpft waren.

4. Reichen die zur Verfügung gestellten Mittel zur Befriedigung aller gestellten Ansprüche nicht aus, ist die Entscheidung über die Höhe der Zuwendung von der zuständigen Bezirksregierung nach pflichtgemäßem Ermessen anhand sachgerechter Kriterien zu treffen. Hierbei sind die Verhältnisse in dem Zeitpunkt zu Grunde zu legen, in welchen ein bescheidungsfähiger Antrag der Gemeinde vorlag und unter Berücksichtigung einer angemessenen Bearbeitungszeit mit einer Bescheidung zu rechnen war. Dies gilt auch dann, wenn im Zeitpunkt einer späteren Entscheidung die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel erschöpft sind und für die Zukunft keine weiteren Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt wurden.

5. Eine Bevorzugung in der Summe bedeutsamerer Anträge oder solcher Anträge, die bei der Sachbearbeitung keine besonderen Schwierigkeiten aufweisen, wird dem Erfordernis einer pflichtgemäßen Ermessensausübung bei der Mittelvergabe nicht gerecht.


Tatbestand:

Die klagende Stadt errichtete durch Umbau bestehender Bausubstanz in der Zeit von Mai 1990 bis Juni 1991 ein Übergangsheim zur Aufnahme von 150 Aus- und Übersiedlern. Hierfür gewährte die beklagte Bezirksregierung eine Zuwendung nach den Landesaufnahmegesetz in Höhe von 415.503,-- DM. Nach erheblichen Kostensteigerungen beantragte die Klägerin mehrfach die Gewährung weiterer Zuwendungen, zuletzt auf der Grundlage des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vom 27.3.1984, nachdem die Belegung des Heims mit Asylbewerbern erfolgt war. Mit Schreiben vom 18.9.1992 legte sie auf Betreiben der Beklagten einen Verwendungsnachweis vor.

Mit Bescheid vom 14.2.1995 lehnte die Beklagte die Gewährung weiterer Zuwendungen ab, weil keine Haushaltsmittel zur Verfügung stünden. Den Widerspruch der Klägerin wies sie als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, § 6 Abs. 1 FlüAG 1984 begründe keinen Anspruch auf Gewährung einer Zuwendung. Hierüber sei vielmehr von der Bewilligungsbehörde auf Grund pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden. Eine Bearbeitung des Antrages der Klägerin sei zu einem früheren Zeitpunkt aufgrund der Vielzahl weiterer Anträge und der Personalsituation der Behörde nicht möglich gewesen. Es sei daher denjenigen Anträgen der Vorrang eingeräumt worden, die sehr hohe Summen enthalten hätten. Hierbei habe man die Zahlen nicht absolut gesehen, sondern in ein Verhältnis zur Finanzkraft der antragstellenden Gemeinde gesetzt. Kleinere Anträge seien nur dann zeitnah bearbeitet worden, wenn sie sachlich ohne größeren Arbeitsaufwand zu erledigen gewesen seien. Im November 1993 sei eine Haushaltssperre erlassen worden, sodass ab diesem Zeitpunkt die Gewährung einer Zuwendung nicht mehr möglich gewesen sei. 1994 seien dann zunächst keine weiteren Haushaltsmittel bereitgestellt worden. Ein im Oktober 1994 zur Verfügung gestellter Betrag von 6,2 Millionen DM habe bei weitem nicht ausgereicht.

Ab dem Jahr 1995 seien aufgrund eingetretener gesetzlicher Änderungen keine weiteren Mittel für die Förderung des Baus von Übergangsheimen mehr in den Landeshaushalt eingestellt worden.

Auf die Klage der Klägerin hat das VG die Beklagte zu einer erneuten Bescheidung verpflichtet. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Die Klägerin hat einen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Zuwendungsantrages vom 23.7.1991 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Dieser Anspruch findet seine Rechtsgrundlage in § 6 Abs. 1 FlüAG 1984. Das Land gewährt den Gemeinden hiernach auf Antrag für die Errichtung (Erstellung, Erwerb, Herrichtung) und die erstmalige Einrichtung von Übergangsheimen nach Maßgabe des Haushaltsplans Zuwendungen bis zur Höhe von 80 v.H. der förderungsfähigen Kosten.

Die Klägerin kann diesen Anspruch auf das Flüchtlingsaufnahmegesetz 1984 stützen, obwohl das Übergangsheim F.-Straße ursprünglich für die Aufnahme von Spätaussiedlern konzipiert war und insofern zunächst die Vorschriften des Landesaufnahmegesetzes hätten Anwendung finden müssen. Denn eine förmliche Anerkennung des Übergangsheims war nicht Voraussetzung für die Entstehung eines Anspruchs auf Gewährung einer Zuwendung nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz 1984. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anwendbarkeit dieses Gesetzes eine ausdrückliche Zustimmung der Bezirksregierung zur Unterbringung von Asylbewerbern oder einen dementsprechenden Widmungsakt voraussetzt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.7.1998 - 15 A 5800/95 -, NWVBl. 1998, 443 (445) = GemHlt 1999, 278 (280).

Zudem hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 23.10.1990 ausdrücklich erklärt, dass keine Bedenken gegen die Belegung des hier streitbefangenen Übergangsheims bestünden, nachdem die Klägerin von Beginn an in diesem Sinne verfuhr.

§ 6 Abs. 1 FlüAG 1984 gibt den Gemeinden auch im Grundsatz einen Anspruch auf Gewährung einer Landesleistung. Dieser ist jedoch seinem Umfang nach auf eine Höchstgrenze von 80 v.H. der förderungsfähigen Kosten beschränkt und durch die haushaltsrechtlichen Vorgaben bedingt.

Der Senat hat in seinem

Urteil vom 28.3.2000 - 15 A 186/97 - (Seite 10 des amtlichen Urteilsabdrucks)

entschieden, dass § 6 Abs. 1 FlüAG 1984 insoweit eine zwingende Anspruchsgrundlage für die Gemeinden enthalte, als es um die Entscheidung über das "Ob" der Errichtungsförderung gehe. Die Entscheidung über die Höhe der zu bewilligenden Zuwendung stehe hingegen im Ermessen der zuständigen Behörde. Insoweit stecke das Gesetz mit der Obergrenze von 80 v.H. der förderungsfähigen Kosten lediglich den Ermessensrahmen ab, den das Land nicht überschreiten dürfe.

Hieran ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten festzuhalten.

Der Wortlaut der Vorschrift ("Das Land gewährt...") spricht jedenfalls nicht dagegen, in § 6 Abs. 1 FlüAG 1984 eine Verpflichtung des Landes zur Bezuschussung der Errichtung und Einrichtung von Übergangsheimen durch die Gemeinden zu sehen. Die Formulierung deutet vielmehr darauf hin, dass - anders als bei einer bloßen "Kann-Bestimmung" - dem Land die Bereitstellung entsprechender Mittel verpflichtend auferlegt werden sollte. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff der "Zuwendungen" einen Ausdruck in das Gesetz eingefügt hat, unter dem herkömmlich eine freiwillige Geldleistung verstanden wird. So umschreibt § 23 LHO 1999 Zuwendungen als Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen (des Landes) an Stellen außerhalb der Landesverwaltung zur Erfüllung bestimmter Zwecke. Dabei ergibt sich aus den einschränkenden Vorschriften der §§ 23 und 44 LHO 1999, dass es sich hierbei grundsätzlich um freiwillige Leistungen des Landes handelt. Dem entspricht es, wenn die Verwaltungsvorschriften zu § 23 LHO 1999 Leistungen, auf die der Empfänger einen dem Grund und der Höhe nach unmittelbar durch Rechtsvorschriften begründeten Anspruch hat, vom Begriff der Zuwendung ausnehmen.

Vgl. Nr. 1.22 VV zu § 23 LHO, abgedruckt in: Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Haushaltsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, Losebl. (Stand: Juni 1996).

Allerdings lässt es dieses Begriffsverständnis zu, auch solche Leistungen als Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts aufzufassen, die - wie vorliegend - der Höhe nach in das pflichtgemäße Ermessen des Zuwendungsgebers gestellt sind. Zudem werden etwa zweckgebundene Zuweisungen, die als Teil des Steuerverbundes seitens des Landes an die Gemeinden bereitgestellt werden, als Zuwendungen verstanden, obgleich die Höhe der Gesamtleistung gesetzlich festgelegt ist. Ein Spielraum des Landes besteht hierbei nur noch hinsichtlich der Frage, welcher Gemeinde welcher Betrag zugewendet wird.

Müskens/Watzka, Haushaltsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage 1988, S. 236 f.

Allein der Wortlaut der Vorschrift lässt mithin keinen zuverlässigen Schluss auf die Frage zu, ob § 6 Abs. 1 FlüAG eine Anspruchsgrundlage zu Gunsten der Gemeinden statuiert.

Aus der Entstehungsgeschichte und dem Sinn der Vorschrift folgt aber, dass der Gesetzgeber § 6 Abs. 1 FlüAG 1984 nicht als lediglich unverbindlichen Programmsatz verstanden wissen wollte: Das Flüchtlingsaufnahmegesetz entstand als Reaktion des Landesgesetzgebers auf die seit den 70er-Jahren stark gestiegenen Asylbewerberzahlen und die bundesrechtlichen Vorgaben des zum 1.8.1982 in Kraft getretenen Asylverfahrensgesetzes vom 16.7.1982 (BGBl. I S. 946). Hierbei wurde die Unterbringung der Asylbewerber in zentralen Gemeinschaftsunterkünften des Landes aus humanitären und psychosozialen, aber auch aus finanzwirtschaftlichen Gründen als nicht vertretbar erachtet. Die Unterbringung der asylbegehrenden Ausländer in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften stellte daher ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers dar.

Vgl. LT-Drs. 9 /2841, S. 8.

Das Flüchtlingsaufnahmegesetz 1984 verpflichtete die Gemeinden nicht nur zur Aufnahme der Flüchtlinge, die diese Aufgabe bis heute als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung wahrnehmen, sondern begründete in seinem § 4 Abs. 1 auch den Grundsatz, dass die Unterbringung und Betreuung der Asylbewerber im Regelfall in Übergangsheimen oder sonstigen hierfür geeigneten Einrichtungen erfolgen sollte. Den Gemeinden wurde dabei gemäß Satz 2 der Vorschrift die zwingende Verpflichtung auferlegt, im erforderlichen Umfang Übergangsheime zu errichten und zu unterhalten. Wie sich aus der Begründung zum Gesetzentwurf ergibt, war sich der Landesgesetzgeber hierbei des Umstandes bewusst, dass die Erfüllung der Pflichtaufgabe durch die Gemeinden mit Blick auf Art. 78 Abs. 3 LV und § 3 Abs. 1 Satz 2 GO NRW 1984 eine detaillierte Regelung über die Aufbringung der den Gemeinden daraus entstehenden Kosten voraussetzt. Das VG stellt in diesem Zusammenhang zutreffend fest, dass hierbei den Gemeinden im Unterschied zu der vorhergehenden richtliniengebundenen Förderung ein Anspruch auf Kostenersatz eingeräumt werden sollte. Dies erklärt die Begründung des Gesetzentwurfes ausdrücklich.

Vgl. LT-Drs. 9/2841, S. 10.

Dabei unterscheidet die Begründung nicht zwischen den einzelnen Absätzen des § 6 FlüAG 1984, sondern begreift alle dort begründeten Einzelregelungen als ein einheitliches System der Kostentragung, das den Gemeinden die Wahrnehmung der Pflichtaufgabe erst ermöglichen soll. Dem hiermit skizzierten Sinn der Regelung entspricht es, wenn der VerfGH NRW in seinem auch vom VG herangezogenen Urteil vom 22.9.1992 - VerfGH 3/91 -, OVGE 43, 216, die Kostenregelungen des § 6 FlüAG 1984 insgesamt in den Blick nimmt und die seinerzeit von den beschwerdeführenden Städten und Gemeinden ebenfalls beanstandete Regelung des Absatzes 1 über die Kostentragung für die Errichtung und Einrichtung von Übergangsheimen in einen Zusammenhang mit den anderen Kostentragungsregelungen des § 6 stellt.

Dieser enge Zusammenhang zwischen der Aufgabenübertragung an die Gemeinden und dem System der Kostendeckungsvorschriften, vgl. hierzu auch: OVG NRW, Urteil vom 7.1.1998 - 15 A 5800/95 -, NWVBl. 1998, 443 (444) = GemHlt 1999, 278 (279), lässt es - trotz des Gebrauchs des Begriffs der Zuwendung - nicht zu, die Zuwendung gemäß § 6 Abs. 1 FlüAG 1984 auf eine lediglich freiwillige Leistung des Landes zu reduzieren.

Eine Auslegungshilfe im Sinne der Rechtsauffassung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus den zu § 6 FlüAG 1984 erlassenen Verwaltungsvorschriften (Runderlass des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 15.9.1986, MBl. NRW S. 1522). Diese teilen zwar mit der Aussage, ein Anspruch auf Gewährung einer Zuwendung bestehe nicht, die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung, sind aber als Ausführungsregelungen der Exekutive für die Auslegung des Gesetzes im hier fraglichen Zusammenhang unerheblich.

Die skizzierte grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers zu Gunsten eines Anspruchs lässt es nicht zu, die antragstellenden Gemeinden darauf zu verweisen, dass die Anrechnung der jährlichen Kapitalverzinsung und Abschreibung im Erstattungsverfahren nach § 6 Abs. 2 FlüAG 1984 auch ohne eine Zuwendung nach Absatz 1 der Vorschrift im Laufe der Jahre zu einer Angleichung der finanziellen Verhältnisse zu Gunsten derjenigen Gemeinden geführt hätte, denen eine Zuwendung zu den Errichtungs- und Einrichtungskosten nicht zugekommen ist. Allerdings weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass gemäß Nr. 2.2.1.1 der Verwaltungsvorschriften zu § 6 des FlüAG (Runderlass des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 15.9.1986, MBl. NRW S. 1522) - VV FlüAG 1984 - Kapitalverzinsung und Abschreibungen auf eingesetztes Kapital im Erstattungsverfahren nach § 6 Abs. 2 FlüAG 1984 Berücksichtigung fanden. Bei regelmäßig langfristig eingegangenen Darlehensverpflichtungen und der insbesondere für Immobilien gemäß § 25 Abs. 2 II. BV mit höchstens 1 v.H. der Baukosten zeitlich erheblich gestreckten Berücksichtigung der Abschreibung kam den Gemeinden eine Erstattung der Aufwendungen hiernach nur sukzessive und mit deutlicher Verzögerung zugute. Ein reines Erstattungsverfahren hätte den Gemeinden damit eine im Hinblick auf ihre Finanzkraft erhebliche Vorfinanzierungslast, insbesondere beim - gemeindehaushaltsrechtlich erwünschten - Einsatz von Eigenmitteln auferlegt. Die Erstattung nach § 6 Abs. 2 FlüAG 1984 konnte deshalb insoweit lediglich ergänzend neben die Landeszuwendungen nach Absatz 1 treten, vermochte diese aber nicht zu ersetzen. Hiervon gehen auch die VV FlüAG 1984 aus, wenn sie in Nr. 2.2.1.1 bei der Berechnung der Kapitalverzinsung und Abschreibung vorherige Zuwendungen (dort als "Zuweisungen" bezeichnet) ausnehmen und damit den gesetzlichen Regelfall voraussetzen, dass zuvor Zuwendungen gewährt wurden, diese aber die tatsächlichen Aufwendungen der Gemeinde für die Errichtung und Einrichtung von Übergangsheimen nicht vollständig abdecken.

Ein hiernach im Grundsatz entstandener Anspruch auf Gewährung von Landesmitteln gemäß § 6 Abs. 1 FlüAG 1984 ist auch nicht - wie die Beklagte meint - dadurch weggefallen, dass die Vorschrift durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vom 29.11.1994 (GV NRW S. 1087) aufgehoben und das bis dahin bestehen Finanzierungssystem durch ein pauschales Erstattungssystem zur Abgeltung der für die Unterbringung, Betreuung und den Sozialhilfeaufwand ausländischer Flüchtlinge ersetzt wurde. Dem steht nicht entgegen, dass bei der Bescheidungsklage wie bei der Verpflichtungsklage allgemein für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 3.11.1994 - 3 C 17.92 -, BVerwGE 97, 79 (81 f.) und vom 20.3.1996 - 6 C 4.95 -, BVerwGE 100, 346 (347 f.); Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Auflage 2000, § 113 Rdnrn. 45 - 47 m.w.N.

Dieser auch für das Berufungsverfahren geltende Grundsatz, vgl. BayVGH, Urteil vom 27.7.1977 - 397 II 74 -, BayVBl. 1978, 119, erfährt nämlich eine Einschränkung dadurch, dass sich die Frage, ob der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt besteht, nicht nach dem Prozessrecht, sondern nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden materiellen Recht beantwortet. Ändert sich das materielle Recht im Verlauf des Verfahrens, ist auf der Grundlage dieser Rechtsänderung zu entscheiden, ob das nunmehr geltende Recht den durch das alte Recht begründeten Anspruch unberührt lässt oder nicht.

BVerwG, Urteile vom 3.11.1994 und vom 20.3.1996, a.a.O., Eyermann, a.a.O., Rdnr. 45; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 113 Rdnr. 66, Fußnote 307; Kleinlein, Verwaltungs-Archiv 1990, S. 149.

Ausgangspunkt der Prüfung ist damit die Frage, ob durch das Änderungsgesetz vom 29.11.1994 in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vom 18.2.1997 (GV NRW S. 24) die nachträgliche Gewährung von Zuwendungen nach § 6 Abs. 1 FlüAG 1984 auch dann ausgeschlossen werden sollte, wenn - wie vorliegend - der erforderliche Antrag von der Gemeinde vor der Gesetzesänderung gestellt wurde. Diese Frage ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten zu verneinen: Das Änderungsgesetz trifft zur Überleitung des bisherigen Zuwendungsverfahrens in das Verfahren pauschaler Erstattungen keine ausdrückliche Regelung. Lediglich für das Verfahren auf Erstattung entstandener Aufwendungen ordnet es in Art. 4 Nr. 2 eine gesetzliche Antragsfrist an. Hierbei ist, wie auch der Vergleich mit der in Nrn. 3 und 4 getroffenen Wortwahl zeigt, mit der Beklagten davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit "Ansprüchen auf Erstattung" die auf Ersatz der Aufwendungen gerichteten Ansprüche, nicht aber das Zuwendungsverfahren nach § 6 Abs. 1 FlüAG 1984 gemeint hat. Hieraus folgt jedoch nichts für die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung, solche Zuwendungen könnten nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes am 1.1.1995 nicht mehr gewährt werden. Die Vorschrift bestimmt vielmehr lediglich eine gesetzliche Übergangsfrist für die von ihr erfassten Fälle des Aufwendungsersatzes.

OVG NRW, Urteil vom 20.11.2001 - 15 A 3420/97 - (Seiten 10 - 14 des amtlichen Urteilsabdrucks).

Eine Wertung hinsichtlich des Zuwendungsverfahrens ist ihr nicht zu entnehmen. Dies gilt umso mehr für Fallgestaltungen, in denen - wie vorliegend - der Förderungsantrag bereits vor Eintritt der Gesetzesänderung gestellt wurde. Die Existenz einer Antragsfrist über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung hinaus lässt im Gegenteil den Schluss zu, dass die Abwicklung noch nicht beschiedener Zuwendungsanträge nach § 6 Abs. 1 FlüAG 1984 aus der Zeit vor dem 1.1.1995 erst recht nicht ausgeschlossen sein sollte.

Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass die pauschalen Landesleistungen nach § 4 FlüAG 1994 nunmehr die Unterkunftskosten mit umfassen und folglich eine gesonderte Zuwendung zum Bau von Übergangsheimen nicht mehr vorgesehen ist. Denn diese Änderung erfolgte unter Berücksichtigung der im Gefolge der Neuregelung des Asylverfahrens geänderten bundesrechtlichen Rahmenbedingungen und im Jahre 1994 erheblich zurückgehender Asylbewerberzahlen. Die weitere Förderung der Unterbringung in kommunalen Übergangsheimen wurde vor diesem Hintergrund als nicht mehr angemessen erachtet, nachdem nunmehr eine zentrale Erfassung der Asylbewerber in Landesunterkünften vorgesehen war und eine Verteilung auf die Kommunen nur noch für diejenigen Bewerber vorgenommen wurde, deren Asylantrag nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war.

Vgl. LT-Drs. 11/7319, S. 24.

Dass dieser Übergang auf eine andere Finanzierungsregelung - wie die Beklagte ausführt - weitgehend reibungslos erfolgte, besagt nichts für den hier zu entscheidenden Fall und insbesondere nichts für die Frage, ob unter altem Recht begründete Ansprüche der Gemeinden Bestand hatten, zumal die Investitionen der Klägerin für das Übergangsheim F.-Straße unter gänzlich anderen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen erfolgten. Im Jahre 1990 wurde die Unterbringung in kommunalen Übergangsheimen sowohl für Aussiedler als auch für Asylbewerber als in besonderem Maße notwendig und geboten erachtet. Demgemäß gingen in der Planungs- und Ausführungsphase alle Beteiligten von einer besonderen Eilbedürftigkeit des Projekts aus. Die spätere Veränderung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse war für keinen von ihnen vorhersehbar. Die Gewährung von Landeszuwendungen stellte für die Klägerin eine Voraussetzung der Finanzierbarkeit dar und ging - auch mit Blick auf den gesetzlich vorgegebenen Rahmen von bis zu 80 v.H. der förderungsfähigen Kosten - über eine bloße "Anschubfinanzierung" deutlich hinaus. Dem entsprach auch die anfängliche Finanzierungspraxis der Beklagten, die einen Zuwendungssatz von 70 v.H. vorsah.

Der Anspruch auf Landeszuwendungen für die Errichtung und erstmalige Einrichtung von Übergangsheimen besteht jedoch nur nach Maßgabe des Haushaltsplans. Hierbei ergibt sich aus dem Umstand, dass den Gemeinden unter der Geltung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes 1984 dem Grunde nach ein Zuwendungsanspruch zusteht, dass die Bereitstellung entsprechend ausreichender Mittel nicht in das Belieben des Haushaltsgesetzgebers gestellt sein kann. Zutreffend geht das VG in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass sich das Tatbestandsmerkmal "nach Maßgabe des Haushaltsplans" verfassungskonform nur dahingehend auslegen lässt, dass sich lediglich die Einzelheiten der Gewährung einer beantragten Zuwendung, insbesondere deren konkrete Höhe, nach den haushaltsrechtlichen Vorgaben richten. Denn nach Art. 78 Abs. 3 LV kann das Land die Gemeinden und Gemeindeverbände durch gesetzliche Vorschriften zur Übernahme und Durchführung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichten, wenn gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden. Hierdurch soll verhindert werden, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände infolge einer Überlastung mit Pflichtaufgaben ihre traditionellen Aufgaben vernachlässigen müssen. Allerdings verlangt die Landesverfassung keine vollständige Kostenerstattung und schließt eine zumutbare Eigenbeteiligung, die letztlich auch dem sparsamen Einsatz öffentlicher Mittel dient, nicht aus. Auch ist der Gesetzgeber nicht gehindert, Kostenerstattungsregelungen in typisierender und pauschalisierender Form zu treffen, solange dies nicht in offensichtlich sachwidriger Form geschieht.

Vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 9.12.1996 - VerfGH 11/95, 12/95, 15/95, 34/95 und 37/95 -, DVBl. 1997, 483 = NWVBl. 1997, 129 u.a. zur Kostenerstattungsregelung nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz in der Fassung des Vierten Änderungsgesetzes vom 29.11.1994 (GV NRW S. 1087); vgl. auch: VerfGH NRW, Urteile vom 12.12.1995 - VerfGH 5/94 -, NWVBl. 1996, 97, vom 1.12.1992 - VerfGH 11/92 -, OVGE 43, 232 und vom 22.9.1992 - VerfGH 3/91 -, OVGE 43, 216.

An diesen Maßstäben orientiert sich auch die hier streitige Regelung des § 6 Abs. 1 FlüAG 1984. Mit der Festlegung einer Förderungshöchstgrenze von 80 v.H. der Kosten bestimmt die Vorschrift das Mindestmaß einer angemessenen Eigenbeteiligung der Gemeinden an den Kosten der Aufgabenwahrnehmung. Gleichzeitig ist damit vor dem beschriebenen verfassungsrechtlichen Hintergrund aber auch ausgesagt, dass es dem Land versagt ist, über den Anspruch der Gemeinden entsprechend eigener haushaltspolitischer Zielsetzungen beliebig zu verfügen. Es ist dem Land daher etwa verwehrt, in einzelnen Haushaltsjahren auf eine Förderung gänzlich zu verzichten und als förderungsfähig erkannte Vorhaben von den Zuwendungen auszunehmen.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass den Gemeinden ein von den Umständen des Einzelfalles unabhängiger Bewilligungsanspruch in bestimmter Höhe zusteht. Vielmehr war es dem Land unter der Geltung des § 6 Abs. 1 FlüAG 1984 nicht generell verwehrt, Zuwendungsanträge mit der Begründung fehlender Haushaltsmittel abzulehnen, sofern es von realitätsgerechten Haushaltsansätzen ausgegangen war und die nach diesen Haushaltsansätzen bereitgestellten Haushaltsmittel vorzeitig erschöpft waren.

OVG NRW, Urteil vom 28.3.2000 - 15 A 186/97 - (Seite 14 des amtlichen Urteilsabdrucks).

Eine solche Entscheidung setzt jedoch stets eine dem Zweck der ermessenseröffnenden Norm entsprechende Ermessensbetätigung der entscheidenden Behörde voraus. Dem werden die ablehnenden Bescheide der Beklagten nicht gerecht. Es kann offen bleiben, zu welchem Prozentsatz der förderungsfähigen Kosten eine Landesförderung hiernach noch als gesetzeskonform angesehen werden kann und ob der Klägerin bei einer Neubescheidung zwingend weitere Landesmittel zu gewähren wären. Denn die vollständige Ablehnung einer weiteren Förderung im Bescheid vom 14.2.1995 mit der Begründung, laufende Haushaltsmittel stünden nunmehr nicht mehr zur Verfügung, ist ermessenswidrig. Die Beklagte hat ihr Ermessen damit hinsichtlich der Höhe der Landeszuwendung in einer dem Zweck der Ermessensermächtigung widersprechenden Weise ausgeübt: Der Förderungsantrag der Klägerin lag der Beklagten einschließlich des nachgereichten Verwendungsnachweises und einer Erläuterung der zwischenzeitlich eingetretenen erheblichen Kostensteigerung bereits seit September 1992 vor. Auch unter Berücksichtigung einer angemessenen Bearbeitungszeit, für die der dreimonatige Zeitraum gemäß § 75 Satz 2 VwGO einen Anhalt geben kann, vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.1.1998 - 15 A 5800/95 -, NWVBl. 1998, 443 (444) = GemHlt 1999, 278 (279), wäre eine Bescheidung des Antrags somit noch zu den Bedingungen des Haushaltsjahres 1992, zumindest aber des Jahres 1993 rechtlich geboten gewesen. In beiden Jahren wies der Landeshaushalt unstreitig Mittel für die Förderung der Errichtung und Herrichtung von Übergangsheimen aus. Soweit die Beklagte auf eine mangelhafte Personalausstattung verweist, die dazu gezwungen habe, Prioritäten bei der Bearbeitung zu setzen, handelt es sich um einen Umstand, der von der Klägerin nicht beeinflussbar war und von dem auch die verfassungsrechtlich gebotene ausreichende Finanzausstattung der Gemeinden bei der Wahrnehmung übertragener Pflichtaufgaben nicht abhängig gemacht werden kann. Denn die Verpflichtung zur finanziellen Ausstattung der Gemeinden traf vorliegend das Land. Dieses muss seine Behörden so ausstatten, dass - notfalls unter Hintanstellung gesetzlich nicht vorgeschriebener Aufgaben - die gesetzlich begründeten Ansprüche rechtzeitig befriedigt werden können.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.1.1998 - 15 A 5800/95 -, NWVBl. 1998, 443 (444) = GemHlt 1999, 278 (279).

Reichen hierbei die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu einer gleichmäßigen und vollständigen Befriedigung aller berechtigten Ansprüche aus, ist die zuständige Bewilligungsbehörde verpflichtet, über die Mittelvergabe anhand sachgerechter und sich am Ziel einer angemessenen Aufgabenfinanzierung orientierender Kriterien zu entscheiden. Dem wird das im Widerspruchsbescheid dargestellte Auswahlsystem nicht gerecht. Es widerspricht den Erfordernissen einer ausreichenden kommunalen Finanzausstattung, die Prioritäten bei der Mittelzuweisung nach dem Antragsvolumen zu bestimmen und "in der Summe nicht so bedeutende" Anträge zurückzustellen, um sie letztlich mit der Begründung (dann) fehlender Haushaltsmittel abzulehnen, da sie die Frage der Mittelzuweisung letztlich von Zufällen abhängig macht, die keinen Bezug zum System der kommunalen Finanzausstattung aufweisen. Eine solche Ermessenshandhabung wird auch nicht dadurch relativiert, dass die Beklagte das Antragsvolumen in ein Verhältnis zur Finanzkraft der antragstellenden Gemeinden gesetzt hat. Denn die Gewährung von Zuwendungen nach § 6 Abs. 1 FlüAG 1984 dient ebenso wenig wie die Erstattungsregelungen des Flüchtlingsaufnahmegesetzes in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 29.11.1994, vgl. insoweit: VerfGH NRW, Urteil vom 9.12.1996, a.a.O., S. 484, dem allgemeinen Finanzausgleich, sondern soll eine aufgabenakzessorische und finanzkraftunabhängige Finanzierung der Pflichtaufgabe sicherstellen. Zudem wurde dieses System von der Beklagten selbst nicht unterschiedslos angewendet. Denn nach ihren eigenen Angaben wurden "kleinere Anträge" gleichwohl zeitnah bearbeitet, wenn diese sachlich ohne größeren Arbeitsaufwand zu erledigen waren. Hiermit war eine weitere Verzerrung der Zuwendungskriterien zu Lasten derjenigen Gemeinden unausweichlich, deren Anträge nach Einschätzung des zuständigen Sachbearbeiters rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufwiesen. Ein sachgerechtes und nachvollziehbares System, das den berechtigten Interessen der antragstellenden Gemeinden und den Erfordernissen einer angemessenen Sachbearbeitung gleichermaßen gerecht wird, ist hiernach nicht erkennbar.

Dem VG ist darin zu folgen, dass die Beklagte bei der notwendigen Neubescheidung des Antrags der Klägerin nicht von vornherein an eine bestimmte Vorgehensweise gebunden ist. So kommt eine Entscheidung in Höhe der 1992 und 1993 allgemein gewährten Zuwendungen ebenso in Betracht wie eine Entscheidung unter Zugrundelegung einer ermessensfehlerfreien anderen Verteilungsregelung unter Beachtung der seinerzeit bestehenden Haushaltslage. Dass eine solche Neubescheidung heute die nachträgliche Bereitstellung von Haushaltsmitteln notwendig machen könnte, ist eine Konsequenz des dargestellten Finanzierungssystems und der rechtswidrigen Ablehnung der Gewährung einer Erstattung durch die Beklagte.

Bei einer Neubescheidung wird die Beklagte zur Vermeidung einer Überfinanzierung diejenigen Kreditkosten und Abschreibungen in Anrechnung zu bringen haben, die bereits anderweitig, insbesondere nach § 6 Abs. 2 FlüAG 1984 Gegenstand der Landeserstattung geworden sind. Zudem wird die Beklagte die zwischenzeitlich auf der Grundlage des § 4 FlüAG 1994 an die Klägerin geflossenen Landesleistungen ebenso zu berücksichtigen haben wie möglicherweise eingetretene Veränderungen hinsichtlich der Nutzung des Übergangsheims.

Ende der Entscheidung

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