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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 12.08.2009
Aktenzeichen: 15 A 2267/07
Rechtsgebiete: KAG NRW


Vorschriften:

KAG NRW § 8
Ein Kanalanschlussbeitrag zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung der Entwässerungsanlage setzt voraus, dass die die Beitragshöhe bestimmenden Herstellungsentscheidungen von der Gemeinde und nicht von einem Dritten getroffen werden. Die Gemeinde muss im Hinblick auf die beitragsfinanzierte Tätigkeit "das Heft in der Hand haben".

Wird ein Grundstück unmittelbar an die Entwässerungsanlage einer Nachbargemeinde angeschlossen, kann die Gemeinde, in der das Grundstück liegt, keinen Anschlussbeitrag erheben.


Tatbestand:

Die Stadt A. schloss mit der benachbarten Stadt N. eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung, wonach ein bestimmtes Grundstück der Stadt A. direkt über die Entwässerungsanlage der Stadt N. entwässert werden sollte. Insoweit sollte die Abwasserbeseitigungsaufgabe durch die Stadt N. durchgeführt werden, wobei die Stadt A. aber abwasserbeseitigungspflichtig bleiben sollte. Die Stadt A. verpflichtete sich, an die Stadt N. einen Betrag, der dem Anschlussbeitrag nach der Satzung der Stadt N. entsprach, zu zahlen. Das Grundstück wurde sodann unmittelbar an die Entwässerungsanlage der Stadt N. angeschlossen. Die Stadt A. setzte nach ihrer eigenen Anschlussbeitragssatzung einen Anschlussbeitrag fest. Die dagegen erhobene Klage war in beiden Instanzen erfolgreich.

Gründe:

Der Beitragsbescheid kann sich nicht auf § 8 KAG NRW stützen. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KAG NRW können Gemeinden Beiträge zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen erheben. Die Beitragspflicht entsteht gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Grundstück kann nur angeschlossen werden und ist angeschlossen an die Entwässerungsanlage der Stadt N., die die Stadt A. weder hergestellt noch angeschafft hat, so dass ihr dafür auch kein Aufwand entstanden ist. Insoweit ist allein Herstellungsaufwand der Stadt N. entstanden.

Zu Unrecht meint der Beklagte, der in der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung vereinbarte Ablösebetrag in Höhe des voraussichtlichen Anschlussbeitrags nach der Beitragssatzung der Stadt N. sei Herstellungsaufwand der Stadt A. Der Ablösebetrag mag in der Tat die Funktion einer Beteiligung an den Kosten der Herstellung der Entwässerungsanlage der Stadt N. haben. Das macht diesen Ablösebetrag aber ebenso wenig zum Herstellungsaufwand der Stadt A., wie Anschlussbeiträge selbst kein Herstellungsaufwand sind, sondern nur dessen Deckung dienen. Mit dem hoheitlich erhobenen Beitrag soll nicht ein irgendwie der Gemeinde entstandener Aufwand im Hinblick auf die Herstellung einer öffentlichen Einrichtung abgedeckt werden, sondern Aufwand, der durch gemeindliche Herstellung entstanden ist. Mit dem Beitrag wird aufwändige Gemeindetätigkeit, nicht bloß Aufwand als solcher finanziert. Zwar kann sich die Gemeinde bei der Herstellung eines Dritten als Erfüllungsgehilfen bedienen. Das bedingt aber, dass die die Beitragshöhe bestimmenden Herstellungsentscheidungen auch von der Gemeinde und nicht von einem Dritten getroffen werden. Die Gemeinde muss im Hinblick auf die beitragsfinanzierte Tätigkeit "das Heft in der Hand haben".

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.6.2008 - 15 A 699/06 -, S. 4 des amtlichen Umdrucks.

Der Ablösebetrag stellt daher nur eine teilweise Erstattung der Kosten der Herstellung der Entwässerungsanlage der Stadt N. durch die Stadt N. und nicht Aufwand der Herstellung der Entwässerungsanlage der Stadt A. durch die Stadt A. dar.

Der mit dem Ablösebetrag entstandene Aufwand kann auch nicht als Anschaffungsaufwand der Stadt A. verstanden werden. Sie hat die Entwässerungsanlage der Stadt N. nicht angeschafft und daher auch insofern keinen Aufwand gehabt. Anschaffung erfordert im allgemeinen Sprachgebrauch den Erwerb eines Vermögensgegenstandes (vgl. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB). Sie ist der Fremdbezug eines Vermögensgegenstandes auf rechtsgeschäftlicher Grundlage.

Vgl. Graf von Kanitz, Bilanzkunde für Juristen, S. 259.

Hier geht es um die Anschaffung der öffentlichen Entwässerungsanlage. Nicht diese ist mit der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung erworben worden, sondern die Möglichkeit der Nutzung der Entwässerungsanlage der Stadt N. zur Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht der Stadt A. Es mag dabei durchaus sein, dass die Entwässerungsanlage der Stadt N. insoweit auch Teil der Entwässerungsanlage der Stadt A. ist und daher auch für die Benutzung von der Stadt A. Entwässerungsgebühren erhoben werden können. Soweit es aber um Investitionen in die Entwässerungsanlage der Stadt N. geht, handelt es sich weder um Herstellungs- noch um Anschaffungsaufwand der Stadt A., weil diese insoweit nichts hergestellt und nichts angeschafft hat. Derartige Kosten können allenfalls, soweit sich die Stadt A. daran beteiligt, als Teil des Fremdleistungsentgelts in die Gebührenkalkulation eingestellt werden (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 4 KAG NRW).

Vgl. Queitsch, Benutzungsgebühren und interkommunale Zusammenarbeit, KStZ 2009, 21 (24), mit der zutreffenden Parallele zur Durchführung der Abfallentsorgung durch einen Dritten.

Schließlich kann der beitragsfähige Aufwand auch nicht damit begründet werden, dass die Entwässerungsanlage der Stadt N. auch Teil der Entwässerungsanlage der Stadt A. sei, die eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit bildeten (so § 1 Abs. 2 Satz 2 der - hier allerdings zeitlich nicht anwendbaren - Abwasserbeseitigungssatzung der Stadt A. - ABS -), für die Aufwand angefallen sei.

Richtig ist, dass eine Gemeinde mehrere von ihr betriebene Entwässerungsanlagen, die - etwa in verschiedenen Ortsteilen - technisch voneinander getrennt sind, zu einer rechtlich einheitlichen Entwässerungsanlage zusammenfassen und einen einheitlichen Beitrag festsetzen kann anstatt mehrere rechtlich verschiedene Entwässerungsanlagen mit je eigenem Beitragssatz zu betreiben. Allerdings ist Voraussetzung, dass die verschiedenen zusammen gefassten technischen Entwässerungsanlagen wirtschaftlich und rechtlich eine Einheit bilden, wie sie in dem einheitlichen Betrieb der Ortsentwässerung (z. B. in der einheitlichen Wartung und Unterhaltung durch gemeinsames Personal und in der haushaltsrechtlichen und finanzwirtschaftlichen Einheit) zum Ausdruck kommt.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22.1.1979 - II A 1796/77 -, S. 17 f. des amtlichen Umdrucks, vom 9.3.1977 - II A 1665/74 -, S. 7 des amtlichen Umdrucks, und vom 17.11.1975 - II A 203/74 -, OVGE 31, 252 (253 ff.).

Daran fehlt es hier: Die Entwässerungsanlage der Stadt N., an die allein das klägerische Grundstück angeschlossen ist, wird nicht zusammen mit der Entwässerungsanlage der Stadt A. in Form eines einheitlich Betriebs geführt, auch nicht nur beschränkt auf den für das klägerische Grundstück in Anspruch genommenen Teil, soweit dieser überhaupt abgrenzbar ist. Vielmehr wird die Entwässerungsanlage der Stadt N. lediglich zur Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht der Stadt A. im Wege einer Fremdleistung in Anspruch genommen, aber ausschließlich von der Stadt N. betrieben. Damit scheidet eine Zusammenfassung der beiden Anlagen zu einer einheitlichen Anlage unter beitragsrechtlichen Gesichtspunkten aus. Eine beitragsrechtlich relevante rechtliche Zusammenfassung technisch selbständiger Entwässerungsanlagen durch die Stadt A. kommt nur in Betracht, wenn der Anschlussnehmer an eine dieser technisch selbständigen Anlage angeschlossen werden kann bzw. - was hier maßgeblich ist - angeschlossen ist, die die Stadt A. hergestellt oder angeschafft hat. Denn erst die Herstellung oder Anschaffung der Anlage rechtfertigt es, einen Beitrag für Investitionen zu verlangen. Daran fehlt es hier, da die technisch selbständige Anlage, in die das Abwasser des klägerischen Grundstücks eingeleitet wird, von der Stadt A. weder hergestellt noch angeschafft wurde.

Die Rechtslage wäre daher nur dann anders, wenn die Stadt A. ein Kanalstück zur Entwässerung des klägerischen Grundstücks hergestellt hätte, auch wenn es nur wenige Meter bis zur Stadtgrenze geführt und von dort in die Entwässerungsanlage der Stadt N. eingeführt würde.

Diese beitragsrechtliche Konstellation behandelt Queitsch, a.a.O.

Denn dann gehörte dieses Kanalstück - unbeschadet seiner technischen Selbständigkeit von der übrigen Anlage der Stadt A. - zur beitragsrechtlich einheitlichen Entwässerungsanlage der Stadt A., die von der Stadt A. mit Aufwand hergestellt worden wäre.

Hier wurde das Grundstück aber direkt, also ohne Zwischenschaltung eines zum Kanalnetz der Stadt A. gehörenden Kanals, an die Entwässerungsanlage der Stadt N. angeschlossen. Die Grundstücksanschlussleitungen gehörten und gehören auch heute nicht zur öffentlichen Entwässerungsanlage der Stadt A.

Der Beklagte meint zu Unrecht, die fehlende Möglichkeit der Beitragserhebung führe gegenüber anderen beitragspflichtigen Anschlussnehmern zu einer Ungleichbehandlung, weil auch den Klägern durch die öffentlich-rechtliche Vereinbarung ein gesicherter Anschluss an die öffentliche Entwässerung zur Verfügung gestellt werde. Damit wird eine wesentliche Gleichheit der Fälle nicht begründet: Die Beitragspflicht setzt nicht nur den Vorteil einer gesicherten Entwässerungsmöglichkeit voraus, sondern auch die Anschlussmöglichkeit oder den Anschluss an eine von der Gemeinde hergestellte oder angeschaffte Entwässerungsanlage, an deren Investitionskosten sich der Anschlussnehmer zu beteiligen hat. Die Vereinbarung einer Entwässerungsmöglichkeit in eine von Dritten hergestellte oder angeschaffte Entwässerungsanlage rechtfertigt keine Beteiligung an Investitionskosten, sondern allenfalls die Berücksichtigung von Investitionsaufwand des Dritten bei der Kalkulation der Benutzungsgebühren im Rahmen einzustellender Fremdleistungsentgelte.

Schließlich hindert auch die vorstehend dargelegte Rechtslage nicht, durch mandatierende Aufgabenübertragung gemäß § 23 Abs. 1 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit die Durchführung der Abwasserbeseitigungsaufgabe für bestimmte Grundstücke einer Nachbarkommune zu übertragen, wie es in der Stadt A. aus topografischen Gründen wohl sinnvoll ist. Regelmäßig wirft dies nämlich - wie oben ausgeführt - beitragsrechtlich keine Besonderheiten auf, da es die Stadt A. - wie hier - in der Hand hat, das Grundstück durch einen eigenen Kanal, in den das Grundstück entwässert wird und der im weiteren Verlauf an die Entwässerungsanlage der Nachbargemeinde angeschlossen wird, entwässerungsrechtlich zu erschließen und damit eine Beitragspflicht auszulösen. Nur in den Fällen, in denen der Beklagte darauf verzichtet und mit der Nachbargemeinde einen unmittelbaren Anschluss an deren Entwässerungsanlage vereinbart, scheidet eine Beitragserhebung durch die Stadt A. aus. In diesen Fällen ist jedoch - ebenfalls wie hier - das betroffene Grundstück entwässerungsrechtlich ohnehin nicht erschlossen, da das Grundstück nicht unmittelbar an eine Straße grenzt, in der die öffentlichen Abwasseranlagen bereits betriebsfertig verlegt sind (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ABS). Dies erfordert nämlich eine Heranführung des Kanals bis zur Grenzlinie des Grundstücks.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1.4.2003 - 15 A 2254/01 -, NVwZ-RR 2003, 778 (779), also genau das genannte kurze Stück Kanals der Stadt A., das erst die Beitragspflicht auslösen würde. Für entwässerungsrechtlich nicht erschlossene Grundstücke besteht also weder ein satzungsrechtliches Anschlussrecht noch ein Anschlusszwang. Hier steht es der Nachbargemeinde frei, den dann freiwilligen Anschluss von der vorherigen Zahlung eines Betrages durch den Anschlussnehmer abhängig zu machen.

Ende der Entscheidung

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