Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 31.10.2008
Aktenzeichen: 15 A 2450/08
Rechtsgebiete: GO NRW, VwGO


Vorschriften:

GO NRW § 114a
VwGO § 58 Abs. 1
1. Der Vorstand einer Anstalt öffentlichen Rechts nach § 114a GO NRW ist Verwaltungsbehörde im Sinne des § 58 Abs. 1 VwGO.

2. Zur Schriftlichkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung.

Der Kläger legte nach Ablauf der Frist für die Einlegung des Widerspruchs gegen einen Kanalanschlussbeitragsbescheid Widerspruch ein, der als unzulässig zurückgewiesen wurde. Mit seiner Klage gegen den Bescheid machte er geltend, die Widerspruchsfrist sei nicht abgelaufen, da die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig sei. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil hatte keinen Erfolg.


Gründe:

Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Der Kläger hat keinen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Zu Recht hat das VG angenommen, dass die einmonatige Widerspruchsfrist mit Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides ausgelöst werden konnte. Die Voraussetzung des § 70 Abs. 2 i. V. m. § 58 Abs. 1 VwGO, wonach die Frist für den Widerspruch zu laufen beginnt, wenn über den Rechtsbehelf "schriftlich" belehrt worden ist, liegt vor.

Schriftlichkeit bedeute in erster Linie in Abgrenzung zur Mündlichkeit, dass die Rechtsbehelfsbelehrung in Form eines lesbaren Textes auf einem Schriftträger niedergelegt ist. Dies ist geschehen. Weiter erforderlich ist, dass der Urheber des Textes und sein Wille, die niedergeschriebene Erklärung in den Rechtsverkehr zu bringen, erkennbar sind. Das wird regelmäßig durch eine unter dem Text angebrachte Unterschrift bewirkt (vgl. § 126 Abs. 1 BGB). Dies ist aber nicht zwingend erforderlich. Vielmehr reicht es aus, dass sich für die genannten Umstände aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr ergibt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 6.12.1988 - 9 C 40.87 -, NJW 1989, 1175.

Solche Anhaltspunkte sind hier gegeben: Der Bescheid ist in seinem verfügenden Teil auf diese Art unterschrieben. Angeheftet war eine zweiseitige Anlage, die die Berechnung des Beitrags, die Angabe seiner Rechtsgrundlagen und unter der Überschrift "Ihre Rechte" die Rechtsbehelfsbelehrung enthielt. Auf die Anlage wurde im unterschriebenen Teil der Verfügung hingewiesen. Dies zusammengenommen lässt keinen Zweifel daran bestehen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung mit Willen des Unterzeichners bekannt gegeben wurde.

Die erhobenen Einwände des Klägers (die Rechtsbehelfsbelehrung sei entgegen dem Hinweis im unterschriebenen Teil nicht als solche kenntlich gemacht, sondern nur mit den Worten "Ihre Rechte" überschrieben, die Seitenzählung der Anlage befinde sich in der regelmäßig nicht beachteten Fußzeile, das dort enthaltene Datum für den Bescheid sei irreführend, weil der Bescheid auch ein weiteres Datum für die Auftragsnummer enthalte, es sei nicht auf die genaue Seitenzahl der Anlage verwiesen worden, auf der sich die Rechtsbehelfsbelehrung befinden solle) vermögen weder einzeln noch zusammen die sich aus den genannten Anhaltspunkten ergebende notwendige Gewähr für die Urheberschaft und den Rechtsverkehrswillen zu erschüttern.

Die Widerspruchsfrist konnte auch deshalb zu laufen beginnen, weil in der Rechtsbehelfsbelehrung in Übereinstimmung mit § 58 Abs. 1 VwGO die Verwaltungsbehörde bezeichnet wurde, bei der der Widerspruch anzubringen war. Der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt ist bei der Behörde zu erklären, die den Verwaltungsakt erlassen hat (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Mit "Verwaltungsbehörden" ist also diese Ausgangsbehörde gemeint.

Vgl. dazu, dass es Merkmal eines Verwaltungsaktes ist, dass er von einer Behörde erlassen wird, § 118 Satz 1 AO, § 35 Abs. 1 Satz 1 BVwVfG und VwVfG NRW.

Behörde in diesem Sinne ist "jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt" (§ 6 Abs. 1 AO, § 1 Abs. 2 BVwVfG und VwVfG NRW).

Vgl. dazu, dass bei Kommunalabgaben trotz fehlender Verweisung in § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen auf § 6 AO derselbe Behördenbegriff gilt, Hamacher in: ders. u.a., KAG NRW, Loseblattkommentar (Stand: September 2008), § 12 Rdnr. 12.

Der Kläger legt nicht schlüssig dar, warum dieser Behördenbegriff, der auch § 58 Abs. 1 VwGO zugrunde liegt, nicht vom Vorstand der Anstalt erfüllt sein soll. So steht dessen Eigenschaft, Organ der Anstalt zu sein, der Behördeneigenschaft nicht entgegen.

Vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 1 Rdnr. 241, 246.

Für die Behördeneigenschaft des Vorstandes der AöR ist weiter nicht erheblich, dass der Anstalt und nicht ihm Verwaltungsaufgaben übertragen sind. Maßgeblich ist - wie ausgeführt - alleine, dass der Vorstand Aufgaben der öffentlichen Verwaltung "wahrnimmt". Das tut er, etwa hier durch den Erlass des streitbefangenen Beitragsbescheides. Dies tat er unter dem Kopf im Bescheid "Kommunale Betriebe B AöR Der Vorstand". Der Vorstand trat also unter eigenem Namen auf, ohne dass dies die organschaftliche Zurechnung seiner Handlungen an den Rechtsträger, also die Anstalt öffentlichen Rechts, hindert. Ebenso unerheblich ist es für den Behördenbegriff - unbeschadet der Frage der organisationsrechtlichen Zulässigkeit mit Rücksicht auf den Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 des Grundgesetzes -, ob der Behördenleiter in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis oder einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis steht.

Schließlich ist die Auffassung des Klägers abwegig, die Rechtsbehelfsbelehrung, wonach "bei dem Vorstand der kommunalen Betriebe B AöR" Widerspruch einzulegen sei, erwecke den unzutreffenden Eindruck, dass nur bei den Vorstandsmitgliedern persönlich Widerspruch erhoben werden könne. Die Präposition "bei" lokalisiert alleine den organisatorischen Bereich innerhalb der juristischen Person, beschränkt aber nicht den Kreis der natürlichen Personen, denen gegenüber der Widerspruch erhoben werden kann. Im Übrigen entspricht die Rechtsbehelfsbelehrung der Formulierung des § 70 Abs. 1 VwGO, wonach der Widerspruch "bei" der Behörde zu erheben bzw. einzulegen ist.

Ende der Entscheidung

Zurück