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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.02.2009
Aktenzeichen: 15 A 3224/08
Rechtsgebiete: GO NRW


Vorschriften:

GO NRW § 26
Erstrebt ein Bürgerbegehren die Aufhebung eines Ratsbeschlusses, mit dem einem Vorhaben eines Dritten zugestimmt wird, ohne dass dies für das Vorhaben rechtlich erforderlich ist, richtet sich das Bürgerbegehren nicht auf eine Entscheidung und ist daher gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW unzulässig.

Gleiches gilt, wenn sich ein Bürgerbegehren gegen die Durchführung eines Vorhabens einer kommunalen Gesellschaft wendet und deshalb einen Ratsbeschluss aufgehoben wissen will, der die vom Rat in den Aufsichtsrat der Gesellschaft entsandten Vertreter anweist, auf die Verwirklichung des Vorhabens hinzuwirken.

Die von einem Bürgerbegehren angestrebte Entscheidung, ein planfestgestelltes Vorhaben aufzugeben, unterfällt dem Ausschließungsgrund des § 26 Abs. 5 Nr. 5 GO NRW.


Tatbestand:

Eine städtische Gesellschaft, die Beigeladene, plante den Ausbau des Stadthafens, wozu auf ihren Antrag hin ein entsprechender Planfeststellungsbeschluss ergangen ist. Der Rat der Stadt stimmte dem Vorhaben zu und wies die von ihm benannten Vertreter im Aufsichtsrat der Gesellschaft an, auf die Verwirklichung des Vorhabens hinzuwirken. Ein Bürgerbegehren wandte sich gegen den Hafenausbau und stellt die Frage zur Abstimmung, ob der Ratsbeschluss aufgehoben werden solle. Die auf Verurteilung des Rates, das Bürgerbegehren für zulässig zu erklären, gerichtete Klage wies das VG ab. Die beantragte Zulassung der Berufung lehnte das OVG ab

Gründe:

Zu Recht hat das VG die Auffassung vertreten, dass das Bürgerbegehren entgegen § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW nicht darauf gerichtet ist, dass die Bürger eine eigentlich vom Rat zu treffende, abschließende Entscheidung an dessen Stelle selbst treffen.

Vgl. zu diesem Erfordernis OVG NRW, Urteil vom 19.2.2008 - 15 A 2961/07 -, NWVBl. 2008, 269.

Die vom Bürgerbegehren zu treffende Entscheidung ergibt sich aus der zur Entscheidung zu bringenden Frage in Verbindung mit der zu ihr gegebenen Begründung (vgl. zum notwendigen Inhalt des Bürgerbegehrens § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW). Nach der zu entscheidenden Frage geht es alleine darum, dass ein Ratsbeschluss aufgehoben werden soll, der sich für den Ausbau des Hafens ausspricht und die vom Rat in den Aufsichtsrat der Beigeladenen entsandten Vertreter anweist, darauf hinzuwirken, dass der Hafen ausgebaut wird. Der Hafen soll durch den Vorhabenträger, die Beigeladene, ausgebaut werden, auf deren Antrag hin der wasserrechtliche Planfeststellungsbeschluss ergangen ist. Wird somit, wie es das Bürgerbegehren von der Frage her zur Entscheidung stellt, allein der Ratsbeschluss aufgehoben, so bedeutet dies, dass lediglich der status quo ante hergestellt wird, also die Stadt sich nicht für den Ausbau des Hafens ausspricht und die Ratsvertreter im Aufsichtsrat der Beigeladenen nicht anweist, darauf hinzuwirken, dass der Hafen ausgebaut wird. Dem Bürgerbegehren geht es aber, wie der Überschrift ("Kein Ausbau des Hafens!") und der Begründung (Weiterentwicklung und Optimierung des Hafens ohne Neuerrichtung eines Hafenbeckens) zu entnehmen ist, darum, dass der Hafen nicht so ausgebaut wird, wie es der Planfeststellungsbeschluss erlaubt, mit anderen Worten darum, dass das planfestgestellte Vorhaben aufgegeben wird.

Dazu würde durch das Bürgerbegehren mit der Aufhebung des genannten Ratsbeschlusses keine Entscheidung getroffen werden, vielmehr bliebe das Vorhaben in der Schwebe. Anders wäre dies nur, wenn der aufzuhebende Ratsbeschluss die Ausbauentscheidung wäre. Das ist aber nicht der Fall: Vorhabenträgerin ist die Beigeladene. Sie alleine entscheidet, ob von dem Planfeststellungsbeschluss Gebrauch gemacht wird. Die Kläger zeigen kein rechtliches Erfordernis auf, wonach es einer Zustimmung des Beklagten zum Ausbau bedürfte. Ein solches rechtliches Erfordernis wird nicht dadurch begründet, dass - wie die Kläger geltend machen - "die Beigeladene selbst ihre Entscheidung über die Ausnutzung des Planfeststellungsbeschlusses aufschiebend bedingt an die vorherige Zustimmung des Beklagten gebunden" haben soll. Es mag der Wille der Beigeladenen sein, nur mit Zustimmung des Rates den Hafen auszubauen, möglicherweise ist auch unter politischen Gesichtspunkten ein Hafenausbau durch die Beigeladene ohne Zustimmung des Rates undenkbar. Darauf kommt es aber nicht an, da keine rechtlich erforderliche Mitwirkungshandlung des Rates in Rede steht. Nur dann könnte die Kassierung eines solchen Beschlusses eine abschließende Entscheidung anstelle des Rates sein, den Hafen nicht auszubauen. Allerdings läge demgegenüber eine abschließende Entscheidung des Rates in Bezug auf den Hafenausbau dann vor, wenn unter gleichzeitiger Aufhebung des Ratsbeschlusses die Vertreter der Stadt im Aufsichtsrat der Beigeladenen angewiesen würden, auf die Aufgabe des planfestgestellten Vorhabens hinzuwirken. Eine solche Anweisung ist aber nicht Gegenstand des Bürgerbegehrens.

Zu Recht hat das VG auch angenommen, dass dem Bürgerbegehren der Ausschlussgrund des § 26 Abs. 5 Nr. 5 GO NRW auch dann entgegenstünde, wenn das Bürgerbegehren auf eine abschließende Entscheidung über den Hafenausbau gerichtet wäre. Nach diesem Ausschlussgrund ist ein Bürgerbegehren unzulässig über Angelegenheiten, die im Rahmen unter anderem eines Planfeststellungsverfahrens zu entscheiden sind. Entgegen der Auffassung der Kläger ist der Begriff "Angelegenheiten" nicht einengend dahin zu verstehen, dass diese nur den jeweiligen Entscheidungsinhalt des Planfeststellungsbeschlusses umfassen, also etwa die Feststellung des Plans oder den Erlass von Auflagen. Vielmehr ist der Begriff "Angelegenheiten" weit zu verstehen und umfasst insbesondere das Vorhaben selbst, das Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens ist.

Vgl. zur erforderlichen weiten Auslegung dieses Ausschlussgrundes OVG NRW, Beschluss vom 6.12.2007 - 15 B 1744/07 -, NWVBl. 2008, 106.

Das ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut der Vorschrift, der pauschal auf Angelegenheiten, nicht auf Entscheidungsinhalte des Planfeststellungsbeschlusses abstellt. Dass es - im Gegensatz zu § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO NRW, der konkrete bauplanungsrechtliche Entscheidungen aufzählt - nicht um Entscheidungen geht, die in den dort genannten Verfahren ergehen (Planfeststellungsverfahren, förmliche Verwaltungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung, näher bezeichnete Zulassungsverfahren), folgt daraus, dass nicht nur Angelegenheiten ausgeschlossen sind, die "in" den genannten Verfahren zu entscheiden sind, sondern die "im Rahmen" der genannten Verfahren zu entscheiden sind. Es ist also lediglich ein Rahmenbezug zwischen der Bürgerbegehrensentscheidung und der Planfeststellungsentscheidung erforderlich. Ein solcher Rahmenbezug besteht zwischen der Entscheidung über die Aufgabe des planfestgestellten Vorhabens und der Planfeststellungsentscheidung, da die vom Bürgerbegehren angestrebte Aufgabe des Projekts die Realisierung der Planfeststellungsentscheidung betrifft.

Auch Sinn und Zweck der Vorschrift legen eine solche weite Auslegung nahe: Die in diesem Ausschlussgrund genannten Verfahren behandeln regelmäßig die verwaltungsrechtliche Zulässigkeit komplexer Vorhaben mit bedeutsamen Auswirkungen auf die Allgemeinheit und Einzelne, aber auch mit erheblicher Bedeutung für den Vorhabenträger. Die solche Vorhaben betreffenden Angelegenheiten eignen sich nicht für ein notwendigerweise auf eine Ja- oder Nein-Entscheidung angelegtes Bürgerbegehren, in dem systembedingt eine sorgfältige Abwägung unter Einbeziehung aller relevanten Gesichtspunkte nicht stattfinden kann, sondern nur plakativ einige vorhabenbezogene Gesichtspunkte herausgegriffen werden können. Eine solche Abwägung erfordert auch die Entscheidung, ob von dem Planfeststellungsbeschluss Gebrauch gemacht werden soll.

Ende der Entscheidung

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