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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 08.01.2002
Aktenzeichen: 15 A 4707/99
Rechtsgebiete: FlüAG, VwVfG NRW


Vorschriften:

FlüAG § 4 (F. 1994 und 1997)
VwVfG NRW § 48
Die Benennung der Namen der im Leistungsbezug stehenden ausländischen Flüchtlinge ist nicht Teil der Bestandsmeldung der Gemeinden nach § 4 Abs. 3 FlüAG 1994. Ein nachträglicher Austausch der Namen der zur Erstattung angemeldeten Flüchtlinge ist daher für das Erstattungsverfahren ohne Belang.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren um die teilweise Rückforderung gewährter Kostenpauschalen für Leistungen der Klägerin an bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge im 4. Quartal 1996 und im 1. Quartal 1997. Das VG hatte der gegen den Rückforderungsbescheid gerichteten Klage insoweit stattgegeben, als von der klagenden Stadt nach dem im Flüchtlingsaufnahmegesetz (F. 1994) bestimmten Meldezeitpunkt andere Bürgerkriegsflüchtlinge zur Erstattung angemeldet worden waren. Die hiergegen gerichtete Berufung der beklagten Bezirksregierung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Die Beklagte war hinsichtlich eines Betrages von 18.495,-- DM nicht gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG NRW zur Aufhebung der Bewilligungsbescheide und folglich in dieser Höhe auch nicht gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW zur Rückforderung der Landeserstattung nebst der gewährten freiwilligen Pauschale berechtigt.

Gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG NRW kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor, weil die Bewilligungsbescheide der Beklagten in dem hier noch streitbefangenen Umfang rechtmäßig sind. Die Klägerin hat insoweit einen Anspruch auf pauschale Erstattung ihrer Leistungen an bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge im 4. Quartal 1996 und im 1. Quartal 1997 aus § 4 Abs. 1 und 2 FlüAG 1994.

Hiernach gewährt das Land für jeden ausländischen Flüchtling, der zu dem hier fraglichen und in § 2 Nrn. 1 bis 3 des Gesetzes bezeichneten Personenkreis zählt und Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhält, eine Vierteljahrespauschale in Höhe von 1.935,-- DM sowie eine Betreuungspauschale von 90,-- DM.

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass sich zum Stichtag 31.12.1996 313 Personen, die im ungelenkten Verfahren eingereist waren, und zum Stichtag 31.3.1997 328 Flüchtlinge dieses Personenkreises im Stadtgebiet aufhielten, für die grundsätzlich eine Landeserstattung zu gewähren war. Der demgemäß dem Grunde nach in diesem Umfang bestehende Erstattungsanspruch der Klägerin ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der Erstattungsbetrag in dem vorliegend noch streitigen Umfang von 18.495,-- DM auf Personen bezog, die von der Klägerin erst unter dem 10.9.1997 durch "Nachmeldung" zur Erstattung angemeldet worden waren, obwohl diese im 4. Quartal 1996 bzw. im 1. Quartal 1997 im Leistungsbezug standen und deshalb eine Meldung zum 15.1.1997 bzw. zum 15.4.1997 hätte erfolgen müssen. Denn die Identität der im Leistungsbezug stehenden Personen ist auf der Ebene der quartalsweisen Bestandsmeldung ohne Belang.

Gemäß § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 haben die Gemeinden die Zahl der ausländischen Flüchtlinge nach Absatz 1 der Vorschrift an den Stichtagen 31.12., 31. 3.,30.6. und 30.9. jeweils bis zum darauf folgenden 15.1., 15.4., 15.6. und 15. 10. zu melden. Dieser Verpflichtung hat die Klägerin zum 15.1.1997 durch die Meldung von 361 und zum 15.4.1997 durch die Meldung von 373 Personen entsprochen. In Höhe der tatsächlich zu den Stichtagen im Stadtgebiet aufhältigen 313 bzw. 328 Personen war die Meldung seitens der Klägerin mithin zutreffend. Die Gewährung der Pauschalen war damit auch rechtmäßig, soweit sie die nachträglich mitgeteilten sechs bzw. drei Personen betraf, da diese Personen der Zahl nach bereits in den genannten Stichtagsmeldungen enthalten waren.

Das Gesetz bietet keinen Anhaltspunkt dafür, eine Meldung nur dann zu berücksichtigen, wenn die Identität der gemeldeten Personen innerhalb des Meldezeitraums feststeht. Nach dem unzweideutigen Wortlaut des § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 haben die Gemeinden im Quartalsabstand die Zahl der im Leistungsbezug stehenden ausländischen Flüchtlinge der Bezirksregierung zu melden. Eine Individualisierung des einzelnen Leistungsfalls ist nicht Bestandteil der Meldung. Dies wird in tatsächlicher Hinsicht durch die Gestaltung der durch das Innenministerium des Landes mit Erlass vom 22.12.1994 - I C 4-173/212 - vorgegebenen Formulare für das Erstattungsverfahren deutlich. Hiernach haben die Gemeinden lediglich die Anzahl der zu dem betreffenden Personenkreis zählenden Leistungsbezieher der zuständigen Bezirksregierung mitzuteilen. Die nachfolgende Festsetzung der Pauschalen ist sodann das Ergebnis eines bloßen Rechenvorgangs. Zudem weist der Erlass den Gemeinden in Zusammenhang mit dem Erstattungsverfahren lediglich die Aufgabe einer Bestandserhebung zu. Hiermit ist bereits dem Wortsinn nach die Feststellung der Anzahl der Flüchtlinge, nicht deren Individualisierung, angesprochen. Auch lassen die Bewilligungsbescheide der Beklagten keinen Bezug zur Identität der hinter den jeweiligen Leistungsfällen stehenden Personen erkennen. Die Bewilligung erfolgte stets für eine bestimmte Anzahl von Personen, ohne dass die Bescheide Rückschlüsse auf die Identität bestimmter Personen zugelassen hätten.

Diese Annahme wird durch die Angaben der Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt: Hiernach entspricht es der Verwaltungspraxis der Beklagten, eine Erstattung auch dann zu gewähren, wenn der Quartalsmeldung einer Gemeinde keine Namensliste beigefügt ist, die einen Rückschluss auf die hinter der gemeldeten Zahl stehenden Personen zulässt. Da die Namen der im Leistungsbezug stehenden Personen mithin nicht Bestandteil der Meldung sind, ist nichts dafür ersichtlich, dass die zahlenmäßige Meldung eine - wie auch immer geartete - Bindungswirkung hinsichtlich bestimmter Personen entfaltet.

Soweit mit der Antragstellung von der Klägerin mit der Meldung gleichwohl Namenslisten übersandt wurden, geschah dies erkennbar zu dem Zweck, eine Überprüfung zu ermöglichen. Im Verlauf des vorliegenden Verfahrens wurden von der Klägerin insbesondere Namenslisten deshalb erstellt und von den Beteiligten geprüft, weil zwischen den Beteiligten Streit darüber bestand, ob das Land auch zur Erstattung der Leistungen an diejenigen Flüchtlinge verpflichtet war, die vor dem für das jeweilige Quartal maßgeblichen Stichtag bereits ausgereist waren. Eine Bindung der Landeserstattung an bestimmte Flüchtlinge lässt sich aber hieraus nicht herleiten. Dem entspricht es, dass auch die von der Klägerin der Beklagten zuvor vorgelegten Quartalsmeldungen keine Namenslisten enthielten.

Eine Verfahrensweise, die auf eine Individualisierung der Hilfefälle verzichtet und das Erstattungsverfahren auf eine fortlaufende Abrechnung reduziert, entspricht auch dem vom Gesetzgeber mit dem Vierten Änderungsgesetz vom 29.11.1994 verfolgten Ziel. Das bisherige System einer einzelfallbezogenen Kostenerstattung wurde vom Gesetzgeber als zu differenziert und verwaltungsaufwändig empfunden und sollte durch ein einfacher zu handhabendes pauschaliertes Erstattungssystem ersetzt werden. Hierbei wurde nicht nur die Kostenregelung für die Unterbringung in Übergangsheimen ersatzlos gestrichen, sondern auch der bisherige Einzelnachweis der Sozialhilfeaufwendungen durch das hier streitbefangene System von Vierteljahrespauschalen ersetzt. Mit dieser Zielsetzung trat das Änderungsgesetz zum 1.1.1995 in Kraft und war das Verfahren von den zuständigen Behörden mit Ausnahme einzelner Übergangsvorschriften, die für das Jahr 1995 wahlweise eine an das alte System angelehnte Erstattung zuließen, durchzuführen.

Vgl. LT-Drs. 11/7319, Seiten 2 und 25; OVG NRW, Urteil vom 20.11.2001 - 15 A 3420/97 - (Seite 12 des amtlichen Urteilsabdrucks).

Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung gebieten hierbei im Gegensatz zu der von der Beklagten vertretenen Auffassung keine andere Betrachtungsweise. Denn eine inhaltliche, mithin auf die Identität der einzelnen Leistungsempfänger durchgreifende Prüfung wird für die zuständige Bezirksregierung zur Klärung der Rechtmäßigkeit einer Rücknahme bei Zweifeln an der Erstattungsberechtigung stets und unabhängig davon notwendig, ob die antragstellende Gemeinde anstelle fortgefallener Erstattungsfälle für den gleichen Zeitraum andere benennt und damit die Fälle gleichsam "austauscht". Eine solche Überprüfung erweist sich nämlich auch dann als notwendig, wenn die Meldung seitens der Gemeinde unverändert bleibt und die Bezirksregierung gleichwohl Zweifel an der Erstattungsberechtigung hat. In diesem Sinne ist die Beklagte auch selbst verfahren, soweit das Verfahren die zu den Stichtagen tatsächlich nicht mehr anwesenden Personen betraf.

Die von der Beklagten angesprochene Möglichkeit eines Missbrauchs durch Meldung bewusst überhöhter Zahlen kann nicht maßgebend für die Auslegung der Vorschrift sein. Dessen ungeachtet besteht, ohne dass dies besonderer Begründung bedürfte, die gesetzliche Verpflichtung der Gemeinden, (nur) die Zahl der tatsächlichen Erstattungsfälle zu melden.

Der Rückforderungsbescheid war daher in dem hier streitigen Umfang aufzuheben. Unschädlich ist es, dass die Klägerin für die zunächst gemeldeten, aber am Stichtag 31.3.1997 nicht mehr anwesenden Flüchtlinge im ungelenkten Verfahren nachträglich drei Kontigentflüchtlinge benannt hat. Denn durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vom 18.2.1997 (GV. NRW. S. 24) wurden die Erstattungspauschalen beider Flüchtlingsgruppen der Höhe nach seit dem 1.1.1997 angeglichen, sodass es auch insofern zu keiner Überzahlung durch die Beklagte gekommen ist.

Ende der Entscheidung

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