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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 26.02.2002
Aktenzeichen: 15 A 527/00
Rechtsgebiete: FlüAG 1984, 4. Gesetz zur Änderung des FlüAG, FlüAG 1994, VwVfG NRW, LAufnG 1994, Verf NRW


Vorschriften:

FlüAG 1984 § 6 Abs. 1
4. Gesetz zur Änderung des FlüAG Art. 4
4. Gesetz zur Änderung des FlüAG Art. 5
FlüAG 1994 § 4
VwVfG NRW § 31 Abs. 7
VwVfG NRW § 32
LAufnG 1994 § 9
Verf NRW Art. 78 Abs. 3
§ 4 Abs. 3 FlüAG 1994 begründet keine gesetzliche Antragsfrist zur Erlangung einer Landeserstattung, sondern stellt eine das Melde- und Auszahlungsverfahren regelnde Ordnungsvorschrift dar.
Tatbestand:

Die beklagte Bezirksregierung lehnte einen Erstattungsantrag der klagenden Gemeinde nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW unter Hinweis darauf ab, dass dieser erst nach Ablauf der nach § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 bestehenden Meldefrist eingegangen sei. Die auf entsprechende Verpflichtung der Bezirksregierung gerichtete Klage war in beiden Instanzen erfolgreich.

Gründe:

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen im dritten Quartal 1997. Dieser findet seine Rechtsgrundlage in Art. 4 Nr. 1 des 4. Gesetzes zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vom 29.11.1994 (GV. NRW. S. 1087) in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und 2 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes in der Fassung des 5. Änderungsgesetzes vom 18.2.1997 (GV. NRW. S. 24) - FlüAG 1997 -. Hiernach wird eine pauschale Erstattung auch für diejenigen Flüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina gewährt, für die vor dem 1.1.1995 die Aussetzung der Abschiebung nach § 54 AuslG angeordnet worden ist. Für diesen Personenkreis beginnt die Anrechnung und Erstattung am 1.1.1995 und endet mit Ablauf des 31.12.1997.

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass sich im dritten Quartal 1997 43 Personen aus dieser Gruppe im Gebiet der Klägerin aufhielten, die Leistungen der in § 4 Abs. 1 FlüAG 1997 angesprochenen Art erhielten. Der hiernach bestehende Anspruch auf Erstattung einer Vierteljahrespauschale in Höhe von 1.935,-- DM sowie einer Betreuungspauschale von 90,-- DM für jede dieser Personen ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin die Erstattung erst am 14.10.1997 und damit nach dem in § 4 Abs. 3 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 29.11.1994 - FlüAG 1994 - bestimmten Meldezeitpunkt beantragt hat. Nach dieser - durch das 5. Änderungsgesetz unberührt gebliebenen - Vorschrift haben die Gemeinden die Zahl der ausländischen Flüchtlinge an den Stichtagen 31.12., 31.3., 30.6. und 30.9. jeweils bis zum darauf folgenden 15.1., 15.4., 15.7. und 15.10. der Bezirksregierung zu melden. Diese weist die entsprechenden Pauschalbeträge zum 1.3., 1.6., 1.9. und 1.12. eines jeden Jahres den Gemeinden zu.

Die hiernach begründete Verpflichtung der Klägerin, die Zahl der erstattungsrelevanten ausländischen Flüchtlinge quartalsweise bis zu gesetzlich bestimmten Zeitpunkten der Bezirksregierung zu melden, steht der Geltendmachung des Anspruchs auf Erstattung für die erst am 14.10.1997 für das dritten Quartal 1997 gemeldeten Flüchtlinge nicht entgegen. § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 enthält keine gesetzliche Antragsfrist, sondern stellt eine das Melde- und Auszahlungsverfahren regelnde Ordnungsvorschrift dar. Auf die Frage einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt es mithin nicht an.

Zutreffend gehen die Beteiligten nunmehr übereinstimmend davon aus, dass § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist begründet. Diese setzt voraus, dass dem einschlägigen Fachrecht zu entnehmen ist, dass die Nichteinhaltung einer Frist den Verlust einer materiell-rechtlichen Rechtsposition oder jedenfalls der Klagbarkeit des materiellen Rechts zur Folge hat. Materiell-rechtliche Ausschlussfristen sind für Behörden und Beteiligte gleichermaßen verbindlich und stehen nicht zur Disposition der Verwaltung oder der Gerichte. Nach Ablauf der Frist geht der Anspruch - ohne dass es auf die Ursache der Fristversäumung ankommt - unter oder kann nicht mehr geltend gemacht werden, sofern nicht das einschlägige Recht eine Ausnahme gestattet.

BVerwG, Urteil vom 18.4.1997 - 8 C 38.95 -, NJW 1997, 2966 (2968); vgl. auch: Urteile vom 24.5.1996 - 4 A 38.95 -, NVwZ 1997, 489, vom 3.6.1988 - 8 C 79.86 -, NVwZ 1988, 1128; vom 6.2.1986 - 3 C 42.85 -, BVerwGE 72, 368 (370 f.), und vom 17.7.1980 - 7 C 101.78 -, BVerwGE 60, 297 (309); Haueisen, NJW 1966, 1433; Linhart, Fristen und Termine im Verwaltungsrecht, 1984, S. 16.

Ausschlussfristen dieser Art bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, weil mit ihrer Versäumung der Verlust einer gesetzlich begründeten Rechtsposition bzw. ihrer Klagbarkeit verbunden ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.1993 - 6 C 10.92 -, NVwZ 1994, 575; Neumann, NVwZ 2000, 1244 (1247).

Sie finden ihre Rechtfertigung in dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, dem vom Gesetzgeber in einzelnen Sachbereichen der Vorrang vor dem Gebot materieller Gerechtigkeit eingeräumt wird.

BVerfG, Beschluss vom 15.12.1982 - 2 BvR 893/79 -, NJW 1984, 2148.

Hauptanwendungsfälle sind etwa das Subventionsrecht, das Kriegsfolgenbereinigungsrecht, das Recht zur Regelung offener Vermögensfragen oder das Planungsrecht. Hier dienen materiell-rechtliche Ausschlussfristen in erster Linie dem Zweck, dem übermächtigen Interesse der Rechtssicherheit zu entsprechen, etwa um eine Verteilung haushaltsmäßig begrenzter Subventionsmittel in angemessener Zeit zu gewährleisten oder - wie im Kriegsfolgenrecht - einen Überblick über die noch auf den Ausgleichsfonds zukommenden Ansprüche mit dem Ziel einer Abschlussgesetzgebung zu ermöglichen oder - wie im Planungsrecht - binnen eines bestimmten Zeitraums Gewissheit über den Stand plan- und vorhabenbezogener Einwendungen zu erhalten.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 5.4.2000 - 8 C 22.99 -, BVerwGE 111, 83 und vom 6.2.1986 - 3 C 42.85 -, BVerwGE 72, 369 (371); Überblick bei: Clausen, in: Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auflage 1999, § 31 Rn. 3.2.2.

Wegen der mit der Fristversäumung verbundenen einschneidenden Rechtsfolge bedürfen materiell-rechtliche Fristen wenn nicht schon der ausdrücklichen Bezeichnung im Gesetz, so doch eines hinreichenden Anhalts im einschlägigen Fachrecht dahingehend, der Gesetzgeber habe dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Frist den Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers an deren nachträglicher Wiedereröffnung auch bei unverschuldeter Fristversäumung eingeräumt.

BVerwG, Urteil vom 18.4.1997 - 8 C 38.95 -, NJW 1997, 2966 (2968).

Ein solcher Anhaltspunkt ist der Vorschrift des § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 nicht zu entnehmen. Sie trifft weder unmittelbar noch mittelbar eine Aussage über einen möglichen Verlust des materiellen Erstattungsanspruchs bei einer Meldung nach dem gesetzlich bestimmten Termin und unterscheidet sich damit deutlich von den Vorschriften, bei denen die Rechtsprechung eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist bejaht hat.

Vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 4.3.1993 - 5 C 6.91 -, Buchholz 435.12 § 111 SGB X; Beschluss vom 20.12.1990 - 7 B 167.90 -, Buchholz 421.2 Nr. 133 (zu hochschulrechtlichen Stichtagsregelungen); Urteil vom 6.2.1986 - 3 C 42.85 -, Buchholz 427.2 § 28 FG Nr. 11.

§ 4 Abs. 3 FlüAG 1994 bietet aber auch keinen hinreichenden Anhaltspunkt für eine sonstige gesetzlichen Frist, hinsichtlich derer über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 32 VwVfG NRW zu entscheiden wäre. Der Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass der Gesetzgeber mit der vorgegebenen Abfolge von Stichtag, Meldetag und Zahlungstermin den Verfahrensgang für die beteiligten Gemeinden und die zuständigen Bezirksregierungen konkret und bindend umschreibt. Hiermit ist jedoch noch keine Aussage über die Rechtsfolge einer verspäteten Quartalsmeldung getroffen.

Eine gesetzliche Frist zur Beantragung der Landeserstattung sind dem Wortlaut, dem durch die Gesetzgebungsgeschichte belegten Sinn der Vorschrift und ihrer Stellung im System kommunaler Finanzausstattung nicht zu entnehmen. Der Senat folgt insoweit der Begründung des angegriffenen Urteils und nimmt ergänzend hierauf Bezug.

Der Wortlaut des § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 erschöpft sich in der Meldeverpflichtung ("Die Gemeinden haben ... der Bezirksregierung zu melden"). Bezugspunkt der den Gemeinden auferlegten Verpflichtung ist damit die Meldung der Zahl der Flüchtlinge. Damit ist vom Wortlaut eine Verpflichtung zur fristgemäßen Beantragung der Landeserstattung jedenfalls nicht von vornherein umfasst. § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 unterscheidet sich zudem mit der gewählten Formulierung erheblich von den Vorschriften des 4. Änderungsgesetzes, die eine Antragsfrist begründen. So bestimmt Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes, dass Ansprüche auf Erstattung der vom 1.1.1994 bis zum 31.12.1994 entstandenen Aufwendungen nur bis zum 1.6.1995 geltend gemacht werden können. Gleiches schreibt Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes für die diesen Zeitraum betreffenden Ansprüche auf Erstattung der Aufwendungen nach dem Landesaufnahmegesetz vor. Beide Regelungen sprechen die Geltendmachung der Ansprüche deutlich an und setzen hierfür einen Endtermin. Auf dieser Grundlage hat der Senat für Art. 4 Nr. 2 des Änderungsgesetzes entschieden, dass dieser eine gesetzliche Frist begründet, wobei offen blieb, ob gegen deren Versäumung die Möglichkeit der Wiedereinsetzung besteht oder ob es sich um eine Ausschlussfrist handelt, bei der eine solche Möglichkeit nicht besteht.

OVG NRW, Urteil vom 20.11.2001 - 15 A 3420/97 -, EStT NW 2002, 157 - 160.

Von diesen Vorschriften hebt sich die Formulierung des § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 ab. Sie beschränkt sich auf die Festlegung der wechselseitigen Melde- und Zahlungstermine. Es kann nicht ohne weitergehende Anhaltspunkte unterstellt werden, der Gesetzgeber habe sich in demselben Gesetz für vergleichbare Sachverhalte einer solch unterschiedlichen sprachlichen Gestaltung bedient. Dies gilt auch mit Blick auf die vom VG herangezogene Vorschrift des durch Art. I Nr. 5 des Nachtragshaushaltsgesetzes vom 27.9.1994 (GV. NRW. S. 872) in das Haushaltsgesetz 1994 eingefügten § 10 b. Hiernach waren die bis zum 31.12.1993 entstandenen Erstattungsansprüche der Gemeinden und Gemeindeverbände gegen das Land nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz und nach dem Landesaufnahmegesetz binnen einer Ausschlussfrist anzumelden, die mit dem 15.10.1994 ablief. Die vom Gesetzgeber gewollte Rechtsnatur der Frist - dort als Ausschlussfrist bezeichnet - war damit sogar im Gesetz selbst angesprochen und der Ausschluss späterer Ansprüche bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift deutlich erkennbar.

Auch der durch die Gesetzgebungsmaterialien belegte Sinn des § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 spricht gegen die Annahme einer Antragsfrist. Die Neuregelung des Erstattungsverfahrens durch das Änderungsgesetz vom 29.11.1994 erfolgte in Zusammenhang mit einer umfassenden Umgestaltung der bisherigen Erstattungsregelungen. Das bisherige System einer einzelfallbezogenen Kostenerstattung wurde vom Gesetzgeber als zu differenziert und verwaltungsaufwändig empfunden und sollte durch ein einfacher zu handhabendes pauschales Erstattungssystem ersetzt werden.

LT-Drs. 11/7319, Seiten 2 und 25.

Hierbei wurden der bisherige Einzelnachweis der Sozialhilfeaufwendungen durch ein System von Vierteljahrespauschalen ersetzt und die Kostenregelung für die Unterbringung in Übergangsheimen ersatzlos gestrichen. Die bis dahin nicht gesetzlich fristgebundene Abwicklung der Zahlungsvorgänge wurde durch den streitbefangenen Melderhythmus und entsprechende Auszahlungstermine abgelöst. Hierbei dienten die angesprochenen Übergangsregelungen der zügigen Umsetzung des neuen Abrechnungssystems. Die gesetzliche Fristsetzung hatte insoweit erkennbar den Zweck, die Verwaltungsverfahren nach altem Recht binnen eines angemessenen Zeitraums abzuschließen und das Erstattungsverfahren nicht weiterhin mit nachgeschobenen Erstattungsanträgen zu belasten. Dies war insbesondere deshalb naheliegend und sinnvoll, weil die Anträge auf Gewährung von Zuwendungen für die Errichtung und Einrichtung von Übergangsheimen nach § 6 Abs. 1 FlüAG 1984, vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 8.1.2002 - 15 A 2052/99 -, Juris, aber auch die Erstattung der Aufwendungen zu Gunsten der Träger der Sozialhilfe mit dem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden waren, der letztlich ausschlaggebend für die gesetzliche Neuregelung war. Die Neuregelung erfolgte damit insgesamt mit dem Ziel einer Vereinfachung und Beschleunigung. Auch § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 dient dieser gesetzgeberischen Zielsetzung, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass mit der Neuregelung die Einführung einer gesetzlichen Antragsfrist beabsichtigt war. Der Gesetzentwurf ging in diesem Punkt auf eine Anhörung der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände zurück. Hiernach sollte die Zuweisung der Landesmittel nicht mehr - wie zuvor in Nrn. 2.3.1 und 3.2 der Verwaltungsvorschriften zu § 6 FlüAG vom 15.9.1986 (SMBl. NRW. 2410) - VV FlüAG 1984 - vorgesehen - haushaltsjährlich, sondern in Anlehnung an die Statistik des Asylbewerberleistungsgesetzes auf der Grundlage von vier Stichtagen jeweils zum Ende des Quartals erfolgen. Insoweit unverändert ist die Neuregelung nach den Ausschussberatungen, vgl. LT- Drs. 11/7946, vom Gesetzgeber beschlossen worden. Die von den kommunalen Spitzenverbänden in den Ausschusssitzungen vorgetragenen Bedenken gegen die Neuregelung betrafen in erster Linie die Höhe der Finanzausstattung. Die Rechtsnatur des § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 ist auch in dieser Phase des Gesetzgebungsverfahrens nicht zur Sprache gekommen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Regelung von einer der beteiligen Seiten als gesetzliche Antragsfrist aufgefasst worden wäre. Vor diesem Hintergrund weist das VG in der angegriffenen Entscheidung zutreffend darauf hin, dass nichts dafür spricht, dass mit der Neuregelung eine Veränderung der bisherigen Erstattungspraxis zu Lasten der Gemeinden beabsichtigt war. Vielmehr stand für den Gesetzgeber das Ziel einer zeitnahen Finanzausstattung der Gemeinden erkennbar im Vordergrund. Eine schnelle Erstattung der Aufwendungen war unter der Geltung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes 1984 gerade nicht gewährleistet. Denn nach den VV FlüAG 1984 waren die Gemeinden gehalten, die Erstattung bis zum 1. März eines jeden Jahres für das vorausgegangene Haushaltsjahr zu beantragen. Die hiermit verbundene erhebliche Vorfinanzierungslast wurde durch die gleichfalls vorgesehenen Abschlagszahlungen zum 1. Mai eines jeden Jahres in Höhe von 60 v.H. der für das vorausgegangene Haushaltsjahr erstatteten Ausgaben nur zum Teil abgemildert. Dies gilt insbesondere für den Zeitraum bis zu der gesetzlichen Änderung zum 1.1.1995, der von deutlich steigenden Asylbewerber- und Flüchtlingszahlen geprägt war. Es kann daher nicht ohne weitere Anhaltspunkte im Gesetzgebungsverfahren davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe eine insgesamt gemeindefreundliche Neuregelung, die auf Forderungen von kommunaler Seite zurückging, durch die Einführung einer außergewöhnlich knappen Frist zu Lasten der Gemeinden verschärfen wollen.

Ob dies auch mit Blick auf die durch Art. 78 Abs. 3 LV garantierte kommunale Finanzausstattung bei Übernahme und Durchführung bestimmter öffentlicher Aufgaben verneint werden kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da bereits die Auslegung des einfachen Rechts keinen überzeugenden Hinweis auf eine gesetzliche Antragsfrist ergibt. Nicht zu folgen ist der Auffassung der Beklagten, der Rechtsprechung des VerfGH NRW sei eine Auslegungshilfe im Sinne einer solchen Frist zu entnehmen. Der VerfGH NRW hat sich in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung mit der Vereinbarkeit einzelner Vorschriften des Änderungsgesetzes vom 29.11.1994 hinsichtlich der Höhe und des sachlichen Umfangs der Landeserstattung befasst.

Vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 9.12.1996 - 11/95, 12/95, 15/95, 34/95 und 37/94 -, NWVBl. 1997, 129.

Aussagen zur Interpretation des Melde- und Erstattungssystems des § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 sind der Entscheidung nicht zu entnehmen.

Eine Bewertung des § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 als gesetzliche Fristbestimmung ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit dem gleichfalls durch das Gesetz vom 29.11.1994 geänderten § 9 Abs. 3 LAufnG 1994. Hiernach ist für die Berechnung der Vierteljahresbeträge der zu den Stichtagen vorhandene Bestand an Aussiedlern und Spätaussiedlern maßgebend, der bis zu den entsprechenden Terminen der Landesstelle für Aussiedler, Zuwanderer und ausländische Flüchtlinge gemeldet wurde. Im Unterschied zu § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 ist hier bestimmt, dass davon ausgegangen wird, dass keine Berechtigten in einem Übergangsheim untergebracht sind, wenn die Gemeinde zu einem Stichtag keinen Bestand meldet. Den Gesetzesmaterialien ist zu dem mit dieser gesetzlichen Vermutung verfolgten Zweck keine Aussage zu entnehmen. Es liegt aber nahe anzunehmen, dass die Vorschrift auf dem Umstand beruht, dass einzelne Gemeinden tatsächlich keine Aussiedler und Spätaussiedler beheimaten, die in Übergangsheimen untergebracht sind und damit eine Erstattung nach § 9 Abs. 1 LAufnG 1994 von vornherein nicht in Betracht kommt. Hiermit fände auch die abweichenden Regelung in § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 eine Erklärung. Denn die Annahme, in einer Gemeinde befänden sich keine ausländischen Flüchtlinge, liegt schon im Hinblick auf die gleichmäßige landesinterne Verteilung fern.

Zur landesinternen Verteilung von Asylbewerbern vgl. Marx, Asylverfahrensgesetz, 2. Auflage 1999, § 50 Rn. 20 ff.

§ 9 Abs. 3 LAufnG 1994 stellt damit nur klar, dass eine Fehlanzeige entbehrlich ist. Anhaltspunkte für die Auslegung des § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 lassen sich aus der Vorschrift nicht gewinnen.

Auch das weitere Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigt nicht die Annahme einer gesetzlichen Frist. Zwar trifft es zu, dass nach der gesetzlichen Konzeption des Flüchtlingsaufnahmegesetzes die Höhe der Finanzzuweisung vom jeweils gemeldeten Bestand abhängt. Damit ist aber noch nichts für die Auslegung des § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 ausgesagt. Denn die gesetzliche Verknüpfung von Meldung und Auszahlung bedeutet nur, dass sich die Höhe des Erstattungsbetrages nach der Zahl der gemeldeten Flüchtlinge bemisst. Meldet eine Gemeinde den Bestand zu einem Termin nicht oder nicht vollständig, erhält sie zunächst keine oder eine nur der gemeldeten Zahl entsprechende Landeserstattung. Dies schließt die Berücksichtigung späterer Meldungen im Erstattungsverfahren nicht aus.

Anhaltspunkte für die von der Beklagten vertretene Auffassung, der Gesetzgeber habe mit dem 4. Änderungsgesetz die bis dahin durch Verwaltungsvorschrift bestimmten Fristen nunmehr formell-gesetzlich regeln wollen, bestehen nicht. Sie sind insbesondere den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Zudem zieht die Beklagte selbst nicht in Zweifel, dass unter Geltung der bis zum 1.1.1995 bestehenden Rechtslage Erstattungsanträge trotz Überschreitung der durch die VV FlüAG 1984 bestimmten Anmeldefristen nicht als verspätet abgelehnt wurden.

Schließlich spricht auch der mit der Einführung eines termingebundenen Melde- und Erstattungssystems verbundene Zweck einer Verfahrensstraffung und -beschleunigung nicht für die Annahme einer gesetzlichen Antragsfrist. Die Prüfung der eingehenden Bestandsmeldungen beschränkt sich für die hiermit befassten Bezirksregierungen grundsätzlich auf einen einfachen Rechenvorgang. Eine Individualisierung der Erstattungsfälle findet nicht statt. Dementsprechend erfolgt die Bewilligung stets für eine bestimmte Anzahl von Personen, ohne dass Rückschlüsse auf die konkreten Erstattungsfälle möglich wären. Eine einzelfallbezogene Prüfung wird für die Bezirksregierung erst bei Zweifeln an der Erstattungsberechtigung notwendig.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8.1.2002 - 15 A 4707/99 -, Juris.

Vor diesem Hintergrund kommt es für die gebotene Verwaltungseffizienz nicht entscheidend darauf an, wann der Bestand gemeldet wird. Dies gilt auch mit Blick auf haushaltsrechtliche Gesichtspunkte. Denn es liegt nichts dafür vor, dass verspätete Quartalsmeldungen die jährliche Haushaltsplanung des Landes nennenswert beeinträchtigen und damit einer kalkulierbaren und verlässlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft zuwider laufen könnten. Zudem liegt eine zeitnahe Erstattung im Eigeninteresse der betroffenen Gemeinden. Erheblich verspätete Quartalsmeldungen dürften deshalb eher die Ausnahme bleiben. Dies entbindet die Gemeinden allerdings nicht von der grundsätzlichen Verpflichtung, den Bestand innerhalb des gesetzlich bestimmten Zeitraums zu melden. Diese kann von den Aufsichtsbehörden gegebenenfalls mit aufsichtsrechtlichen Mitteln durchgesetzt werden.

Ob, wie das VG meint, erheblich verspätete Bestandsmeldungen nach Billigkeitsgesichtspunkten entsprechend § 31 Abs. 7 Satz 2 VwVfG NRW zu behandeln sind oder ob und unter welchen Voraussetzungen der Erstattungsanspruch der Verwirkung unterliegen kann, bedarf keiner abschließenden Klärung. Denn die Klägerin hat die weiteren 43 Flüchtlinge noch innerhalb des Meldezeitraums für das nachfolgende Quartal zur Erstattung angemeldet. Für eine gravierende Verspätung, die zu solchen Überlegungen Anlass geben könnte, fehlen damit zureichende Anhaltspunkte.

Ende der Entscheidung

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