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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: 15 A 69/05
Rechtsgebiete: GG, LWG


Vorschriften:

GG Art. 20 Abs. 3
LWG § 53
LWG § 59
1. Zur Festlegung von Einleitungsgrenzwerten in der gemeindlichen Entwässerungssatzung.

2. Die Bezeichnung einer bestimmten Messmethode in einer gemeindlichen Entwässerungssatzung durch eine in Fachkreisen bekannte DIN-Vorschrift ist unter den rechtsstaatlichen Gesichtspunkten der Publizität und Bestimmtheit von Normen unbedenklich (Abgrenzung zu OVG NRW, Urteil vom 9.5.2006 - 15 A 4247/03 -).

3. Wird das Verbot der Einleitung von Abwasser in die Kanalisation alleine darauf gestützt, dass dessen Reinigung erhöhte Betriebskosten verursache, kommt eine Befreiung wegen einer nicht beabsichtigten Härte in Betracht.


Tatbestand:

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen der Süßwarenproduktion und leitet ihre Abwässer in die städtische Kanalisation. Die Entwässerungssatzung (EWS) sieht einen Einleitungsgrenzwert für Chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) von 1.000 mg/l vor. Die Abwässer der Klägerin weisen teilweise einen deutlich höheren Wert auf. Zwischen der Stadt und der Klägerin kam es zu Verhandlungen, wobei die Stadt sich bereit erklärte, die Einleitung zu dulden, wenn die Klägerin für erhöhte Betriebskosten (erhöhte Sauerstoffzufuhr für die Kläranlage, erhöhter Klärschlammanfall) einen - in der Gebührensatzung nicht vorgesehenen - Starkverschmutzerzuschlag zu den Entwässerungsgebühren zahlen würde. Dazu war die Klägerin nicht bereit, weil sie erhöhte Betriebskosten in Abrede stellte und sogar eine positive Wirkung des in den Abwässern enthaltenen organischen Kohlenstoffs für die Kläranlage annahm. Einen Antrag auf Befreiung vom satzungsrechtlichen Grenzwert lehnte die Stadt ab. Die Klägerin begehrte daraufhin gegenüber der Stadt, der Beklagten zu 1), verwaltungsgerichtlich die Feststellung, dass sie befugt sei, auch ohne Befreiung ihre Abwässer mit den erhöhten CSB-Werten in die Kanalisation einzuleiten, hilfsweise die Verpflichtung des Bürgermeisters, des Beklagten zu 2), zur Erteilung der Befreiung. Während erstinstanzlich der Feststellungsklage stattgegeben wurde, hatte in der Berufungsinstanz der Verpflichtungsantrag teilweise Erfolg.

Gründe:

Die begehrte Feststellung kann nicht getroffen werden. Zwar ist der Feststellungsantrag zulässig, da mit der zwischen den Beteiligten strittigen Frage, ob die Klägerin ihr Abwasser mit den erhöhten CSB-Werten in die öffentliche Kanalisation ohne Befreiung einleiten darf, über das Bestehen eines konkreten Rechtsverhältnisses gestritten wird, an dessen baldiger Feststellung die Klägerin ein berechtigtes Interesse hat (§ 43 Abs. 1 VwGO). Ein solches Interesse kann nicht etwa deshalb verneint werden, weil die bestandskräftige Indirekteinleitungsgenehmigung bereits unabhängig von der Entwässerungssatzung die Einhaltung des Grenzwertes für CSB von 1.000 mg/l vorschriebe: Dem Hinweis Nr. 2 in der Indirekteinleitungsgenehmigung auf die einzuhaltenden Bestimmungen der städtischen Entwässerungssatzung kommt nicht die Bedeutung zu, dass diese Werte gleichsam in die Indirekteinleitungsgenehmigung inkorporiert worden wären und somit selbständige wasserrechtliche Geltung beanspruchten. Wie sich aus der sorgfältigen Unterscheidung in der Indirekteinleitungsgenehmigung zwischen "Nebenbestimmungen" und nach der Rechtsbehelfsbelehrung angebrachten "Hinweisen" ergibt, regeln letztere nichts, sondern haben alleine die Funktion, auf bereits bestehende Verpflichtungen hinzuweisen oder sonstige Informationen zu geben.

Die Klägerin kann die Feststellung aber nicht beanspruchen, denn sie darf die genannte Einleitung nicht ohne Befreiung vornehmen. Das ergibt sich aus § 7 Abs. 3 Satz 1 EWS i.V.m. Nr. 9 der Anlage 1 zu dieser Vorschrift. Danach darf Abwasser nur eingeleitet werden, wenn die in der Anlage 1 vorgeschriebenen Grenzwerte für Fracht und Konzentration der angegebenen Stoffe eingehalten werden. Für den Parameter CSB schreibt Nr. 9 der Anlage 1 einen Grenzwert von 1.000 mg/l vor, also weniger als im Feststellungsantrag genannt.

Die satzungsrechtliche Grenzwertfestsetzung ist wirksam. Der Umstand, dass im Rahmen der Indirekteinleitungsgenehmigung kein Grenzwert für CSB festgesetzt ist, nimmt der Stadt nicht die Möglichkeit, in ihrer Entwässerungssatzung einen Grenzwert festzusetzen. Mit der Indirekteinleitungsregelung des § 59 LWG soll erreicht werden, dass problematische Abwässer noch vor der Behandlung in einer öffentlichen Abwasseranlage schon beim Abwasserproduzenten eine bestimmte Schadstoffkonzentration oder -fracht nicht überschreiten, um damit letztlich den Schadstoffeintrag durch Einleitung des in der öffentlichen Abwasseranlage zwar gereinigten, gleichwohl nicht schadstofffreien Abwassers in ein Gewässer zu minimieren. Es handelt sich also um ein vorverlagertes Gewässerbenutzungsregime. Demgegenüber rechtfertigt sich die Grenzwertfestsetzung in der gemeindlichen Entwässerungssatzung aus der Anstaltsgewalt als Ausfluss der Befugnis zum Betrieb der öffentlichen Einrichtung, die die Ermächtigung umfasst, das Benutzungsverhältnis zu regeln.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.10.2002 - 15 B 1355/02 -, NWVBl. 2003, 104; Lübbe-Wolff, Wasserrecht und kommunale Entwässerungssatzung, NVwZ 1989, 205.

Die Befugnisse stehen also nebeneinander.

Entgegen der Auffassung der Klägerin leidet die Grenzwertfestlegung in der Satzung nicht an formalen Mängeln, insbesondere der Bestimmtheit oder einer rechtsstaatswidrigen Verweisung. Soweit in Nr. 9 der Anlage der Parameter CSB als Bezugsgröße angegeben ist, während § 7 Abs. 3 Satz 1 EWS von in der Anlage 1 angegebenen Stoffen spricht, liegt darin kein Mangel. Die Anlage ist ranggleiches Satzungsrecht (§ 7 Abs. 3 Satz 2 EWS) und beruht nicht etwa auf § 7 Abs. 3 Satz 1 EWS als Ermächtigungsgrundlage. Daher umfasst der satzungsrechtliche Begriff "Stoff" auch den Parameter CSB. Das ist im Übrigen auch der Sache nach so, da der Parameter CSB einen Indikator für oxidierbare Inhaltsstoffe, insbesondere organische Kohlenstoffe darstellt.

Der Verweis in der Anlage darauf, dass die Stichprobe nicht abgesetzt und homogenisiert sein müsse, widerspricht nicht dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Danach muss eine Norm in ihren Voraussetzungen und in ihrer Rechtsfolge so formuliert sein, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304 (315).

Dabei reicht es aus, wenn sich diese im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. -, BVerfGE 102, 254 (337).

Angesichts dessen verstößt die Verwendung der genannten, selbst dem allgemeinen Sprachgebrauch geläufigen Begriffe nicht gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot.

Auch der Satzungstext in Nr. 9 der Anlage 1 unter der Rubrik Untersuchungsmethode "DIN 38409 H-41 in der geltenden Fassung" führt nicht zur Unwirksamkeit der Grenzwertfestlegung. Allerdings kann aus Gründen des rechtsstaatlichen Publizitätsgebots eine DIN-Regelung nicht durch satzungsrechtliche Inbezugnahme zum Inhalt des Satzungsrechts werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9.5.2006 - 15 A 4247/03 -, NWVBl. 2006, 461, zu einer Satzungsregelung, die den Einbau eines Kontrollschachtes vorschreibt, wenn dies nach DIN-Vorschrift erforderlich ist.

Darum geht es hier jedoch nicht. Die genannte DIN-Vorschrift wird nicht durch Inbezugnahme zum Satzungsrecht erhoben, sondern der Hinweis ist eine Kurzbezeichnung für eine bestimmte Untersuchungsmethode zur Bestimmung des CSB-Wertes. Diese Kurzbezeichnung ersetzt die Bezeichnung der satzungsrechtlich gemeinten Untersuchungsmethode durch eine längere und unpräzisere Bezeichnung. Insofern stellt sich hier nicht die Frage rechtsstaatlicher Publizität, sondern wiederum nur die der rechtsstaatlichen Bestimmtheit der Bezeichnung.

Das Bestimmtheitsgebot verbietet nicht grundsätzlich, in Normen Fachbegriffe zu benutzen, die der Allgemeinheit unverständlich sind. Maßgebend dafür, ob das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot durch die Verwendung von der Allgemeinheit unbekannten Fachbegriffen verletzt wird, ist, ob der Fachbegriff gerade für den Kreis der Normadressaten verständlich ist.

Vgl. Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl., Rn. 67; siehe dazu, das sanktionsbewehrte Generalklauseln zulässig sind, wenn die damit bezeichneten Pflichten den Berufsangehörigen, an die sich die Norm richtet, im Allgemeinen bekannt sind, BVerfG, Beschluss vom 4.4.1984 - 1 BvR 1287/83 -, BVerfGE 66, 337 (355).

Hier wendet sich die Norm an Abwassereinleiter, die wegen der besonderen, von der Beschaffenheit üblicher Haushaltsabwässer abweichenden Eigenschaften ihres Abwassers den CSB-Wert feststellen wollen. Das können die Normunterworfenen nur - soweit ihnen die eigene Sachkunde fehlt - durch Einschaltung sachkundiger Personen, hier durch Chemiker oder jedenfalls chemietechnisch ausgebildete Personen. Diesem Personenkreis ist aber klar, welche Untersuchungsmethode mit der genannten DIN-Regelung gemeint ist. Daher bestehen gegen die Regelung unter dem Gesichtspunkt rechtsstaatlicher Bestimmtheit keine Bedenken.

Auch die im Übrigen von der Klägerin monierten Unbestimmtheitsgründe sind nicht gegeben: Die Grenzwertvorgabe muss an der Einleitungsstelle eingehalten werden, wie sich aus § 7 Abs. 3 Satz 1 EWS ergibt ("Abwasser darf nur eingeleitet werden, wenn die ... Grenzwerte ... eingehalten werden"). Daraus ergibt sich zwanglos, dass die Probe an einer Stelle entnommen werden muss, die einen sicheren Rückschluss auf die Einhaltung der Grenzwerte an der Einleitungsstelle erlaubt, also wenn möglich an der Einleitungsstelle selbst oder an einer Stelle, von der bis zur Einleitungsstelle nicht mit einer Wertveränderung zu rechnen ist, hinter der also insbesondere keine weiteren Einleitungen stattfinden. Solche Selbstverständlichkeiten bedürfen keiner ausdrücklichen Normierung.

Schließlich begegnet entgegen der Auffassung des VG auch die Anordnung in der Anlage "aus der Stichprobe" keinen Bedenken. Das VG bemängelt, dass aus einer Stichprobe kein Rückschluss auf einen repräsentativen Einleitungswert gezogen werden könne. Darum geht es jedoch nicht. Der satzungsrechtliche Grenzwert stellt keinen gemittelten Grenzwert aus mehreren Proben dar, sondern einen Absolutwert: Abwasser an der Einleitungsstelle mit einem CSB-Wert über 1.000 mg/l soll nicht ohne eigenständige Erlaubnis eingeleitet werden. Der Ausschluss dieser Abwässer betrifft allerdings nur das so kontaminierte Abwasser des Benutzers, nicht etwa, wie das VG möglicherweise meint, jedwede weitere Einleitung dieses Benutzers.

Auch der Sache nach ist die Festlegung des Grenzwertes auf 1.000 mg/l unbedenklich. Grundsätzlich liegt die Festsetzung der Benutzungsbedingungen für eine gemeindliche Einrichtung im Ermessen der diese betreibenden Gemeinde. Allerdings muss sie dabei das Recht aller Grundbesitzer in der Gemeinde auf gleiche Benutzung der öffentlichen Einrichtung (§ 8 Abs. 3 und 4 GO NRW) beachten. Daher darf sie so Berechtigte nur aus sachlichen Gründen von der Benutzung ausschließen.

Vgl. Rehn/Cronauge/von Lennep, GO NRW, Loseblattslg. (Stand: Oktober 2004), § 8 Anm. II 1.

Die Festsetzung des Einleitungsgrenzwertes von 1.000 mg/l CSB ist sachlich gerechtfertigt, weil sie sich daran orientiert, dass die gemeindliche Kläranlage in erster Linie zur Reinigung häuslicher und kommunaler Abwässer bestimmt ist, also von Abwasser, das im Wesentlichen aus Haushaltungen oder ähnlichen Einrichtungen oder Anlagen mit haushaltsentsprechendem Abwasser stammt oder das zwar aus gewerblichen oder landwirtschaftlichen Anlagen stammt, aber dessen Schädlichkeit mittels biologischer Verfahren mit gleichem Erfolg wie bei häuslichem Abwasser verringert werden kann (vgl. Anhang 1 Buchst. A Nr. 1 und 2 AbwV). Daher ist es sachgerecht, Abwässer grundsätzlich dann von der Einleitung auszuschließen, wenn seine Zusammensetzung sich deutlich von dem häuslichen Abwassers unterscheidet. Das gilt auch für den CSB-Wert als Parameter für die chemisch oxidierbaren, insbesondere organischen Inhaltsstoffe des Abwassers. Häusliches Abwasser weist durchschnittlich einen CSB-Wert von 600 mg/l auf, vgl. Arbeitsbericht des ATV-Fachausschuss 7.4: "Technisch wissenschaftliche Grundlagen der Gebührenermittlung für industrielle Benutzer öffentlicher Abwasseranlagen", Korrespondenz Abwasser 1990, 1075 (1078 f.); Köhler/Meyer, Abwasserabgabengesetz, 2. Aufl., Anlage zu § 3 Rn. 34, § 8 Rn. 10.

Mit dem hier in Rede stehenden Grenzwert von 1.000 mg/l, der um 2/3 über dem durchschnittlichen CSB-Wert von häuslichem Abwasser liegt, wird somit Abwasser gekennzeichnet, das sich von den oxidierbaren Inhaltsstoffen her so deutlich von dem Abwasser unterscheidet, für das die Kläranlage bestimmt ist, dass es gerechtfertigt ist, die Einleitung nicht ohne besondere Zulassung zu erlauben, also ein grundsätzliches Einleitungsverbot auszusprechen. Ob, wie im vorliegenden Falle von der Klägerin geltend gemacht, die Einleitung ihrer Abwässer wegen der besonders günstigen Abbaubarkeit für die Kläranlage unschädlich, ja sogar günstig ist, spielt für die Berechtigung, satzungsrechtlich ein grundsätzliches Einleitungsverbot auszusprechen, keine Rolle. Dies muss einer Überprüfung im Einzelfall vorbehalten bleiben, kann also von einer Befreiung abhängig gemacht werden.

Da die Klägerin die Feststellung erstrebt, Abwasser auch mit einer CSB-Belastung höher als 1.000 mg/l ohne zusätzliche Erlaubnis einleiten zu dürfen, kann die Feststellung nicht getroffen werden, so dass die darauf gerichtet Klage erfolglos bleiben muss.

Allerdings ist die hilfsweise Verpflichtungsklage überwiegend begründet, weil die Ablehnung der Erteilung einer Befreiung rechtswidrig ist. Gemäß § 7 Abs. 7 EWS kann die Stadt befristete, jederzeit widerrufliche Befreiungen von den Anforderungen u.a. des Absatzes 3 der Vorschrift erteilen, wenn sich anderenfalls eine nicht beabsichtigte Härte für den Verpflichteten ergäbe und Gründe des Wohls der Allgemeinheit der Befreiung nicht entgegenstehen, insbesondere die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Die Ablehnung der in das Ermessen des Beklagten zu 2) gestellten Erteilung der Befreiung stützt sich auf fehlerhafte Erwägungen, die zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes führen (§ 114 Satz 1 VwGO).

Die fehlende Beantragung einer Frist und der ursprünglich erstrebte, im Laufe des Berufungsverfahrens präzisierte Inhalt der Befreiung, nämlich Abwasser mit einem "durchschnittlichen Grenzwert von 5.000 mg/l CSB" einleiten zu dürfen, rechtfertigen die Ablehnung nicht. Eine Befristung kann der Beklagte selbständig als Nebenbestimmung verfügen (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW). Sie muss nicht Gegenstand des Antrags sein. Eine Ablehnung ist lediglich denkbar, wenn der Antragsteller erklärt, eine befristete Befreiung auch nicht hilfsweise zu wollen. Dafür ist hier nichts ersichtlich, die Klägerin hat sich im Klageverfahren sogar ausdrücklich mit einer Befristung einverstanden erklärt.

Auch die Verwendung des Begriffs "durchschnittlicher Grenzwert" durch die Klägerin rechtfertigte nicht die erfolgte Ablehnung. Richtig ist, dass der vollständige Inhalt einer Befreiung nicht darauf lauten kann, Abwässer mit einem durchschnittlichen Grenzwert bis 5.000 mg/l einleiten zu dürfen. Sollte damit eine Mischprobe gemeint gewesen sein, hätte der Beklagte zu 2) die Art der Mischprobe in der Befreiung festlegen müssen, nicht aber den Antrag ablehnen dürfen. Sollte mit dem Antrag gemeint gewesen sein, dass sich die Befreiung auch auf gelegentliche Einleitungen von Abwässern mit höherer CSB-Belastung als 5.000 mg/l erstrecken soll, so wäre es Sache des Beklagten zu 2) gewesen, darüber - gegebenenfalls unter Auflagen wie etwa einer Frachtbegrenzung oder sonstigen Nebenbestimmungen - zu entscheiden. Der Beklagte war im Sinne bürgerfreundlichen Verwaltungshandelns gehalten, eine Präzisierung des Antrags anzuregen (vgl. § 25 Satz 1 VwVfG NRW), wie es der Senat in der mündlichen Verhandlung getan hat. Die Ablehnung eines Antrags, die sich vordergründig an den Wortlaut des Antrags klammert, ohne das Begehren des Antragstellers unter verständiger Würdigung zu erfassen oder zu ermitteln, ist rechtswidrig. Zur Ablehnung eines vom Wortlaut her so nicht positiv zu bescheidenden Antrags ist die Behörde erst dann befugt, wenn der Antragsteller im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungsobliegenheit nicht zur Präzisierung bereit ist.

Schließlich hat der Beklagte zu 2) mit unzutreffenden Erwägungen das Fehlen einer nicht beabsichtigten Härte und das Vorliegen entgegenstehender Gründe des Wohls der Allgemeinheit angenommen. Das ergibt sich aus Folgendem: Der normativ häufig verwandte Begriff des Falles einer nicht beabsichtigten Härte bezeichnet einen von den allgemein geregelten Fällen abweichenden Sonderfall, der zwar textlich von der Norm erfasst wird, in dem aber wegen besonderer Einzelumstände die Auferlegung der mit der allgemeinen Regelung verbundenen Härte nach dem Schutzzweck der Norm nicht erforderlich und deshalb nicht gewollt ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.6.1975 - IV C 5.74 -, DVBl. 1975, 895 (897), zu § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB; Urteil vom 4.4.1975 - IV C 55.74 -, BVerwGE 48, 123 (127 ff.), zu § 9 Abs. 8 Satz 1 FStrG; Beschluss vom 14. 9.1992 - 7 B 130.92 -, NVwZ 1993, 583 f., zu § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BNatSchG.

So verhält es sich hier nach dem vom Beklagten bislang zugrunde gelegten Sachverhalt: Der Klägerin wird eine Härte auferlegt, indem ihr das nach § 3 Abs. 2 EWS grundsätzlich gewährte Benutzungsrecht in Form der ungeklärten Einleitung von Abwasser in die städtische Kanalisation durch die satzungsrechtliche Einschränkung hinsichtlich des CSB-Grenzwertes genommen und sie damit gezwungen wird, ihr Abwasser in einer eigenen Abwasserbehandlungsanlage vorbehandeln zu müssen. Die Notwendigkeit des Baus einer Abwasserbehandlungsanlage stellt allein schon wegen der Errichtungskosten eine Härte dar, die daher auch nicht durch die - im Übrigen auch nicht auf Tatsachen gestützte - Spekulation im angegriffenen Bescheid über einen kostenneutralen Betrieb unter Nutzung von Biogas in Frage gestellt wird. Ob eine Härte auch bejaht werden kann, wenn - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung behauptet hat - die Gesamtzuckerfracht im Jahr nur etwa 100 kg beträgt und damit statt einer kostspieligen Vorbehandlungsanlage auch eine kostengünstige Vergleichmäßigung des Abwasserzulaufs in Betracht kommt, wird die Klägerin für die erneute Bescheidung im Rahmen ihrer Mitwirkungsobliegenheit substantiiert und nachprüfbar darzulegen haben.

Die - hier unterstellte - Härte ist nicht beabsichtigt, weil der vom Beklagten zu 2) genannte Grund für die Aufrechterhaltung des Einleitungsverbots (erhöhte Kosten des Betriebs der Kläranlage) nicht vom Normzweck der Einleitungsverbots gedeckt ist. Mit dem Betrieb der Kläranlage kommt die Stadt ihrer Abwasserbeseitigungspflicht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 LWG nach. Danach haben die Gemeinden das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen, und zwar grundsätzlich alles Abwasser, es sei denn, das Wasserrecht träfe hinsichtlich der Beseitigungspflicht eine andere Regelung. Korrespondierend ist der Nutzungsberechtigte des Grundstücks gemäß § 53 Abs. 1 c Satz 1 LWG verpflichtet, der Gemeinde das Abwasser zu überlassen. Eine andere Verteilung der Abwasserbeseitigungspflicht könnte hier möglicherweise nach § 53 Abs. 5 LWG herbeigeführt werden, wenn das Abwasser aus dem gewerblichen Betrieb zur gemeinsamen Behandlung in einer öffentlichen Abwasseranlage ungeeignet ist oder zweckmäßiger getrennt beseitigt wird. Das macht der Beklagte zu 2) aber nicht geltend, erst recht hat er keinen Antrag auf Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht gestellt: Die Beseitigung des klägerischen Abwassers in der städtischen Kläranlage ist nach dem Beklagtenvortrag, der durch das von ihm eingeholte Gutachten und im Erörterungstermin gegenüber dem Berichterstatter vom Leiter der Kläranlage bestätigt wurde, möglich und soll lediglich höhere Betriebskosten verursachen. Daher greift auch die Übergangsregelung des § 53 a LWG nicht, die eine spätere Übernahme des Abwassers ermöglicht, wenn die Gemeinde die Abwasserbeseitigungspflicht noch nicht erfüllen kann. Somit besteht die Abwasserbeseitigungspflicht der Stadt auch hinsichtlich des Abwassers der Klägerin.

Diese Pflicht begründet zwar als eine nur objektiv-rechtliche Pflicht keinen Erfüllungsanspruch privater Dritter und damit auch nicht für die Klägerin.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.11.1994 - 22 A 2466/93 -, NWVBl. 1995, 138.

Gleichwohl beeinflusst das Wasserrecht die Auslegung des Begriffs der nicht beabsichtigten Härte in § 7 Abs. 7 EWS, denn mit dem Betrieb der Kläranlage soll die oben beschriebene gemeindliche Abwasserbeseitigungspflicht erfüllt werden. Die Entwässerungssatzung ist also wasserrechtskonform auszulegen.

Daraus ergibt sich, dass die Erhöhung der Betriebskosten der städtischen Kläranlage keinen Gesichtspunkt darstellt, der eine auferlegte Härte des Ausschlusses vom Einleitungsrecht als mit dem Schutzzweck der Entwässerungssatzung vereinbar und damit die Härte als beabsichtigt erscheinen ließe. Dass der Betrieb von Abwasseranlagen Geld kostet, legt auch das Wasserrecht zugrunde. In § 53 c LWG wird die Finanzierung der Abwasserbeseitigung durch Erhebung von Benutzungsgebühren geregelt. Weder die Stadt noch die sonstigen Gebührenzahler müssen etwaige durch die unvorbehandelte Einleitung der Klägerin verursachte höhere Betriebskosten, die nicht mit den ohnehin von der Klägerin zu zahlenden Gebühren abgedeckt sind, tragen. Eine solche Erhöhung der Betriebskosten berechtigt die Stadt alleine, diese durch eine entsprechende Gebührengestaltung gegenüber der Klägerin auszugleichen, nicht aber die Klägerin von der Benutzung auszuschließen. Daraus ergibt sich, dass die Erhöhung der Betriebskosten durch die Einleitung der Klägerin kein maßgeblicher Gesichtspunkt sein kann, das mit dem Grenzwert ausgesprochene Benutzungsverbot auch im Rahmen der Härtefallregelung aufrechtzuerhalten.

Auch aus abgabenrechtlichen Gründen ist die Ablehnung der Ausnahmegenehmigung aus diesem Grunde rechtswidrig. Abgaben dürfen nur aufgrund einer Satzung erhoben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW). Hier versucht der Beklagte, dieses Satzungsgebot durch unzulässige Koppelung der Gewährung einer Befreiung mit der Zahlung einer satzungsrechtlich nicht vorgesehenen Abgabe zu umgehen. Diese Absicht ergibt sich nicht nur aus dem in den Akten dokumentierten Verfahren, in dem immer wieder die zentrale Motivation des Beklagten zu 2), einen Starkverschmutzerzuschlag zu erhalten, in den Vordergrund tritt. Die Motivation ergibt sich auch aus der Begründung des angegriffenen Bescheides selbst, die mehrfach als Grund für die Ablehnung der Befreiung die fehlende Bereitschaft der Klägerin anspricht, einen Starkverschmutzerzuschlag zu leisten. Das Recht der Stadt, Einleitungen bestimmter Abwässer in die öffentliche Kanalisation zu untersagen, bezweckt nicht, auf dem Wege der Gewährung einer Befreiung vom Einleitungsverbot die Zahlung nicht geschuldeter Abgaben erzwingen zu können.

Aus der gebotenen Abdeckung der möglichen Erhöhung der Betriebskosten durch eine entsprechende Gebührenregelung ergibt sich weiter, dass unter diesem Gesichtspunkt auch kein Grund des Wohls der Allgemeinheit der Befreiung entgegen gehalten werden kann.

Erweist sich somit die Ablehnung der Befreiung als rechtswidrig, weil der Beklagte auf der Basis des von ihm zugrunde gelegten Sachverhalts zu Unrecht meint, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung lägen nicht vor, so kann doch andererseits ein Anspruch auf Erteilung der Befreiung noch nicht festgestellt werden. Wenn - auch nach dem im Berufungsverfahren erweiterten Vortrag der Klägerin - eine nicht beabsichtigte Härte unter Zugrundelegung der hier dargelegten Rechtsauffassung zu bejahen sein sollte, obliegt es dem Beklagten, im Rahmen seines Ermessens nach sachlich gerechtfertigten Gesichtspunkten darüber zu entscheiden, ob die beantragte Befreiung ganz oder teilweise erteilt und gegebenenfalls mit Nebenbestimmungen versehen werden soll.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Trotz des unterschiedlichen Obsiegens und Unterliegens auf Beklagtenseite (die Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 1) bleibt erfolglos, der Verpflichtungsantrag gegen den Beklagten zu 2) hat teilweise Erfolg) ist keine unterschiedliche Kostenregelung für die Beklagten gemäß § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO unter Anwendung der sogenannten Baumbach'schen Formel vorzunehmen. Zwar handelt es sich auf Beklagtenseite prozessrechtlich um Streitgenossen, der Sache nach geht es jedoch nur um Rechte und Pflichten der beklagten Stadt, für die der beklagte Bürgermeister lediglich im Rahmen der hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklage gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 AG VwGO als Behörde in gesetzlicher Prozessstandschaft auftritt. Daher betrifft die Kostenentscheidung auf Beklagtenseite hinsichtlich beider Beklagten letztlich nur die Körperschaft, so dass die Beklagtenseite für die Kostengrundentscheidung als Einheit behandelt werden kann.

Ende der Entscheidung

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