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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 20.06.2008
Aktenzeichen: 15 B 788/08
Rechtsgebiete: GO NRW


Vorschriften:

GO NRW § 56 Abs. 1
GO NRW § 56 Abs. 3
1. Eine Gruppe im Sinne des § 56 Abs. 1 GO NRW liegt nur vor, wenn der Zusammenschluss bezweckt, auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung möglichst gleichgerichtet zusammenzuwirken.

2. Dieser Zweck muss positiv feststehen, um den Anspruch auf Zuwendungen aus Haushaltsmitteln an die Gruppe nach § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW zu begründen. Dafür tragen diejenigen, die den Zuwendungsanspruch erheben, die materielle Beweislast.

3. Dieser Zweck des Zusammenschlusses steht ohne weiteres fest, wenn er aus Personen besteht, die für ein und dieselbe Partei oder Wählergruppe bei der Wahl angetreten sind.

4. Bei anderen, während der Wahlperiode gebildeten Zusammenschlüssen muss sich aus den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls der zuverlässige Schluss ergeben, dass der Zusammenschluss nachhaltig auf das gleichgerichtete Zusammenwirken ausgerichtet ist. Die bloße Bekundung der Absicht gleichgerichteten Wirkens reicht ebenso wenig aus wie vereinzelte gemeinschaftliche Aktionen.


Tatbestand:

Die Antragsteller, zwei auf Wahlvorschläge unterschiedlicher Parteien bzw. Wählergruppen gewählte Mitglieder eines Rates, des Antragsgegners, schlossen sich zusammen und erhoben als Gruppe einen Anspruch auf Zuwendungen aus Haushaltsmitteln und nebeneinanderliegende Sitzplätze im Ratssaal. Der Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Gründe:

Der Senat sieht davon ab, eine Umstellung des Passivrubrums auf den Oberbürgermeister anzuregen. Zwar ist dieser statt des Rates im Kommunalverfassungsstreit passiv legitimiert, da die Zahlung von Zuwendungen und die Zuweisung bestimmter Sitze im Ratssaal nicht vom Rat, sondern vom Oberbürgermeister zu fordern sind. Dieser und nicht der Rat lehnte daher auch die Anerkennung als Gruppe mit Schreiben vom 10.3. und 16.4.2008 ab. Mit dem Oberbürgermeister und nicht dem Rat besteht Streit über den Gruppenstatus. Die Behebung des Mangels ist aber nicht angezeigt, da der erhobene Anspruch auch der Sache nach nicht besteht.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, weil das VG die im Beschwerderechtszug weiter verfolgten Anträge,

den Antragsgegner zu verpflichten, der Gruppe im Rat der Stadt, bestehend aus den Antragstellern, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über deren Antrag auf Zuerkennung des "Gruppenstatus" und auf Gewährung von finanziellen Zuwendungen gemäß § 56 GO aus Haushaltsmitteln ab dem 1.3.2008 Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung in Höhe von monatlich 2.283,78 Euro allgemeine Mittel und in Höhe von monatlich 6.030,67 Euro Personalkostenzuschuss zu gewähren und den Antragstellern nebeneinander liegende Plätze bei Ratssitzungen zuzuteilen, zu Recht abgelehnt hat. Der Antrag ist nicht aus den im Beschwerderechtszug vorgebrachten, allein zu prüfenden Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) stattzugeben. Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) glaubhaft gemacht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsteller einen der erhobenen Ansprüche haben.

Im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht festgestellt werden, dass die Antragsteller einen im Hauptsacheverfahren zu verfolgenden Anspruch auf finanzielle Zuwendungen nach § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW haben. Danach gewährt die Gemeinde u. a. Gruppen Zuwendungen zu bestimmten Aufwendungen. Nach den hier maßgeblichen Teilen des § 56 Abs. 1 GO NRW ist eine Gruppe eine freiwillige Vereinigung von mindestens zwei Ratsmitgliedern, die sich auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung zu möglichst gleichgerichtetem Wirken zusammengeschlossen haben. Das Vorliegen der Gruppeneigenschaft muss für den Zuwendungsanspruch positiv feststehen, wofür diejenigen, die den Zuwendungsanspruch geltend machen, die materielle Beweislast tragen.

Wie sich aus dem gesetzlichen Erfordernis, dass sich die Ratsmitglieder zusammengeschlossen "haben" müssen, ergibt, entsteht die Gruppeneigenschaft nicht schon mit der bloßen - auch bereits rechtlich verfestigten - Absicht, eine Gruppe zu bilden. Vielmehr muss der Zusammenschluss bereits verwirklicht sein. Weiter ergibt sich aus der finalen Präposition "zu" möglichst gleichgerichtetem Wirken, dass die Gruppeneigenschaft nicht davon abhängt, dass ein so gleichgerichtetes Wirken auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung bereits vorliegt. Allerdings folgt daraus, dass dieser Zweck dem Zusammenschluss zugrunde liegen muss.

Diese Voraussetzung ist ohne weiteres gegeben bei einem Zusammenschluss, der aus Personen besteht, die für ein und dieselbe Partei oder Wählergruppe bei der Wahl angetreten sind. Hier ergibt sich bereits aus dem Parteizusammenschluss bzw. dem mitgliedschaftlich organisierten Zusammenschluss der Wahlberechtigten zum Zwecke gemeinsamer Wahlvorschläge (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 des KWahlG NRW, dass ein Zusammenschluss von aufgrund solcher Wahlvorschläge Gewählten zum Zwecke möglichst gleichgerichteten Wirkens auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung erfolgt. Eines weiteren Indizes durch Verwirklichung des beabsichtigten Zwecks bedarf es dann nicht.

An dieser von vorneherein gebotenen Annahme der erforderlichen Zweckbestimmung bei einem Zusammenschluss auf Vorschlag bestimmter Parteien und Wählergruppen Gewählter fehlt es allerdings bei Ratsmitgliedern, die nicht auf der Grundlage von Wahlvorschlägen derselben Partei oder Wählergruppe gewählt wurden. Nach der Einführung eines Anspruchs auf Zuwendungen für Gruppen drängt es sich bei der gebotenen lebensnahen Betrachtung auf, dass nach diesem Zeitpunkt im Laufe einer Wahlperiode im Einzelfall auch solche Zusammenschlüsse gebildet werden, die in Wirklichkeit nicht die Absicht möglichst gleichgerichteten Wirkens auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung verfolgen, sondern lediglich darauf zielen, finanzielle Vorteile oder auch eine Verstärkung ihrer Rechtsposition für die Verfolgung individueller politischer Ziele der einzelnen Ratsmitglieder zu erlangen. Ob der erforderliche Zeck verfolgt werden soll, bemisst sich allgemein nach den Vereinbarungen im Rahmen des Zusammenschlusses und ihrer tatsächlichen Anwendung sowie den Bekundungen der Mitglieder des Zusammenschlusses, soweit sich die Erklärungen als glaubhaft erweisen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.1.2005 - 15 B 2713/04 -, NWVBl. 2005, 213.

Im Rahmen der angesprochenen Beweislast reicht hier die bloße Bekundung der Absicht gleichgerichteten Wirkens eines anspruchstellenden Zusammenschlusses ebenso wenig aus wie vereinzelte gemeinschaftliche Aktionen. Vielmehr muss sich aus den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls der zuverlässige Schluss ergeben, dass der Zusammenschluss nachhaltig auf das gleichgerichtete Zusammenwirken ausgerichtet ist.

In Anwendung dieser Grundsätze kann das erforderliche Merkmal hier nicht festgestellt werden: Der Zusammenschluss der auf der Grund von Wahlvorschlägen verschiedener Parteien und Wählergruppen gewählten Antragsteller soll nach dem Schreiben der Antragsteller vom 6.3.2008 an den Oberbürgermeister am 25.2.2008 erfolgt sein, also gut vier Monate nach Einführung des Anspruchs auf Zuwendungen an Gruppen. Zuvor war die Antragstellerin zu 1. - nach ihrer Behauptung aus Krankheitsgründen - für zwei Jahre den Sitzungen des Rates fern geblieben. Erst seit 2008 nimmt sie wieder an den Ratssitzungen teil. An verwertbaren Indizien für das erforderliche Merkmal liegen lediglich ein Eckpunktepapier der Gruppe und die vereinsrechtliche Gründung einer entsprechenden Wählergemeinschaft vor, der auch ein Bezirksvertretungsmitglied angehört. Tatsächliches gleichgerichtetes Wirken als Indiz für den erforderlichen Zweck ist in Form einer großen Anfrage im Rat und einer Website der Gruppe festzustellen. Weiter will die Antragstellerin zu 1. politische Aktivitäten in Form der Unterstützung einer Elterninitiative und der Prüfung von Jugendamtsunterlagen entfaltet haben.

Unabhängig von der Frage, ob insoweit nicht eine einfache Tätigkeit als Ratsmitglied vorliegt, kann bei einer Gesamtschau dieser Vorgänge nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass das erforderliche Merkmal für eine Gruppeneigenschaft vorliegt: Allein die verbalen Bekundungen vermögen - wie oben ausgeführt - die notwendige Überzeugung vom Vorliegen des Merkmals nicht zu begründen. Das verwirklichte gleichgerichtete Wirken ist zu marginal, um einen hinreichend zuverlässigen Schluss auf das Merkmal zu erlauben. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass zukünftig ein hinreichend sicherer Schluss auf den Zweck des Zusammenschlusses möglich wird. Es kann zur Zeit aber ebenso wenig ausgeschlossen werden, wenn es nicht sogar als naheliegender anzusehen ist, dass in Wirklichkeit ein finanzieller Zweck der wahre Grund des Zusammenschlusses ist. Diese Unaufklärbarkeit geht zu Lasten der Antragsteller.

Mangels feststellbarer Gruppeneigenschaft kommt auch ein im Hauptsacheverfahren zu verfolgender Anordnungsanspruch auf nebeneinander liegende Sitze im Ratssaal nicht in Betracht.

Ende der Entscheidung

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