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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 04.05.2006
Aktenzeichen: 15 E 453/06
Rechtsgebiete: VwGO, GWB, GO NRW


Vorschriften:

VwGO § 40 Abs. 1
GWB § 99 Abs. 1
GO NRW §§ 107 ff.

Entscheidung wurde am 23.05.2006 korrigiert: der Volltext der Entscheidung wurde ersetzt, da das Gericht Antragstellerin mit Antragsgegnerin vertauscht hatte
Für Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Bieter und einer Gemeinde um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession (hier: Verpachtung eines gemeindlichen Grundstücks und Gebäudes mit der vertraglichen Verpflichtung, öffentliche Parkeinrichtungen zu betreiben) ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
Tatbestand:

Die antragsgegnerische Kommune schrieb die Verpachtung eines in ihrem Eigentum stehenden Parkhauses und Parkplatzes aus, wobei der Pächter nach näheren vertraglichen Bestimmungen verpflichtet sein sollte, diese Parkeinrichtungen zu betreiben. Die Antragstellerin bewarb sich um die Anpachtung, die Antragsgegnerin beabsichtigt aber, den Vertrag mit der Beigeladenen zu schließen. Im Wege der einstweiligen Anordnung durch das VG wollte die Antragstellerin der Antragsgegnerin untersagt wissen, den Zuschlag der Beigeladenen zu erteilen. Das VG hielt den Zivilrechtsweg für gegeben und verwies den Rechtsstreit. Auf die dagegen erhobene Beschwerde der Antragstellerin bejahte das OVG den Verwaltungsrechtsweg.

Gründe:

Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg grundsätzlich in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben.

Im vorliegenden Verfahren, in dem die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe einer Dienstleistungskonzession sichergestellt wissen will, dass die Konzession nicht an die Beigeladene vergeben wird, geht es um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Die Sonderzuweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit nach den Vergabevorschriften aus dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) greift nicht ein, weil keine Vergabe eines öffentlichen Auftrages nach § 99 Abs. 1 GWB in Rede steht, sondern die Vergabe einer Konzession, für die der Konzessionsnehmer an die Gemeinde ein Entgelt abführt.

Zutreffend ist das VG davon ausgegangen, dass sich der Rechtsweg nach der Natur des Rechtsverhältnisses richtet, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.5.1994 - 5 C 33.91 -, BVerwGE 96, 71 (73); Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschlüsse vom 10.7.1989 - GmS-OGB 1/88 -, BGHZ 108, 284 (286), und vom 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86 -, BGHZ 102, 280 (283).

Entgegen der Auffassung des VG ist das hier in Rede stehende Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur. Die Antragstellerin bewirbt sich in Konkurrenz zur Beigeladenen darum, mit der Antragsgegnerin den Konzessionsvertrag zum Betrieb und zur Verwaltung zweier der Antragsgegnerin gehörender Parkflächen zu schließen. Es mag vertretbar sein, diesen Vertrag als zivilrechtlich einzustufen, obwohl bei ihm - wie noch zu zeigen sein wird - das allein zivilrechtlich geprägte Pachtelement vollständig hinter die Vertragsteile zurücktritt, die der Sicherstellung der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dienen.

Vgl. dazu die überkommene Sichtweise, dass sogenannte Konzessionsverträge zwischen Kommunen und Versorgungsträgern privatrechtlicher Natur sein sollen, Tettinger, Grundlinien des Konzessionsvertragsrechts, DVBl. 1991, 786 (787 f.).

Auch bei einer zivilrechtlichen Natur des hier in Rede stehenden Konzessionsvertrages folgt daraus aber keineswegs, dass das Vergabeverhältnis ebenfalls zivilrechtlicher Natur ist. Selbst Vergaberechtsverhältnisse im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens, bei denen es also um die Deckung des Bedarfs der öffentlichen Hand mit Gütern und Dienstleistungen durch privatrechtlichen Erwerb dieser Leistungen geht, werden mit guten Gründen als öffentlich-rechtlich qualifiziert.

Vgl. OVG Rh.-Pf. - Beschluss vom 25.5.2005 - 7 B 10356/05 -, DVBl. 2005, 988; OVG NRW, Beschluss vom 20.9.2005 - 15 E 1188/05 -, NVwZ-RR 2006, 223.

Auch wenn der abzuschließende Vertrag als gewöhnlicher zivilrechtlicher Pachtvertrag einzustufen sein sollte, wäre das Handeln der Gemeinde zumindest auch öffentlich-rechtlich geprägt. Dann ginge es nämlich um eine gemeindliche wirtschaftliche Betätigung, die im Interesse eines öffentlichen Zwecks erforderlich sein muss (§ 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO NRW). Die Antragsgegnerin will sich dann als Verpächterin gewerblicher Immobilien (Parkhaus, Parkgrundstück) betätigen.

Vgl. dazu, dass die Vermietung/Verpachtung von Gewerbeimmobilien durch eine Gemeinde eine wirtschaftliche Betätigung darstellt und dass der öffentliche Zweck der Parkraumbereitstellung eine wirtschaftliche Betätigung erfordern kann, OVG NRW, Beschluss vom 13.8.2003 - 15 B 1137/03 -, DVBl. 2004, 133 (135).

Der hier in Rede stehende öffentliche Zweck der kommunalen Bereitstellung von Parkraum trägt die wirtschaftliche Betätigung durch Vergabe einer Konzession mittels eines - unterstellt - privatrechtlichen Vertrages. Ungeachtet dessen unterliegt sie dann aber dem öffentlich-rechtlichen Regime des Gemeindewirtschaftsrechts der §§ 107 ff. GO NRW. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass das Rechtsverhältnis zwischen der vermietenden Gemeinde und Konkurrenten des Mieters gemeindewirtschaftsrechtlicher und damit öffentlich-rechtlicher Natur ist.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21.9.2004 - 15 B 1709/04 -, NVwZ-RR 2005, 198 (199), und vom 13.8.2003 - 15 B 1137/03 -, DVBl. 2004, 133 ff.

Auch das hier betroffene Rechtsverhältnis zwischen der Gemeinde und den sich um den Vertragsabschluss Bewerbenden ist öffentlich-rechtlicher Natur. Dafür ist nicht entscheidend, ob - was das VG problematisiert hat - allgemein bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags dem privatrechtlichen Vertrag eine öffentlich-rechtliche Stufe der Vergabe vorgeschaltet ist. Entscheidend ist hier vielmehr, dass es um den Abschluss eines Konzessionsvertrages geht, mit dem die von der Antragsgegnerin verfolgte öffentliche Aufgabe der Bereitstellung von Parkraum funktional, also allein in ihrer Erfüllung, privatisiert wird. Der Antragsgegnerin geht es bei der hier in Rede stehenden wirtschaftlichen Betätigung nämlich nicht etwa allgemein um die Vermietung oder Verpachtung städtischer Immobilien. Das ergibt sich daraus, dass der beabsichtigte Vertrag dem Pächter den Betrieb der Parkeinrichtungen zur Verpflichtung macht und diesen Betrieb einschließlich der Entgeltregelung gegenüber den Parkraumnutzern detaillierten Vorgaben, Kontrollen und Mitwirkungsbefugnissen der Antragsgegnerin unterwirft. Letztlich wird die Bereitstellung von Parkraum dem zukünftigen Pächter als Betreiber der Parkeinrichtungen übertragen, die Antragsgegnerin entledigt sich aber nicht der Aufgabe kommunaler Parkraumbereitstellung im Sinne einer materiellen Privatisierung, indem sie sich um Bereitstellung von Parkraum nicht mehr kümmerte, sondern dies allein dem - gegebenenfalls durch wirtschaftsfördernde Maßnahmen beeinflussten - freien Markt überließe. Im Rahmen der hier vorliegenden Erfüllungsprivatisierung bleibt die Aufgabe "Bereitstellung von Parkraum" eine von der Antragsgegnerin wahrgenommene Aufgabe, die Tätigkeit der Gemeinde reduziert sich lediglich auf die Regulierung der Aufgabenerfüllung durch Leitung und insbesondere Auswahl des ansonsten selbständigen Kooperationspartners.

Vgl. Burgi, Kommunales Privatisierungsfolgenrecht: Vergabe, Regulierung und Finanzierung, NVwZ 2001, 601 (606).

Hier steht mit der Vergabe der Konzession die zentrale Regulierungsaufgabe der Auswahl des die Aufgabe erfüllenden Kooperationspartners in Rede. Diese ist öffentlich-rechtlicher Natur. Das Privatrecht stellt keinerlei Maßstäbe auf, die an die Wahrnehmung einer Aufgabe der Daseinsvorsorge als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft durch die Gemeinde - hier Übertragung der Erfüllung der Aufgabe durch private Dritte im Rahmen funktionaler Privatisierung - zu legen wären. Allenfalls das technische Mittel der Wahrnehmung stellt das Zivilrecht in Form eines Vertrages zur Verfügung. Dies beraubt die Regulierungstätigkeit der Auswahl nicht ihres öffentlich-rechtlichen Charakters. Daher unterliegt das Regulierungshandeln der Gemeinde dem öffentlichen Recht.

Vgl. Burgi, Vergabe von Dienstleistungskonzessionen: Verfahren, Vergabekriterien, Rechtsschutz, in: Forschungsstelle für Verwaltungsrechtsmodernisierung und Vergaberecht an der Ruhr-Universität Bochum und Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, Tagungsband des 6. Düsseldorfer Vergaberechtstages vom 23.6.2005, S. 22 ff.; allgemein zum Grundsatz öffentlich-rechtlicher Qualifizierung des Handelns von Verwaltungsträgern, wenn das Recht keine gegenteilige Zuweisung vorsieht, Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 2 Rn. 45.

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