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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: 15 E 635/09
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 65
VwGO § 173
ZPO § 72
Der Kläger ficht einen Straßenbaubeitragsbescheid an und glaubt, gegen den Voreigentümer einen Erstattungsanspruch zu haben, wenn der Bescheid im Verwaltungsprozess bestätigt werden sollte. Daher beantragte er beim VG die Zustellung eines Streitverkündungsschriftsatzes an den Voreigentümer, was das VG ablehnte. Die dagegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos.
Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig. Allerdings sind gemäß § 146 Abs. 2 VwGO prozessleitende Verfügungen nicht mit der Beschwerde anfechtbar. Die hier in Rede stehende - im Wege eines Kammerbeschlusses ergangene - Ablehnung, den Schriftsatz des Klägers zum Zwecke der Streitverkündung zuzustellen, fällt jedoch nicht unter den Begriff der prozessleitenden Verfügung. Dieser Begriff umfasst Entscheidungen, die sich auf den Fortgang des Verfahrens beziehen. Deren Unanfechtbarkeit soll bewirken, dass das erstinstanzliche Verfahren nicht durch Verfahrensstreitigkeiten geringerer Bedeutung gehemmt wird. Vielmehr soll entsprechend der nur dienenden Funktion der Verfahrensvorschriften grundsätzlich lediglich eine Ergebniskontrolle im Form der Überprüfung der Endentscheidung stattfinden.

Vgl. Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 146 Rn. 20 f.

Um eine derartige prozessleitendende Verfügung geht es hier nicht. Der Kläger wendet sich nicht gegen die Leitung des Verfahrens zur Entscheidung über sein Klagebegehren, sondern er will über dieses Klagebegehren hinaus die Wirkungen der erstrebten Entscheidung auf einen Dritten im Wege der Streitverkündung erstreckt wissen, was das VG ablehnt, indem es die Zustellung eines Streitverkündungsschriftsatzes verweigert. Eine solche Entscheidung ist daher - wie auch die vergleichbare Ablehnung der Beiladung (vgl. § 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO) - nach § 146 Abs. 1 VwGO beschwerdefähig.

Die so zulässige Beschwerde ist aber unbegründet. Das VG hat es zu Recht abgelehnt, den Schriftsatz zum Zwecke der Streitverkündung zuzustellen. Denn das Institut der Streitverkündung existiert im Verwaltungsprozess nicht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.2.2009 - 8 B 21.09 -, Juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 65 Rn. 2; Meissner, in: Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: Oktober 2008), § 173 Rn. 122; Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 64 Rn. 1.

§ 65 VwGO regelt für den Bereich des Verwaltungsprozesses abschließend die Einbeziehung Dritter in ein gerichtliches Verfahren und verdrängt damit das Institut der Streitverkündung nach § 72 ZPO. Der Umstand, dass - wie der Kläger geltend macht - Voraussetzungen und Wirkungen von Streitverkündung und Beiladung nicht identisch sind, rechtfertigt nicht, die Streitverkündung über § 173 Satz 1 VwGO im Verwaltungsprozess für zulässig zu halten. Diese Vorschrift erklärt die Zivilprozessordnung für entsprechend anwendbar, soweit die Verwaltungsgerichtsordnung keine Bestimmung über das Verfahren enthält und wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen. Die Einbeziehung Dritter in das verwaltungsgerichtliche Verfahren wird durch das speziell auf den Verwaltungsprozess zugeschnittene Institut der Beiladung abgedeckt. Es ist gerade Ausfluss dieser spezifischen Anpassung, dass bei der Beiladung im Gegensatz zur Streitverkündung die Dispositionsbefugnis der Parteien zurückgedrängt ist und die Beiladung nicht in das Belieben der Prozessparteien, sondern in die Entscheidung des Gerichts gestellt ist: Im Verwaltungsprozess geht es nicht um allein das Verhältnis zweier Privatpersonen betreffende Rechte und Pflichten, vielmehr spielt regelmäßig auch das öffentliche Interesse an einer rechtmäßigen und effektiv handelnden Verwaltung eine Rolle. Deshalb ist es etwa im Zivilprozess Sache der Parteien, den Tatsachenstoff und die Beweise dafür dem Gericht beizubringen, während im Verwaltungsprozess dies von Amts wegen geschieht (§ 86 Abs. 1 VwGO).

Der Kläger kann daher nicht verlangen, dass seine Rechtsstellung im Verwaltungsprozess in derselben Weise ausgestaltet wird wie im Zivilprozess. Auch der Umstand, dass die Beiladung im Gegensatz zur Streitverkündung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB) keine verjährungshemmende Wirkung hat, vgl. BGH, Urteil vom 6.2.2003 - III ZR 223/02 -, NVwZ 2003, 1549 (1550 f.), vermag die Zulässigkeit einer Streitverkündung im Verwaltungsprozess nicht zu begründen. Es mag sein, dass die Wahrung des vom Kläger angenommenen Anspruchs gegen den Voreigentümer durch eine verjährungshemmende Streitverkündung erleichtert würde. Da sich der Gesetzgeber aber aus spezifisch verwaltungsprozessualen Gründen für die Beiladung als Ersatz für eine Streitverkündung entschieden hat, muss der Kläger seinen Anspruch ohne die Hemmungswirkung einer Streitverkündung wahren, was - wie er auch nicht in Abrede stellt - möglich ist.

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