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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 08.05.2009
Aktenzeichen: 16 A 3375/07
Rechtsgebiete: GG, DSG NRW, HG


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
DSG NRW § 2 Abs. 3b
DSG NRW § 29b Abs. 1 Satz 1
DSG NRW § 29b Abs. 2 Satz 1
HG § 2 Abs. 1
HG § 2 Abs. 3
HG § 8 Abs. 5
§ 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW enthält keinen engen, spezifisch datenschutzrechtlichen Hausrechtsbegriff, der es ausschließt, optisch-elektronische Einrichtungen gegen Personen einzusetzen, die sich (etwa als Benutzer, Mitglieder, Bedienstete, Funktionsträger) berechtigt in dem überwachten Bereich aufhalten.

Die optisch-elektronische Überwachung nach § 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW ist nicht erst dann unzulässig, wenn feststeht, dass die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiegen. Sie darf vielmehr schon dann nicht erfolgen, wenn Anhaltspunkte für ein Überwiegen der privaten Interessen nicht ausgeräumt sind.

Es ist nicht unverzichtbar im Sinne des § 29b Abs. 2 Satz 1 DSG NRW, Daten generell und anlasslos zu speichern, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das mit der optisch-elektronischen Überwachung verfolgte Ziel entweder ganz ohne Datenspeicherung oder jedenfalls unter Begrenzung der Speicherung auf bestimmte Zeiten oder Anlässe in gleicher oder weitgehend gleicher Weise erreicht werden kann.


Tatbestand:

Um Diebstähle und Beschädigungen von Büchern zu verhindern und solche Übergriffe einzelnen Benutzern beweiskräftig zuordnen zu können, ließ die beklagte Universität in der Bibliothek des Kommunalwissenschaftlichen Instituts vier Videokameras installieren. Im Wechsel der Kameras wird jeweils ein Videobild auf einem Bildschirm angezeigt, der am Arbeitsplatz der Sekretärin des Instituts steht. Die Bilder werden außerdem für eine gewisse Zeit gespeichert. Die Kläger sind als Studenten regelmäßige Benutzer der Bibliothek. Mit ihrer Klage wollten sie erreichen, dass die Kameras abgeschaltet werden. Das VG verurteilte die Beklagte, die nicht anlassbezogene Speicherung der Videobilder zu unterlassen, und wies die Klage im Übrigen ab. Die hiergegen eingelegten Berufungen blieben ohne Erfolg.

Gründe:

Die Beklagte ist nach § 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW berechtigt, die Bibliothek des Kommunalwissenschaftlichen Instituts mit Videokameras zu beobachten (1.). Sie darf die mittels der Kameras erhobenen Daten aber nicht generell und anlasslos speichern. Dem steht § 29b Abs. 2 Satz 1 DSG NRW entgegen (2.).

1. Nach § 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW ist die nicht mit einer Speicherung verbundene Beobachtung öffentlich zugänglicher Bereiche mit optisch-elektronischen Einrichtungen zulässig, soweit dies der Wahrnehmung des Hausrechts dient und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen betroffener Personen überwiegen. Die Vorschrift ist auf die Beklagte anwendbar. Diese ist als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 HG) eine sonstige der Aufsicht des Landes unterstehende juristische Person des öffentlichen Rechts, für die das Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen nach dessen § 2 Abs. 1 grundsätzlich gilt. Der Anwendbarkeit dieses Gesetzes auf den vorliegenden Einzelfall steht nicht § 2 Abs. 3 DSG NRW entgegen, wonach, soweit besondere Rechtsvorschriften auf die Verarbeitung personenbezogener Daten anzuwenden sind, sie den Vorschriften des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen vorgehen. Solche besonderen Rechtsvorschriften, die die Anwendung des allgemeinen Datenschutzrechts ausschließen, existieren im Hinblick auf den Einsatz von Videoüberwachungsanlagen durch Universitäten nicht. Das Hochschulgesetz enthält in § 8 Abs. 1 bis 4 nur für enge, hier nicht betroffene Teilbereiche der Tätigkeit von Hochschulen besondere Regelungen zum Datenschutz. Im Übrigen verweist § 8 Abs. 5 HG auf die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften.

Die Videokameras in den Bibliotheksräumen und der mit ihnen verbundene Bildschirm am Arbeitsplatz der Sekretärin des Instituts sind optisch-elektronische Einrichtungen im Sinne des § 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW. Die Institutsbibliothek ist ein öffentlich zugänglicher Bereich. Nach der Benutzungsordnung steht sie allen Mitgliedern und Angehörigen der Beklagten zur Benutzung zur Verfügung. Darüber hinaus können auch andere Personen zur Benutzung zugelassen werden, soweit sie ein berechtigtes Interesse darlegen und die Leistungsfähigkeit und Raumverhältnisse der Bibliothek dies erlauben.

Die Videobeobachtung der Bibliothek dient der Wahrnehmung des Hausrechts. Der Begriff des Hausrechts wird in § 29b DSG NRW - ebenso wie in § 6b BDSG und den Datenschutzgesetzen anderer Bundesländer - Art. 21a Abs. 1 Satz 1 Bay. DSG, § 33c Abs. 1 Nr. 2 DSG Bbg., § 37 Abs. 1 Nr. 1 DSG Meckl.-Vorp., § 34 Abs. 1 LDSG Rh.-Pf., § 34 Abs. 1 Nr. 1 Saarl. DSG, § 33 Abs. 1 Sächs. DSG, § 20 Abs. 1 Schl.-Holst. LDSG, nicht definiert. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob § 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW ein eigener datenschutzrechtlicher Hausrechtsbegriff zugrunde liegt oder ob die Vorschrift die Ausfüllung des Begriffs dem jeweiligen besonderen Verwaltungsrecht überlässt, in dessen Anwendungsbereich der Kameraeinsatz erfolgt. Nach beiden Varianten ist die Videobeobachtung der Institutsbibliothek zulässig. Sie wäre nur dann unzulässig, wenn der von den Klägern vertretene enge Hausrechtsbegriff zutreffend wäre und sie als Mitglieder der Hochschule davon nicht erfasst wären. § 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW enthält jedoch keinen spezifisch datenschutzrechtlichen engen Hausrechtsbegriff, der es ausschließt, optisch-elektronische Einrichtungen gegen Personen einzusetzen, die sich (etwa als Benutzer, Mitglieder, Bedienstete, Funktionsträger u. s. w.) berechtigt in dem überwachten Bereich aufhalten.

Der Begriff des Hausrechts wird von Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend in einem umfassenden Sinne verstanden.

OVG NRW, Urteil vom 28.11.1994 - 22 A 2478/93 -, juris; Beschluss vom 31.8.1992 - 15 A 693/90 -, RiA 1993, 202; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.1.1975 - IX 443/74 -, ESVGH 25, 144 (146); Bay. VGH, Beschluss vom 4.7.1988 - 7 CE 88.1824 -, WissR 22 (1989), 83 (84); Urteil vom 23.2.1981 - Nr. 7 B 80 A.1522 und 1948 -, BayVBl. 1981, 657; Hess. VGH, Beschluss vom 23.7.1979 - VI OE 69/78 -, DVBl. 1979, 925; Kirchhof/ Plückhahn, in: Held u. a., Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen (Stand: November 2008), § 51 Anm. 4; vgl. auch Knoke, Betriebliche Organisationsgewalt in Räumlichkeiten des Verwaltungsvermögens, AöR 94, 388 (398 ff.); a. A. StGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.1.1988 - 1/87 -, DVBl. 1988, 632 (633); Ehlers, Gesetzesvorbehalt und Hausrecht der Verwaltungsbehörden, DÖV 1977, 737 (739).

Wenn der Gesetzgeber einen spezifisch datenschutzrechtlichen engen Hausrechtsbegriff hätte verwenden wollen, hätte er eine entsprechende Legaldefinition im Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen schaffen müssen. Zumindest hätte sich ein solcher Wille des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich niederschlagen müssen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde der Begriff ausweislich der Materialien als bekannt vorausgesetzt und nicht ansatzweise anders erörtert. Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht daraus, dass die im Gesetzentwurf der Landesregierung vorgesehene Möglichkeit, eine optisch-elektronische Beobachtung allgemein "zur Aufgabenerfüllung" einzusetzen, LT-Drs. 12/4476, S. 49, im weiteren Gesetzgebungsverfahren entfallen ist. Diese Änderung war nur Folge der Entscheidung, die Polizei spezialgesetzlich (im Polizeigesetz) und nicht im Datenschutzgesetz zu ermächtigen.

LT-Drs. 12/4780, S. 62.

Es spricht demgegenüber viel dafür, dass § 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW einen datenschutzrechtlichen Hausrechtsbegriff verwendet, der weit zu verstehen ist. Der Gesetzgeber fand nicht nur eine ganz überwiegend weite Auslegung des Begriffs Hausrecht in Rechtsprechung und Literatur vor. Darüber hinaus wusste er von einer Vielzahl bereits in Betrieb befindlicher Videoüberwachungsanlagen und wollte das Datenschutzrecht an den zwischenzeitlich erreichten technischen Standard anpassen sowie einen rechtlichen Rahmen für bereits vorhandene Anlagen schaffen.

Vgl. LT-Drs. 12/4476. S. 60, 73.

Nur einige der bekannten Anlagen (etwa in Eingangsbereichen, Treppenhäusern und Fluren) dienten der bloßen Zugangskontrolle. Daneben war schon eine Vielzahl von Videokameras im Einsatz, die Personen und Sachgüter vor Übergriffen (Gewalttaten, Diebstählen, Vandalismus u. s. w.) durch Personen schützen sollten, die sich berechtigt in dem jeweils zu überwachenden Bereich aufhielten. Solche Kameras fanden sich sowohl im privaten (z. B. in Kaufhäusern und Banken) als auch im öffentlichen Bereich (z. B. auf Bahnsteigen, in Tunneln und Parkanlagen).

Im hier maßgeblichen Hochschulrecht findet sich schließlich ebenfalls keine Legaldefinition des Hausrechts. Ein weites Begriffsverständnis ist aber allgemein anerkannt. Das Hausrecht im hochschulrechtlichen Sinne ist nicht auf Außenstehende begrenzt, sondern sein Einsatz auch gegen Mitglieder und Angehörige der Hochschule möglich. Hausrecht und Ordnungsgewalt unterscheiden sich nicht hinsichtlich des jeweiligen Adressatenkreises. Entscheidend ist vielmehr die unterschiedliche Zwecksetzung der jeweiligen Maßnahmen. Das Hausrecht dient der Wahrung und Erhaltung des Hausfriedens als Voraussetzung eines geordneten Betriebs und hat präventiven Charakter: Es soll den widmungsgemäßen Gebrauch vor Störungen schützen. Das universitäre Ordnungsrecht hat dagegen repressiv-disziplinarischen Charakter und will die Funktionsfähigkeit der Hochschule durch Ahndung von Pflichtwidrigkeiten der Mitglieder und Angehörigen sichern.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31.8.1992 - 15 A 693/90 -, RiA 1993, 202; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.1.1975 - IX 443/74 -, ESVGH 25, 144 (146); Bay. VGH, Beschluss vom 4.7.1988 - 7 CE 88.1824 -, WissR 22 (1989), 83 (84); Hess. VGH, Beschluss vom 23.7.1979 - VI OE 69/78 -, DVBl. 1979, 925; Reich, HRG, 8. Aufl. (2002), § 4 Rdnr. 1 (S. 74), Leuze/Bender, UnivG NRW (Stand: Dezember 1998), § 19 Rdnr. 7 f.; die beiden Letztgenannten unter Bezugnahme auf Tettinger, Hausrecht und Ordnungsgewalt in der Hochschule, WissR 16 (1983), 220 (224, 231 ff.).

Die im Kommunalwissenschaftlichen Institut installierte Videoüberwachungsanlage dient der Wahrnehmung des Hausrechts. Sie soll das Eigentum an den Medien in der Bibliothek schützen und verhindern, dass Benutzer sowie Besucher der Bibliothek Bücher und Loseblattwerke entwenden oder beschädigen. Die Videoüberwachung soll ferner ermöglichen, solche Übergriffe einzelnen Benutzern oder Besuchern beweiskräftig zuzuordnen.

Die ohne Speicherung der aufgenommenen Bilder erfolgende Überwachung der Bibliothek ist nicht im Hinblick auf die betroffenen schutzwürdigen Interessen der Kläger unzulässig. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Interessen der Kläger das öffentliche Interesse an der Videobeobachtung überwiegen könnten.

So wie die Kläger dem Hausrecht unterfallen, gehören sie umgekehrt zu den Personen, deren Schutz § 29b DSG NRW dient. Sie sind als Studierende der Rechtswissenschaften an der beklagten Universität Teil des bestimmungsgemäßen Benutzerkreises der Kommunalwissenschaftlichen Bibliothek. Während der Benutzung der Bibliothek sind sie der Videobeobachtung ausgesetzt.

Hinsichtlich der Beobachtung der Kläger fehlt es an Anhaltspunkten im Sinne des § 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW, dass ihre schutzwürdigen Interessen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Videobeobachtung überwiegen. Den Interessen der Betroffenen kommt insofern besonderes Gewicht zu, als der Einsatz optisch-elektronischer Überwachungsmittel nicht erst dann unzulässig ist, wenn ihre Interessen das öffentliche Interesse überwiegen. Vielmehr stehen nach § 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW bereits Anhaltspunkte dafür, dass solche schutzwürdigen Interessen überwiegen, einer Beobachtung entgegen. Die Videoüberwachung darf schon dann nicht erfolgen, wenn ein Überwiegen der Interessen der Betroffenen zwar nicht positiv festgestellt werden kann, allerdings Anhaltspunkte für ein Überwiegen dieser Interessen nicht ausgeräumt sind.

Die Videoüberwachung greift zwar unzweifelhaft in das Grundrecht der Kläger auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Es schützt den Einzelnen unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten und gewährleistet dessen Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.2.2007 - 1 BvR 2368/06 -, DVBl. 2007, 497; Urteil vom 2.3.2006 - 2 BvR 2099/04 -, BVerfGE 115, 166; Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u. a. -, BVerfGE 65, 1. Die Beobachtung der Bibliothek des Kommunalwissenschaftlichen Instituts hat angesichts ihrer konkreten Ausgestaltung auch dann Eingriffsqualität, wenn keine Speicherung der aufgenommenen Bilder erfolgt. Es genügt, dass die Bilder, die die Kameras produzieren, auf einen Bildschirm übertragen und dort angezeigt werden. Für eine Aufspaltung des einheitlichen Vorgangs von Aufnahme, Übertragung und Anzeige der Bilder bietet § 29b Abs. 1 DSG NRW keinen Anhalt. Ein solches Vorgehen würde der grundrechtlichen Dimension der Videobeobachtung nicht gerecht. Nur wenn neben der Erhebung der personenbezogenen Daten der Bibliotheksbenutzer die weitere Verwendung der Daten in den Blick genommen wird, kann die Betroffenheit von Grundrechten sachgerecht beurteilt werden. Maßgeblich ist sodann, dass aufgrund der Auflösung der Bilder einzelne Personen identifiziert werden können. Mittels der Videoanlage können nicht nur Verhaltensweisen detailliert nachvollzogen, sondern auch individuell zugeordnet werden. Hinzu kommt, dass die Videobeobachtung darauf gerichtet ist, das Verhalten der Benutzer der Bibliothek zu lenken. Sie zielt darauf ab, die Benutzer von bestimmten nicht erwünschten Verhaltensweisen (insbesondere Diebstählen und Beschädigung der in der Bibliothek befindlichen Bücher und Loseblattwerke) abzuhalten, denn die Benutzer können nicht wissen, ob ihr Verhalten mit Hilfe der Videoanlage beobachtet wird.

Zu diesen Kriterien für einen Eingriff vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.2.2007 - 1 BvR 2368/06 -, DVBl. 2007, 497; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.7.2003 - 1 S 377/02 -, NVwZ 2004, 498; Dolderer, Verfassungsfragen der "Sicherheit durch Null-Toleranz", NVwZ 2001, 130 (131); Roggan, Die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen, NVwZ 2001, 134 (136); Saurer, Die Landesdatenschutzgesetze als Rechtsgrundlage für die kommunale Videoüberwachung?, DÖV 2008, 17 (20).

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Als sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit muss der Einzelne Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen. Solche Einschränkungen müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

BVerfG, Urteil vom 2.3.2006 - 2 BvR 2099/04 -, BVerfGE 115, 166; Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u. a. -, BVerfGE 65, 1.

Ausgehend hiervon ist der auf § 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW gestützte Eingriff in das Recht der Kläger auf informationelle Selbstbestimmung gerechtfertigt. Es fehlt jeder Anhaltspunkt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt sein könnte. Die Videoüberwachung dient dem legitimen öffentlichen Zweck, die Medien in der Bibliothek vor Diebstahl und Beschädigung zu schützen und eventuelle Übergriffe einzelnen Benutzern beweiskräftig zuordnen zu können. Dabei ist die Videobeobachtung entgegen der Ansicht der Kläger nicht allein auf Abschreckung gerichtet. Auch wenn der Bildschirm nicht ständig beobachtet wird, ist es in der verbleibenden Zeit gleichwohl möglich, Verstöße aufzuklären. Der Mitarbeiter der Beklagten, der am Bildschirm einen Diebstahl oder eine Sachbeschädigung erkennt, kann den Täter stellen oder stellen lassen und erforderlichenfalls seine Beobachtungen als Zeuge vor Gericht schildern.

Die Videobeobachtung ist zu dem mit ihr verfolgten Zweck geeignet, obwohl mit ihrer Hilfe keine lückenlose Überwachung der Bibliotheksräume und damit kein vollständiger Schutz der vorgehaltenen Literatur möglich ist. In einer Bibliothek bestehen typischerweise - und so auch hier - aufgrund hoher Regale und baulicher Besonderheiten tote Winkel, die von Kameras nicht erfasst werden können. Hinzu kommt, dass vorliegend im Wechsel nur das Bild einer von vier Kameras auf den Bildschirm übertragen wird. Eine Maßnahme ist jedoch nicht nur dann zu einem bestimmten Zweck geeignet, wenn dieser mit ihrer Hilfe vollständig erreicht werden kann. Ausreichend ist bereits ihre Eignung, diesen Zweck zu fördern. Hierzu ist eine Videobeobachtung der Bibliothek des Kommunalwissenschaftlichen Instituts in der Lage, weil sie die Aufklärung begangener Taten ermöglicht und potenzielle Täter deswegen von der Begehung von Diebstählen und Sachbeschädigungen abschreckt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Bibliotheksbenutzer derartige Taten begehen, ist umso geringer, je höher sie das Risiko einschätzen, entdeckt und für ihr Verhalten zur Verantwortung gezogen zu werden. Dieses Risiko ist nach der Installation von Videokameras aus Sicht der Benutzer deutlich größer geworden. Sie können nicht wissen, welche Kamera gerade ein Bild auf den Bildschirm überträgt, und zudem die Ausdehnung von toten Winkeln nicht zuverlässig einschätzen. So können sie nicht ausschließen, bei der Begehung eventueller Verstöße von einem Mitarbeiter der Beklagten am Bildschirm beobachtet zu werden. Es ist zu erwarten, dass sich ein nennenswerter Anteil potenzieller Täter durch diese Möglichkeit von der Begehrung von Diebstählen und Sachbeschädigungen abhalten lässt. Das Strafverfahren im Fall einer Entdeckung wäre für die Täter zumeist mit erheblichen Konsequenzen verbunden. Angesichts der in der Bibliothek des Kommunalwissenschaftlichen Instituts angebotenen Literatur ist davon auszugehen, dass der weit überwiegende Teil der Täter in juristischen Berufen beschäftigt ist oder künftig beschäftigt sein möchte. Gerade dieser Personenkreis müsste im Falle einer Strafverfolgung mit erheblichen Nachteilen für seine weitere berufliche Tätigkeit rechnen. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner über die Benennung allgemeiner Erfahrungswerte hinausgehenden konkreten Darlegung durch die Beklagte, in welchem Umfang vor Installation der Kameras Diebstähle und Beschädigungen in der Institutsbibliothek vorgekommen sind. Ferner ist unerheblich, ob solche Vorkommnisse seit Inbetriebnahme der Videoanlage tatsächlich vollständig ausgeblieben sind.

Die Videobeobachtung ohne Speicherung der erhobenen Daten ist auch erforderlich. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, unter mehreren gleich geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen, die die Betroffenen voraussichtlich am wenigsten belastet. Eine zur Verhinderung von Diebstählen und Sachbeschädigungen in gleicher Weise wie die Videobeobachtung geeignete Maßnahme, die die Kläger in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung weniger beeinträchtigt, ist nicht ersichtlich.

Offenkundig wäre ein vollständiger Verzicht auf Sicherungsmaßnahmen nicht in gleicher Weise geeignet, Verstöße zu verhindern. Erfahrungsgemäß sind wissenschaftliche Bibliotheken von Universitäten in einem Ausmaß von Diebstählen und Sachbeschädigungen betroffen, das nicht ohne erhebliche Gegenmaßnahmen auf ein noch hinnehmbares Maß zu reduzieren ist. Im Hinblick auf die hier in Rede stehende rechtswissenschaftliche Bibliothek ergibt sich nichts anderes daraus, dass aufgrund von Änderungen der Rechtsvorschriften über die juristische Ausbildung weniger Hausarbeiten anfallen als zuvor. Dadurch werden Verstöße nicht gänzlich ausbleiben. Ihre Zahl wird sich allenfalls verringern.

Ohne eine Übertragung der Videobilder auf einen Bildschirm und dessen zumindest sporadische Beobachtung könnte Verstößen nicht dauerhaft effektiv begegnet werden. Ohne Übertragung bleibt es bei flüchtigen Bildern, die die Kameras produzieren, ohne dass sie jemand zu sehen bekommt. Wird das bekannt, entfällt der abschreckende Effekt auf potenzielle Täter.

Die Installation eines Systems, das über Sicherungsstreifen an allen Büchern und Loseblattwerken einen akustischen Alarm auslöst, wenn Medien unbefugt aus der Bibliothek entfernt werden, kann Verstößen nicht in gleicher Weise vorbeugen wie eine Videoüberwachung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob angesichts der räumlichen Verhältnisse in der Institutsbibliothek für den Einbau eines solchen Systems ausreichend Platz vorhanden ist und ob der Beklagten die mit einem solchen System verbundenen laufenden Kosten zuzumuten sind. Das von den Klägern favorisierte System ist jedenfalls deshalb weniger geeignet als eine Beobachtung der Bibliothek mit Hilfe von Videokameras, weil Alarm lediglich im Fall eines Diebstahls kompletter Bücher oder Loseblattwerke ausgelöst würde. Der Entfernung einzelner Seiten aus Loseblattsammlungen sowie Beschädigungen von Büchern kann es nicht entgegenwirken.

Die Videobeobachtung kann auch nicht in gleich geeigneter Weise durch Aufsichtspersonal ersetzt werden. Eine von den Klägern angeregte Aufsicht am Eingang zur Bibliothek wäre nicht in der Lage, die beiden Bibliotheksräume so gut zu überblicken, wie dies über Kameras an vier verschiedenen Positionen in den Räumen möglich ist. Der Senat hat keinen Anlass, an dem Vorbringen der Beklagten zu zweifeln, dass ihr die finanziellen Möglichkeiten fehlen, Aufsichtspersonal in einem Umfang einzusetzen, dass die Bibliotheksräume ähnlich flächendeckend überwacht wären wie mittels der Videokameras.

Der Erforderlichkeit der Videoüberwachung steht schließlich nicht entgegen, dass während der Öffnungszeiten der Bibliothek eine gewisse Sozialkontrolle gewährleistet ist.

Zur Möglichkeit, dass der Erforderlichkeit einer Videoüberwachung eine vorhandene Sozialkontrolle entgegenstehen kann, vgl. Suttmann, Zur rechtlichen Zulässigkeit der Videoüberwachung an Schulen, NWVBl. 2008, 405 (409); Röger/ Stephan, Hausarbeitsfall: Die Videoüberwachung, NWVBl. 2001, 243 (247).

Zwar nutzen Mitarbeiter des Instituts und sonstige Personen die Bibliothek während der Öffnungszeiten für Recherchen. Damit entsteht aber keine Sozialkontrolle, die Diebstählen und Sachbeschädigungen so wirksam begegnete, dass deshalb der Einsatz von optisch-elektronischen Überwachungseinrichtungen entbehrlich wäre. In Bibliotheken geschehen Diebstähle und Sachbeschädigungen gerade zu den Öffnungszeiten und damit typischerweise in Anwesenheit anderer Benutzer. Die anderen Benutzer bemerken die Verstöße meist jedoch nicht, weil sie sich auf ihre eigene Arbeit konzentrieren.

Die bloße Videobeobachtung der Bibliothek des Kommunalwissenschaftlichen Instituts ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Sie steht in Ansehung der konkreten Betroffenheit der Kläger und unter Berücksichtigung des mit ihr verbundenen Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht außer Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck.

Im Rahmen dieser Prüfung ist maßgeblich zu berücksichtigen, welche Persönlichkeitsrelevanz die Informationen aufweisen, die von den staatlichen Maßnahmen erfasst werden. Ferner ist in Rechnung zu stellen, ob gegebenenfalls durch die weitergehende Verarbeitung und Verknüpfung der erfassten Informationen zusätzliche Informationen gewonnen werden sollen und welche Persönlichkeitsrelevanz diese besitzen. Bedeutsam ist auch, ob der Betroffene einen ihm zurechenbaren Anlass für die Erhebung der Informationen geschaffen hat oder ob ein verdachtsloser Eingriff mit großer Streubreite erfolgt, bei dem zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 11.3.2008 - 1 BvR 2074/05 u. a. -, BVerfGE 120, 378; Beschluss vom 23.2.2007 - 1 BvR 2368/06 -, DVBl. 2007, 497 m. w. N. Gemessen daran überwiegt das Interesse an einem wirksamen Schutz der Medien in der Bibliothek gegen Diebstahl und Beschädigung sowie an der beweiskräftigen Feststellung solcher Verstöße die Interessen der Kläger.

Die Videobeobachtung stellt sich als verdachtsloser Eingriff dar. Durch die Maßnahme werden alle Benutzer und Besucher der Bibliothek in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt und nicht nur diejenigen, bei denen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie Verstöße beabsichtigen. Insoweit handelt es sich im Ausgangspunkt um einen Eingriff in das Recht der Kläger auf informationelle Selbstbestimmung von erheblichem Gewicht. Jedoch besteht im Hinblick auf die Informationen, die durch eine nicht mit einer Speicherung verbundene Videoüberwachung gewonnen werden, nicht die typische Gefahrenlage, der das Recht auf informationelle Selbstbestimmung begegnet. Ohne Speicherung der Daten ist es der Beklagten nicht möglich, im Nachhinein auf das Bildmaterial zuzugreifen, um sich mit seiner Hilfe einen Eindruck über individuelle Verhaltensweisen oder Persönlichkeitsmerkmale einzelner Bibliotheksbenutzer zu verschaffen. Ebenso wenig können die Informationen aus den Bildern vervielfältigt, weitergegeben oder mit anderen Datenbeständen verknüpft werden. Da im Wechsel nur das Bild jeweils einer von vier vorhandenen Kameras auf dem Bildschirm zu sehen ist und dieser Bildschirm nicht ununterbrochen von einem Mitarbeiter der Beklagten überwacht wird, ist der einzelne Bibliotheksbenutzer keiner ständigen Beobachtung ausgesetzt. Angesichts dessen werden die Kläger durch den offenen Einsatz von Videotechnik im Ergebnis nicht wesentlich mehr beeinträchtigt, als wenn die Bibliotheksräume von einer dort anwesenden Person beobachtet würden. Die zusätzliche Belastung, der die Kläger durch den Einsatz der Videokameras ausgesetzt sind, beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass sie sich nicht jederzeit durch einen Blick darüber Gewissheit verschaffen können, ob sie gerade beobachtet werden oder nicht. Dieser Nachteil reicht nicht als Anhaltspunkt für ein überwiegendes Interesse der Kläger, von der Überwachung verschont zu bleiben, und ist von ihnen hinzunehmen. Die Situation, in der die Beobachtung erfolgt, ist nicht durch besondere Privatheit geprägt. Im Gegenteil müssen Personen, die sich in einer öffentlichen Bibliothek aufhalten, stets damit rechnen, den Blicken der übrigen Bibliotheksbenutzer sowie der dort Beschäftigten ausgesetzt zu sein. Die durch die hier in Rede stehende Beobachtung zu gewinnenden Informationen besitzen zudem keine besondere Persönlichkeitsrelevanz.

Demgegenüber besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, Diebstähle und Beschädigungen der in der Bibliothek des Kommunalwissenschaftlichen Instituts vorgehaltenen Fachliteratur zu verhüten und eventuelle Verstöße beweiskräftig feststellen zu können. Dieses Interesse beschränkt sich nicht auf den erheblichen materiellen Wert der Bücher und Loseblattwerke. Die Möglichkeit, jederzeit auf eine gut sortierte Bibliothek mit Spezialliteratur aus dem öffentlichen Recht zugreifen zu können, ist auch für die Qualität der Juristenausbildung der Beklagten sowie die Forschungsmöglichkeiten der an ihr tätigen Wissenschaftler von wesentlicher Bedeutung.

Für das vorliegende Verfahren kommt es schließlich nicht darauf an, ob die Videoüberwachung der Bibliothek des Kommunalwissenschaftlichen Instituts mit der Dienstvereinbarung über die Einführung und den Betrieb von Überwachungssystemen mittels Kamera vereinbar ist. Diese Dienstvereinbarung wurde am 30.11.2004 zwischen der Beklagten und den Personalvertretungen der nicht wissenschaftlich sowie der wissenschaftlich Beschäftigten geschlossen. Dienstvereinbarungen haben den Charakter öffentlich-rechtlicher Verträge. Sie stellen Rechtsquellen dar, die von den Vertragsschließenden und den von ihnen Betroffenen wie eine Rechtsnorm zu beachten sind.

BVerwG, Beschluss vom 25.6.2003 - 6 P 1/03 -, IÖD 2003, 213; OVG NRW, Beschluss vom 14.3.2008 - 1 B 1740/07 -.

Selbst wenn der von den Klägern angenommene Verstoß gegen § 2 der genannten Dienstvereinbarung vorläge, könnten diese sich hierauf nicht berufen. Sie sind als Studierende der Beklagten nicht in den Schutzbereich der Dienstvereinbarung einbezogen.

2. Die Kläger haben jedoch einen Anspruch gegen die Beklagte, dass sie die generelle Speicherung der Bilder aus der Videobeobachtung der Bibliothek des Kommunalwissenschaftlichen Instituts unterlässt. Anders als von der Beklagten angenommen, folgt aus der Zulässigkeit einer Videobeobachtung nicht automatisch die Rechtmäßigkeit einer Speicherung der erhobenen Daten. Vielmehr knüpft § 29b Abs. 2 Satz 1 DSG NRW die Speicherung solcher Daten an zusätzliche Anforderungen. Hiernach ist die Speicherung von nach § 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW erhobenen Daten nur bei einer konkreten Gefahr zu Beweiszwecken zulässig, wenn dies zum Erreichen der verfolgten Zwecke unverzichtbar ist.

Eine generelle Speicherung der Bilder aus der Videobeobachtung der Bibliothek des Kommunalwissenschaftlichen Instituts ist hiervon nicht gedeckt. Das VG hat zu Recht nur eine anlassbezogene Speicherung als zulässig angesehen. Ein solcher Anlass, der eine Aufzeichnung rechtfertigen kann, liegt insbesondere vor, wenn bei der Überwachung des Bildschirms Beobachtungen gemacht werden, die darauf schließen lassen, dass gerade ein Verstoß begangen wird oder unmittelbar bevorsteht.

Dabei kann offen bleiben, ob eine konkrete Gefahr gegeben ist. Dies wäre nur der Fall, wenn aufgrund der vorliegenden Erfahrungen in Bibliotheken im Allgemeinen oder in der hier interessierenden Bibliothek im Besonderen jederzeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit zur rechnen wäre, dass Bücher entwendet oder beschädigt würden. Ob insoweit ausreichend ist, dass es in wissenschaftlichen Bibliotheken von Universitäten immer wieder zu solchen Vorfällen kommt, erscheint fraglich.

Keiner Entscheidung bedarf auch, ob § 29b Abs. 2 Satz 1 DSG NRW - unabhängig vom Vorliegen einer konkreten Gefahr nach dem allgemeinen polizeirechtlichen Begriffsverständnis - nur eine anlassbezogene Speicherung zulässt. Die Kläger halten einen Anlassbezug in dem Sinne für erforderlich, dass generelle Erfahrungswerte allein eine Speicherung nicht rechtfertigen können, sondern stets Anhaltspunkte im Einzelfall hinzutreten müssen.

Von einer nur anlassbezogenen Speicherung geht LT-Drs. 12/4780, S. 63, aus.

Mehr als eine anlassbezogene Speicherung ist hier jedenfalls nicht unverzichtbar. Indem § 29b Abs. 2 Satz 1 DSG NRW eine Speicherung der durch eine Videobeobachtung erhobenen Daten nur zulässt, wenn dies zum Erreichen der verfolgten Zwecke unverzichtbar ist, soll eine solche Speicherung auf die unbedingt erforderlichen Fälle begrenzt werden.

LT-Drs. 12/4780, S. 63.

Durch die Verwendung des Begriffs unverzichtbar wollte der Gesetzgeber - wie auch im Rahmen der Interessenabwägung nach § 29b Abs. 1 Satz 1 DSG NRW - dem Schutz der von einer Videoüberwachung Betroffenen besonderes Gewicht beimessen. Eine Speicherung ist nicht unverzichtbar, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das verfolgte Ziel ohne Speicherung der durch die Videoüberwachung erhobenen Daten in gleicher oder weitgehend gleicher Weise erreicht werden kann oder die Speicherung zumindest auf bestimmte Zeiten oder Anlässe begrenzt werden kann.

Das VG hat die Unverzichtbarkeit zutreffend als besondere Ausprägung des durch das Rechtsstaatsprinzip von Verfassungs wegen gewährleisteten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angesehen. Durch die Verwendung des Begriffs unverzichtbar anstelle des eingeführten Begriffs erforderlich will der Gesetzgeber das Merkmal der Erforderlichkeit in bestimmter Weise qualifizieren. Solange andere noch nicht erprobte zumutbare Maßnahmen in Betracht kommen, die weniger eingriffsintensiv sind und deren gleiche oder weitgehend gleiche Eignung ohne eine Erprobung nicht ausgeschlossen werden kann, ist eine Speicherung nicht unverzichtbar im Sinne des § 29b Abs. 2 Satz 1 DSG NRW.

Hier sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es, um Diebstähle und Sachbeschädigungen zu vermeiden und derartige Verstöße beweiskräftig feststellen zu können, keiner generellen Speicherung der Daten bedarf, die mit Hilfe der Kameras in der Bibliothek des Kommunalwissenschaftlichen Instituts erhoben wurden. Die Beklagte hat bislang nicht erprobt, die Bibliotheksräume über den vorhandenen Bildschirm zu beobachten und die Bilder nur dann zur Beweissicherung aufzuzeichnen, wenn ein den Bildschirm überwachender Mitarbeiter der Beklagten konkrete Anhaltspunkte für einen Diebstahl oder eine Sachbeschädigung erkennt. Bislang steht nicht mit der nach § 29b Abs. 2 Satz 1 DSG NRW erforderlichen Gewissheit fest, dass ein solches Vorgehen Verstöße weniger effektiv verhindern könnte als eine generelle Aufzeichnung der erhobenen Daten.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die von der Beklagten geschilderten Erfolge der bisherigen Videoüberwachung maßgeblich auf die Speicherung der erhobenen Daten zurückzuführen sind. Eine systematische Auswertung der aufgezeichneten Bilder ist bisher nicht erfolgt. Es ist auch nicht erkennbar, dass anlassbezogen die Notwendigkeit bestanden hätte, auf gespeicherte Bilder zurückzugreifen, um Verstöße aufzuklären oder beweisen zu können. Zur Aufklärung festgestellter Diebstähle oder Sachbeschädigungen wäre ein solches Vorgehen auch allenfalls ausnahmsweise sinnvoll, nämlich dann, wenn der Verstoß zeitlich relativ eng eingegrenzt werden kann.

Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass der mit der Videobeobachtung verbundene Abschreckungseffekt wesentlich geringer wäre, wenn eine generelle Speicherung der erhobenen Daten unterbliebe. Wie dargelegt, ist schon die bloße Videobeobachtung geeignet, von der Begehung von Verstößen abzuschrecken. Der überwiegende Teil potenzieller Täter wird Verstöße bereits deshalb unterlassen, weil er nicht sicher sein kann, ob sein Fehlverhalten mit Hilfe der Kameras beobachtet würde. Dafür, dass eine nennenswerte Zahl von Benutzern das Risiko eingehen würde, bei der Begehung von Diebstählen oder Sachbeschädigung auf dem Bildschirm beobachtet zu werden, sich jedoch durch eine Speicherung der erhobenen Daten von solchen Taten abhalten ließe, ist nichts ersichtlich. Jedenfalls der weit überwiegenden Zahl der Benutzer muss klar sein, dass eine systematische nachträgliche Auswertung der aufgezeichneten Bilder schon aus personellen Gründen allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann.

Ende der Entscheidung

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