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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 23.02.2007
Aktenzeichen: 16 B 178/07
Rechtsgebiete: VwGO, Richtlinie 91/439/EWG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
Richtlinie 91/439/EWG Art. 1 Abs. 2
Richtlinie 91/439/EWG Art. 8 Abs. 2
Der Senat geht auch unter Berücksichtigung des EuGH-Beschlusses vom 28.2.2006 - C-340/05 (Rechtssache Kremer) -, DAR 2007, 77, weiter davon aus, dass Ordnungsverfügungen, mit denen inländische Behörden unter Berufung auf fortbestehende und vom Fahrerlaubnisinhaber nicht ausgeräumte Zweifel an seiner Fahreignung das Gebrauchmachen von einer EU-Fahrerlaubnis in Deutschland untersagen, nicht offensichtlich rechtswidrig sind, wenn sich die Umstände des Erwerbs der ausländischen Fahrerlaubnis bzw. das Sichberufen auf europarechtliche Freizügigkeitsverbürgungen als missbräuchlich darstellen.
Tatbestand:

Der Antragsteller wandte sich mit dem Begehren an das Verwaltungsgericht und nachfolgend an das OVG, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen eine Ordnungsverfügung des Antragsgegners wiederherzustellen, mit der ihm das Gebrauchmachen von einer tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland untersagt worden war. Der Antrag blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Gründe:

Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung durch den Senat führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.

Die Begründung für die sofortige Vollziehbarkeit der Ordnungsverfügung entspricht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Sie lässt erkennen, dass dem Antragsgegner der Ausnahmecharakter des Sofortvollzuges bewusst war. Im Übrigen liegt es in der Natur der Sache und stellt daher keinen Mangel der Begründung dar, wenn sich die für den Sofortvollzug anzuführenden Gründe weitgehend mit den materiellen Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis decken.

Die Interessenabwägung des VG geht aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zu Lasten des Antragstellers aus. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung - vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.9.2006 - 16 B 989/06 -, Blutalkohol 43 (2006), 507, sowie Juris - steht dem auch nicht die bisherige Rechtsprechung des EuGH - vgl. Urteil vom 29.4.2004 - C-467/01 (Rechtssache Kapper), NJW 2004, 1725, und Beschluss vom 6.4.2006 - C-227/05 (Rechtssache Halbritter), NJW 2006, 2173 - entgegen. Nichts anderes gilt im Hinblick auf die - soweit ersichtlich - neueste Entscheidung des EuGH zu diesem Themenkomplex.

Vgl. EuGH, Beschluss vom 28.9.2006 - C-340/05 (Rechtssache Kremer) -, DAR 2007, 77, außerdem veröffentlicht unter http://curia.eu (aufrufbar über "Aktuelles" und "Suchformular").

In dieser Rechtssache hat der EuGH hervorgehoben, dass ein Mitgliedstaat auch dann Fahrerlaubnisse anzuerkennen hat, die in einem anderen Mitgliedstaat der EG ausgestellt worden sind, wenn im erstgenannten Mitgliedstaat zuvor eine Maßnahme des Entzugs einer früher erteilten Fahrerlaubnis ohne gleichzeitige Anordnung einer Sperrfrist angewendet worden ist. Damit dürfte klargestellt sein, dass nicht nur (nach dem Ablauf der Sperrfrist für die Wiedererteilung) strafrechtlich-repressive Fahrerlaubnisentziehungen, sondern auch präventiv-polizeiliche Maßnahmen bzw. die dazu führenden Eignungsmängel durch die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis im EG-Ausland gleichsam überholt werden können. Der EuGH hat indessen auch in der Rechtssache Kremer nicht zu den unter dem Schlagwort des "Führerscheintourismus" zusammengefassten - zahlreichen - Missbrauchsfällen Stellung bezogen, in denen es im Kern gerade nicht um das Gebrauchmachen von europarechtlichen Freizügigkeitsrechten geht, sondern in denen die Betroffenen ohne erkennbare Bindungen zum Ausstellerstaat lediglich die nach wie vor bestehenden Unzulänglichkeiten im innereuropäischen Informationsaustausch ausnutzen, um die regelmäßig strengeren fahrerlaubnisrechtlichen Vorschriften des Heimatstaates zu umgehen und dabei gegebenenfalls auch die Fahrerlaubnisbehörden des Ausstellerstaates über die vormalige Fahrerlaubnisentziehung bzw. die einer Wiedererlangung der Fahrerlaubnis im Heimatstaat entgegenstehenden Eignungsbedenken täuschen. Daher sieht der Senat weiterhin keinen Anlass, von seiner oben genannten Rechtsprechung abzugehen, die dem im Grundsatz auch vom EuGH anerkannten Verbot der missbräuchlichen Inanspruchnahme europarechtlicher Freizügigkeitsverbürgungen und unabweisbaren Sicherheitsinteressen des Straßenverkehrs Rechnung trägt. Auch wenn im Übrigen der vom VG hervorgehobene Verstoß des Antragstellers gegen das Wohnsitzerfordernis (Art. 7 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 9 der Führerschein-Richtlinie 91/439/EWG vom 29.7.1991) es für sich gesehen nicht rechtfertigt, der tschechischen Fahrerlaubnis des Antragstellers die Anerkennung zu versagen, ist dieser Verstoß jedenfalls als ein wesentliches Element des dem Antragsteller vorzuhaltenden Missbrauchsverhaltens zu berücksichtigen. Sonstige Umstände, die vorliegend ausnahmsweise ein dem Antragsteller günstigeres Ergebnis rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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