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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 25.06.2004
Aktenzeichen: 18 A 2192/04
Rechtsgebiete: AuslG, BGB


Vorschriften:

AuslG § 30 Abs. 3
AuslG § 30 Abs. 4
AuslG § 55 Abs. 2
BGB § 1896 Abs. 1 S 1
Der Umstand, dass für einen volljährigen Ausländer gemäß § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB durch das Vormundschaftsgericht ein Betreuer bestellt worden ist, begründet für sich genommen keine Unmöglichkeit seiner Abschiebung aus rechtlichen Gründen im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG und demzufolge keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aus § 30 Abs. 3 oder 4 AuslG.
Tatbestand:

Für den Kläger, einen volljährigen Ausländer, wurde durch amtsgerichtlichen Beschluss vom 26.9.2001 ein Betreuer für den Aufgabenkreis u. a. der Aufenthaltsbestimmung, der Rechtsangelegenheiten und der Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden bestellt. Seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 Abs. 3 bzw. Abs. 4 AuslG lehnte der Beklagte ab. Die dagegen erhobene Klage wurde vom VG durch Urteil vom 18.3.2004 abgewiesen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die vom Kläger zunächst aufgeworfene Frage, ob und inwieweit ein vormundschaftsgerichtlicher Betreuungsbeschluss bindende Wirkung gegenüber der Ausländerbehörde hat, bedarf keiner grundsätzlichen Klärung. Es steht außer Frage und ist weder vom VG noch vom Beklagten angezweifelt worden, dass der Beschluss des AG O. vom 26.9.2001, durch den der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu dessen berufsmäßigem Betreuer für den Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung, der Vermögensangelegenheiten, der Rechtsangelegenheiten und der Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden bestellt wurde, wirksam und zu beachten ist. Insbesondere ist die Klage entgegen dem Vortrag des Klägers nicht etwa abgewiesen worden, weil das VG die Ansicht vertreten hätte, dem Betreuungsbeschluss käme keine bindende Wirkung zu.

Die weiter aufgeworfene Frage, ob durch die vormundschaftsgerichtliche Feststellung, dass eine Krankheit bzw. Behinderung im Sinne von § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt, ein rechtliches Abschiebungshindernis im Sinne von § 30 Abs. 3 bzw. Abs. 4 AuslG begründet wird, ist ebenfalls nicht grundsätzlich zu klären. Der Umstand, dass ein volljähriger Ausländer aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann und deshalb gemäß § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB durch das Vormundschaftsgericht ein Betreuer bestellt worden ist, begründet für sich genommen keine Unmöglichkeit seiner Abschiebung aus rechtlichen Gründen im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG und demzufolge keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aus § 30 Abs. 3 oder Abs. 4 AuslG. Eine Abschiebung ist aus rechtlichen Gründen im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG unmöglich, wenn sie aus rechtlichen Gründen nicht durchgeführt werden darf, weil ein Abschiebungsverbot (§ 51 Abs. 1 AuslG) oder ein zwingendes Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG oder aufgrund vorrangigen Rechts, namentlich der Grundrechte, gegeben ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 C 19.96 -, InfAuslR 1998, 213 (214) = DVBl. 1998, 722 f.

Dass bzw. inwiefern vorrangiges Recht, insbesondere eine grundrechtliche Wertentscheidung, in jedem Fall einer gerichtlichen Betreuerbestellung zu einem zwingenden Abschiebungshindernis führen soll, hat der Kläger, der sich lediglich auf seine Betreuungsbedürftigkeit und das Erfordernis der Beachtung des in dem Betreuungsbeschluss festgelegten Aufgabenkreises beruft, nicht dargelegt. Dass ein solches Abschiebungshindernis aus dem bloßen formalrechtlichen Umstand einer Betreuerbestellung nicht herzuleiten ist, ergibt sich bereits daraus, dass der Umfang der erforderlichen Betreuung und damit der festgelegte Aufgabenkreis von Fall zu Fall unterschiedlich ist. Ob die zur Bestellung eines Betreuers führende Krankheit oder Behinderung im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB von solcher Art und Schwere ist, dass Grundrechte einer Abschiebung des Betroffenen entgegenstehen, insbesondere ihm eine Abschiebung unzumutbar ist, kann nur aufgrund einer Würdigung der Besonderheiten seines Einzelfalles unter Berücksichtigung seiner gesamten Lebensumstände und Bindungen in der Bundesrepublik Deutschland beurteilt werden und ist einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

Lediglich ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass das vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachte enge persönliche Verhältnis zu seinem Betreuer mit einer unter dem Schutz des Art. 6 GG stehenden familiären Lebensgemeinschaft nicht vergleichbar ist. Vielmehr ist durch das BVerfG, Beschluss vom 10.2.1960 - 1 BvR 526/53, 29/58 -, BVerfGE 10, 302 (328) = NJW 1960, 811 ff. (nach damaligem Recht betreffend den Vormund eines volljährigen Mündels), geklärt, dass der Betreuer bzw. Vormund als solcher nicht Mitglied der Familie, sondern Vertrauensperson des Staates ist und dass Art. 6 GG durch eine Beschränkung vormundschaftsgerichtlicherseits eingeräumter Befugnisse des Betreuers bzw. Vormunds durch hoheitliche Maßnahmen - wie hier durch die Versagung einer Aufenthaltsgenehmigung und gegebenenfalls eine Abschiebung - nicht betroffen sein kann.

Ende der Entscheidung

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