Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 11.03.2002
Aktenzeichen: 18 B 849/01
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 49 Abs. 1
AuslG § 49 Abs. 2 Satz 1
AuslG § 50 Abs. 1
AuslG § 50 Abs. 5
1. Die an einen inhaftierten Ausländer gerichtete Abschiebungsandrohung ist grundsätzlich auch dann rechtmäßig, wenn die Ausreisefrist in die Haftzeit fällt.

2. Gleiches gilt, wenn gemäß § 50 Abs. 5 AuslG von einer Fristsetzung abgesehen und alternativ eine Ausreisefrist bestimmt worden ist.


Gründe:

Die zugelassene Beschwerde ist begründet.

Der Aussetzungsantrag ist auch insoweit abzulehnen, als mit ihm die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Abschiebungsandrohung in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 7.12.2000 beantragt worden ist. Denn die Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 50 Abs. 1 AuslG. Der Antragsteller, der die für ihn erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht besitzt, ist ausreisepflichtig (§ 42 Abs. 1 AuslG). Seine Ausreisepflicht ist auch vollziehbar. Dies folgt aus § 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG, weil er bei Ablauf der Geltungsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis noch nicht deren Verlängerung beantragt hatte. Seine Aufenthaltserlaubnis endete mit dem 8.4.1999. Einen Verlängerungsantrag stellte der Antragsteller aber erst am 15.4.1999. Jener vermochte die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nicht nachträglich entfallen zu lassen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.4.1995 - 18 B 3183/93 -, NWVBl. 1995, 438 = EZAR 030 Nr. 2 = NVwZ-RR 1996, 173.

Die dem Antragsteller gesetzte Ausreisefrist ist nicht zu beanstanden. Sie ist entgegen der Auffassung des VG namentlich nicht deshalb rechtswidrig, weil sie in die Haftzeit des Antragstellers fiel und ihm damit ein (angeblich) "rechtlich unmögliches Gebot" auferlegte. Nach der Rechtsprechung des Senats und des ebenfalls mit dem Ausländerrecht befassten 17. Senat des Gerichts , - vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15.8.1996 - 18 B 3506/95 - und vom 5.7.1996 - 17 B 1916/95 - an der nach erneuter Überprüfung festgehalten wird, ist es unbedenklich, wenn die einem inhaftierten Ausländer gesetzte Ausreisefrist während der Strafhaft abläuft.

Ebenso Hamb. OVG, Beschluss vom 5.5.1993 - Bs VII 65/93 -, EZAR 044 Nr. 7 -; Renner, Ausländerrecht, 7. Auflage, § 50 AuslG Rn. 12; Funke-Kaiser in GK-AuslR § 50 AuslG Rn. 89.

Mit der Bestimmung einer Ausreisefrist wird generell der Zweck verfolgt, es dem Ausländer zu ermöglichen, seine beruflichen und persönlichen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet abzuwickeln sowie - im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG - ggf. wirksamen Rechtsschutz zu erlangen. Zur wesentlichen Funktion der Ausreisefrist gehört es darüber hinaus grundsätzlich auch, dem Ausländer Gelegenheit zu geben, einer Abschiebung durch eine freiwillige Ausreise zuvorzukommen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.12.1997 - 1 C 14.96 -, InfAuslR 1998, 217 = NVwZ-RR 1998, 454 = AuAS 1998, 111 = Buchholz 402.240 § 50 AuslG 1990 Nr. 3 = EZAR 041 Nr. 4; BT-Drucks. 11/6321 S. 70 f.

Letzteres steht jedoch - wie § 50 Abs. 5 AuslG verdeutlicht - unter dem Vorbehalt des § 49 Abs. 1 2. Alt. und Abs. 2 Satz 1 AuslG, der im Falle der Haft des Abzuschiebenden von der Notwendigkeit einer Überwachung der Ausreise aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeht. Dementsprechend bezweckt die gegenüber einem inhaftierten Ausländer erlassene Abschiebungsandrohung nicht, dem Ausländer innerhalb einer bestimmten Frist eine freiwillige Ausreise zu ermöglichen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ausländerbehörde von der ihr durch § 50 Abs. 1 AuslG uneingeschränkt eingeräumten Möglichkeit einer Fristbestimmung Gebrauch macht oder davon nach dessen Absatz 5 absieht, der den Verzicht auf eine Fristsetzung u.a. bei einem inhaftierten Ausländer ermöglicht, nicht aber zwingend vorschreibt.

Vgl. BT-Drucks. 11/6321 S. 74; Renner und Funke-Kaiser, jeweils a.a.O.

Die mit einer Fristsetzung verbundene Abschiebungsandrohung hat in derartigen Fällen allein den Charakter der in § 50 Abs. 5 AuslG geforderten Ankündigung der Zwangsmaßnahme, wobei die Ankündigung - insoweit in Übereinstimmung mit der Fristsetzung - dazu dient, dass sich der Ausländer auf die Abschiebung einstellen und seine Angelegenheiten innerhalb der gesetzten Frist regeln kann.

Vgl. Hamb. OVG, a.a.O.

Die Abschiebungsandrohung ist schließlich auch insoweit rechtsfehlerfrei, als in ihr in Anwendung des § 50 Abs. 5 AuslG dem Antragsteller zuvörderst die Abschiebung aus der Haft heraus angekündigt und lediglich hilfsweise eine Ausreisefrist für den Fall festgesetzt worden ist, dass er (ohne abgeschoben worden zu sein) aus der Strafhaft entlassen werden sollte. Beide Regelungen stehen alternativ zueinander und beeinträchtigen deshalb nicht die Bestimmtheit der angeordneten Maßnahme. Für den Antragsteller war ohne weiteres erkennbar, dass seine Abschiebung unmittelbar aus der Haft heraus beabsichtigt war und die alternativ festgesetzte Ausreisefrist allein dazu diente, ihn nach einer Haftentlassung jederzeit abschieben zu können, ohne dass ihm eine neue, nach der Haftentlassung beginnende Ausreisefrist gesetzt werden sollte. Eine derartige Frist war auch der Sache nach nicht geboten. Einerseits hatte der Antragsteller während seiner Strafhaft hinreichend Gelegenheit, innerhalb der gesetzten Frist seine Angelegenheiten, ggf. unter Einschaltung von Mittelspersonen, zu regeln. Andererseits bestand wegen seiner Straffälligkeit aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ununterbrochen ein öffentliches Interesse daran, seine Abschiebung auch im Falle der Haftentlassung jederzeit vornehmen zu können, ohne daran durch Unwägbarkeiten gehindert zu werden, die sich etwa aus dem Zeitpunkt der von der Ausländerbehörde nicht beeinflussbaren Haftentlassung oder einer tatsächlichen Abschiebemöglichkeit (Flugtermin etc.) ergeben können.

Wenn sich somit die vom Antragsgegner in seiner Abschiebungsandrohung gesetzte Ausreisefrist als rechtmäßig erweist, dann kann offen bleiben, ob das VG in Ansehung der Rechtsprechung des BVerwG zur selbstständigen Anfechtbarkeit von Abschiebungsandrohung und Fristsetzung im Asylrecht - vgl. BVerwG, Urteil vom 3.4.2001 - 9 C 22.00 -, InfAuslR 2001, 357 = EZAR 224, 28 = AuAS 2001, 177 = DÖV 2001, 865 = NVwZ-Beil. I 2001, 113 - in Übereinstimmung mit der bisherigen Senatsrechtsprechung - vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.9.1996 -18 B 3505/95 -, NWVBl. 1997, 108 = OVGE 46, 51 = NVwZ-RR 1997, 194 (Ls); ebenso der 17. Senat des Gerichts, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3.1.2001 - 17 B 1922/00 - zu Recht aus einer fehlerhaften Ausreisefrist die Rechtswidrigkeit der gesamten Abschiebungsandrohung abgeleitet hat. Insoweit sei lediglich angemerkt, dass entgegen der dem angefochtenen Beschluss möglicherweise zu Grunde liegenden Auffassung angesichts des Wortlauts des § 50 Abs. 1 und Abs. 5 AuslG grundsätzlich wohl auch gegenüber einem inhaftierten Ausländer nicht eine Abschiebungsanordnung, sondern eine Abschiebungsandrohung zu erlassen sein dürfte.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.3.1993 - 11 S 529/93 -, InfAuslR 1994, 27; BT-Drucks. 11/6321 S. 74; Renner, a.a.O., § 50 Rn. 11.

Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Regelungen liegt allein darin, dass an die Stelle der Bestimmung einer Ausreisefrist im Regelfall die Ankündigung der Abschiebung tritt.

Ende der Entscheidung

Zurück