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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 15.11.2007
Aktenzeichen: 19 E 220/07
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 39 Abs. 1
1. Die Zusammenrechnung gemäß § 39 Abs. 1 GKG setzt voraus, dass die mehre ren Streitgegenstände jeweils einen selbstständigen wirtschaftlichen Wert oder, im Fall nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten, einen selbstständigen materiellen Gehalt haben.

2. Die Entlassung von der Schule einerseits und ein Hausverbot andererseits haben keinen selbstständigen materiellen Gehalt in diesem Sinne, wenn der Schüler mit seinem Rechtsschutzbegehren im Einzelfall allein das Ziel erstrebt, vorläufig wie- der am Unterricht teilnehmen zu dürfen.


Tatbestand:

Der Antragsteller beantragte vor dem VG die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen seine Entlassung von der Schule und ein schulrechtliches Hausverbot. Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, legte das VG dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auf und setzte den Streitwert auf 2.500 € fest. Die dagegen eingelegte Beschwerde, mit der eine Anhebung des Streitwerts für das erstinstanzliche Eilverfahren auf 5.000 € erstrebt wurde, blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Die Begründung, mit dem einstweiligen Rechtsschutzantrag seien sowohl das Hausverbot als auch die Schulentlassung angegriffen worden, und diese eigenständigen Maßnahmen würden unterschiedliche Stoßrichtungen verfolgen, rechtfertigt eine Anhebung des Streitwerts auf den zweifachen (wegen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens halbierten) Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG nicht.

Der Senat setzt in schulrechtlichen Verfahren, die eine Ordnungsmaßnahme oder ein Hausverbot betreffen, den jeweiligen Streitwert im Hauptsacheverfahren grundsätzlich in Höhe des Auffangstreitwertes gemäß § 52 Abs. 2 GKG fest.

Eine dem entsprechende Addition der Streitwerte nach § 39 Abs. 1 GKG, wonach in demselben Verfahren die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet werden, kommt hier jedoch nicht in Betracht.

Die Zusammenrechnung gemäß § 39 Abs. 1 GKG setzt voraus, dass die mehreren Streitgegenstände jeweils einen selbstständigen wirtschaftlichen Wert oder, im Fall nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten, einen selbstständigen materiellen Gehalt haben.

Vgl. zur früheren Rechtslage BVerwG, Beschlüsse vom 10.5.1971 - VIII C 35.68/143.70 -, Buchholz 310 § 189 VwGO Nr. 2, und vom 22.9.1981 - 1 C 23.81 -, juris.

Diese Voraussetzung ist in Bezug auf die die Zuständigkeit des Prozessgerichts regelnde Vorschrift des § 5 ZPO anerkannt, vgl. Herget, in: Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 5 Rn. 7 f. (insb. 8), nach der sich u. a. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. die Wertbestimmung für die Gerichtsgebühren richtete. Mit der Einführung des § 39 Abs. 1 GKG sollte die Grundregel des § 5 Halbsatz 1 ZPO für alle Gerichtsbarkeiten gelten.

Vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 154 zu § 39.

Ein Abgehen von der wirtschaftlichen oder materiellen Bewertung des vom Kläger verfolgten (Gesamt-)Interesses und damit von dem Verbot der Zusammenrechnung mehrerer Streitgegenstandswerte bei wirtschaftlicher oder materieller Unselbstständigkeit ist damit nicht verbunden.

Vgl. BayVGH, Beschluss vom 14.2.2007 - 5 C 07.369 -, juris.

Bei der Prüfung eines jeweils selbstständigen wirtschaftlichen oder materiellen Gehaltes als Voraussetzung für eine Addition der Streitwerte nach § 39 Abs. 1 GKG ist sowohl das konkrete Rechtsschutzziel des Klägers als auch das materiell-rechtliche Verhältnis der prozessualen Ansprüche zueinander zu berücksichtigen.

In diesem Sinne BVerwG, Beschlüsse vom 10.5.1971, a.a.O., vom 22.9.1981 - 1 C 23/81 -, juris, und vom 29.1.1982 - 1 B 1/82 -, juris.

Bei den Anträgen gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO betreffend die Entlassung von der Schule einerseits und das Hausverbot andererseits handelt es sich zwar rechtlich um zwei Streitgegenstände. Eine Verdopplung des Streitwerts nach § 39 Abs. 1 GKG kommt in diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren indes nicht in Betracht, weil nicht beide Streitgegenstände eine jeweils selbstständige Bedeutung für den Antragsteller im Sinne der vorstehend dargestellten Grundsätze haben.

Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass das vom Antragsteller erstrebte Ziel dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens allein darauf gerichtet war, vorläufig wieder am Unterricht teilnehmen zu dürfen. So wird im ersten Hauptantrag unter anderem ausdrücklich beantragt, ihm den Besuch an der bislang besuchten Schule ab sofort vorläufig zu gestatten. Auf Seite 4 der Antragsschrift und auf Seite 3 des mit dem Antrag eingereichten Widerspruchsschreibens heißt es, er habe versucht, am Unterricht teilzunehmen, was ihm der Antragsgegner jedoch verwehrt habe. Zudem hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 25.1.2007 um eine kurzfristige Entscheidung gebeten, weil er dringend wieder zur Schule müsse, um den Anschluss an seine Klasse nicht vollständig zu verpassen. Schließlich hat er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, weil er zwischenzeitlich wieder am Unterricht seiner bisherigen Klasse teilnehmen konnte. Unter Würdigung dieser sich aus dem Sach- und Streitstand ergebenden Anhaltspunkte ist die Annahme berechtigt, dass der Antragsteller nur deshalb sowohl gegen die Entlassung von der Schule als auch gegen das Hausverbot vorgegangen ist, um sein Begehren auf vorläufige Teilnahme am Unterricht verwirklichen zu können. Demgegenüber liegt kein greifbarer Anhalt dafür vor, dass er darüber hinaus bezweckt hat, das Schulgelände auch aus anderen Gründen (z. B. anlässlich einer beabsichtigten Sportplatz- oder Turnhallennutzung oder des Besuchs einer kulturellen Schulveranstaltung) betreten zu wollen.

Die Annahme der Unselbstständigkeit des Hausverbots im Verhältnis zur Entlassung von der Schule ist hier auch bei materiell-rechtlicher Betrachtungsweise folgerichtig. Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller eine vorläufige Teilnahme am Unterricht schon durch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entlassung von der Schule erreicht hätte. Denn das Hausverbot im Bescheid des Antragsgegners bildet nach dem Sachzusammenhang dieses Bescheides lediglich einen Annex zu dem zugleich ausgesprochenen vorläufigen Ausschluss des Antragstellers vom Unterricht vom 15. bis zum 20.12.2006. Das Hausverbot demgegenüber auf Dauer angelegt anzusehen, macht keinen Sinn. Der Antragsgegner konnte und musste nämlich am 15.12.2006 davon ausgehen, dass der Antragsteller nach dem 20.12.2006 und insbesondere nach den Weihnachtsferien die Schule weiter besuchen werde und wegen der Teilnahmepflicht sogar besuchen müsse. Dass die Teilkonferenz im Januar 2007 die sofortige Entlassung des Antragstellers von der Schule beschließen werde, konnte der Antragsgegner am 15.12.2006 in Ansehung der insoweit zu treffenden gesonderten Ermessensentscheidung noch nicht absehen. Dieser ging zwar in seinem Schriftsatz vom 30.1.2007 offenbar davon aus, dass das angeordnete Hausverbot auch über den 20.12.2007 hinaus Wirkung beanspruchte und sofort vollziehbar war. Es ist jedoch kein Grund dafür ersichtlich, dass er an dieser rechtsirrigen Auffassung festgehalten hätte, wenn das VG dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Entlassung von der Schule stattgegeben hätte.

Ende der Entscheidung

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