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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 10.12.2004
Aktenzeichen: 20 D 134/00.AK
Rechtsgebiete: LuftVG, VwVfG, LuftVO


Vorschriften:

LuftVG § 6 Abs. 4 Satz 2
LuftVG § 6 Abs. 5
LuftVG § 9 Abs. 2
LuftVG § 10 Abs. 2 Nr. 4
LuftVG § 10 Abs. 8 Satz 2
VwVfG §§ 48 ff.
VwVfG § 73 Abs. 6
VwVfG § 74 Abs. 2 Satz 3
VwVfG § 75 Abs. 2 Satz 2
LuftVO § 27a
Nach einem anerkannten Grundsatz des Verfahrensrechts ist die Behörde - bis zur Bestandskraft ihrer Entscheidung - befugt, jederzeit von sich aus einen von ihr erkannten oder auch nur als möglich unterstellten formellen oder materiellen Mangel zu beseitigen (hier durch so genanntes "ergänzendes Verfahren"). Rechtsgrundlage bilden insoweit diejenigen Vorschriften, die für die geänderte Entscheidung selbst gelten; für eine entsprechende Anwendung des § 10 Abs. 8 Satz 2 LuftVG ist kein Raum. Der gerichtlichen Prüfung ist die behördliche Entscheidung in der Fassung zugrunde zu legen, die sie durch eine solche "ergänzende Entscheidung" erhalten hat.

Zur Kapazitätsbestimmung von Start- und Landebahnen.

Zur Fluglärmberechnung auf der Basis der so genannten AzB99 (Betriebsrichtungsverteilung, 100/100-Regelung, Umkehrschub, Abflugstrecken, Summation von Lärmquellen, Prognosegrundlagen)

Es ist auf der Grundlage des erreichten Standes der Lärmwirkungsforschung gerichtlich nicht zu beanstanden, wenn die Luftfahrtbehörde bei der Gewährung baulichen Schallschutzes annimmt, mit einem energieäquivalenten Dauerschallpegel von 60 dB(A) einen angemessenen Abstand von der Grenze der fachplanerischen Unzumutbarkeit nach § 9 Abs. 2 LuftVG zu wahren.

Unter den Verhältnissen am Flughafen Düsseldorf lassen sich die Wirkungen der genehmigten Zunahme der Einzelschallereignisse von 71.000 auf 122.000 in den sechs verkehrsreichsten Monaten mit dem energieäquivalenten Dauerschallpegel hinreichend erfassen.

Zur Rechtfertigung verbleibender Belastungen durch Fluglärm, vor allem wegen Verschlechterung des Wohnumfeldes in der Flughafennachbarschaft, durch öffentliche Verkehrsinteressen.

Zu der wegen fortdauernder Betriebseinengungen fehlenden Notwendigkeit, neben der Gewährung von baulichem Schallschutz und Außenbereichsentschädigung aktiven Lärmschutz durch weitergehende Beschränkungen des Flugbetriebs anzuordnen.


Tatbestand:

Die Kläger wandten sich gegen eine luftverkehrsrechtliche Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG, mit der eine Erhöhung der Flugbewegungszahl am Flughafen Düsseldorf zugelassen worden ist.

Die beiden klagenden Gemeinden liegen mit dicht besiedelten Ortsteilen in der nordöstlichen bzw. südwestlichen Verlängerung der Hauptstart- und -landebahn des Flughafens und machen die Beeinträchtigung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Kindertagesstätten, Kindergärten, Altentagesstätten, Wohnheime und Friedhöfe) und Wohngrundstücke im Flughafennahbereich geltend. Der klagende Verein betreibt Krankenanstalten auf Flächen nordwestlich der Parallelbahn des Flughafens. Die übrigen 14 Kläger sind Eigentümer selbstgenutzter Grundstücke seitlich oder unterhalb der An- und Abflugstrecken.

Der Verkehrsflughafen Düsseldorf verfügt heute über ein abhängiges Parallelbahnsystem. Im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um die Verlängerung der Hauptbahn und den Bau der zweiten Bahn schlossen u.a. die Beigeladene und Gemeinden des damaligen Amtes Angerland am 13.5.1965 einen Vergleich, den so genannten Angerland-Vergleich, in dem einem Generalausbauplan, der die Parallelbahn umfasst, als Endausbauzustand zugestimmt und die Nutzung der zweiten Bahn beschränkt wurde. Vergleich a) 1. Teil A II lautet: "Die ... vorgesehene Parallelbahn ist eine Ausweichbahn, d.h. diese Bahn wird ... nur in den Zeiten der Betriebsunterbrechung der Hauptstartbahn und sonst in den Zeiten des Spitzenverkehrs über Tage betrieben." Diese Beschränkung wurde in der Auflage Nr. 6 der Genehmigung zur Erweiterung der Anlage um die Parallelbahn vom 3.10.1976 aufgegriffen. Sie lautete: "Die Anzahl der Flugbewegungen auf den Start- und Landebahnen 06 R/24 L und 06 L/24 R darf die mögliche Endkapazität der vorhandenen Start- und Landebahn 06/24 nicht übersteigen. Deshalb dürfen 91.000 Flugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten des Jahres nicht überschritten werden." Der Plan für die Parallelstart- und -landebahn wurde mit Beschluss vom 16.12.1983 und Planänderungsbeschluss vom 18.11.1985 festgestellt. In Anpassung daran wurden die flugbewegungsbegrenzenden Betriebsregelungen der Erweiterungsgenehmigung neu gefasst. Danach durfte die Zahl der auf dem Parallelbahnsystem zulässigen Flugzeugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten eines Jahres 91.000 nicht überschreiten; davon durften 71.000 Bewegungen im gewerblichen Luftverkehr mit Flugzeugen über 5,7 t höchstzulässiger Startmasse stattfinden. Ferner wurden stündliche Eckwerte für die Flughafenkoordinierung vorgegeben. Bevor diese Regelungen Beachtung verlangt hätten, ersetzte der Beklagte sie zunächst durch eine so genannte "Lärmkontingent-Genehmigung" vom 10.12.1997 (MBl. NRW 1998, 912), hob diese aber ersatzlos auf, nachdem sie vom OVG außer Vollzug gesetzt worden war (OVG NRW, Beschlüsse vom 28.5.1999 - 20 B 675/98.AK u.a.). Nach der übergangsweisen Zulassung eines erweiterten Betriebs durch eine so bezeichnete "Interimsgenehmigung" fasste der Beklagte die Auflagen Nrn. 6 und 9 der Betriebsgenehmigung durch die vorliegend streitgegenständliche so genannte "Einbahnkapazitäts-Genehmigung" vom 21.9.2000 (MBl. NRW 2000, 1523) neu, indem Koordinierungseckwerte für einzelne Tageszeiträume festgelegt werden. Diese ermöglichen eine Steigerung der Gesamtflugbewegungen im Linien- und Charterflugverkehr in den sechs verkehrsreichsten Monaten auf maximal 122.176. Während der gegen diese Änderungsgenehmigung eingeleiteten Klageverfahren führte der Beklagte ein von ihm so genanntes "ergänzendes Verfahren" durch und schloss dieses mit einer "ergänzenden Entscheidung" zur Einbahnkapazitäts-Genehmigung ab. Denn das OVG hatte vorläufige Rechtsschutzanträge zwar mit Beschlüssen vom 24.5.2002 (OVG NRW 20 B 1600/00.AK u.a.) abgelehnt, darin aber Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Abwägung zum Ausdruck gebracht. In der "ergänzenden Entscheidung" wurden auf der Grundlage weiterer Erwägungen das in der Einbahnkapazitäts-Genehmigung noch durch die Grenzlinie eines Dauerschallpegels (Leq4) von 62 dB(A) bestimmte Tagschutzgebiet nunmehr durch einen Dauerschallpegel (Leq3) von 60 dB(A) festgelegt und die Erstattungsansprüche ausgeweitet. Zudem wurde die Plicht der Flughafenunternehmerin zur Zahlung einer Entschädigung von 2 % des Verkehrswertes des Grundstücks für die Nutzungsbeeinträchtigung solcher Außenwohnbereiche angeordnet, die innerhalb der Lärmkontur eines Dauerschallpegels von 65 dB(A) liegen. Die Kläger griffen die Einbahnkapazitäts-Genehmigung auch in der geänderten Fassung umfassend an. Ihre Klagen hatten keinen Erfolg.

Gründe:

Die Klagen sind zulässig. Sie richten sich statthafterweise gegen die Änderungsgenehmigung des Beklagten in der Fassung der ergänzenden Entscheidung.

Ein Genehmigungsbescheid und ein auf ihn bezogener ändernder Bescheid bilden eine Einheit, weil sie in ihrer Gesamtheit umreißen, was erlaubt ist und gegebenenfalls von der Umgebung hingenommen werden muss.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2.9.2004 - 20 D 13/98.AK -, Urteilsabdruck S. 19 unter Bezug auf OVG NRW, Urteil vom 30.10.1996 - 21 D 2/89.AK -.

Gerade die vorliegend im ändernden Bescheid vom 5.6.2003 erneut aufgegriffene Abwägung, die der Bewältigung der durch die vorausgegangene Änderung der Betriebsregelung des Flughafens hervorgerufenen Probleme dient, steht in einem untrennbaren planungsrechtlichen Zusammenhang mit dem Vorhaben. Es kann dahinstehen, ob und in welchen Fällen von dieser Zusammenfassung, die grundsätzlich auch prozessuale Wirkung entfaltet, eine Ausnahme gemacht werden kann; denn die Anfechtungsbegehren sind hier ausdrücklich auf die Entscheidung vom 5.6.2003 erstreckt worden.

Der weiteren Beurteilung ist daher die Genehmigung in der Fassung des Bescheides vom 5.6.2003 zugrunde zu legen. Bedenken dagegen, dass der letztgenannte Bescheid wirksam geworden ist, bestehen nicht.

Dem Beklagten stand es frei, das "ergänzende Verfahren" durchzuführen und mit einer erneuten, auf die Änderungsgenehmigung in ihrer Ursprungsfassung einwirkenden Entscheidung abzuschließen. Nach einem anerkannten Grundsatz des Verfahrensrechts, der unabhängig von den Vorschriften der Planfeststellung gilt, darf die Behörde bis zur Bestandskraft ihrer Entscheidung jederzeit - gegebenenfalls unter Wiederholung früherer Verfahrensabschnitte - einen von ihr erkannten oder auch nur als möglich unterstellten formellen wie auch materiellen Mangel beseitigen. Sie ist insbesondere befugt, das Verfahren wieder aufzunehmen und es (erneut) zu Ende zu führen, wie es hier geschehen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.11.2002 - 4 A 15.02 -, NVwZ 2003, 485, 486; Urteil vom 12.12.1996 - 4 C 19.95 -, BVerwGE 102, 358, 360 f.; Urteil vom 31.3.1995 - 4 A 1.93 -, BVerwGE 98, 126, Ls. 3 und S. 129 f.

Das "ergänzende Verfahren" ist bei richtiger Betrachtung lediglich ein (weiterer) unselbständiger Abschnitt desselben Änderungsgenehmigungsverfahrens, das der Beklagte auf der Grundlage von § 6 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 und 2 LuftVG durchgeführt hat. Als Rechtsgrundlage erschließen sich von daher ohne weiteres diejenigen Vorschriften, die für die geänderte Entscheidung selbst gelten. Für eine entsprechende Anwendung des § 10 Abs. 8 Satz 2 LuftVG besteht weder Raum noch Notwendigkeit, zumal diese Vorschrift eine Modifizierung des prozessualen Aufhebungsanspruchs aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung beinhaltet und dabei die Möglichkeit eines ergänzenden behördlichen Verfahrens voraussetzt ("wenn"), also eine entsprechende Befugnis der Behörde als anderweitig begründet betrachtet. Die vom Beklagten gewählte Bezeichnung als "ergänzendes Verfahren" hat demgegenüber keine eigene materiell-rechtliche Bedeutung etwa im Sinne des § 10 Abs. 8 LuftVG.

Die ergänzende Entscheidung ist wirksam geworden. (Wird ausgeführt)

Die Änderungsgenehmigung vom 21.9.2000 in der danach maßgeblichen Fassung des Bescheids vom 5.6.2003 ist nicht aus Gründen rechtswidrig, die eine zur Aufhebung führende Verletzung von Rechten der Kläger einschließen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Formelle Mängel sind nicht gegeben. (Wird ausgeführt)

Der zugelassenen Erweiterung des Betriebs des Flughafens der Beigeladenen stehen keine zwingenden Hinderungsgründe entgegen:

Ein mit den Zielen des Luftverkehrsgesetzes im Sinne einer Planrechtfertigung, die nach der Rechtsprechung des BVerwG auch für luftrechtliche Änderungsgenehmigungen erforderlich ist, übereinstimmender Bedarf für die Anhebung der Flugbewegungszahl ist gegeben. Der Flughafen der Beigeladenen ist durch die Erweiterungsgenehmigung von 1976 auf 91.000 Flugbewegungen festgelegt, wovon nur 71.000 in dem für die luftverkehrliche Infrastruktur vor allem bedeutsamen gewerblichen Luftverkehr zulässig sind. Diese Genehmigung und die in ihr festgeschriebenen Flugbetriebsbeschränkungen bilden den ohne die streitige Änderungsgenehmigung beachtlichen Maßstab. Es besteht kein Zweifel und wird klägerseitig nicht in Frage gestellt, dass sich diese Größenordnung von dem tatsächlich abgewickelten Verkehr und dem deutlich gewordenen Nutzungsinteresse nachhaltig unterscheidet und den Plan einer Ausweitung des Bewegungskontingents trägt. Am Flughafen der Beigeladenen werden schon seit langem weitaus mehr als 71.000 Slots für den gewerblichen Verkehr vergeben und Bewegungen tatsächlich durchgeführt. Bereits jetzt kommt die Zahl der Flugbewegungen deutlich einem Umfang nahe, den der Beklagte in Vollziehung der vorliegenden Genehmigung im Linien- und Charterflugverkehr für realistischerweise erreichbar hält.

Eine punktuelle und randscharfe Betrachtung der tageszeitlichen Verteilung der Flugbewegungen und der Auslastung der verkehrenden Flugzeuge, ist jedenfalls bei der Planrechtfertigung nicht anzustellen; es ist allenfalls ein Posten im Rahmen der Abwägung, ob für Flugbewegungen im zugelassenen Umfang schon jetzt ein Bedarf besteht. Ferner ist einzustellen, dass mit einer Neuregelung des Betriebs Entwicklungschancen eingeräumt werden können, die dem Angebotscharakter der von der Beigeladenen betriebenen öffentlichen Verkehrsanlage unter veränderten Rahmenbedingungen Raum geben sollen. Schon von daher kommt der derzeitigen Bedarfssituation, die die Kläger analysieren, keine allein entscheidende Bedeutung zu.

Das genannte Planungsziel hat der Beklagte auf prinzipiell tauglichem Weg verfolgt. Mit der "möglichen Endkapazität der Hauptstart- und -landebahn" - der so genannten Einbahnkapazität - in Auflage Nr. 6.1 hat er ein zulässiges Kriterium gewählt; insbesondere war der Beklagte nicht aus kompetenzrechtlichen Gründen gehindert, in Nrn. 6.2 bis 6.4 der Änderungsgenehmigung in Konkretisierung der Einbahnkapazität Stundeneckwerte festzulegen. Dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ist gemäß § 27a Abs. 2 LuftVG lediglich die "Ermittlung" der Flughafenkapazität durch Bestimmung eines Koordinierungseckwertes als Grundlage der eigentlichen Flughafenkoordinierung vorbehalten. Dass auf der genehmigungsrechtlichen Ebene keine Festlegungen mit kapazitätsbeschränkender Wirkung, die bei der eigentlichen Flughafenkoordinierung als zwingende Vorgaben zu beachten sind, getroffen werden dürften, ergibt sich weder aus dieser Kompetenz noch aus § 27a LuftVG im Übrigen. Die Möglichkeit solcher Vorgaben ist vielmehr in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18.1.1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen der Gemeinschaft (ABl. Nr. L 14 vom 22.1.1993, S. 1) - seit der Verordnung (EG) Nr. 793/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93, ABl. Nr. L 138 vom 30.4.2004, S. 50 - nunmehr ausdrücklich (klarstellend) anerkannt. Nach dieser Verordnung, die im deutschen Recht unmittelbar maßgeblich ist (vgl. auch § 27a Abs. 1 LuftVG), sind bei der Ermittlung der "Parameter für die Zuweisung von Zeitnischen" neben allen relevanten technischen und betrieblichen auch die umweltschutzbedingten Einschränkungen zu berücksichtigen, zu denen insbesondere die in der planungsrechtlichen Zulassungsgrundlage des jeweiligen Flughafens aus Lärmschutzgründen verfügten betrieblichen Einschränkungen gehören.

Die über Stundeneckwerte konkretisierte Endkapazität der Hauptstart- und -landebahn ist auch geeignet, um ins Gleichgewicht zu bringen, was der Beigeladenen - nicht zuletzt auch zur Erfüllung öffentlicher Verkehrsinteressen - an Nutzbarkeit ihrer Verkehrsanlage zugestanden werden soll und der Flughafenumgebung an Belastungen zugemutet werden kann. Auf dieser Grundlage ist der Beklagte mit der genehmigungsrechtlichen Präzisierung der Einbahnkapazität durch stundenbezogene Eckwertvorgaben für die Flughafenkoordinierung in den Auflagen Nr. 6.2 bis 6.4 den konkurrierenden Belangen, also den öffentlichen Verkehrsinteressen, den wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen und den Interessen der Kläger, hinreichend gerecht geworden.

In dieser Abwägung bildet die Orientierung an der Einbahnkapazität eine (fortdauernde) Beschränkung zugunsten der Flughafenumgebung, die nicht eine bloße Fortschreibung von etwas ohnehin Geltendem darstellt, das in der Abwägung sowieso nicht zu überwinden gewesen wäre. Weder der Angerland-Vergleich noch die Erweiterungsgenehmigung in ihrer ursprünglichen Fassung noch der Planfeststellungsbeschluss oder sonstige Umstände geben die Einbahnkapazität und/oder ein zwingendes Verständnis dieses Begriffs vor:

Im Angerland-Vergleich ist keine Betriebsbeschränkung mittels der Einbahnkapazität festgeschrieben.... (Wird ausgeführt)

Allerdings hat der Beklagte die Einbahnkapazität nunmehr in nicht nur marginaler Hinsicht abweichend vom Planfeststellungsbeschluss 1983 bestimmt, wie schon die für die mögliche Endkapazität angenommene Steigerung der Gesamtflugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten von 91.000 (im Planfeststellungsbeschluss 1983) auf 122.176, also um gut 34 % verdeutlicht. An dieser Neubestimmung war der Beklagte durch keine zwingende Vorgabe gehindert. Die Kapazität einer Start- und Landebahn ist keine statische Größe; sie ergibt sich erst auf der Grundlage (auch) prognostischer und planerischer Annahmen über den abzuwickelnden Betrieb. Die dafür maßgebenden Kriterien enthalten sowohl tatsächliche - und damit sachverständiger Ermittlung zugängliche - Feststellungen als auch bewertende Elemente....

Unter diesen Gesichtspunkten ergibt sich die Anhebung der Koordinierungseckwerte in den Auflagen Nrn. 6.2 bis 6.4 gemäß der Änderungsgenehmigung nicht nur aus einer Anpassung an einen - unabhängig von der Genehmigungslage eingetretenen - technischen Fortschritt der Flugsicherungstechnik, sondern auch als Folge einer Modifizierung bisher maßgeblicher planerischer und wertender Rahmenbedingungen durch den Beklagten, mit denen eine Annäherung an das unter günstigen Bedingungen auf der Hauptstart- und -landebahn Abzuwickelnde im Sinne der technischen Kapazität einhergeht. Dazu legt der Beklagte - im Unterschied zur Kapazitätsbestimmung im Planfeststellungsverfahren - mit dem Kriterium der maximalen Praktischen Stündlichen Kapazität Betriebsbedingungen zugrunde, die bestimmte den konkreten Flugbetrieb in einzelnen Zeiträumen möglicherweise limitierende Faktoren ausklammern, wie ungünstige Wetterbedingungen oder Verkehrszusammensetzungen. Auch mit dem Verzögerungsmaß (der durchschnittlichen Verzögerung von Starts oder Landungen innerhalb der Stunde) von nunmehr acht, statt bisher vier Minuten geht der Beklagte von einem bislang maßgeblichen Element der Kapazitätsbetrachtung im Planfeststellungsbeschluss 1983 ab.... Zudem hebt der Beklagte nunmehr vorrangig auf die Betrachtung von Kurzzeiträumen ab und verzichtet auf die Festlegung einer Gesamtzahl für den Sechs-Monats-Zeitraum. Insofern legt er für die als dauerhaft betrachtete Erweiterungsstufe nicht nur - weiterhin - einen hohen Auslastungsgrad der Bahn zugrunde, sondern geht über die planerischen Annahmen hinaus, die als kapazitätsbestimmende Faktoren bisher in die Berechnungsgrundlagen eingestellt worden waren. Damit hat er die Einbahnkapazität als begrenzenden Bezugspunkt der Genehmigungslage nach der Erweiterungsgenehmigung zwar nominell beibehalten, sie aber der Sache nach deutlich weiter gefasst.

Das jetzt zugrunde gelegte Verständnis der Einbahnkapazität ist noch mit dem Wortsinn vereinbar und überschreitet keine strikt zu beachtenden, also durch Abwägung nicht zu überwindenden Grenzen, insbesondere nicht solche aus dem Angerland-Vergleich. Die Umschreibung der Kapazität eines Flughafens ist ein zentrales Mittel zur planerischen Festlegung seiner potenziellen Nutzbarkeit. Dementsprechend liegt es grundsätzlich in der planerischen Gestaltungsmacht der zuständigen Luftfahrtbehörde, die kapazitätsregulierenden Faktoren letztverbindlich vorzugeben. Solche Vorentscheidungen trifft die Behörde vor allem mit der Wahl der einzustellenden wertenden Parameter hinsichtlich der Beschaffenheit der Anlagen oder - wie hier - der betrieblichen Randbedingungen, die den konkretisierungsbedürftigen Begriff der Kapazität erst handhabbar und die Tragweite der Zulassungsentscheidung einschätzbar machen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.12.1986 - 4 C 13.85 -, Urteilsabdruck S. 72, 63 f.

Die Bedenken der Kläger hiergegen sind unbegründet. Soweit sie wertende Festlegungen kritisieren, vernachlässigen sie die Gestaltungsbefugnis des Beklagten und verkennen im Übrigen die Funktion der Einbahnkapazität im planerischen Konzept der Änderungsgenehmigung. Denn der Beklagte zielt mit dem Kriterium der Einbahnkapazität von vornherein nicht auf eine möglichst realistische Beschreibung der Leistungsfähigkeit der Hauptstart- und -landebahn ab, sondern benutzt diesen Begriff als eine planerische Chiffre zur Kennzeichnung des äußersten Rahmens, der der Beigeladenen an Nutzbarkeit des Parallelbahnsystems zugestanden werden soll. Zu diesem Zweck soll das Kriterium so ausgefüllt werden, dass die Einbahnkapazität (im Sinne möglicher Stundenkapazität) nicht "schon von der Planung her überschritten und die Zweibahnkapazität in Anspruch genommen" wird. Mit dieser Vorgabe behält der Beklagte die Betrachtung des Planfeststellungsbeschlusses in wesentlicher Hinsicht bei, nach der ebenfalls "von der Flugplanung her" ein Anstieg der Lärmbelastung in den Spitzenstunden verhindert werden sollte. Festlegungen zu treffen, die schon im Rahmen der Flughafenkoordinierung die volle Nutzung des Parallelbahnsystems erfordern, bleibt der Beigeladenen daher weiterhin verwehrt.

...

War der Beklagte somit bei der Aufnahme und Handhabung des Kapazitätskriteriums weder an gesetzliche noch vertragliche Vorgaben gebunden, so war die Änderung auch ohne Bindung an die Regelungen im Planfeststellungsbeschluss möglich. Das Gesetz setzt die rechtliche Möglichkeit einer nachträglichen Änderung der betriebsbezogenen Planung ausdrücklich voraus (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 2, § 8 Abs. 4 Satz 2 LuftVG). Eine Beschränkung der planerischen Gestaltungsfreiheit auf bestimmte Fallkonstellationen, wie sie etwa in den §§ 48 ff. VwVfG für Rücknahme und Widerruf bestandskräftiger Verwaltungsakte oder ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vorgesehen sind und deren Vorliegen der Behörde erst die Ermessensentscheidung eröffnet, besteht dabei nicht. Denn die besonderen Anforderungen, welchen die Planung als Verwirklichung eines Vorhabens unter möglichst optimalem Ausgleich verschiedener, teilweise miteinander konkurrierender öffentlicher und privater Belange gerecht zu werden hat, können von den §§ 48 ff. VwVfG nicht geleistet werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.9.1992 - 4 C 34-38.89 -, BVerwGE 91, 17, 22.

Ebenso wenig verbieten Erwägungen des Vertrauensschutzes eine Abweichung von der bisherigen Definition der Einbahnkapazität. Zwar können Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes bei den von einem Vorhaben Betroffenen im Einzelfall durchaus Bedeutung erlangen; vorliegend ist ein schutzwürdiges Vertrauen auf Ausbleiben jeglicher Änderung aber nicht anzuerkennen....

Ein zur Aufhebung der Änderungsgenehmigung führender Abwägungsmangel ist nicht festzustellen. Die Genehmigung gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG ist, unbeschadet ihrer betrieblichen Ausrichtung, eine planerische Entscheidung, die in Abwägung der Vor- und Nachteile des beantragten Betriebs zu ergehen und dabei die berührten öffentlichen und privaten Belange in einen angemessenen Ausgleich zu bringen hat. Dies ist dem Beklagten jedenfalls im Hinblick auf das, was die Kläger an Belangen einbringen können, gelungen. Die rechtliche Betrachtung kann und muss sich darauf beschränken, hat also bei den klägerseitig erhobenen Einwänden im Blick zu behalten, ob etwas und was dafür spricht, dass gerügte Mängel zu einem rechtswidrigen Ergebnis der Abwägung auch und gerade zulasten eines Klägers geführt haben....

Die durch den genehmigten verstärkten Flugbetrieb zusätzlich verursachten Luftverunreinigungen, die mit dem Vorhaben zwangsläufig verbunden sind und denen nicht durch Schutzvorkehrungen zu begegnen ist, lassen keine nachteiligen Wirkungen auf Rechte der Kläger besorgen. (Wird ausgeführt)

Was die Lärmbelastung der Umgebung angeht, hat der Beklagte das auf der Grundlage der Änderungsgenehmigung zu Erwartende zutreffend erfasst und fehlerfrei bewertet. Das lärmphysikalische Gutachten und die ergänzenden Berechnungen, deren Ergebnisse sich der Beklagte zueigen gemacht hat, bewegen sich insgesamt auf gut abgesicherten und lange anerkannten Grundlagen, insbesondere was die Heranziehung der Berechnungsvorschrift in der Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen - AzB - (Erlass des Bundesministers des Innern vom 27.2.1975, GMBl. 1975, 162, mit Ergänzung vom 20.2.1984 - U II 4 - 560 120/43) angeht. Diese Grundlagen sind auch angesichts in der Fachliteratur und im Klägervorbringen aufgezeigter abweichender methodischer Ansätze und Möglichkeiten der Lärmermittlung tragfähig. Einzelne kritisierte Elemente der AzB (wie z.B. die Zeitbewertung "slow") haben eine normative Absicherung im Fluglärmgesetz (Anlage zu § 3). Die AzB-Methodik ist allgemein bekannt und gewohnt im Umgang; sie liegt den meisten Erkenntnissen zur Wirkung von Fluglärm zugrunde und ist - auch international - am weitesten verbreitet, was die Vergleichbarkeit von Aussagen ermöglicht. Vor allem ist die Korrelation von Pegeln und wichtigen Lärmwirkungen, um die es auch hier geht, wissenschaftlich auf der Grundlage so berechneter Pegel aufgearbeitet worden. Demgegenüber würden Veränderungen der Rechenvorschrift, auch hinsichtlich nur einzelner Berechnungselemente, nicht allein zu Anpassungen gängiger Bewertungsskalen nötigen, wie im lärmphysikalischen Gutachten hervorgehoben ist; mit ihnen gingen auch bis zur Herausbildung einer neuen anerkannten Methodik erhebliche Unsicherheiten der Bewertung auf der Wirkungsseite einher.

Vgl. auch Griefahn/Jansen/Scheuch/Spreng, Fluglärmkriterien für ein Schutzkonzept bei wesentlichen Änderungen oder Neuanlagen von Flughäfen/Flugplätzen, Zeitschrift für Lärmbekämpfung ZfL 49 (2002), 171, 172.

Im Übrigen ist im ergänzenden Verfahren mit der Umstellung der Berechnung sämtlicher Lärmzonen und Schutzgebiete, soweit sie auf Dauerschallpegeln beruhen, auf den Halbierungsparameter q = 3 einer Forderung der Kläger Rechnung getragen worden, was deshalb mit dem Vorstehenden vereinbar ist, weil diese Weiterentwicklung wissenschaftlich - gerade auch international - bereits Anerkennung gefunden hat.

Die Berechnungen sind auf eine fehlerfreie Datengrundlage gestützt worden. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass die Gutachter die so genannte "AzB99" herangezogen haben. Mit dieser, freilich missverständlichen, Bezeichnung ist keineswegs eine neue Fassung der Anleitung zur Berechnung gemeint, sondern eine Aktualisierung der Flugzeuggruppeneinteilung und der auf ihr aufbauenden akustischen und flugbetrieblichen Eingangsdaten für die Berechnung. Diese Zusammenhänge und Datengrundlagen sind im Gutachten ohne weiteres nachvollziehbar dargelegt und erläutert worden, sodass von einer unzugänglichen und geheimen Gutachtengrundlage nicht gesprochen werden kann. Die Verwendung einer aktualisierten Datengrundlage zur AzB, an der unter Beteiligung des Umweltbundesamtes seit vielen Jahren gearbeitet wird, war sachlich geboten und angesichts des Charakters des Regelwerks als Verwaltungsvorschrift auch gerechtfertigt. Die letzten amtlich verlautbarten Datenblätter aus dem Jahre 1984 ("AzB84") sind anerkanntermaßen überholt. Die Zusammensetzung des im zivilen Luftverkehr eingesetzten Fluggeräts hat sich so drastisch geändert, dass auf ihrer Grundlage keine für eine sachgerechte Abwägung unerlässliche realitätsnahe Darstellung der künftigen Lärmbelastung möglich ist. Daher hatte der Senat schon in seinen Beschlüssen vom 28.5.1999 eine Lärmberechnung "unter den Modalitäten einer genehmigungsnahen Flottenzusammensetzung" angemahnt, was realistische Emissionsdaten der betrachteten Luftfahrzeuge einschließt. Dem ist mit der Heranziehung der "AzB99" Rechnung getragen, die bei der Planungsentscheidung den letzten Erkenntnisstand verkörperte.

Der Umkehrschub, den Luftfahrzeuge nach dem Aufsetzen auf der Landebahn zur Erhöhung der Bremswirkung zum Teil einsetzen, ist nicht ausgeblendet worden. Er ist im lärmphysikalischen Gutachten bei den Emissionen der Luftfahrzeuge in der Landephase berücksichtigt. Der Senat ist den von den Klägern in der mündlichen Verhandlung aufgeworfenen Fragen zum Umkehrschub bereits in früheren Verfahren unter gutachterlicher Beteiligung nachgegangen. Dabei hat sich ergeben, dass bei Lärmberechnungen nach der AzB die Emissionen anfliegender Luftfahrzeuge nach dem Aufsetzen bis zum Abbiegen von der Landebahn einbezogen sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.9.1998 - 20 A 3482/91 -, Urteilsabdruck S. 39.

Es fehlt jeder Anhaltspunkt, dass die damit erfassten Anteile nach den Betriebsverhältnissen am Flughafen der Beigeladenen nicht ausreichend wären.

Ferner sind zur tatsächlichen Entwicklung prognostische Annahmen zugrunde gelegt worden, die nicht zu beanstanden sind. Dass die aus dem Datenerfassungssystem der Beigeladenen stammenden Annahmen über die Verkehrszusammensetzung fehlerbehaftet und den rechtlich zu beachtenden Vorgaben, nicht genügend angepasst wären, ist nicht erkennbar. Die angesetzte Gesamtzahl der Flugbewegungen ist jedenfalls nicht zulasten der Kläger unrichtig....

Auch gegen die angenommene Verteilung der Flugbetriebsrichtungen (80 % aller Flugbewegungen in Richtung 23, 20 % in Richtung 05) ist nichts zu erinnern. Es entspricht den Erfordernissen der AzB, dass für jeden Immissionspunkt die Summe der im gesamten Beurteilungszeitraum (den sechs verkehrsreichsten Monaten) tatsächlich einwirkenden Flugereignisse einzustellen ist, was im Ergebnis, da die Berechnung bestimmte Flughöhenprofile und Flugleistungsdaten als Eingangsdaten erfordert, zu einer Unterscheidung nach der Zahl der Starts und Landungen im Verhältnis der tatsächlichen Betriebsrichtungsverteilung nötigt. Bei schwankenden tatsächlichen Verhältnissen wie der von der Windrichtung abhängigen Flugbetriebsrichtung sind Mittelungen unumgänglich, weil kein Beurteilungszeitraum für sich genommen ohne weiteres hinreichend repräsentative Werte aufweist. Die vom Beklagten gebilligte gutachtliche Verteilung von 80:20 ist sachgerecht, weil sie den Durchschnittswert der letzten 20 Jahre vor der Genehmigungsentscheidung zugrunde legt und sich damit den langfristig auch weiterhin zu erwartenden Verhältnissen annähert, auf die auch die Abschätzung der Lärmwirkungen im Wesentlichen abhebt. Ein demgegenüber eindeutig vorzugswürdiges Richtungsverhältnis haben die Kläger nicht aufgezeigt, wie ihre Kritik überhaupt auch in diesem Punkt nicht verdeutlicht, worin die Relevanz einer anderen Wahl für ihre eigenen Rechte liegen könnte. Eine solche Relevanz ist auch nicht ersichtlich. Denn mit der Wahl eines Betriebsrichtungsverhältnisses ist kein Ausblenden von Lärmereignissen verbunden, sondern eine bloße Veränderung der Flugzustände (startendes/landendes Flugzeug) bei den Eingangsdaten der AzB-Berechnung, die sich bei der 6-Monats-Mittelung weitgehend nivellieren.

Die Forderung, den Fluglärm für die Bahnrichtungen 23 und 05 jeweils getrennt unter der Annahme einer 100-prozentigen Auslastung durch Starts oder Landungen zu berechnen (so genannte 100/100-Betrachtung), betrifft nicht die Frage der Wahl einer angemessenen Richtungsverteilung der Flugbewegungen als Teil der akustischen Eingangsgrößen für eine realistische Ermittlung der Lärmbelastung in den sechs verkehrsreichsten Monaten eines Jahres; vielmehr wird damit eine gegenüber diesem zeitlichen Ansatz abweichende Kennzeichnung des Flugbetriebs zur Bewertung der Zumutbarkeit für geboten erachtet. Dem ist nicht zu folgen, wie unten dargelegt werden wird.

Auch sonst sind dem Beklagten in der Betrachtung des Lärmgeschehens keine Fehler unterlaufen, die zum Nachteil der Kläger gehen.

Bei den im Gutachten angenommenen und vom Beklagten gebilligten Abflugstrecken (Flugverfahren im Sinne des § 27a LuftVO) sind Fehler nicht zu erkennen. Da sich Flugverfahren einer bindenden Festlegung durch den Beklagten als Genehmigungsbehörde entziehen (zuständig ist das Luftfahrt-Bundesamt, § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO), bilden sie prognostische Elemente in der Einschätzung der Bereiche und Intensitäten der Lärmbetroffenheit. Soweit sie Niederschlag finden in der zeichnerischen Darstellung der Tagschutz- und Entschädigungsgebiete, kommt ihnen nicht etwa eine Ansprüche auf Schallschutzmaßnahmen bzw. Entschädigung ausschließende Wirkung zu. Denn anspruchsbegründend ist nicht nur der Umstand, dass ein Grundstück innerhalb eines dargestellten Schutzgebiets liegt; entscheidend ist vielmehr, dass die Lärmbelastung auf einem Grundstück das zumutbare Maß überschreitet, das durch die verbale Festlegung von Kriterien bezeichnet ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.10.1998 - 11 A 1.97 -, BVerwGE 107, 313; Urteil vom 29.1.1991 - 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332, 358 ff.

Möglicherweise relevante Fehler bei der prognostischen Flugroutenbestimmung - zumal solche, die gerade die Kläger in ihren Rechten verletzten - sind nicht zu erkennen. (Wird ausgeführt)

Vom Beklagten zu fordern, Unsicherheiten durch die Berücksichtigung mehrerer Varianten der Abflugstrecken Rechnung zu tragen, stellt das Arbeiten mit Prognosen in Frage, wozu vorliegend deshalb kein Anlass besteht, weil die dem Beklagten obliegende allgemeine Abwägung das Lärmgeschehen in generalisierender räumlicher Betrachtung betrifft und die spezielle Abwägung für Schutzgebietsausweisungen wegen der Möglichkeit, beim nachträglichen Auftreten einer unzumutbaren Lärmbelastung infolge neuer Streckenführungen Schallschutz gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nach Maßgabe der in der Änderungsgenehmigung festgelegten materiellen Zumutbarkeitskriterien zu verlangen, zu keinen unabwendbaren negativen Folgen führt.

Die zugelassene Betriebsausweitung führt nicht zu Belastungen, die der Umgebung nach dem Maßstab des § 9 Abs. 2 LuftVG unter Berücksichtigung der in den Auflagen unter Nr. 9 verfügten Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen nicht zugemutet werden dürften.

Was das Lärmgeschehen in der Nachtzeit angeht (hier sind allein Landungen zwischen 22.00 bis 23.00 Uhr zu betrachten), so ist für die rechtliche Beurteilung ausschlaggebend, dass der Beklagte mit der Festlegung von Koordinierungseckwerten für die erste Nachtstunde nunmehr erstmals eine Einschränkung des Zulässigen verfügt hat.... Die Frage der Zumutbarkeit von Beeinträchtigungen der Flughafenanlieger wird durch eine solche Änderung nicht neu aufgeworfen. Denn der Einbeziehung der von der alten Genehmigungslage fortdauernd gedeckten Beeinträchtigungen in ein späteres Zulassungsverfahren bedarf es erst und nur, wenn die Grenzen einer Grundrechtsverletzung erreicht sind; denn es ist staatlichen Organen aufgrund ihrer grundrechtlichen Schutzpflicht verboten, an der Fortsetzung grundrechtsverletzender Eingriffe mitzuwirken.

BVerwG, Urteil vom 15.9.1999 - 11 A 22.98 -, Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 17 m.w.N.; Urteil vom 21.5.1997 - 11 C 1.97 -, Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 27.

Dass vorliegend gesundheitsgefährdende Einwirkungen selbst dann in Rede stehen, wenn die vom Beklagten - erneut - verfügten baulichen Schallschutzmaßnahmen in Anspruch genommen werden, ist nicht ersichtlich und behaupten die Kläger auch nicht.

Was die Zumutbarkeitsbewertung der Wirkungen von Tagfluglärm angeht, hat der Beklagte seine Einschätzungen auf ein taugliches Fluglärmbewertungsmaß gestützt. Der nach der AzB, hier allerdings nunmehr unter Anwendung des Halbierungsparameters q = 3, berechnete energieäquivalente Dauerschallpegel ist ein in der Lärmwirkungsforschung wie in der Rechtsprechung allgemein anerkanntes Maß zur Beurteilung wichtiger Lärmwirkungen am Tage. Alternative Methoden werden in der Lärmwirkungsforschung zwar seit langem diskutiert und sind, je nachdem, welche Wirkungen betrachtet werden sollen, diskussionswürdig oder sogar anzuwenden; die von den Gutachtern Jansen/Scheuch gewählte Vorgehensweise anhand des äquivalenten Dauerschallpegels über die sechs verkehrsreichsten Monate gewährleisten aber nach derzeitigem Erkenntnisstand aus den oben allgemein zur AzB dargestellten Erwägungen im Grundsatz die beste Absicherung.

Der Senat teilt ferner die im ergänzenden Bescheid auf sachverständiger Basis getroffene Einschätzung des Beklagten, dass äquivalente Dauerschallpegel auch zur Bewertung des konkreten Lärmgeschehens geeignet sind, das sich durch eine gegenüber der Vorbelastung deutliche Zunahme von Einzelschallereignissen bei im Wesentlichen gleicher räumlicher Pegelverteilung und gleichen Pegelmaxima auszeichnet. Dass auch eine solche Änderung über den äquivalenten Dauerschallpegel darstellbar ist, kommt in den Konturen sämtlicher Lärmgebiete zum Ausdruck.... Es ist danach nachvollziehbar, dass die lärmmedizinischen Gutachter die grundsätzliche Eignung des äquivalenten Dauerschallpegels zur Beurteilung auch der vorliegend zu betrachtenden Situation bejahen. Mit den ermittelten Werten soll eine Aussage über die Wirkung eines Lärmgeschehens auf die Betroffenen ermöglicht werden. Das Lärmgeschehen ist durch die Stärke der Einzelereignisse und deren Häufigkeit maßgeblich geprägt. Beide Faktoren gehen auch in den äquivalenten Dauerschallpegel ein. Verschiebungen bei einem Faktor - insbesondere Pegelhöhen oder Häufigkeit - führen zu unterschiedlichen Wahrnehmungen bei den Betroffenen, aber auch zu veränderten Werten des äquivalenten Dauerschallpegels und so zu einem anderen Aussagegehalt über den Grad der Beeinträchtigung. Andererseits aber ist auch nicht ausgeschlossen, dass unterschiedliches Lärmgeschehen, das von der Umgebung eben auch als unterschiedlich wahrgenommen wird, sich bei objektivierender Betrachtung als in gleichem Maße belästigend darstellt und demgemäß über denselben äquivalenten Dauerschallpegel ausgedrückt werden kann. Auch der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen hält, trotz kritischer Würdigung, grundsätzlich am äquivalenten Dauerschallpegel fest.

Vgl. Umweltgutachten 2002, Rdnrn. 584 ff.; ebenso etwa Ortscheid/Wende, Fluglärmwirkungen, Berlin 2000, S. 20, 23; ferner BayVGH, Urteil vom 4.11.1997 - 20 A 92.40134 bis 92.40158 -, ZLW 1999, 536, 544 ff., 548, wo unter Bezugnahme auf Guski die Eignung des Dauerschallpegels bei Flugbewegungen bis zu 1.000 pro Tag bejaht wird.

Eindeutig Vorzugswürdiges, etwa in Gestalt von Schwellenwertkriterien, anhand von Pegelhäufigkeit und -maxima steht demgegenüber nicht zur Verfügung. Der Beklagte ist auch dem ausreichend nachgegangen.

Aus den vorgenannten Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die von den Klägern verlangte 100/100-Betrachtung nicht gefordert werden kann. Sie stellt, wie die Entscheidung des BayVGH (a.a.O. S. 544 f.) deutlich aufzeigt, auf einen abweichenden Bezugszeitraum ab, nämlich einen Durchschnittstag der sechs verkehrsreichsten Monate, bei dem durchaus eine 100%-ige Nutzung jeder Richtung für jeweils alle Starts oder alle Landungen unterstellt werden kann. Der Aussagegehalt zielt dann auf die maximal denkbare Belastung in einem solchen Zeitrahmen. Die Aussagekraft eines solchen, selbstgewählten Durchschnittstages über langfristige Lärmwirkungen, um die es hier geht, ist aber weder rechtlich noch wissenschaftlich abgesichert. Soweit es um langfristige Abschätzungen geht, ist die Vorgabe der AzB, eine Mittelung der Lärmbelastung über die sechs verkehrsreichsten Monate vorzunehmen, daher sachgerecht, ihre Wahl durch eine Genehmigungsbehörde nicht zu beanstanden.

Das so gewonnene Bild der Lärmbelastung ist nicht deshalb unzureichend und für die erforderliche Abwägung untauglich, weil der Beklagte es unterlassen hat, das Zusammenwirken des Fluglärms mit anderen Lärmquellen zu untersuchen. Eine solche Summation wird für konkrete Planungsvorhaben durch normative Bestimmungen weder gefordert noch ermöglicht, und zwar auch nicht durch die von den Klägern angesprochene Umgebungslärm-Richtlinie.

Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.6.2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ABl. Nr. L 189, S. 12.

Denn gemeinsame Berechnungsmethoden für die Bestimmung der in der Richtlinie vorgesehenen Lärmindizes sind noch nicht erlassen; bis zu ihrer Annahme wenden die Mitgliedstaaten ihre nationalen Methoden an (Art. 6 der Richtlinie), die sich indes nach übereinstimmender fachlicher Auffassung zur wirkungsgerechten Summation verschiedener Quellen nicht oder nur unter Zurückstellung erheblicher Bedenken eignen (vgl. DIN 4109 Nr. 5.5.7). Maßgeblich dient, wie die Auflagenvorschriften in § 9 Abs. 2 LuftVG, § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zeigen, nach der derzeitigen Rechtslage die Planungsentscheidung dazu, in konkreten Fällen den erforderlichen Ausgleich widerstreitender Interessen herbeizuführen. Im Rahmen einer Planungsentscheidung wie der vorliegenden ist daher grundsätzlich allein der von Seiten des zugelassenen Vorhabens einwirkende Verkehrslärm einzustellen. Ein Summenpegel unter Einbeziehung von Lärm(vor)belastungen durch andere, bereits verwirklichte Lärm verursachende Vorhaben würde dem planenden Unternehmer Hindernisse aus Gründen des Lärms in den Weg stellen, die seinem Einfluss entzogen sind. Dazu bedürfte es - jedenfalls soweit es um die Zumutbarkeit geht - normativer Vorgaben. Bis dahin kann eine derartige Berechnung der Lärmbeeinträchtigung nur dann geboten sein, wenn der zu ändernde Verkehrsweg (hier der Flughafen der Beigeladenen) im Zusammenwirken mit Vorbelastungen durch andere Lärmquellen insgesamt zu einer Lärmbelastung führt, die mit Gesundheitsgefahren oder einem Eingriff in die Substanz des Eigentums verbunden ist. Denn wie bei einer Genehmigungsänderung ohne konkret verschlechternde Wirkung darf der Staat durch seine Entscheidungen auch keine verkehrlichen Maßnahmen zulassen, die im Ergebnis einen nicht rechtfertigungsfähigen Eingriff in Leben, Gesundheit oder Eigentum auslösen. Dies gebieten die in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 oder Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltenen Gewährleistungen. Für eine "Summenbelastung" solchen Ausmaßes liegen aber für Kläger in Bereichen, in denen keine Ansprüche auf baulichen Schallschutz vorgesehen sind - in den anderen Bereichen ist den Grundrechten genügende Abhilfe geschaffen oder ist eine solche Abhilfe Sache eigener Vorsorge der Grundstückeigentümer -, keine Anhaltspunkte vor.

Die Einschätzung der Zumutbarkeit des Lärms, die dem Konzept der Änderungsgenehmigung in einem Interessenausgleich zwischen den Klägern einerseits und der Allgemeinheit sowie der Beigeladenen andererseits zugrunde liegt, ist tragfähig und abwägungsgerecht umgesetzt.

Der Beklagte geht davon aus, dass der Flughafenumgebung im Hinblick auf die öffentlichen Verkehrsinteressen und die Belange der in die Befriedigung dieser Interessen eingebundenen Beigeladenen der zunehmende Fluglärm zumutbar ist und zwar ohne flankierende Maßnahmen, soweit ein äquivalenter Dauerschallpegel < 60 dB(A) zu erwarten ist und darüber hinaus bei Gewährleistung eines vollen finanziellen Ausgleichs für die Schaffung von passivem Schallschutz, soweit die Betroffenen nicht Anlass hatten, bei Errichtung ihrer Häuser selbst darauf Bedacht zu nehmen, und durch einen Geldbetrag für den geminderten Nutzungsvorteil von Außenwohnbereichen. Dabei sieht der Beklagte den Bereich mit einem äquivalenten Dauerschallpegel < 60 dB(A) als wenig problematisch an, weil hier ein deutlicher Abstand zur Grenze erheblicher Belastung gewahrt sei. Das ist nicht zu beanstanden.

Für die Beurteilung von Fluglärm im Hinblick auf die Zumutbarkeit gibt es weder verbindliche Grenzwerte auf gesetzlicher Grundlage noch anerkannte fachlich-technische Regelwerke, aus denen sich Grenzwerte ableiten lassen. Insofern kommt den hinreichend gesicherten Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung als tatsächliche Grundlage der darauf aufbauenden rechtlichen Bewertung besondere Bedeutung zu. Den Stand der Erkenntnisse unter Einbeziehung der zurzeit nicht ausräumbaren Unsicherheiten sieht der Senat in der bereits genannten Synopse von Griefahn/Jansen/Scheuch/Spreng - ZfL 49 (2002), 171 - wiedergegeben. Den dort enthaltenen Aussagen kommt besonderes Gewicht zu. Die Autoren sind durchweg anerkannte und langjährig durch eigene Forschungen hervorgetretene Lärmwirkungsforscher, die verschiedene Fachrichtungen einbinden und von ihren je eigenen Ansätzen her auf der Grundlage von das wissenschaftliche Spektrum berücksichtigenden Einzelgutachten ihre Erkenntnisse zusammengetragen, untereinander abgeglichen und sich zu gemeinsamen Empfehlungen verstanden haben.

Vgl. OVG Berlin, Urteil vom 9.5.2003 - 6 A 8.03 -, OVGE BE 24, 206.

Angesichts der breiten und nachvollziehbaren Basis der Aussagen in der Synopse sieht der Senat keine Veranlassung, der Frage der Lärmwirkung noch weiter mit sachverständiger Hilfe nachzugehen. Dass wesentliche diskutierte Erkenntnisse ausgeblendet oder greifbare weitere Erkenntnismöglichkeiten nicht ausgeschöpft worden wären, ist ebenso wenig ersichtlich wie eine spürbar höhere Qualifikation eines weiteren - etwa als Obergutachter - einzusetzenden Sachverständigen. Mit ihrem Verlangen nach weiterer Begutachtung zielen die Kläger von vornherein weniger auf eine solidere Basis als auf ein - bei bestimmter Auswahl des Sachverständigen vorherzusehendes - anderes Ergebnis. Dass hier zudem ein Bereich angesprochen ist, in dem wegen der Zumutbarkeitsaspekte eine volle Verlagerung der Antwort auf einen Sachverständigen nicht in Betracht kommt, sei nur abrundend angemerkt.

Auf der Grundlage der Erkenntnisse der Synopse ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte - in Abkehr von seiner ursprünglichen Bewertung - nunmehr eine erhebliche Belästigung, die ohne flankierende Maßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG nicht mehr zugemutet werden darf, bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von 62 dB(A) ansetzt.

Wenngleich die Grenze zu dem, was im Einzelfall an Fluglärm zugemutet werden darf, nicht in einem allgemeingültigen Messwert ausgedrückt werden kann, sondern durch eine auf das konkrete Objekt bezogene und durch Inbezugsetzung zu den Belangen der Allgemeinheit wie des Betreibers der Verkehrsanlage relativierte Gewichtung der Interessen zu bestimmen ist, vgl. BVerwG, Urteil vom 29.1.1991 - 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332, 361, bieten die präventiven Richtwerte der genannten Synopse doch einen, wenngleich generalisierenden, so doch gewichtigen Anhalt, von dem ausgehend eventuelle Besonderheiten betrachtet und gewichtet werden können. Sie sind nach Überzeugung des Senats auch unter den Verhältnissen am Flughafen der Beigeladenen sachlich verwertbar. Diese Verhältnisse werden einerseits durch die langjährig gewachsene und verfestigte, erhebliche Bedeutung des Flughafens auf der einen Seite und seine Lage in einem dicht besiedelten Umfeld auf der anderen Seite geprägt und bieten damit in zugespitzter Weise gerade das typische Konfliktfeld, in dem sich die Frage der Verträglichkeit benachbarter unterschiedlicher Nutzungen stellt. Der Wert Leq(3) = 62 dB(A) ist als Grenze zur erheblichen, nicht ohne weiteres zumutbaren Fluglärmbelastung anzuerkennen. Dieser Wert ist in der Synopse (a.a.O. S. 175) als präventiver Richtwert zur Vermeidung erheblicher Belästigung genannt und soll als zentraler Beurteilungswert aus medizinischer, psychologischer und sozialwissenschaftlicher Sicht neben den Gesundheitsbeeinträchtigungen auch die kritischen Toleranzwerte für Kommunikation außen und Rekreation abdecken.

Von daher ist nicht zweifelhaft, dass mit dem Aufgreifen eines Dauerschallpegels von 60 dB(A) der vom Beklagten gewollte deutliche Abstand von der erheblichen Belästigung gewahrt ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Grenze der Erfahrbarkeit von Unterschieden der Stärke von Geräuschen weithin bei mehr als 2 dB(A) angesetzt wird; denn es geht hier nicht um Einzelgeräusche, sondern um die Beschreibung eines komplexen Lärmgeschehens, das - wie schon gesagt - insbesondere durch die Faktoren der Häufigkeit und Stärke von Einzelereignissen bestimmt wird.

Bei dem präventiven Richtwert, erst Recht bei dessen Unterschreitung, sind Gesundheitsgefährdungen jedenfalls nicht zu besorgen. Entsprechendes gilt für sonstige Grundrechtseingriffe, wie ein Abschneiden eigentumstypischer Nutzungsmöglichkeiten an den betroffenen Grundstücken, oder Beeinträchtigungen des Selbstverwaltungsrechts der Klägerinnen zu 1. und 2. Selbst nach der vorsorgeorientierten Betrachtung von Ortscheid/Wende in der oben zitierten Studie (S. 20, 31) ist im Bereich von Mittelungspegeln (außen) zwischen 55 und 60 dB(A) der Beginn - erst - von "erheblichen Belästigungen" zu sehen, die mit Gesundheitsgefährdungen keinesfalls gleichgesetzt werden können. Sogar unter dem Gesichtspunkt eines gesundheitsbezogenen "Qualitätsziels zur Vorsorge" halten Ortscheid/Wende Fluglärmbelastungen erst ab 60 dB(A) für bedenklich. Gesundheitsgefährdungen in Form von Herz-/Kreislauferkrankungen schließen sie erst ab Mittelungspegeln (außen) am Tage über 65 dB(A) nicht mehr aus.

Eine nähere Betrachtung des Lärmgeschehens auf den außerhalb des Tagschutzgebietes belegenen Grundstücken bestätigt den Schluss auf einen beträchtlichen Abstand zur Grenze gesundheitlicher Bedenken beim Aufgreifen der Grenze eines äquivalenten Dauerschallpegels von 60 dB(A). Dabei geht es ohne weiteres an, die Messstellenergebnisse der Messstellen 18 und 13 (bis Ende 1998) zu verwerten, vgl. dazu OVG NRW, Schlussurteil vom 29.7.2004 - 20 D 78/00.AK -, Urteilsabdruck S. 21, weil hier nach gutachtlicher Aussage Höhe und Lage der Pegelmaxima im Verhältnis von Referenz- zu Prognoseverkehr unverändert sind, sodass die Messstellenergebnisse auch für den künftigen Betrieb Aussagekraft beanspruchen können. Danach ist davon auszugehen, dass bei geschlossenen Fenstern mit der hier jedenfalls anzunehmenden Dämmwirkung von mindestens 30 dB(A) Innenraumpegel auftreten, die das behördlich angestrebte und in der Rechtsprechung seit langem akzeptierte Schutzziel eines Maximalpegels von 55 dB(A), dass allerdings keine Störungsfreiheit bedeutet, sondern angemessene Kommunikations- und Wohnverhältnisse gewährleistet, vgl. OVG NRW, Urteil vom 26.10.2001 - 20 D 37/00.AK -, Urteilsabdruck S. 31 ff., regelmäßig deutlich unterschreiten. Für Gesundheitsgefährdungen, für die auf die langfristigen Einwirkung im Innenraum als dem typischen Aufenthaltsbereich der Menschen abzustellen ist, spricht daher nichts.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich weiter, dass die Wertung des Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden ist, die Beaufschlagung von Wohngrundstücken mit einem höheren Dauerschallpegel (außen) als 60 dB(A) sei in Bezug auf die Aufenthaltsräume im Haus gesundheitlich unbedenklich, wenn durch bauliche Maßnahmen sichergestellt ist, dass dort keine höheren Einzelschallpegel als 55 dB(A) auftreten.

Der Senat teilt ferner die Bewertung des Beklagten, das künftige Lärmgeschehen sei unter gesundheitlichem Aspekt und im Hinblick auf die Funktion auch insoweit vertretbar, wie lärmempfindliche Einrichtungen, Nutzungen oder Personen betroffen sind. Ein Abwägungsausfall durch Ausblenden der damit verbundenen Probleme liegt nicht vor, ebenso wenig sind unverträgliche Wirkungen festzustellen. Der Beklagte hat die Beeinträchtigungen erkannt. Den Darlegungen der Kläger ist nicht zu entnehmen, dass zu bewältigende Konflikte in Wahrheit ungelöst geblieben sind. Allein mit der Auflistung von Nutzungen gemeindlicher Einrichtungen in fluglärmbelasteten Bereichen sind solche Konflikte in Innenräumen wie auf Außenflächen angesichts des jahrzehntelangen Betriebs des Flughafens und des schon im Planfeststellungsbeschluss sowie nunmehr gewährten Schutzes nicht aufgezeigt.

Besondere Einrichtungen innerhalb des Tagschutzgebietes, deren Nutzung dem Wohnen gleich zu achten ist, können aufgrund der Auflage Nr. 9.1 Aufwendungsersatz für baulichen Schallschutz beanspruchen und sind dadurch wie Wohngrundstücke geschützt. Was lärmsensible und andere besonders schutzbedürftige Einrichtungen im Übrigen angeht, hat der Beklagte es bei dem Schutz belassen wollen, der solchen Einrichtungen innerhalb der durch Verordnung vom 4.3.1974, BGBl. I S. 657, nach Fluglärmgesetz festgesetzten Schutzzone 2 bereits gewährt worden ist.

Insgesamt hat der Beklagte mit der Aussage, zu bewältigen seien Belastungen, die über das Maß hinausgehen, das einem "durchschnittlich lärmempfindlichen Menschen" in der Nachbarschaft typischerweise zugemutet wird, weder einen unzutreffenden Maßstab angelegt noch Konflikte übersehen. In dem Abstellen auf einen (verständigen) Durchschnitt(smenschen) liegt eine bestimmte Wertung, die dem rechtlichen Ansatz der öffentlich-rechtlichen Auflagenvorschriften entspricht und mit dem übereinstimmt, was nach allgemeinem Immissionsschutzrecht etwa mit dem Begriff der "erheblichen Belästigung" (§ 3 Abs. 1 BImSchG) oder im Zivilrecht als "wesentliche Beeinträchtigung" (§ 906 Abs. 1 BGB) erfasst ist. Letztlich handelt es sich um eine Umschreibung dessen, was unter Würdigung gegenläufiger öffentlicher und privater Belange einer jeden Seite zuzuordnen ist, wobei die Bewältigung dessen, was aus besonderen Verhältnissen folgt, nicht der Tätigkeit und Entfaltung der Gegenseite entgegengesetzt wird, sondern von der eventuell besonders empfindlichen Nachbarschaft zu bewältigen ist. Es kommt daher darauf an, was Nachbarn nach einem objektivierenden, typisierenden Maßstab abverlangt werden darf.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.10.1983 - 7 C 44.81 -, BVerwGE 68, 62; Urteil vom 12.12.1975 - 4 C 71.73 -, BVerwGE 50, 49, 55; BGH, Urteil vom 6.7.2001 - V ZR 246/00 -, NJW 2001, 3119; Urteil vom 20.11.1992 - V ZR 82/91 -, BGHZ 120, 239, 255.

Auf individuelle Besonderheiten wie Vorerkrankungen, die für einzelne Kläger aufgezeigt worden sind, brauchte der Beklagte mithin nicht einzugehen. Abgesehen davon liegen auch keine fundierten Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung vor, sind insbesondere auch klägerseitig nicht aufgezeigt worden, nach denen sich bei der Lärmbelastung, die der Nachbarschaft nach dem in der Zulassungsentscheidung verfügten Schutzniveau zugemutet wird, im Rechtssinn erhebliche Nachteile für empfindliche Personen ergeben.

Es ist auch nicht veranlasst, für den Kläger zu 3. grundsätzlich andere Maßstäbe zugrunde zu legen und eine Unzumutbarkeit des künftigen Lärms anzunehmen oder zu seinen Gunsten zusätzliche Schutzvorkehrungen zu gewähren. Seine Einrichtungen (i. W. Krankenanstalten) sind vom Beklagten im ergänzenden Verfahren auf der Grundlage einer Ortsbesichtigung und ergänzender lärmphysikalischer Begutachtung einer besonderen Betrachtung unterzogen worden. Er hat dabei zugrunde gelegt, dass der Kläger von seiner Aufgabenstellung her von negativen Veränderungen der Immissionssituation in besonderer Weise betroffen sein kann, dies aber bei einer Gesamtschau der zu erwartenden Lärmbelastung, die sich auf den verschiedenen Grundstücken zwischen einem Leq(3) von 49,5 und 53,4 dB(A) bewegt, und der baulichen Ausstattung der Krankenanstalten nicht der Fall ist.

Auch Beeinträchtigungen des von Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Selbstverwaltungsrechts der Klägerinnen zu 1. und 2. sind nicht gegeben. Konkrete oder zumindest einigermaßen verfestigte Bauleitplanungen sind nicht vorgetragen. Abgesehen hiervon können von der jetzt streitigen Zulassungsentscheidung aus Rechtsgründen keine zusätzlichen belastenden Auswirkungen auf das Selbstverwaltungsrecht der Klägerinnen ausgehen. Rechtliche Beschränkungen gemeindlicher Befugnisse bewirkt die Änderungsgenehmigung nicht. Die bestehenden Planungsbeschränkungen beruhen auf vorgängigen, unabhängig von der Änderungsgenehmigung festgelegten und fortbestehenden Rechtsakten: die Festsetzung des Lärmschutzbereichs nach §§ 2, 4 Fluglärmgesetz auf der Verordnung vom 4.3.1974, BGBl. I S. 657, die landesplanerische Lärmschutzzone C auf dem Landesentwicklungsplan (LEP) "Schutz vor Fluglärm" vom 17.8.1998, GV. NRW. S. 512; Ausbauplan und Bauschutzbereich (§ 12 ff. LuftVG) bleiben unberührt. An diesen Bereichen, deren Dimensionen über die entsprechenden Lärmkonturen des jetzt zugelassenen Flugbetriebs hinausgehen, ändert die streitige Änderungsgenehmigung nichts. Die zugrunde liegenden Berechnungen mögen teilweise überholt sein; in Wegfall geraten sind die auf ihnen aufbauenden Festsetzungen allein deswegen nicht. Damit ist zugleich tauglich umschrieben, was die Klägerinnen zu 1. und 2. als von diesen Festsetzungen und den auf ihnen aufbauenden Regelungen betroffene Gebietskörperschaften bei verantwortungsvoller Ausübung ihres Selbstverwaltungsrechts an Belastungen einzustellen hatten und haben.

Der Beklagte hat zutreffend erkannt, dass die in Außenwohnbereichen auftretenden Beeinträchtigungen aufgegriffen werden müssen, um zu einer Zumutbarkeit des Lärms zu gelangen. Das ist insgesamt abwägungsfehlerfrei unter Einbeziehung von Geldleistungen gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG bewältigt worden. Aus dem Surrogatcharakter der Entschädigungsleistung (anstelle untunlicher bzw. mit dem Vorhaben unvereinbarer Schutzvorkehrungen) ergibt sich, dass die Entschädigung "nachteilige Wirkungen" des Vorhabens auffangen soll. Ebenso wie die "Vorkehrungen und Anlagen" im Sinne von § 9 Abs. 2 LuftVG, § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nur dann und insoweit verlangt werden können, wie die Fluglärmbelastung das Maß des Zumutbaren übersteigt, dient auch die Entschädigung nur dazu, die aus einem im öffentlichen Interesse liegenden Verkehr resultierenden unvermeidbaren Nachteile so abzufedern, dass diese zumutbar sind.

Diese Grenze vorliegend durch ein nach AzB berechnetes Gebiet eines äquivalenten Dauerschallpegels von (mindestens) 65 dB(A) zu bestimmen, wird den Verhältnissen in der Umgebung des Flughafens der Beigeladenen gerecht. Im Hinblick auf die sich nach und nach herausgebildet habende, insgesamt aber schon jahrzehntelang bestehende und prägende Belastungssituation sowie die von der Umgebung einzustellende Möglichkeit der weiteren Entwicklung erscheint es nicht fehlerhaft, dass der Beklagte sich nicht an dem in der Fluglärmsynopse (a.a.O. S. 174) genannten Kritischen Toleranzwert zur Vermeidung der Störung von Erholung (außen) mit einem Leq(3), 16 h = 64 dB(A) - dieser Wert entspricht auch dem für den neu angelegten Flughafen München gebilligten Wert - orientiert hat, sondern an dem Kritischen Toleranzwert zur Vermeidung erheblicher Belästigung (a.a.O. S. 173).

Auch die Ableitung der Bemessungsgrundlage ist schlüssig. Der Beklagte hat vorliegende Rechtsprechung aufgegriffen und auf den Anteil der Minderung des Verkehrswertes abgehoben, der durch die Beeinträchtigung oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze eintritt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1988 - 4 C 11.87 -, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 6, S. 10; Urteil vom 29.1.1991, a.a.O. S. 388 ff.

Konkrete Berechnungen sind insoweit schlechthin nicht möglich, weder in der Fixierung des über das Zumutbare hinausschießenden Teils des Lärms noch in der betragsmäßigen Fassung eines Ausgleichs für die Spitze. Es handelt sich um ein Surrogat für eine nicht mögliche anderweitige Abhilfe, mit der seitens der Luftfahrtbehörde anerkannt und der Beigeladenen in Form einer Belastung vor Augen geführt wird, dass die Eigentümer der betroffenen Grundstücke Nutzungseinbußen in ihren Außenwohnbereichen hinzunehmen haben. In dieser Anerkennung und Klärung der besonderen Nachbarschaftssituation liegt neben der Geldleistung selbst, für deren Höhe letztlich doch nur gegriffene Werte in Betracht kommen, weil es an tauglichen konkretisierenden Ansatzpunkten fehlt, ein wesentlicher Faktor für die von der Umgebung erwartete bzw. ihr abverlangte, mit der Zumutbarkeit einhergehende Akzeptanz des Lärmgeschehens.

Aus dem somit zureichend aussagekräftigen Material über die Lärmbelastung und in fehlerfreier Beurteilung der Lärmwirkungen hat der Beklagte den nicht zu beanstandenden Schluss gezogen, der künftige Fluglärm bleibe unterhalb der Schwelle des Unzumutbaren.

Allerdings ist damit nicht gesagt, die unter Einbeziehung der gewährten Ausgleichsmaßnahmen verbleibenden Belastungen für die Nachbarschaft des Flughafens seien zu vernachlässigen; sie sind im Gegensatz gewichtig und auch im Verhältnis zur Vorbelastung deutlich spürbar. Das lässt sich schon aus den oben erörterten Flächenzunahmen der lärmbelasteten Gebiete folgern, die sich in entsprechenden Zunahmen der Dauerschallpegel auf den Grundstücken der Kläger zwischen 1,4 und 2,5 dB(A) gegenüber der Vorbelastung niederschlagen. Mit ihnen gehen zusätzliche Störungen der Konzentration und Beeinträchtigungen von Erholung und Entspannung Hand in Hand sowie ganz allgemein des psychischen Befindens, aber auch weitergehende Einschränkungen der Wohnnutzbarkeit in Form von Anpassungen des Wohn- und Sozialverhaltens, wie etwa gesehene Notwendigkeiten zum Rückzug in die Innenräume auch bei Schönwetterlagen, Schließen und Geschlossenhalten der Fenster oder Veränderungen des Kommunikationsverhaltens sowohl in Innenräumen wie auf Freiflächen und zwischen Innen- und Außenwohnbereichen. Vor allem aber ist eine nachhaltige allgemeine Verschlechterung des Wohnumfeldes zu konstatieren, die sich zugleich in Nachteilen für die Nutzung der diesem zugeordneten kommunalen und sonstigen öffentlich zugänglichen Einrichtungen (wie Spielplätzen, Kindergärten oder Friedhöfen) niederschlägt. Derartige Nachteile sind von den Klägern in der mündlichen Verhandlung plastisch und gut nachvollziehbar geschildert worden. Sie sind zwar durchgängig nicht neu, werden aber infolge der Zunahme der Fluglärmereignisse intensiviert.

Allerdings können auch solche deutlich nachteiligen Einwirkungen, die trotz ausgleichender oder allgemein flankierender Maßnahmen bestehen bleiben, den einer störenden Verkehrsanlage benachbarten Grundstücken zugemutet werden. Sie sind durch Abwägung überwindbar. Voraussetzung ist, dass die Nachteile ohne entscheidende Abstriche an dem zuzulassenden Vorhaben nicht zu vermeiden sind und durch gegenläufige Belange in Bezug auf die Nutzung der Verkehrsanlage gerechtfertigt werden können. Das ist hier zu bejahen. Das klägerseitige Interesse an der Aufrechterhaltung eines nicht oder möglichst wenig über die Vorbelastung hinausgehenden Belastungsniveaus wäre ohne durchgreifende Reduzierungen des Flugbetriebs nicht zu verwirklichen. Andererseits stößt der bauliche Schallschutz angesichts der jetzt eingeräumten Schutzansprüche und des korrespondierenden Schutzziels bereits deutlich an seine Grenzen. Das zeigt die oben beschriebene Situation der Grundstücke außerhalb des Tagschutzgebietes. Weitergehendes könnte namentlich zu einem Ausgleich der Beeinträchtigungen des Wohnumfeldes nichts beitragen, dafür aber die abträglichen Effekte einer Einhausung verstärken.

Ist mithin durch flankierende Maßnahmen keine weitere Konfliktbewältigung zu erzielen, so durfte zugunsten der Betriebserweiterung eingestellt werden, dass die verbleibenden Nachteile durch das hohe Gewicht gerechtfertigt werden, das der Beklagte den am Flughafen der Beigeladenen befriedigten öffentlichen Infrastrukturinteressen befugterweise gegeben hat. Dieses Gewicht und die Rahmenbedingungen zu bestimmen, innerhalb derer sich diese Interessen sollen entfalten dürfen, ist unter Beachtung der gesetzlichen, insbesondere auch grundrechtlichen Grenzen allein Sache der öffentlichen Verwaltung. Die von ihr insofern zu formulierenden öffentlichen Belange und ihre Bewertung im Verhältnis zu entgegenstehenden Interessen macht das Wesen der Planung als einer im Letzten politisch geprägten, der vollen parlamentarischen Kontrolle unterliegenden und damit dem Kernbereich exekutivischen Handelns zugeordneten Entscheidung aus. Betroffene Dritte können keine abweichende Gewichtung einfordern und diese gegebenenfalls mit gerichtlicher Hilfe an die Stelle der von der Verwaltung vorgenommenen setzen. Denn auch Gerichte haben eine politisch verantwortete, demokratisch legitimierte Entscheidung grundsätzlich zu respektieren und dürfen insoweit nur überprüfen, ob der rechtlich zu wahrende Rahmen eingehalten ist.

Das ist hier der Fall. Es ist nicht erkennbar, dass der Beklagte die öffentlichen Verkehrsinteressen in gerichtlich zu beanstandender Weise fehlsam veranschlagt hat. Insbesondere kann im Hinblick auf die Erfordernisse der Darlegung eines öffentlichen Verkehrsinteresses nicht von einer Vergleichbarkeit mit dem klägerseitig angeführten Verfahren vor dem EGMR - III. Sektion, Urteil vom 2.10.2001, Antrag-Nr. 36022/97 - Hatton ./. Vereinigtes Königreich -, http://www.echr.coe.int/Eng/Judgments.htm - ausgegangen werden, in dem der Gerichtshof in auch in der innerstaatlichen Rechtsprechung zu berücksichtigenden Ausführungen die Vorgehensweise der Exekutive in der Betrachtung des Verkehrsbedarfs beanstandet hat. Schon die Belastungssituation, der die öffentlichen Interessen gewichtend gegenübergestellt werden müssen, unterscheidet sich in dem entschiedenen Fall ganz beträchtlich von der vorliegenden Sache; in jenem Verfahren ging es um nachhaltige Störungen der Nachtruhe. Auch die Mängel in der von der Exekutive anzustellenden Betrachtung des Verkehrs spiegeln sich in der Vorgehensweise des Beklagten nicht annähernd wider. Insofern sei für die Gewichtung der Erwägungen auch auf das nachfolgende Urteil des Gerichtshofs in dieser Sache verwiesen.

Vgl. EGMR (Große Kammer), Urteil vom 8.7.2003, NVwZ 2004, 1465.

Im Vordergrund des mit der Zulassungsentscheidung Gewollten steht die Anerkennung der Verkehrsfunktion des Flughafens und deren Aufrechterhaltung und Festigung unter Verhältnissen, die sich von denjenigen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses wesentlich unterscheiden. Dem Flughafen soll unter veränderten Wettbewerbsbedingungen und gehobenen Anforderungen im Verkehrsgeschehen eine angemessene neue Perspektive der Entwicklung gegeben werden. Darin ist zwangsläufig eingeschlossen die Anerkennung der wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen und der Anbieter von Beförderungsleistungen. Denn innerhalb des luftverkehrsrechtlichen Systems, das die Erfüllung einer im Interesse der Allgemeinheit liegenden Aufgabe und Funktion im Wettbewerb stehenden Privatrechtssubjekten überantwortet, versteht es sich, dass den Betreibern die Möglichkeit eingeräumt werden muss, den Verkehrsbedarf nach unternehmerischen Gesichtspunkten und in Anpassung an die Bedingungen des jeweiligen Marktgeschehens zu decken. Ebenso wenig bedarf der Vertiefung, dass ein erfolgreiches Operieren am Markt die Möglichkeit zu einem hinreichend lukrativen Betrieb mit möglichst wenig beeinträchtigenden Restriktionen voraussetzt.

Für ein so verstandenes öffentliches Verkehrsinteresse finden sich hinreichend fundierte und aussagekräftige Belege. Neben dem schon angeführten LEP "Schutz vor Fluglärm" sind auch die älteren landesplanerischen Aussagen heranzuziehen, in denen von jeher das zu entwickelnde Potenzial des Flughafens betont wird.

Vgl. bereits § 28 Abs. 3 Landesentwicklungsprogramm vom 19.3.1974, GV. NRW. S. 96.

Auch die Bekundungen der maßgeblichen politischen Gremien sprechen, was den Flughafen der Beigeladenen angeht, eine deutliche Sprache. Die vom Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen beschlossene NRW-Luftverkehrskonzeption 2010 vom Dezember 2000 (vgl. Plenarprotokoll 13/42 vom 16.11.2001) bekräftigt den politischen Willen zur "bedarfsgerechten Weiterentwicklung" des Flughafens der Beigeladenen u.a. durch Überwindung der flugbetrieblichen Nutzungsbeschränkung aus dem Planfeststellungsbeschluss und spricht dabei die hier streitige Änderungsgenehmigung als billigenswerte Möglichkeit ausdrücklich an. Im gleichen Sinne betont das so genannte Düsseldorfer Signal vom 30.6.2003, eine landespolitische Agenda der Landesregierung und der sie tragenden Koalition für die Jahre 2003 bis 2005, die Notwendigkeit einer Erhöhung der Kapazität des Flughafens der Beigeladenen.

Es ist nicht erkennbar, dass das so definierte und in der Zulassungsentscheidung aufgegriffene politische Wollen den ihm gesetzten rechtlichen Rahmen überschreitet. Dieser Rahmen ist nicht allein deswegen verlassen, weil darin Belastungen der Umgebung akzeptiert und die Interessen der Bevölkerung an der Geringhaltung flugverkehrsbedingter Beeinträchtigungen, etwa durch Zurückführung auf das betriebliche Niveau des Planfeststellungsbeschlusses, zurückgesetzt werden hinter die Verkehrs- und Wirtschaftsförderungsinteressen der Allgemeinheit wie der Beigeladenen. Die darin liegende - bewertende - Gewichtung der von der Planung betroffenen öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr ein wesentliches und unerlässliches Element der politischen wie planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen.

Auf die Beweisanregungen der Kläger zum konkreten Bedarf für vom Flughafen der Beigeladenen aus abzuwickelnde Flugbewegungen kommt es daher nicht an. Der Beklagte stellt bei seiner Anerkennung von öffentlichen Verkehrsinteressen am Flughafen der Beigeladenen wie gesagt nicht auf die Befriedigung eines zahlenmäßig umschriebenen Bedarfs für die Abfertigung von Passagier- oder Flugbewegungszahlen und deren Realisierung in bestimmten Zeiträumen ab. Die Frage, ob derzeit oder absehbar eine Auslastung des Flughafens erreichbar ist, geht deshalb - ungeachtet des zur Planrechtfertigung schon Gesagten - auch in Bezug auf das vorliegend konkret Zugelassene von vornherein fehl und ist nicht weiter aufklärungsbedürftig. Die Festigung der überkommenen Verkehrsfunktion einer öffentlichen Infrastruktureinrichtung mit unverändert zuerkanntem überragenden Rang für das Land Nordrhein-Westfalen erfordert die Gewährung eines sicheren Rahmens für Dispositionen und künftige Entwicklungen mit den Mitteln einer Planungsentscheidung, ist aber unvereinbar mit der Fixierung auf einen bestimmten Betrieb. Eine Bedarfsermittlung im Hinblick auf eventuelle weitgehende Einmischungen des Beklagten in die konkreten Abläufe und Gestaltungen des Flugbetriebs, etwa durch die Bindung weiterer Slots an den Auslastungsgrad verkehrender Flugzeuge oder durch nähere Betrachtung und Bewertung der Reisezwecke und -ziele der jeweiligen Passagiere, würde den unter marktwirtschaftlichen Bedingungen ablaufenden Luftverkehr erheblich behindern. Anlass zur Erwägung derart eingreifender Maßnahmen bestand angesichts der in Rede stehenden Belastungen und der verfügten Schutzmaßnahmen noch nicht. Insbesondere ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte keine spezifische Betrachtung und Behandlung des Urlaubs-, Charter- und Billigflugverkehrs vorgenommen hat; denn ein entsprechendes Nutzungsinteresse an der Verkehrsinfrastruktureinrichtung Flughafen ist in der Allgemeinheit vorhanden, die entsprechenden Angebote bewegen sich innerhalb eines legitimen Marktgeschehens. Freilich dürfte hier ein Bereich liegen, der bei weiterer Entwicklung am ehesten kritisch wird.

Ein die Abwägung des Zugemuteten nachhaltig beeinflussender Vertrauensschutz der Umgebung dahin, dass es auf immer bei der betrieblichen Einengung gemäß dem Planfeststellungsbeschluss bleiben würde, ist nicht einzustellen. Denn jeder planerische Interessenausgleich steht unter dem Vorbehalt einer Fortdauer wesentlicher gleichförmiger Verhältnisse. Daran fehlt es hier....

Unter dem Aspekt der Änderung der Verhältnisse ist schließlich - mit dem oben beschriebenen Gewicht - einzustellen, dass der Luftverkehr innerhalb des Gesamtverkehrsgeschehens einen spürbar veränderten Stellenwert erhalten hat. Die Verschiebung der Bedeutung zeigt sich beispielhaft, aber besonders klar in der gerade die Verhältnisse am Flughafen der Beigeladenen kennzeichnenden Bedeutung des Fliegens im Urlaubsverhalten der Bevölkerung; nicht zu verkennen ist ferner, dass der Luftverkehr für die wirtschaftliche Entwicklung auch der Umlandgemeinden eines Flughafens nicht ohne günstigen Einfluss ist. Mit diesen Aspekten geht eine andere Betrachtung der objektiv erwartbaren Akzeptanz gegenüber dieser Verkehrsart und ihren negativen Auswirkungen einher, der im Rahmen einer Planungsentscheidung zulasten andersdenkender Bevölkerungskreise und unter Enttäuschung etwaiger abweichender Erwartungen Rechnung getragen werden darf.

Der Beklagte konnte in der ihm obliegenden Abwägung im Hinblick auf die berücksichtigte und angestrebte Entwicklung des Luftverkehrs vom Flughafen der Beigeladenen aus rechtsfehlerfrei davon absehen, das durch das Vorhaben ausgelöste und nach der Belastung des Flughafens mit baulichen Schallschutzmaßnahmen und einer Entschädigung für die Einschränkungen bei der Nutzung von Außenwohnbereichen verbleibende Lärmproblem durch die im Klageverfahren angesprochenen und im ergänzenden Bescheid erörterten betriebsbezogenen Maßnahmen abzumildern. Lärmrelevante Einschränkungen des Flugbetriebs ohne grundlegenden Widerspruch zum Vorhaben könnten zwar nur peripher, nämlich zu bestimmten Tages- oder Wochenzeiten, wirksam sein; es ist aber nicht zu verkennen, dass solchen flankierenden Maßnahmen ungeachtet ihrer möglicherweise eng begrenzten Schutzwirkung ein gewichtiger Stellenwert bei der von Betroffenen einzufordernden Akzeptanz zukommen kann. Solange die Beigeladene jedoch weiterhin einen infolge des geänderten Verständnisses der Einbahnkapazität zwar geminderten, aber im Kern doch noch immer gewichtigen eigenen betrieblichen Beitrag zum nachbarlichen Interessenausgleich erbringen muss, bedarf es noch nicht des Zugriffs auf weitere Elemente. Zum einen bleibt der Beigeladenen aufgrund der Beibehaltung des Kriteriums der Einbahnkapazität als selbständig begrenzendes Betriebselement weiterhin die freie und volle Ausnutzung des Parallelbahnsystems verwehrt. Denselben Effekt bewirkt das beibehaltene Konzept der Koordinierungseckwerte. Die gleichmäßig über alle Tagesstunden hinweg zu beachtenden Eckwerte schließen es aus, einer an den Flughafen herangetragenen, sich auf Spitzenstunden konzentrierenden Nachfrage bereits im Rahmen der Flugplanung zu entsprechen. Der Beklagte bewegt sich in diesen beiden wichtigen, dem Lärmschutz der Umgebung dienenden, von den Klägern freilich wohl zu sehr als selbstverständlich betrachteten und daher in der ausgleichenden Wirkung verkannten Punkten in Anerkennung der Sondersituation des Flughafens der Beigeladenen noch auf der Schiene der Betrachtung im Planfeststellungsbeschluss, wonach die Beigeladene wegen der - auch für sie vorteilhaften - stadtnahen Lage ihres Flughafens Betriebsbegrenzungen hinnehmen muss. Schließlich tritt zu diesen Begrenzungen noch aus dem Angerland-Vergleich die Beschränkung der Mitbenutzung der zweiten Bahn auf Zeiten des Spitzenverkehrs über Tage hinzu.

Ende der Entscheidung

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