Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 02.10.2003
Aktenzeichen: 21 A 1144/02
Rechtsgebiete: SchKG


Vorschriften:

SchKG § 2
SchKG § 3
SchKG § 4 Abs. 2
SchKG § 5
SchKG § 6
SchKG § 8
1. § 4 Abs. 2 SchKG begründet für Beratungsstellen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz unmittelbar einen gesetzlichen Anspruch auf öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten.

2. Dieser Förderanspruch steht auch einer katholischen Beratungsstelle zu, in der allein eine allgemeine Schwangerschaftsberatung i.S.v. § 2 SchKG und nicht zugleich auch eine Konfliktberatung i.S.v. §§ 5 und 6 SchKG angeboten wird, wenn diese Beratungsstelle zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots wohnortnaher pluraler Beratungsstellen nach § 3 SchKG erforderlich ist.


Gründe:

Der Beklagte hat zu Unrecht die Gewährung einer Zuwendung zur Förderung der vom Kläger betriebenen Beratungsstelle für das Haushaltsjahr 2000 abgelehnt. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte über den gestellten Förderantrag erneut entscheidet.

...

2. Ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Förderantrags ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung in § 4 Abs. 2 SchKG.

Nach dieser Bestimmung haben die zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots nach §§ 3 und 8 SchKG erforderlichen Beratungsstellen Anspruch auf eine angemessene öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten.

a) Die vom Kläger getragene Einrichtung stellte im Haushaltsjahr 2000 eine Beratungsstelle nach § 3 SchKG dar.

Beratungsstellen i.S.v. § 3 SchKG sind solche, die eine Beratung nach § 2 SchKG anbieten. Diesen Anforderungen wurde die Beratungsstelle des Klägers gerecht, da die angebotene Beratung den inhaltlichen Umfang einer Beratung nach § 2 SchKG vollständig abdeckte.

Nach § 2 Abs. 1 SchKG hat jede Frau und jeder Mann das Recht, sich zum Zwecke der gesundheitlichen Vorsorge und der Vermeidung und Lösung von Schwangerschaftskonflikten in Fragen der Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung sowie in allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen von einer hierfür vorgesehenen Beratungsstelle informieren und beraten zu lassen. Der Anspruch auf Beratung umfasst nach § 2 Abs. 2 SchKG u.a. insbesondere Informationen über die Methoden zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs, die physischen und psychischen Folgen eines Abbruchs und die damit verbundenen Risiken (Nr. 6) sowie über Lösungsmöglichkeiten für psychosoziale Konflikte im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft (Nr. 7). Der allgemeine Beratungsanspruch aus § 2 SchKG ist umfassend, wobei sich der Inhalt der Beratung teilweise mit dem Schwangerschaftskonfliktberatungsanspruch aus § 5 SchKG deckt und überschneidet. Von der wesentlichen Zielrichtung her dient die Beratung nach § 2 SchKG der Prävention, also insbesondere der Vermeidung von Schwangerschaftskonflikten, und diejenige nach § 5 SchKG der Bewältigung eines (eingetretenen) Konflikts.

Vgl. Ellwanger, Schwangerschaftskonfliktgesetz, Stuttgart 1997, § 2 Rdnr. 1.

Gerade der in § 2 Abs. 1 SchKG enthaltene Verweis auf die in § 1 Abs. 1 SchKG genannten Zwecke, zu denen namentlich auch die Lösung von Schwangerschaftskonflikten zählt, belegt, dass der sich aus § 2 SchKG ergebende Beratungsanspruch auch diejenigen Fragen umfasst, die die Bewältigung eines bereits eingetretenen Konflikts betreffen. In einer derartigen Situation sollte es entsprechend der Zweckrichtung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, das ungeborene Leben zu schützen, Ziel eines jeden (auch allgemeinen) Beratungsgesprächs sein, dem jeweils um Rat Nachsuchenden, sei es eine Frau oder ein Mann, die Verantwortung der schwangeren Frau für das ungeborene Leben und das eigene Recht des Ungeborenen auf Leben bewusst zu machen und sämtliche Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, die eine Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch zu vermeiden helfen. Trotz alledem ist es allerdings nicht auszuschließen, dass eine um Beratung nachsuchende Frau dennoch zu der Entscheidung kommt, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Dann darf allerdings der allgemeine Beratungsanspruch, der gerade darauf angelegt ist, auch in Konfliktsituationen Hilfe anzubieten, nicht aufhören. Vielmehr muss die Beratungsstelle auch für diesen Fall umfassende Hilfestellungen leisten können.

Eine diesen Anforderungen genügende Beratung wurde in der von dem Kläger betriebenen Beratungsstelle angeboten.

Die dortige Beratung erfolgte im Haushaltsjahr 2000 auf der Grundlage der "Vorläufigen Richtlinien für katholische Schwangerschaftsberatungsstellen nach § 219 StGB i.V.m. § 2 SchKG im Erzbistum (Fassung vom 10.12.1999)" - im Folgenden: Vorläufige Bischöfliche Richtlinien 1999 -. Die dort im Einzelnen beschriebenen Ziele und Gegenstände der Beratung entsprechen dem in § 2 SchKG aufgezeigten Umfang des Beratungsangebots. Namentlich sieht vor § 2 Abs. 2 der Vorläufigen Bischöflichen Richtlinien 1999 ausdrücklich vor, dass die Beratung insbesondere Informationen über die in § 2 SchKG genannten Bereiche umfasst.

Dem kann der Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, in der Beratungsstelle seien keine Einrichtungen benannt worden, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

Es trifft zwar zu, dass der Erteilung derartiger Informationen die Vorläufigen Bischöflichen Richtlinien 1999 entgegenstanden. Denn nach § 5 dieser Richtlinien ist es weder mit dem Selbstverständnis katholischer Beratungsarbeit noch mit dem Schutzkonzept dieser Beratungsregelung vereinbar, u.a. Ratsuchende auf Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen hinzuweisen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.

Diese Einschränkung der Beratungstätigkeit ist aber unerheblich, da die Benennung von Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, nicht zu dem in § 2 SchKG vorgesehenen Beratungsangebot zu zählen ist.

Dies erhellt schon daraus, dass es Aufgabe aller Beratungsstellen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz ist, dem Schutz des ungeborenen Lebens zu dienen. Nicht zu ihrem gesetzlichen Aufgabenbereich gehört es, Gelegenheiten aufzuzeigen, "an denen dieses Ziel an sein negatives Ende geführt wird".

Vgl. Ellwanger, a.a.O., § 5 Rdnr. 11.

Mit dieser Aufgabenstellung sowohl der allgemeinen Beratung nach § 2 SchKG als auch der Konfliktberatung nach § 5 SchKG wäre es nicht vereinbar, eine Verpflichtung zur Benennung von Einrichtungen anzunehmen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden.

Gestützt wird diese Auffassung auch durch § 12 Abs. 1 SchKG. Dort ist vorgesehen, dass niemand verpflichtet ist, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken. Diese Bestimmung ist nicht nur so zu verstehen, dass keine Rechtspflicht besteht, sich an einem entsprechenden operativen Eingriff (unmittelbar) zu beteiligen. Vielmehr ist in Anbetracht des das Schwangerschaftskonfliktgesetz tragenden verfassungsmäßigen Grundsatzes des Lebensschutzes eine erweiternde Auslegung dahingehend geboten, das Weigerungsrecht auch auf mittelbare Beteiligungshandlungen auszudehnen. Eine derartige mittelbare Beteiligungshandlung stellt aber die Benennung von Schwangerschaftsabbrüche vornehmenden Einrichtungen dar.

Vgl. dazu auch Ellwanger, a.a.O., § 5 Rdnr. 11.

Diesem Verständnis entsprach auch die Förderpraxis des Beklagten in der Zeit bis 1999. Auch in dieser Zeit war es den katholischen Beratungsstellen - und damit auch der vorliegend in Rede stehenden des Klägers - untersagt, den Ratsuchenden Einrichtungen zu benennen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Denn § 6 der "Vorläufigen Richtlinien für katholische Schwangerschaftsberatungsstellen nach § 219 StGB i.V.m. § 2 SchKG im Erzbistum" in ihrer ursprünglichen Fassung vom 21.11.1995 sah ebenso wie § 5 der Vorläufigen Bischöflichen Richtlinien 1999 ein entsprechendes Verbot vor. Gleichwohl hat der Beklagte dem Kläger in dieser Zeit - ebenso wie den übrigen Trägern der katholischen Beratungsstellen - laufend Zuwendungen nach den Förderrichtlinien 1991 gewährt.

Für das Fehlen eines den Anforderungen aus § 2 SchKG gerecht werdenden Beratungsangebots beruft sich der Beklagte auch ohne Erfolg darauf, dass es der Einrichtung des Klägers aufgrund bischöflicher Richtlinien untersagt gewesen sei, Beratungsstellen zu benennen, die eine Schwangerschaftskonfliktberatung i.S.v. §§ 5 und 6 SchKG anbieten und eine Beratungsbescheinigung i.S.v. § 7 SchKG ausstellen.

Dazu ist zunächst festzustellen, dass erst in § 4 der "Bischöflichen Richtlinien für katholische Schwangerschaftsberatungsstellen" vom 26.9.2000 ausdrücklich festgeschrieben worden ist, mit dem Schutzauftrag der Beratung sei es nicht vereinbar, Ratsuchende auf Einrichtungen hinzuweisen, die Beratungsbescheinigungen ausstellten, die eine der Voraussetzungen für eine straffreie Abtreibung seien. Ein derartiges ausdrückliches Verbot war in den Vorläufigen Bischöflichen Richtlinien 1999, nach denen sich die Beratungstätigkeit in der Einrichtung des Klägers im Jahre 2000 noch richtete, nicht enthalten. Ob ein solches Verbot über den Wortlaut der Vorläufigen Bischöflichen Richtlinien 1999 hinaus aus einer sich möglicherweise aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen ergebenden Pflicht, in keiner Form unterstützend bei Schwangerschaftsabbrüchen mitzuwirken, abgeleitet werden kann, mag dahinstehen. Jedenfalls sind nach dem von Seiten des Beklagten nicht widersprochenen Vortrag des Klägers in dessen Einrichtung im Jahre 2000 tatsächlich Beratungsstellen benannt worden, die eine Schwangerschaftskonfliktberatung i.S.v. §§ 5 und 6 SchKG anbieten und eine Beratungsbescheinigung i.S.v. § 7 SchKG ausstellen. Angesichts dieser tatsächlichen Praxis kann der Beklagte sich nicht darauf berufen, diese Beratungspraxis sei nach den Maßstäben des (rein) innerkirchlichen Rechts möglicherweise rechtswidrig gewesen.

b) Da die Einrichtung des Klägers mithin eine Beratungsstelle nach § 3 SchKG darstellt, fällt sie unter die in § 4 Abs. 2 KSchG genannten "Beratungsstellen nach §§ 3 und 8 SchKG". Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dafür nicht in Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "und" zusätzlich erforderlich, dass auch die - für die vom Kläger betriebene Einrichtung unstreitig fehlenden - Voraussetzungen einer Beratungsstelle nach § 8 SchKG vorliegen müssen. Vielmehr zählt das Gesetz durch die Verwendung des Wortes "und" zwei alternativ anspruchsberechtigte Stellen auf.

Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 SchKG gibt für diese zwischen den Beteiligten streitige Auslegung nichts Entscheidendes her. Die Verwendung des Bindewortes "und" lässt sowohl die vom Kläger als auch die vom Beklagten vertretene Interpretation zu. Zum einen kann - wie der Beklagte meint - dieses Wort dahingehend verstanden werden, dass die Beratungsstelle gleichermaßen die Voraussetzungen beider genannten Bestimmungen erfüllen muss. Zum anderen deckt der Wortsinn aber auch die - vom Kläger vertretene - Auffassung, nach der es für das Bestehen eines Förderanspruchs ausreicht, wenn die Voraussetzungen nur einer der Bestimmungen erfüllt sind.

Angesichts der Offenheit des Wortlauts ist § 4 Abs. 2 SchKG nach den allgemein anerkannten Methoden auszulegen, nämlich nach der Stellung im Gesetz (systematische Auslegung), nach der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) und nach dem Sinn und Zweck (teleologische Auslegung). Sämtliche Auslegungsmethoden führen zu dem Ergebnis, dass ein Förderanspruch auch dann besteht, wenn es sich zwar um eine Beratungsstelle nach § 3 SchKG, nicht zugleich aber auch um eine solche nach § 8 SchKG handelt.

In Anbetracht der Systematik, insbesondere des Standorts des § 4 Abs. 2 SchKG im Gesamtgefüge des Gesetzes, ist zunächst festzustellen, dass sich diese Bestimmung im Abschnitt 1 des Gesetzes befindet, der mit der Überschrift "Aufklärung, Verhütung, Familienplanung und Beratung" versehen ist. In diesem Abschnitt beschäftigt sich das Gesetz im Wesentlichen, nämlich in §§ 2 und 3 SchKG, mit der allgemeinen (Schwangerschafts-)Beratung. Wenn im Anschluss daran, in demselben Abschnitt in einer weiteren Bestimmung, nämlich in § 4 SchKG, die öffentliche Förderung von Beratungsstellen geregelt ist, deutet dies darauf hin, dass damit gerade für die zuvor angesprochenen Beratungsstellen ein Förderanspruch begründet werden soll. Dass in dieser Bestimmung im Weiteren auch andere, in einem anderen Abschnitt geregelte Beratungsstellen, nämlich die (Konflikt-)Beratungsstellen nach § 8 SchKG, erwähnt werden, kann nur so verstanden werden, dass diesen zusätzlich ein Förderanspruch zustehen soll.

Vgl. in diesem Zusammenhang auch Hess. VGH, Urteil vom 18.11.1997 - 11 UE 315/97 -, RiA 1998, 198.

Dieses Ergebnis wird durch den Zusammenhang des § 4 Abs. 2 SchKG mit § 3 Satz 2 SchKG bestätigt. § 3 Satz 2 SchKG bestimmt ausdrücklich, dass das Land im Rahmen der ihm nach § 3 Satz 1 SchKG obliegenden Pflicht, ein ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungsstellen für die Beratung nach § 2 SchKG sicherzustellen, auch verpflichtet ist, Beratungsstellen freier Träger zu fördern. Damit bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass auch für Beratungsstellen i.S.v. § 3 SchKG - unabhängig davon, ob auch eine Schwangerschaftskonfliktberatung wie in den Beratungsstellen nach § 8 SchKG angeboten wird - ein eigenständiger Förderanspruch bestehen soll.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Versorgungsschlüssel in § 4 Abs. 1 Satz 1 SchKG eine gemeinsame Richtgröße für die allgemeinen Schwangerschaftsberatungsstellen nach § 3 SchKG und die Konfliktberatungsstellen nach § 8 SchKG darstellt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.7.2003 - 3 C 26.02 -; Ellwanger, a.a.O., § 4 Rdnr. 2.

Denn bei diesem Versorgungsschlüssel handelt es sich um eine reine Berechnungsgröße, die als Grundlage für die Ermittlung eines flächendeckenden Versorgungsgrads dient. Allein das Vorhandensein einer diesen Mindestanforderungen aus § 4 Abs. 1 Satz 1 SchKG genügenden Anzahl von Beratungsstellen reicht jedoch für sich genommen noch nicht aus, um der gesetzlichen Verpflichtung zur Sicherstellung eines "ausreichenden" Beratungsangebots zu genügen. Vielmehr ist auch den sonstigen Voraussetzungen wie insbesondere der Wohnortnähe und der Trägervielfalt hinreichend Rechnung zu tragen. Angesichts dessen kann aus den Grundlagen für die Berechnung des pauschalen "Versorgungsschlüssels" nichts Ausschlaggebendes für die Auslegung des den Förderanspruch regelnden § 4 Abs. 2 SchKG abgeleitet werden. So geht auch die Kommentierung von Ellwanger davon aus, dass nicht allein der Versorgungsschlüssel aus § 4 Abs. 1 Satz 1 SchKG zu beachten, sondern darüber hinaus das Beratungsangebot so auszugestalten ist, dass sowohl eine Beratungsstelle nach § 3 SchKG wie auch eine solche nach § 8 SchKG wohnortnah erreichbar ist.

Vgl. Ellwanger, a.a.O., § 4 Rdnr. 2.

Auch die historische Auslegung belegt, dass das Gesetz den ausschließlich ein Beratungsangebot nach § 2 SchKG anbietenden Beratungsstellen einen eigenständigen Förderanspruch zuerkennt. Die Förderung von Beratungsstellen, die eine den Anforderungen des § 2 SchKG entsprechende Beratung anbieten, war schon im Gesetz über Aufklärung, Verhütung, Familienplanung und Beratung (Art. 1 des Gesetzes zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlichen Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs vom 27.7.1992 - BGBl. I S. 1398 -) vorgesehen. Es besteht kein Anhalt für die Annahme, dass dieser Förderungsanspruch durch das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz vom 21.8.1995 (BGBl. I S. 1050) dahingehend beschränkt werden sollte, dass eine Förderung nur noch gewährt werden soll, wenn in der Beratungsstelle zugleich auch eine Schwangerschaftskonfliktberatung i.S.v. §§ 5 und 6 SchKG angeboten wird.

Auch die Gesetzesmaterialien vermögen dafür keinen Hinweis zu liefern. Vielmehr ist genau das Gegenteil festzustellen. Denn sowohl in dem Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion vom 24.1.1995 (BT-Drucks. 13/285) als auch in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 28.6.1995 (BT-Drucks. 13/1850) heißt es in der Begründung zu den Einzelvorschriften, dass es sich bei der vorgeschlagenen (und später Gesetz gewordenen) Änderung des § 4 SchKG um eine redaktionelle Anpassung handele, mit der klargestellt werden solle, dass sich die bisherigen Vorschriften über die öffentliche Förderung der Beratungsstellen sowohl auf die als Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen anerkannten Stellen als auch auf etwaige weitere Beratungsstellen erstreckten, die den Beratungsanspruch des § 2 SchKG erfüllten. Zwar mag der Gesetzgeber dabei nicht eine Situation vor Augen gehabt haben, wie sie durch das Ausscheiden der katholischen Beratungsstellen aus der Schwangerschaftskonfliktberatung eingetreten ist. Dennoch lassen die Ausführungen in der Gesetzesbegründung erkennen, dass für den Gesetzgeber kein Zweifel daran bestand, dass auch Beratungsstellen ein Förderanspruch aus § 4 Abs. 2 SchKG zustehen soll, die allein eine allgemeine (Schwangerschafts-)Beratung und nicht zugleich auch eine Konfliktberatung anbieten. Angesichts dessen wäre ein abweichendes Verständnis des Norminhalts nur dann vertretbar, wenn eindeutig festgestellt werden könnte, dass der Wille des Gesetzgebers im Gesetz keinen Niederschlag gefunden hat. Dafür besteht aber schon in Anbetracht des - wie dargestellt - offenen Wortlauts der Bestimmung kein hinreichender Anhalt.

Schließlich spricht auch eine am Sinn und Zweck orientierte Auslegung des § 4 Abs. 2 SchKG dafür, dass ein Förderanspruch auch dann besteht, wenn es sich zwar um eine Beratungsstelle nach § 3 SchKG, aber nicht zugleich um eine solche nach § 8 SchKG handelt. Der Gesetzgebung zum Schutz des ungeborenen Lebens, in die § 4 Abs. 2 SchKG eingebettet ist, liegt ein Konzept zugrunde, das in der Frühphase der Schwangerschaft in Schwangerschaftskonflikten den Schwerpunkt auf die Beratung der schwangeren Frau legt, um sie für das Austragen des Kindes zu gewinnen. Dies trägt den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 28.5.1993 - 2 BvF 2/90 und 4, 5/92 -, BVerfGE 88, 203 = NJW 1993, 1751.

Dieses Konzept ist darauf angelegt, zum einen in einem eingetretenen Konfliktfall ein umfassendes Beratungs- und Hilfsangebot bereit zu stellen, um die schwangere Frau zum Verzicht auf einen Schwangerschaftsabbruch zu bewegen. Zum anderen zielt das Konzept aber auch darauf ab, ungewollte Schwangerschaften und damit den Eintritt eines Konfliktfalls schon im Vorfeld durch Information und Beratung zu verhindern. Dem entspricht es, wenn nicht nur solche Beratungsstellen öffentlich gefördert werden, die eine Schwangerschaftskonfliktberatung anbieten, sondern auch solche, in denen (allein) die Möglichkeit zur Verfügung gestellt wird, sich "in Fragen der Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung sowie in allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen informieren und beraten zu lassen" (§ 2 Abs. 1 SchKG).

Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass dem gefundenen Ergebnis eine in Ausfüllung des Landesrechtsvorbehalts aus § 4 Abs. 3 SchKG ergehende Regelung im Grundsatz nicht entgegen steht, die eine Förderung nur für solche Beratungsstellen vorsieht, in denen (auch) eine Schwangerschaftskonfliktberatung angeboten wird. Eine solche Beschränkung mag sogar mit Blick auf die Überschneidung der Beratungsbereiche aus § 2 SchKG und aus § 5 Abs. 2 SchKG sowie das integrative Gesamtkonzept des Gesetzes durchaus sinnvoll erscheinen.

Vgl. Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen für Beratungsstellen für Schwangerschaftsprobleme und Familienplanung/Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen (Runderlass des Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit vom 21.10.2002 - IV 5/ IV 3 A - 6842.2.4 [MBl. NRW. S. 1167]); ebenfalls in dieser Richtung: Beschlussempfehlung und Bericht des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 28.6.1995 (BT-Drucks. 13/1850), nach dem damit zu rechnen sei, dass der Beratungsanspruch nach § 2 SchKG weitgehend durch die als Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen anerkannten Beratungsstellen erfüllt werde.

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen landesrechtlichen Regelung ist aber, dass durch eine derartig beschränkte Förderung zugleich gewährleistet ist, dass ein den Anforderungen aus §§ 3 und 4 Abs. 1 SchKG genügendes Angebot von Beratungsstellen für die Beratung nach § 2 SchKG sicher gestellt ist. Hieran fehlte es aber im fraglichen Haushaltsjahr, wie noch auszuführen ist.

c) Der Tatbestand des § 4 Abs. 2 KSchG setzt weiterhin voraus, dass die Beratungsstelle, für die eine Förderung begehrt wird, zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots von Beratungen nach §§ 3 und 8 SchKG erforderlich ist. Für die Beantwortung dieser Frage ist vorliegend mit Blick darauf, dass in der Beratungsstelle des Klägers allein eine Beratung nach § 2 SchKG angeboten worden ist, nur darauf abzustellen, ob in dem räumlichen Tätigkeitsbereich der Einrichtung des Klägers eine hinreichende Anzahl von Beratungsstellen nach § 3 SchKG vorhanden war. Das ist nach den übereinstimmenden Angaben der Verfahrensbeteiligten, gegen deren Richtigkeit nichts spricht, für den hier fraglichen Zeitraum zu verneinen. Namentlich hat der Beklagte mitgeteilt, dass "im Jahre 2000 das nach §§ 3 und 8 in Verbindung mit §§ 2, 5 und 6 in Verbindung mit § 4 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes geforderte Angebot nicht sichergestellt werden konnte".

Ob der Beklagte dem Pluralitätsgebot (nunmehr) hinreichend genügt, indem er Beratungsstellen der Laienorganisation "donum vitae e.V." fördert, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da in dem hier maßgeblichen Haushaltsjahr 2000 in dem Tätigkeitsbereich der Einrichtung des Klägers keine solche Beratungsstelle vorhanden war und deshalb auch nicht gefördert werden konnte.

3. Als Rechtsfolge sieht § 4 Abs. 2 SchKG einen "Anspruch auf eine angemessene öffentliche Förderung" vor. Danach steht die Entscheidung über das Ob der Gewährung einer Förderung nach § 4 Abs. 2 SchKG nicht im Ermessen der zuständigen Behörden. Die Beratungsstellen haben vielmehr unter den im Schwangerschaftskonfliktgesetz festgelegten Voraussetzungen einen strikten Rechtsanspruch auf öffentliche Förderung.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.7.2003 - 3 C 26.02 -.

Da der Beklagte zu Unrecht das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für einen gesetzlichen Förderanspruch aus § 4 Abs. 2 SchKG verneint hat, hat der auf eine Neubescheidung gerichtete Klageantrag Erfolg.

Bei der Neubescheidung wird der Beklagte insbesondere bei der Frage der Angemessenheit der Förderung folgende Erwägungen zu berücksichtigen haben:

Für anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, die zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots wohnortnaher pluraler Beratungsstellen erforderlich sind, begründet § 4 Abs. 2 SchKG einen Rechtsanspruch auf Übernahme von mindestens 80 % ihrer notwendigen Personal- und Sachkosten durch den Staat.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.7.2003 - 3 C 26.02 -.

Die dafür maßgeblichen Gesichtspunkte sind im Grundsatz auch bei der Frage der Angemessenheit einer Förderung für eine Beratungsstelle zu berücksichtigen, die allein eine allgemeine Schwangerschaftsberatung nach § 2 SchKG anbietet.

So ist in die Entscheidung einzustellen, dass die allgemeine Schwangerschaftsberatung einen wesentlichen Teil des von der Bereitstellung eines umfassenden Beratungs- und Hilfsangebots getragenen gesetzlichen Konzeptes zum Schutz des ungeborenen Lebens darstellt. Dieser selbständig neben der Schwangerschaftskonfliktberatung stehende Teil hat einen hohen Stellenwert und insbesondere für die Prävention von Schwangerschaftsabbrüchen eine besondere Bedeutung. Zudem verfügen freie Träger von Beratungsstellen, derer es zur Sicherstellung des Pluralitätsgebots bedarf, häufig nur über beschränkte Eigenmittel. Angesichts dessen muss die staatliche Förderung einen gewichtigen Anteil der anfallenden Personal- und Sachkosten abdecken.

Andererseits ist aber auch zu bedenken, dass der Begriff "Förderung" schon nach seinem allgemeinen Wortverständnis keine volle Kostenübernahme erfordert. Der Träger der Einrichtung muss vielmehr einen Teil der Kosten aus eigenen Mitteln oder aus Fremdmitteln bestreiten. Für die allgemeinen Beratungsstellen gilt zudem, dass sie anders als die Konfliktberatungsstellen nicht durch § 6 Abs. 4 SchKG in der Möglichkeit eingeschränkt sind, ein Entgelt für ihre Beratungstätigkeit zu erheben. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass ein bei einer allgemeinen Beratungsstelle verbleibender Kostenanteil in seiner absoluten Höhe geringer als ein solcher bei einer Konfliktberatungsstelle ausfallen dürfte, da dort nicht den sich aus § 9 SchKG ergebenden Anforderungen an die personelle Ausstattung genügt werden muss. Schließlich fehlt es bei der allgemeinen Schwangerschaftsberatung an dem vom BVerwG für die Schwangerschaftskonfliktberatung hervorgehobenen Aspekt, dass die Tätigkeit für die Wahrnehmung der Möglichkeit zum straffreien Schwangerschaftsabbruch unverzichtbar ist.

Aus all dem ergibt sich, dass die Förderung einer Beratungsstelle, die zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots wohnortnaher pluraler Beratungsstellen nach § 3 SchKG erforderlich ist, im Regelfall dann als angemessen anzusehen sein dürfte, wenn sie sich unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls (wie z.B. einer anderweitigen - etwa kommunalen - Förderung) in einer Größenordnung von 50 % der notwendigen Personal- und Sachkosten bewegt.



Ende der Entscheidung

Zurück