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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 21 A 2098/06
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 14 a Abs. 1
BeamtVG § 14 Abs. 4
BeamtVG § 14 Abs. 5
Eine den Anwendungsbereich des § 14 a Abs. 1 BeamtVG einschränkende Auslegung führt dazu, dass die Mindestversorgung i.S.v. § 14 Abs. 4 BeamtVG nicht Grundlage für eine vorübergehende Erhöhung sein kann (a.A. BVerwG, Urteil vom 23.6.2005 - 2 C 25.04 -, BVerwGE 124, 19). Dies folgt aus Sinn und Zweck des § 14 a BeamtVG sowie aus einem systematischen Vergleich mit § 14 Abs. 5 BeamtVG unter Berücksichtigung der jeweiligen Entstehungsgeschichte.
Tatbestand:

Die Klägerin stand bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit als Studienrätin im Dienst des Beklagten. Bei Festsetzung der Versorgungsbezüge legte der Beklagte eine ruhegehaltfähige Dienstzeit von 13,35 Jahren zugrunde und errechnete einen erdienten Ruhegehaltssatz von 25,04 v.H. Diesen erhöhte er auf den Mindestruhegehaltssatz von 35 v.H. Die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 14 a BeamtVG lehnte der Beklagte ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. Das VG gab der Klage der Klägerin statt und berief sich auf das Urteil des BVerwG vom 23.6.2005 - 2 C 25.04 -, wonach auch der sog. amtsbezogene Mindestruhegehaltssatz von 35 v.H. gemäß § 14 a BeamtVG vorübergehend erhöht werden könne. Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg.

Gründe:

Die mit der Berufung begehrte Änderung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage ist gerechtfertigt, weil das Mindestruhegehalt nicht Anknüpfungspunkt für die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 14 a BeamtVG sein kann.

Nach Maßgabe von § 14 a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BeamtVG in der zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin in den Ruhestand am 1.11.2001 maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 16.3.1999 (BGBl. I, 322), geändert durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes und anderer Gesetze vom 19.4.2000 (BGBl. I, 570), erhöht sich der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz - bei Vorliegen seiner tatbestandlichen Voraussetzungen - vorübergehend um 1 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für je zwölf Kalendermonate der anrechnungsfähigen Pflichtversicherungszeiten. Die Erhöhung erfolgt höchstens auf 70 v.H. (§ 14 a Abs. 2 Satz 2 BeamtVG).

Ob die in § 14 a Abs. 1 unter Nr. 1 bis 4 BeamtVG näher bezeichneten Voraussetzungen für eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes hier gegeben sind, muss nicht entschieden werden, da eine den Anwendungsbereich des § 14 a Abs. 1 BeamtVG einschränkende Auslegung dazu führt, dass die Mindestversorgung i.S.v. § 14 Abs. 4 BeamtVG nicht Grundlage für eine vorübergehende Erhöhung sein kann. Diese Auslegung des § 14 a BeamtVG lässt sich zwar nicht unmittelbar seinem Wortlaut entnehmen, deren Notwendigkeit ergibt sich aber aus seinem Sinn und Zweck sowie aus einem systematischen Vergleich mit § 14 Abs. 5 BeamtVG unter Berücksichtigung der jeweiligen Entstehungsgeschichte. Insoweit stehen im Wesentlichen zwei voneinander unabhängige - bislang in der Rechtsprechung des BVerwG nicht berücksichtigte - Gesichtspunkte in Rede. Insbesondere der Vergleich der die Mindestversorgung beanspruchenden Beamtengruppen lässt erkennen, dass ihre unterschiedliche Behandlung nicht zu rechtfertigen ist.

Das BVerwG hat in seinem Urteil vom 23.6.2005 - 2 C 25.04 -, BVerwGE 124, 19, einen "berechneten Ruhegehaltssatz" i.S.d. § 14 a Abs. 1 BeamtVG auch dann bejaht, wenn es sich um eine Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG handelt. Der entscheidende Senat folgt dem vom BVerwG gewählten Ansatz und nimmt einen weiten Begriff des Merkmals "berechneten Ruhegehaltssatz" an, obgleich § 14 a BeamtVG hierzu weder eine Legaldefinition enthält noch der Wortlaut der Vorschrift in dem Sinne eindeutig ist, dass eine anders lautende Interpretation schlechterdings ausgeschlossen wäre. Demnach vollzieht sich die Festsetzung des Ruhegehalts des § 14 Abs. 4 BeamtVG im Wege einer Berechnung, weil ihr ein mehrfacher Vergleich mit unterschiedlichen Zahlenwerten zugrunde liegt: Es erfolgt zunächst eine Berechnung des Ruhegehalts gemäß § 14 Abs. 1 BeamtVG, anschließend wird der amtsbezogene Mindestruhegehaltssatz gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG bestimmt und es werden beide Ruhegehaltssätze verglichen und schließlich wird das sog. amtsunabhängige Mindestruhegehalt nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG einschließlich einer Günstigkeitsprüfung berechnet.

Der aufgrund des Wortsinns weit gefasste Anwendungsbereich des § 14 a Abs. 1 BeamtVG ist jedoch zu beschränken. Die vom BVerwG für zutreffend angenommene Verfahrensweise kann zu Ergebnissen führen, die sachlich nicht mit dem Regelungszweck des § 14 a BeamtVG vereinbar sind.

Vgl. Bauer in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Kommentar zum Beamtenversorgungsgesetz, § 14 a Erl. 2.1 Fußnote ***.

§ 14 a BeamtVG will eine vorübergehende Versorgungslücke schließen, die infolge des Haushaltsbegleitgesetzes von 1984 vom 22.12.1983 (BGBl. I, 1532) entstanden war (BT-Drucks. 10/4225, S. 21). Durch die Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten bei der beamtenrechtlichen Versorgung soll die Versorgungslücke (zum Teil) ausgeglichen werden, die sich für Beamte mit ruhegehaltfähigen Dienstzeiten und Pflichtbeitragszeiten ergibt im Vergleich mit den Beamten, die nur über ruhegehaltfähige Dienstzeiten verfügen. Aufgrund dieser Gesetzesänderung besteht ein Anspruch auf eine Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich nur noch dann, wenn von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt sind. Dies wirkt sich vor allem bei Beamten, die vorzeitig in den Ruhestand treten und deren versicherungspflichtige Arbeitnehmer-Vordienstzeiten nicht ruhegehaltfähig sind, bis zum Bezug des Altersruhegeldes aus. Ziel der Regelung war es nicht, die durch die rentenrechtliche Regelung entstehenden Auswirkungen völlig auszugleichen, ihnen sollte lediglich entgegengewirkt werden (vgl. BT-Drucks. 10/4225, S. 21).

Dieser Regelungszweck wird zwar bei Anwendung des § 14 a BeamtVG in der Auslegung, die er durch die Rechtsprechung des BVerwG gefunden hat, dem Grunde nach nicht verfehlt, denn es werden die für die Erhöhung des Ruhegehaltssatzes maßgeblichen Pflichtbeitragszeiten bis zum Rentenbezug wie eine ruhegehaltfähige Dienstzeit behandelt. Allerdings wohnt dieser Auslegung ein überschießendes Moment inne, weil der Beamte mit Beitragsleistungen ggf. besser gestellt würde als der, dessen relevante Zeiten allein ruhegehaltfähig wären. Kann der "Nur-Beamte" ausschließlich die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG beanspruchen, so könnte der Beamte, der auch Leistungen für die gesetzliche Rentenversicherung erbracht hat, bei gleicher Arbeits- und Dienstzeit den Mindestsatz entsprechend der berücksichtigungsfähigen Beitragszeit erhöhen. Dieses Ergebnis würde dem fassbaren Regelungszweck des § 14 a BeamtVG jedenfalls teilweise nicht entsprechen, einen vorübergehenden Ausgleich für den noch nicht möglichen Rentenbezug zu schaffen, aber auch keine Bevorzugung gegenüber einem Beamten ohne Pflichtbeitragszeiten zu bewirken. Durch die Berücksichtigung der Pflichtbeitragszeiten bei der beamtenrechtlichen Versorgung soll der Beamte nämlich nicht bessergestellt werden als ein "Nur-Beamter".

Vgl. Bauer, a.a.O.; vgl. auch VG Weimar, Urteil vom 19.4.2007 - 4 K 1142/06 We -.

Im Ergebnis wäre ein Beamter mit einer kurzen ruhegehaltfähigen Dienstzeit, dafür aber um so längeren Versicherungszeit besser gestellt als derjenige mit einer längeren Dienstzeit und kürzeren Rentenzeit. Sinn und Zweck des § 14 a BeamtVG beabsichtigen diese Folgen nicht. Dem Gesetzgeber kann auch nicht unterstellt werden, willentlich diese Rechtsfolge in Geltung gesetzt zu haben. Vielmehr belegt die Ergänzung des § 14 BeamtVG um den heutigen Absatz 5, dass § 14 a BeamtVG im Falle der Mindestversorgung keine Anwendung beanspruchen kann. Die mit Wirkung vom 1.10.1994 eingefügte ergänzende Ruhensregelung des § 14 Abs. 5 BeamtVG (BGBl. I 1993, 2442), die § 2 Nr. 9 BeamtVÜV nachgebildet ist, stellt eine Einschränkung bei der Gewährung einer Mindestversorgung dar.

Sinn und Zweck des § 14 Abs. 5 BeamtVG ist es, den sich nach Anwendung von § 55 BeamtVG ergebenden Zahlbetrag an Versorgungsbezügen nochmals zu reduzieren, wenn und weil infolge einer späten Begründung des Beamtenverhältnisses die Gewährung einer Mindestversorgung auf eine Rentenleistung trifft, die nach der Regelung des § 55 BeamtVG dazu führte, dass trotz der verhältnismäßig kurzen Dienstzeit neben der Rentenleistung gleichwohl das (nahezu) ungekürzte Mindestruhegehalt zu gewähren wäre.

Vgl. OVG S.-A., Beschluss vom 2.3.2006 - 1 L 7/05 -, juris; Bayer, in: Plog/Wiedow/ Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz mit Beamtversorgungsgesetz, § 14 Rn. 47.

§ 14 Abs. 5 BeamtVG ergänzt die Ruhensregelung des § 55 BeamtVG dahin, dass bei der Gewährung der Mindestversorgung die Höchstgrenze auf den Betrag des erdienten Ruhegehalts festgesetzt wird, andererseits die Gesamtversorgung von Ruhegehalt und Rente nicht hinter der Mindestversorgung zurückbleibt.

Zu der Berechnung des Ruhegehalts gemäß § 14 Abs. 5 BeamtVG anhand von Fallbeispielen s. Bauer, a.a.O., § 14 Erl. 6.

Nach dem gesetzgeberischen Willen rechtfertigt sich die ergänzende Ruhensregelung des § 14 Abs. 5 BeamtVG mit dem Gedanken, dass die Sicherung des Existenzminimums ausschließlich durch die Mindestversorgung nur nötig sei bis zu dem Zeitpunkt, ab dem eine Rente i.S.d. § 55 BeamtVG aufgrund einer vorangegangenen Arbeitnehmertätigkeit gewährt werde (BT-Drucks. 12/5919, S. 17). Demgegenüber würden die Beamten, die vor ihrer Altersgrenze in den Ruhestand treten und die Mindestversorgung beanspruchen können, bis zu diesem Zeitpunkt bei zusätzlicher Anwendung des § 14 a BeamtVG gegenüber denjenigen systemwidrig begünstigt, die die Altersgrenze bereits erreicht haben und ebenfalls mindestversorgungsberechtigt sind. Im konkreten Fall erhielte der betreffende Beamte vor Erreichen der Altersgrenze mehr an Gesamtversorgung als bei Erreichen dieser Grenze. Einen sachlichen, tragfähigen Grund für die unterschiedliche Behandlung ein und der derselben Person oder Personengruppe ist indes nicht ersichtlich. Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber diese unterschiedlichen Folgen gewollt hat. Im Gegenteil zeigt die ergänzende Ruhensregelung des § 14 Abs. 5 BeamtVG, dass auch der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Mindestversorgung als solche nicht erhöhbar sei.

Soweit das BVerwG in seinem Urteil vom 23.6.2005 auch § 14 Abs. 5 BeamtVG in den Blick nimmt (BVerwGE 124, 19, 25), um die Berücksichtigung des ihr zugrunde liegenden Rechtsgedankens zu prüfen, geschieht dies nur zum Zweck eines Vergleichs von Pflichtversicherungszeiten nach § 14 a BeamtVG mit ruhegehaltfähigen Dienstzeiten gemäß § 6 BeamtVG und es werden zwei hierauf bezogene Vergleichsgrößen berechnet (fiktive Einbeziehung der Zeit nach § 14 a BeamtVG in die ruhegehaltfähige Dienstzeit und Aufstockung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 a BeamtVG). Die oben angestellten Überlegungen spielen demnach keine Rolle.

Es lässt sich im Ergebnis festhalten, dass eine - bezogen auf die Mindestversorgung - unterschiedliche versorgungsrechtliche Behandlung nicht nur dem Gesetzeszweck zuwiderliefe und insbesondere mit Rücksicht auf § 14 Abs. 5 BeamtVG systemwidrig wäre, sondern auch eine sachwidrige Ungleichbehandlung von versorgungsberechtigten Beamten bewirkte, ohne dass tragende Gründe diese nachvollziehbar machen könnten. Schließlich kann nicht das Argument verfangen, Art. 14 Abs. 1 GG gebiete die Anwendbarkeit des § 14 a BeamtVG bei der Gewährung der Mindestversorgung. Soweit Rentenansprüche und -anwartschaften grundsätzlich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unterfallen, vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97 u.a. -, BVerfGE 112, 368, verlieren sie auch bei einer Mindestversorgung des Beamten vor Erreichen der Altersgrenze nicht ihren Wert, da sie in vollem Umfang berücksichtigt werden. Das jeweils erdiente Ruhegehalt wird hinsichtlich der Beitragszeiten gemäß dem Berechnungsmodus des § 14 a BeamtVG erhöht. Soweit das Ruhegehalt nicht die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 oder Satz 2 BeamtVG erreicht, erfolgt eine entsprechende Anhebung.

§ 3 Abs. 1 BeamtVG, wonach die Versorgung der Beamten und ihrer Hinterbliebenen durch Gesetz geregelt wird, steht der vom Senat für zutreffend erachteten Auslegung des § 14 a BeamtVG nicht entgegen. Das Rechtssetzungsmonopol, das dem Gesetzgeber die Verantwortung für die Normierung des beamtenrechtlichen Versorgungsrechts auferlegt, betrifft in erster Linie das Verbot der rechtsanwendenden Organe, einem Beamten ohne rechtliche Grundlage Leistungen zuzusprechen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.6.1958 - 1 BvR 1/52, 1 BvR 46/52 -, BVerfGE 8, 1; zu § 2 Abs. 1 BBesG: BVerwG, Urteil vom 20.6.1996 - 2 C 7.95 -, NVwZ 1998, 76. Hiervon abgesehen bestehen im Hinblick auf die Auslegung versorgungsrechtlicher Bestimmungen im Grundsatz keine Besonderheiten.

Vgl. Bayer, a.a.O., § 3 Rn. 37 ff., m.w.N.

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