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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 05.11.2008
Aktenzeichen: 21 A 3542/06
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 53 Abs. 8
Die Tätigkeit als Gastprofessor an einer Hochschule kann eine Verwendung im öffentlichen Dienst im Sinne von § 53 Abs. 8 BeamtVG sein.
Tatbestand:

Der Kläger stand bis zu seiner Emeritierung als Professor im Dienst des beklagten Landes. In den Monaten Oktober und November 2003 nahm er an einer Universität in Brandenburg auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung mit dem Land Brandenburg die Tätigkeit eines Gastprofessors wahr und erhielt dafür eine Vergütung. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung des Landes Nordrhein-Westfalen (LBV) regelte daraufhin die Emeritenbezüge des Klägers für die beiden Monate nach § 53 BeamtVG und forderte einen Teil der gezahlten Bezüge zurück. Die dagegen erhobene Anfechtungsklage hat das VG abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Voraussetzungen für die vom LBV getroffene Ruhensregelung nach § 53 Abs. 1, 7 und 8 i.V.m. § 91 BeamtVG sind erfüllt. Nach § 53 Abs. 8 BeamtVG findet die Ruhensregelung des § 53 Abs. 1 BeamtVG auf Versorgungsempfänger, die - wie der Kläger - das 65. Lebensjahr vollendet haben, nur Anwendung, wenn das Erwerbseinkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst erzielt wird.

Kennzeichnend für den Begriff "Verwendung im öffentlichen Dienst" ist ein Abhängigkeitsverhältnis, kraft dessen der Versorgungsberechtigte dem Dienstherrn zu einer bestimmten Tätigkeit verpflichtet und mindestens bezüglich der Art und Weise seiner Tätigkeit den Weisungen des Dienstherrn unterworfen ist. Typischerweise besteht ein solches Abhängigkeitsverhältnis bei einem neuen Beamtenverhältnis, einem vertraglichen Arbeitsverhältnis oder einem anderen privatrechtlichen Dienstvertrag. Nicht "im Dienst" im Sinne des Gesetzes steht, wer für einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn nicht in einem solchen abhängigen Dienstverhältnis, sondern als selbständiger Unternehmer tätig wird. Es kommt bei der notwendigen Abgrenzung auf die gesamten tatsächlichen Umstände des Falles und darauf an, welche für eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit sprechenden Umstände überwiegen und damit bei einer Gesamtschau das Rechtsverhältnis prägen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.07.1965 - II C 22.64 -, BVerwGE 22, 1; Urteil vom 29. 06.1970 - VI C 41.66 -, Buchholz 232 § 158 BBG Nr. 19 = ZBR 1970, 391; Urteil vom 21.12.1982 - 6 C 68.78 -, BVerwGE 66, 324.

Sinn und Zweck der Ruhensvorschriften ist es, die doppelte Alimentierung eines früheren Beamten und jetzigen Versorgungsberechtigten für eine Tätigkeit zu vermeiden, die in ihrer Art oder Rechtsnatur der früheren Beamtentätigkeit gleicht oder ähnlich ist. Durch die Ruhensvorschriften soll typischerweise und in erster Linie der Fall erfasst werden, dass der in den Ruhestand getretene Beamte im privatrechtlichen Dienstverhältnis seine bisherige oder eine ähnliche Tätigkeit weiter ausübt. Ihm neben dem Arbeitsentgelt für diese Tätigkeit das volle Ruhegehalt zu belassen, erscheint nach dem das Beamtenrecht beherrschenden Grundsatz angemessener Alimentierung unangebracht. Die Ruhensvorschriften gelten darüber hinaus auch für Dienstverhältnisse, die nicht mit der früheren Beamtentätigkeit zusammenhängen. Sie können hingegen nicht auf Sachverhalte angewendet werden, die mit den bezeichneten typischen und den ihnen ähnlichen Fällen nicht vergleichbar sind, weil nach der Art der Tätigkeit und der Vergütung eine doppelte Alimentation nicht in Betracht kommt. Das ist dann der Fall, wenn der Versorgungsberechtigte nicht für eine abhängige Arbeitstätigkeit eine im Wesentlichen für seinen Unterhalt bestimmte Vergütung, sondern für eine wesentlich unabhängige, selbständige Tätigkeit ein nach der Leistung bemessenes Entgelt bekommt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.07.1965 - II C 22.64 -, a.a.O.

Von diesen Obersätzen ausgehend hat das BVerwG einerseits entschieden, dass der Honorarprofessor ohne Lehrauftrag nicht zu den abhängig im Dienst eines öffentlichen Dienstherrn, sondern zu den weitgehend unabhängig und ohne doppelte Alimentierung Tätigen zu rechnen sei. Denn der Honorarprofessor ohne Lehrauftrag sei zwar zu einer Lehr- und Forschungstätigkeit an der Hochschule berechtigt. Seine Rechtsstellung begründe aber keine entsprechende Verpflichtung und damit keine Dienstpflicht, keine Weisungsgebundenheit und keine Vergütung im Sinne einer Alimentierung.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.07.1965 - II C 22.64 -, a.a.O.

Andererseits hat das BVerwG die Tätigkeit eines Lehrbeauftragten an einer Hochschule als Verwendung im öffentlichen Dienst angesehen, weil durch den Lehrauftrag ein überwiegend abhängiges Dienstverhältnis begründet werde. Entscheidend sei nicht, dass der Lehrbeauftragte Ort und Zeit seiner Tätigkeit nicht selbst bestimmen könne, denn die Tätigkeit eines akademischen Lehrers habe sich notwendig in den organisatorischen Rahmen der Hochschule einzufügen. Zu berücksichtigen sei aber, dass die Hochschule für die Auswahl und Ausgabe des Themas der Lehrveranstaltung verantwortlich sei und der Lehrbeauftragte zur Ausführung des thematisch festgelegten Lehrauftrages verpflichtet sei, wenn er ihm mit seinem Einverständnis erteilt worden sei. Unschädlich sei es, dass der Lehrbeauftragte die ihm übertragenen Lehraufgaben selbständig wahrnehme und im Rahmen des Lehrauftrages nicht weisungsgebunden sei. Insoweit unterscheide sich seine Stellung nicht von beamteten Hochschullehrern.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.12.1982 - 6 C 68.78 -, a.a.O.

Hiervon ausgehend hat das VG die Tätigkeit des Klägers als Gastprofessor zu Recht als abhängige Tätigkeit im Dienst eines öffentlichen Dienstherrn eingestuft.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das VG die Bezeichnung des Rechtsverhältnisses in der Honorarvereinbarung als "Dienstverhältnis" als Indiz für eine unselbständige Tätigkeit gewertet hat. Damit wird die gesetzliche Formulierung in § 50 BbgHG (...) aufgenommen, wonach Gastprofessoren durch die Hochschulen "in einem Dienstverhältnis" beschäftigt werden. Dies deutet darauf hin, dass auch der Gesetzgeber davon ausging, dass Gastprofessoren nicht als freie Unternehmer aufgrund eines wie auch immer gearteten "Werkvertrages" tätig werden, sondern "im Dienst" der Hochschule und damit in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zu ihr stehen. Die vom Kläger aus dem Berliner Hochschulgesetz wiedergegebene Formulierung eines "freien Dienstverhältnisses" findet sich im Brandenburgischen Hochschulgesetz nicht.

Zu Recht weist der Kläger unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BAG (Urteil vom 16.03.1988 - 5 AZR 28/87, juris), auf die vom DAAD herausgegebenen "Handreichungen für die Praxis" und auf § 5 der Honorarvereinbarung darauf hin, dass zwischen ihm und der Hochschule kein privatrechtliches Arbeitsverhältnis bestanden habe. Dies ist jedoch unerheblich. Das für eine "Verwendung im öffentlichen Dienst" notwendige Abhängigkeitsverhältnis liegt nach der bereits zitierten Rechtsprechung des BVerwG typischerweise nicht nur dann vor, wenn zwischen den Betroffenen ein vertragliches Arbeitsverhältnis besteht, sondern auch bei einem anderen privatrechtlichen Dienstvertrag. Dementsprechend kann auch ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eigener Art, das nicht als Arbeitsverhältnis angesehen werden kann, eine "Verwendung im öffentlichen Dienst" begründen.

Für das Vorliegen der erforderlichen Abhängigkeit spricht, dass der Kläger - anders als ein Honorarprofessor ohne Lehrauftrag - die Verpflichtung übernommen hat, mit acht Semesterwochenstunden an den Lehraufgaben des Zentrums J., Bereich M. mitzuwirken. Außerdem hat er sich konkret verpflichtet, Konsultationen mit der DFG-Forschergruppe L. zu halten und Lehrveranstaltungen in bestimmtem Umfang durchzuführen. Er war damit in den Lehrbetrieb der Hochschule eingebunden. Dies zeigt sich nicht nur daran, dass der Kläger als Gastprofessor im Vorlesungs- und Personalverzeichnis der Universität genannt wurde und dass dort auch die von ihm angebotenen Seminare aufgeführt waren. Der Kläger hat zudem im Anschluss an das von ihm abgehaltene Proseminar eine Klausur gestellt und bewertet und im Rahmen des angebotenen Hauptseminars die Hauptseminararbeiten bewertet; die Studenten konnten in den vom Kläger angebotenen Seminaren von der Universität anerkannte Leistungsnachweise erwerben. Der Umstand, dass der Kläger seine Lehraufgaben nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BbgHG, der nach § 7 der Honorarvereinbarung ergänzend Anwendung findet, selbständig wahrnehmen durfte, spricht nicht für eine unabhängige Tätigkeit des Klägers im Sinne von § 53 Abs. 8 BeamtVG. Denn die Lehrfreiheit, die auch jeder beamtete Hochschullehrer genießt, rechtfertigt es nicht, den für einen beschränkten Zeitraum beschäftigten Gastprofessor als "selbständigen Unternehmer" anzusehen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.12.1982 - 6 C 68.78 -, a.a.O.

Anders als einem Lehrbeauftragten ist dem Kläger allerdings kein konkreter Lehrauftrag übertragen worden. Er war mithin wie ein ordentlicher Professor zunächst frei in der Auswahl der Art, des Themas und des Inhalts der Lehrveranstaltungen. Auch wenn § 37 Abs. 2 Satz 2 BbgHG, wonach ein Hochschullehrer verpflichtet ist, im Rahmen der für sein Dienstverhältnis geltenden Regelungen die zur Sicherstellung des Lehrangebots getroffenen Entscheidungen der Hochschulorgane zu verwirklichen, im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gekommen ist, so hat der Kläger seine Lehrveranstaltungen doch zumindest in Absprache mit der Institutsleitung festgelegt. Zudem hatte sich der Kläger verpflichtet, nicht allgemein an den Lehraufgaben der Universität mitzuwirken, sondern gerade an denen des Zentrums J., Bereich M.. Außerdem hatte er sich konkret verpflichtet, eine bestimmte Forschergruppe zu beraten. Nur im Rahmen dieser Verpflichtungen war er unabhängig.

Für eine abhängige Tätigkeit des Klägers spricht schließlich, dass er für seine Tätigkeit ein monatliches Gesamthonorar erhielt und nicht jede einzelne Lehrveranstaltung, jeder einzelne Vortrag und jede einzelne Beratungstätigkeit gesondert honoriert wurde. Die Vergütung war damit nicht leistungs- und erfolgsbezogen, sondern erfolgte pauschal für die Inanspruchnahme der Arbeitskraft in einem bestimmten Zeitraum.

Unter Berücksichtigung aller Umstände ähnelte die Tätigkeit des Klägers als Gastprofessor sehr stark der Tätigkeit eines beamteten Hochschullehrers, dessen "Verwendung im öffentlichen Dienst" außer Frage steht. Der Kläger übte damit eine Tätigkeit aus, die in ihrer Art und Rechtsnatur seiner früheren Beamtentätigkeit glich. Es entspricht deshalb Sinn und Zweck der Ruhensvorschriften, im vorliegenden Fall die doppelte Alimentierung des Klägers mit öffentlichen Mitteln zu vermeiden.

Die vom LBV getroffene Regelung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. (wird ausgeführt)

Die Rückforderung der danach zuviel gezahlten Versorgungsbezüge richtet sich nach § 52 Abs. 2 BeamtVG und ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

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