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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 21 A 4408/06
Rechtsgebiete: GG, SZG-NRW, BBesG, BBVAnpG 2003/2004


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 5
SZG-NRW § 1 Abs. 2
SZG-NRW § 6 Abs. 4
BBesG § 1 Abs. 2
BBesG § 3 Nr. 2
BBVAnpG 2003/2004Art. 18 Abs. 2
Auf die jährliche Sonderzahlung nach dem Sonderzahlungsgesetz - NRW (SZG-NRW) ist "eine laufende oder einmalige Sonderzahlung oder eine dem Grunde nach vergleichbare Leistung aufgrund bundes-, landesgesetzlicher oder tariflicher Regelung" anzurechnen (hier: Kalenderjahr 2004). Bei dem im Kirchendienst aufgrund eines Tarifvertrages gezahlten Urlaubsgeld handelt es sich um eine Sonderzahlung im Sinne von § 6 Abs. 4 SZG-NRW.

Die zur Alimentation hinzutretende Sonderzahlung des Dienstherrn unterfällt nicht den Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG. Der Landesgesetzgeber durfte daher bei der Einführung der Sonderzahlung eine Anrechnungsregelung vorsehen, die nicht nur einmalige oder laufende Sonderzahlungen aus einer öffentlichen Kasse, sondern auch tarifvertraglich geschuldete Sonderzahlungen erfasst.


Tatbestand:

Der Kläger steht als Beamter im Dienst des beklagten Landes. Er übt Nebentätigkeiten bei Evangelischen Kirchengemeinden aus und erhielt für Juli 2004 ein tarifliches Urlaubsgeld sowie für November 2004 eine Tarifzulage. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) rechnete diese Zahlungen gemäß § 6 Abs. 4 des Sonderzahlungsgesetzes - NRW (SZG-NRW) vom 20. 11. 2003 (GV. NRW. S. 696) auf die jährliche Sonderzahlung an.

Der Kläger hat Klage erhoben, soweit es die Zahlungen aus der Nebentätigkeit für Juli 2004 betrifft, und geltend gemacht: Die Anrechnungsnorm des § 6 Abs. 4 SZG-NRW beschränke sich auf vergleichbare Sonderzahlungen. Das auf der Grundlage der Ordnung für das Urlaubsgeld der kirchlichen Angestellten gezahlte Urlaubsgeld sei keine vergleichbare Leistung.

Das VG hat der Klage entsprochen mit der Begründung, die Sonderzahlung nach dem Sonderzahlungsgesetz NRW trete nicht an die Stelle des früher bundesrechtlich geregelten Urlaubsgeldes. Es treffe zwar zu, dass mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes das bedingende Ereignis für das Außerkrafttreten des Urlaubsgeldgesetzes und des Sonderzuwendungsgesetzes eingetreten sei (Art. 18 Abs. 2 BBVAnpG 2003/2004). Die Entstehungsgeschichte des Sonderzahlungsgesetzes NRW zeige aber, dass das Urlaubsgeld ersatzlos gestrichen worden sei und nicht in die jährliche Sonderzahlung eingeflossen sei.

Auf die Berufung des beklagten Landes hat das OVG das angefochtene Urteil geändert und die Klage abgewiesen.

Gründe:

Das beklagte Land ist nicht verpflichtet, den streitigen Kürzungsbetrag der Sonderzuwendung 2004 nachzuzahlen.

Die beiden Zahlungen nach der Ordnung für das Urlaubsgeld der kirchlichen Angestellten vom 17.1.1992 sind nicht von vornherein der Anrechnungsregelung in § 6 Abs. 4 SZG-NRW entzogen. § 1 Abs. 2 SZG-NRW, wonach das Gesetz nicht für die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften und ihre Verbände gilt, besagt lediglich klarstellend, dass diese Rechtssubjekte nicht durch das SZG-NRW verpflichtet werden. Darum geht es hier nicht. Der allein interessierende § 6 Abs. 4 SZG-NRW ist auch nicht auf vergleichbare Leistungen aus öffentlichen Kassen beschränkt, so dass es nicht darauf ankommt, ob ein kirchlicher Arbeitgeber die Eigenschaft einer öffentlichen Kasse besitzt. Die Vorschrift stellt unmissverständlich auf Leistungen aufgrund bundes-, landesgesetzlicher oder tariflicher Regelung ab, und zwar ohne Beschränkung auf Tarifverträge des öffentlichen Dienstes.

§ 6 Abs 4 SZG-NRW beschränkt die Anrechnung nicht auf Zahlungen, die der Sonderzahlung nach dem Sonderzahlungsgesetz NRW vergleichbar sind. Die Bestimmung bezieht sich auf laufende oder einmalige Sonderzahlungen aufgrund bundes-, landesgesetzlicher oder tariflicher Regelung und verwendet das Adjektiv "vergleichbar" erst im Zusammenhang mit der dritten Fallvariante, die eine Auffangfunktion erfüllt, der dem Grunde nach vergleichbaren Leistung. Dies besagt nicht, dass hinsichtlich der laufenden oder einmaligen Leistung in jeder Hinsicht - auch nach dem Fälligkeitszeitpunkt und der erkennbaren Zweckbestimmung - eine Vergleichbarkeit mit der landesgesetzlichen Sonderzahlung bestehen muss. Das Sonderzahlungsgesetz NRW unterscheidet nach den laufenden Bezügen und einmaligen oder laufenden Sonderzahlungen. Diese Differenzierung beruht darauf, dass der Dienstherr mit den Dienstbezügen im Sinne von § 1 Abs. 2 BBesG seine Verpflichtung zur amtsangemessenen Alimentation erfüllt und insoweit Einkünfte aus Nebentätigkeiten grundsätzlich keine Rolle spielen. Jährliche Sonderzahlungen (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 2 BBesG) treten als sonstige Bezüge hinzu. An diese Unterscheidung knüpft § 6 Abs. 4 Sonderzahlungsgesetz NRW an und vermindert die Sonderzahlung nach diesem Gesetz nur mit Blick auf Einkünfte aus einer Nebentätigkeit, die wie die Sonderzahlung nach dem SZG-NRW zu der laufend gewährten Grundvergütung hinzutreten. Auf den Fälligkeitszeitpunkt und eine erkennbar werdende Zweckbestimmung kommt es dagegen nicht an. Für die Absicht des Gesetzgebers, von einer weiteren Differenzierung nach diesen Gesichtpunkten abzusehen, spricht, dass schon der Bundesgesetzgeber die Möglichkeit bedacht hat, dass an die Stelle des bisherigen Urlaubsgeldes und der bisherigen Sonderzuwendung einmalige oder laufende Sonderzahlungen treten würden, und deshalb lediglich den Betrag festgelegt hat, den die Sonderzahlungen nicht übersteigen dürfen (vgl. Art. 18 Abs. 2 BBVAnpG 2003/2004, §§ 1 Abs. 3 Nr. 2, 67 BBesG). Eine Unterscheidung nach Fälligkeit und Zweckbestimmung lässt sich auch sachlich kaum rechtfertigen, weil dann die Verminderung der Sonderzahlung des Dienstherrn davon abhinge, wie stark sich der jeweilige Rechtskreis von den früher als Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld gedachten Zahlungen gelöst hat. Als Unterscheidungsmerkmal eignet sich in erster Linie der Charakter der in Rede stehenden Zahlung als laufender Bezug und einmalige oder laufende Sonderzahlung.

§ 6 Abs. 4 SZG-NRW ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Richtig ist zwar, dass eine Differenzierung der Bezüge nach den Vermögensverhältnissen des Beamten und sonstigen privaten Einkommen des Beamten unzulässig ist.

Vgl. Masing, in: Dreier, Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl., S. 870.

Dies gilt grundsätzlich aber nur für die Teile der Besoldung, die der vom Dienstherrn geschuldeten Alimentation (Art. 33 Abs. 5 GG) dienen. Zusätzliche Leistungen wie das 13. Monatsgehalt und das Urlaubsgeld unterfallen dagegen nicht dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG. Vorschriften über derartige Besoldungsteile können daher jederzeit geändert werden.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29.11.1967 - 2 BvR 668/67 -, JZ 1968, 61, 30.3.1977 - 2 BvR 1039, 1045/75 -, BVerfGE 44, 249 (263), und vom 28.9.2007 - 2 BvL 5/05 u.a. -, juris.

Die fehlende Verankerung zusätzlicher Sonderzahlungen in Art. 33 Abs. 5 GG führt dazu, dass der Gesetzgeber die einschlägigen Vorschriften nicht nur jederzeit ändern, sondern schon bei der Einführung von Sonderzahlungen Anrechnungsregelungen wie in § 6 Abs. 4 SZG-NRW treffen darf. Der erforderliche sachliche Grund im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG für die Verminderung der Sonderzahlung liegt darin, dass der Betroffene aufgrund bundes-, landesgesetzlicher oder tariflicher Regelung zu der Grundvergütung hinzutretende Sonderzahlungen erhält, die - wie auch die Sonderzahlung nach dem Sonderzahlungsgesetz NRW - nicht dazu dienen, den laufenden Bedarf zu decken.

Ende der Entscheidung

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