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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 19.01.2005
Aktenzeichen: 22d A 1433/03.BDG
Rechtsgebiete: BPersVG, BDG


Vorschriften:

BPersVG § 78 Abs. 1 Nr. 3
BPersVG § 78 Abs. 2 Satz 2
BDG § 9
BDG § 13 Abs. 1
BDG § 52
BDG § 54
BDG § 55
BDG § 56 Satz 1
BDG § 57 Abs. 1
BDG § 85 Abs. 1 Satz 2
Wird die Disziplinarklage erhoben, ohne den Beamten über das Recht zu belehren, die Mitwirkung des Personalrats zu beantragen, handelt es sich um einen dem behördlichen Disziplinarverfahren anhaftenden Verfahrensmangel im Sinne von § 55 BDG.

Zur Maßnahmebemessung bei einem überwiegend fahrlässigen, teils vorsätzlichen ungenehmigten Fernbleiben vom Dienst.


Tatbestand:

Die Klägerin erhob Disziplinarklage mit dem Ziel der Zurückstufung der Beklagten, die als Posthauptschaffnerin (BesGr A 4 BBesO) zuletzt bei einem Zustellstützpunkt eingesetzt war und sich zurzeit in Elternzeit befindet.

Durch Bescheide vom 23.9.1999 und vom 26.5.2000 stellte der Dienstvorgesetzte für die Zeit vom 20.9. bis zum 14.11.1999 und für den 11.5. sowie den 20.5.2000 den Verlust der Dienstbezüge fest. Im vorliegenden Disziplinarverfahren legte die Klägerin der Beklagten zur Last, sie sei in den genannten Zeiträumen unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben, sei am 11.5.2000 der Aufforderung, zu einer vertragsärztlichen Untersuchung der Dienstunfähigkeit zu erscheinen, nicht nachgekommen und habe sich am 22.5.2000 gegenüber ihrem Vorgesetzten ungebührlich verhalten.

Die Klägerin wollte das förmliche Disziplinarverfahren einleiten und beteiligte auf Antrag der Beklagten den Betriebsrat. Nach dem Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes erhob die Klägerin die Disziplinarklage, ohne die Beklagte erneut auf das Antragsrecht nach § 78 Abs. 2 Satz 2 BPersVG hinzuweisen.

Das VG wies die Klage mit der Begründung als unzulässig ab, die Beklagte sei fehlerhaft nicht über ihr Antragsrecht belehrt worden. Es handele sich nicht um einen Mangel im Sinne von § 55 Abs. 1 BDG.

Der Senat hob das Urteil auf und stufte die Beklagte in das Amt einer Postoberschaffnerin zurück.

Gründe:

Auszugehen ist zunächst davon, dass die Beklagte vor der Klageerhebung über ihr Antragsrecht nach § 78 Abs. 2 Satz 2 BPersVG hätte belehrt werden müssen. Daran ändert nichts der Umstand, dass ein Mitwirkungsverfahren nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung stattgefunden hat. Gegen-stand dieses Verfahrens war die Absicht des Dienstvorgesetzten, gegen die Beklagte das förmliche Disziplinarverfahren einzuleiten. Diese beabsichtigte Maßnahme unterscheidet sich von der später tatsächlich erhobenen Disziplinarklage so wesentlich, dass sich die erneute Belehrung der Beklagten nach § 78 Abs. 2 Satz 2 BPersVG nicht erübrigte. Bei der tatsächlich durchgeführten Mitwirkung handelt es sich auch nicht um eine nach bisherigem Recht getroffene Maßnahme, die gemäß § 85 Abs. 1 Satz 2 BDG wirksam bliebe. Diese Vorschrift betrifft nach außen wirkende Maßnahmen, nicht aber behördeninterne Mitwirkungsakte, um die es hier geht. Es kommt hinzu, dass eine etwa fortwirkende Mitwirkungs"maßnahme" des Betriebsrats hier leer liefe, weil sie allein auf die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens bezogen werden könnte, die im Zeitpunkt der Klageerhebung aber nicht mehr möglich war (vgl. § 85 Abs. 3 BDG).

Die fehlende (erneute) Belehrung der Beklagten über das personalvertretungsrechtliche Antragsrecht ist - was auch die Klägerin einräumt - ein Verfahrensfehler. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts, es handele sich dabei um eine Klagevoraussetzung, die keine Regelung in § 55 Abs. 1 BDG erfahren habe und deshalb die Unzulässigkeit der Klage nach sich ziehe. Die hier zur Diskussion stehende personalvertretungsrechtliche Mitwirkung ist im Vorfeld der Klageerhebung Teil des behördlichen Disziplinarverfahrens, das erst mit der Klageerhebung abgeschlossen wird und in das Disziplinarverfahren vor dem Verwaltungsgericht übergeht (§§ 34, 52 BDG). Fehlt der innerbehördliche Mitwirkungsakt - hier wegen der fehlenden Belehrung der Beklagten - , haftet der gleichwohl erhobenen Disziplinarklage ein Mangel an, der nach § 55 BDG überwunden werden kann.

Ebenso Lorenzen in Lorenzen u.a., BPersVG, Loseblattkommentar, § 78 RdNr. 36.

Zu keiner anderen Auffassung gelangte man im Übrigen, wenn man den Rechtscharakter der mangelbehafteten Disziplinarklage als Prozesshandlung als ausschlaggebend ansähe. Dann handelte es sich nämlich um einen Mangel der Klageschrift im Sinne von § 55 Abs. 1 BDG, und zwar unabhängig davon, ob die Notwendigkeit, das personalvertretungsrechtliche Verfahren einzuhalten, auch von § 52 Abs. 1 BDG erfasst wird.

Die Beklagte hat den Mangel nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten gerügt. Sie ist mit der am 15.11.2002 zugestellten Eingangsverfügung darüber belehrt worden, dass wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift innerhalb von zwei Monaten geltend zu machen seien und das Gericht nicht oder nicht fristgerecht gerügte Mängel unberücksichtigt lassen könne. Diese Belehrung genügt den Anforderungen des § 54 BDG. Die Beklagte hat den Mangel erst in der mündlichen Verhandlung vom 3.2.2003 und damit verspätet gerügt. Gemäß §§ 65 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 2 BDG kann der Senat den Mangel unberücksichtigt lassen, weil seine Berücksichtigung die Erledigung des Verfahrens verzögern würde. Für diese Ermessensentscheidung spricht hier insbesondere, dass der Betriebsrat in der Sache Stellung bezogen hat und nicht ersichtlich ist, was durch eine erneute Mitwirkung noch erreicht werden könnte. Die Beklagte hat auch nicht zwingende Gründe für die Verspätung glaubhaft gemacht. Solche zwingenden Gründe liegen nicht darin, dass die Disziplinarkammer, nachdem ihr der Verfahrensmangel aufgefallen ist, rechtliche Hinweise erteilt hat, die auf eine mögliche Unzulässigkeit der Klage zielten. Die Beklagte war nicht zwingend daran gehindert, zu dem Hinweis Stellung zu beziehen und den Mangel vorsorglich dem Grunde nach zu rügen. Dies gilt unabhängig davon, dass die Hinweise der Disziplinarkammer den Eindruck erwecken konnten, das Gericht gehe dem Mangel von Amts wegen nach.

In der Sache macht der Senat von der Ermächtigung des § 56 Satz 1 BDG Gebrauch, das Disziplinarverfahren zu beschränken. Aus der weiteren Betrachtung wird der Vorwurf zu 3. in der Disziplinarklage ausgeschieden, weil es - wie im Rahmen der Maßnahmebemessung auszuführen sein wird - auf diesen Vorwurf nicht ankommt. Damit erübrigen sich vertiefende Ausführungen im Anschluss an die Erörterung des Punktes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in der mündlichen Verhandlung.

Soweit es die Vorwürfe zu 1. und 2. betrifft, die Beklagte sei in der Zeit vom 20.9.1999 bis zum 14.11.1999 sowie am 11. und 20.5.2000 dem Dienst schuldhaft ungenehmigt ferngeblieben, ist der Senat an die tatsächlichen Feststellungen des Bundesdisziplinargerichts gebunden (§ 57 Abs. 1 Satz 1 BDG). Der Senat hat jedoch die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind (Satz 2).

Das Vorbringen der Beklagten rechtfertigt nicht den Schluss auf eine offenkundige Unrichtigkeit. Das Bundesdisziplinargericht hat sich in den beiden Beschlüssen, mit denen es die Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge aufrechterhalten hat, im einzelnen mit dem Vorbringen der Beklagten auseinandergesetzt und ihm insoweit Rechnung getragen, als es das Fernbleiben mit einer Ausnahme als fahrlässigen Pflichtverstoß gewertet hat. Lediglich, soweit es den 11.5.2000 betrifft, hat das Bundesdisziplinargericht Vorsatz angenommen mit der Begründung, die Beklagte habe nicht einmal ein Attest des Arztes vorgelegt, den sie am Morgen des 11.5.2000 aufgesucht habe, und in Kenntnis ihrer Dienstfähigkeit auch die geforderte vertragsärztliche Untersuchung versäumt. Die Beweiswürdigung, bei der das Bundesdisziplinargericht maßgeblich auf das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung vom 8.9.1999 abgestellt hat, ist nicht offenkundig, d.h. auf den ersten Blick, unrichtig. Der Amtsarzt, Leitender Kreismedizinaldirektor Dr. Q. ist aufgrund eigener Untersuchung der Beklagten unter Hinzuziehung fachärztlicher Befundberichte und einer neurologisch/psychiatrischen Zusatzbegutachtung zu der Auffassung gelangt, dass die Beklagte vollschichtig leichte Büroarbeiten verrichten könne. In ihrer Aufforderung zum Dienstantritt vom 16.9.999, die der Beklagten am 18. September 1999 ausgehändigt wurde, hat die Klägerin der Beklagten das Ergebnis des Gutachtens mitgeteilt und darauf hingewiesen, sie werde privatärztliche Atteste bezüglich der bislang dargestellten orthopädischen und neurologischen Beschwerden nicht mehr anerkennen; die amtsärztliche Begutachtung habe nunmehr einen größeren Beweiswert als die Krankschreibung durch den Privatarzt. In Kenntnis dieses Schreibens ist die Beklagte seit dem 20.9.1999 dem Dienst ferngeblieben, ohne ärztliche Atteste vorzulegen, durch die das amtsärztliche Gutachten ernsthaft in Frage gestellt worden wäre; die privatärztlichen Atteste betrafen auch keine neuen Sachverhalte. Dies macht auch die Beklagte nicht geltend. Ihr Einwand, sie habe die Bedeutung der vertragsärztlichen und amtsärztlichen Stellungnahmen verkannt und sich auf die privatärztlichen Krankschreibungen verlassen, weil sie von ihren damaligen Verteidigern entsprechend beraten worden sei, zeigt keine offenkundig unrichtigen Feststellungen des Bundesdisziplinargerichts mit Blick auf die festgestellte Fahrlässigkeit auf. Durch die bereits zitierte Aufforderung zum Dienstantritt war die Beklagte zutreffend über die Bedeutung der amtsärztlichen Begutachtung im Vergleich mit privatärztlichen Attesten unterrichtet worden. Sie verstieß gegen die ihr obliegende Sorgfaltspflicht, als sie die Überzeugung gewann, bei einem unveränderten Sachverhalt gleichwohl dem Dienst fernbleiben zu dürfen. Daran ändert nichts, dass sie sich durch ihren damaligen Verteidiger in ihrer Auffassung bestärkt sah. Ihr hätte ohne weiteres klar sein müssen, dass dessen Würdigung allein an ihrer Interessenlage ausgerichtet war. Die mit der Klageerwiderung vorgelegten Schriftsätze zeigen, dass sich der damalige Verteidiger von der einseitig gebliebenen Vorstellung der Beklagten einnehmen ließ, sie werde in der Dienststelle gemobbt; die Aufforderung zum Dienstantritt sei Teil des Mobbings. Aufschlussreich ist auch das Angebot des Verteidigers, auf die beabsichtigte Beschwerde zu verzichten, wenn der Beklagten ein leidensgerechter Arbeitsplatz in Heimatnähe zur Verfügung gestellt werde.

Soweit es das Fernbleiben vom Dienst am 11.5.2000 betrifft, setzt die Beklagte der Würdigung des Bundesdisziplinargerichts, für diesen Fehltag sei nicht einmal eine privatärztliche Krankschreibung vorgelegt, nichts entgegen. Nichts anderes gilt für die Wertung des Bundesdisziplinargerichts, es gehe zu Lasten der Beklagten, wenn sie bei der kurzfristigen Abstimmung von Erholungsurlaub und der darauf beruhenden Eintragung in das Urlaubsbuch nicht dafür Sorge trage, dass die maßgebenden Personen nicht im unklaren über die tatsächlich von ihr geplanten und auch genommenen freien Tage blieben.

Von dem Vorwurf zu 4. stellt der Senat die Beklagte frei. Weil die Beklagte nach den bindenden Feststellungen des Bundesdisziplinargerichts am 11.5.2000 vorsätzlich - in Kenntnis der bestehenden Dienstfähigkeit - dem Dienst unerlaubt ferngeblieben ist, kann ihr nicht zusätzlich der Vorwurf gemacht werden, sie habe sich der angeordneten vertrauensärztlichen Untersuchung entzogen, die ersichtlich nur dazu diente, eine privatärztliche Krankschreibung zu überprüfen. Weil eine solche Krankschreibung hier fehlte und die Beklagte, was sie wusste, deshalb ihren Dienst hätte antreten müssen, kann ihr nicht zusätzlich angelastet werden, sie habe sich die bereits gewonnene Erkenntnis noch vertrauensärztlich bestätigen lassen müssen. Der Aktenvermerk vom 10.5.2000 und das Aufforderungsschreiben vom 11.5.2000 zeigen, dass es dem Dienstvorgesetzten ausschließlich um die Überprüfung einer etwaigen privatärztlichen Krankschreibung, nicht aber generell um eine vertrauensärztliche Untersuchung ging, der sich die Beklagte am 11.5.2000 unabhängig von einer privatärztlichen Krankschreibung hätte stellen müssen. Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, wann die Beklagte von der Aufforderung erfahren hat, zu einer vertragsärztlichen Dienstunfähigkeitsuntersuchung zu erscheinen, und ob sie einem am Nachmittag mit dem Dienststellenleiter geführten Telefonat entnehmen konnte, wegen der fortgeschrittenen Zeit sei ohnehin nichts mehr auszurichten.

Mit dem unter 5. vorgeworfenen Fehlverhalten hat die Beklagte ihre Wohlverhaltenspflicht verletzt. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass sie sich, nachdem ihr der Dienststellenleiter das Fernbleiben vom Dienst am 20.5.2000 vorgehalten hat, abgewandt und laut schimpfend auf dem Flur erklärt hat, sie lasse sich nicht verarschen. Es handelt sich dabei um ein grob ungebührliches Verhalten, einen Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht, zu dem die Beklagte nicht etwa durch das Verhalten des Dienststellenleiters provoziert worden ist.

Mit dem festgestellten Verhalten hat die Beklagte ein einheitliches Dienstvergehen begangen. Das Dienstvergehen wiegt schwer. Das Gebot, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, ist Grundpflicht eines jeden Beamten. Ohne die pflichtgemäß und nach Maßgabe der Dienstpläne zu erbringende Leistung ihrer Mitarbeiter wäre die Verwaltung - hier die Post - nicht imstande, die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Deshalb kann einem Beamten, der ohne triftigen Grund für einen längeren Zeitraum nicht zum vorgeschriebenen Dienst erscheint, regelmäßig nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine Zusammenarbeit unerlässlich ist.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das BVerwG die Höchstmaßnahme stets in den Fällen ausgesprochen, in denen der Beamte ununterbrochen vier Monate oder länger unerlaubt vorsätzlich dem Dienst ferngeblieben war. Bei einem schuldhaft ungenehmigten Fernbleiben vom Dienst von ununterbrochen etwa sieben Wochen bewegt sich die zu verhängende Maßnahme - je nach den Umständen des Einzelfalles - im Grenzbereich zwischen Dienstentfernung und Zurückstufung, wenn der Beamte vorsätzlich gehandelt hat. Bei einem fahrlässigen Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von sieben Wochen hat das BVerwG unter Berücksichtigung weiterer Milderungsgründe auf eine Kürzung der Dienstbezüge unter Ausschöpfung der Höchstlaufzeit erkannt.

BVerwG, Urteil vom 9.4.2002 - 1 D 17.01 -, Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 25.

Im vorliegenden Fall geht es um acht Wochen fahrlässigen ungenehmigten Fernbleibens vom Dienst (20.9.1999 bis 14.11.1999), einen Tag vorsätzlichen ungenehmigten Fernbleibens vom Dienst (11.5.2000) und einen weiteren Tag fahrlässigen ungenehmigten Fernbleibens vom Dienst (20.5.2000). Die beiden letztgenannten Fehlzeiten, insbesondere die Steigerung in ein vorsätzliches Fehlverhalten am 11.5.2000, wiegen schwer, weil die Beklagte durch den Beschluss des Bundesdisziplinargerichts vom 14.12.1999 gewarnt war. Dass die Beklagte uneinsichtig war, zeigt auch ihr Fehlverhalten am 22.5.2000, als sie Vorhaltungen des Dienstvorgesetzten wegen des Fernbleibens vom Dienst am 20.5.2000 mit einer grob ungebührlichen Bemerkung kommentierte.

Für die Beklagte ist anzuführen, dass sie disziplinarisch nicht vorbelastet ist und nach einer Bandscheibenoperation im April 1998 wegen andauernder, ihre Dienstfähigkeit aber nicht ausschließender Beschwerden um ihre Gesundheit besorgt war. Nach dem Ergebnis der amts- und vertragsärztlichen Untersuchungen ist nichts dafür ersichtlich, dass während der Fehlzeiten und bei dem Vorfall am 22.5.2000 die Schuldfähigkeit ausgeschlossen oder wenigstens gemindert war. Hinsichtlich der Fehlzeiten greift ohnehin die Bindungswirkung der Entscheidungen im Verfahren nach § 9 BBesG. Sollte diese Bindungswirkung - wie bisher - nicht für den Milderungsgrund der verminderten Schuldfähigkeit gelten, bestehen keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte, als sie teils in fahrlässiger Fehleinschätzung ihrer Dienstfähigkeit und - am 11.5.2000 - vorsätzlich unerlaubt dem Dienst fernblieb, in ihrer Schuldfähigkeit beeinträchtigt war.

Eine Milderung der Maßnahme lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass sich das Fehlverhalten - wie die Beklagte meint - in einer negativen Lebensphase zugetragen habe, die sie mittlerweile überwunden habe. Dieser Milderungsgrund betrifft ein Dienstvergehen, dessen Wurzel nicht in der Persönlichkeit des Beamten zu suchen ist, sondern in Umständen, die vorübergehend auf den Beamten eingewirkt haben, im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aber keine Rolle mehr spielen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.4.1984 - 1 D 93.83 -, DokBer B 1984, 219.

Im vorliegenden Fall sieht der Senat keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich das Fehlverhalten der Beklagten im wesentlichen mit einer Fixierung auf die Gesundheit erklären lässt, von der die Beklagte wegen der Änderung der persönlichen Lebensverhältnisse inzwischen Abstand gewonnen hat. Der bisherige Werdegang der Beklagten zeigt, dass es sich auch um eine in ihrer Persönlichkeit wurzelnde Fehlhaltung mit Bezug auf die Erfüllung von Verpflichtungen handelt. Beispielhaft ist die dienstliche Beurteilung vom 14.9.1993 mit der Bemerkung, Pflichtgefühl, Interesse und Fleiß, Vertrauenswürdigkeit und Einsatzbereitschaft seien in der Vergangenheit nicht immer ausreichend gewesen.

Bei dieser Sachlage rechtfertigen schon die Vorwürfe zu 1. und 2., die eine achtwöchige Fehlzeit betreffen, eine spürbare Sanktion. Nimmt man das vorsätzliche unerlaubte Fernbleiben vom Dienst am 11.5.2000 und das weitere fahrlässige Fernbleiben am 20.5.2000 sowie die von Uneinsichtigkeit zeugende ungebührliche Reaktion auf einen Vorhalt des Dienststellenleiters hinzu, erweist sich eine Maßnahme mit Außenwirkung, nämlich die Zurückstufung, als erforderlich (§§ 9, 13 Abs. 1 BDG), ohne dass es noch auf den Vorwurf zu 3. ankommt. Durch diese Maßnahme wird die Beklagte nachdrücklich an die Erfüllung ihrer dienstlichen Verpflichtungen erinnert. Außerdem wird auch anderen Beamten vor Augen geführt, dass eine schwerwiegende Pflichtverletzung im Kernbereich nicht ohne Folgen bleibt.

Ende der Entscheidung

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