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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.04.2004
Aktenzeichen: 22d A 728/04.O
Rechtsgebiete: DO NRW, BDO


Vorschriften:

DO NRW § 76 Abs. 6
DO NRW § 76 Abs. 1
BDO § 110 Abs. 2
1. Einem aus dem Dienst entfernten Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen ist die Weiterbewilligung eines Unterhaltsbeitrages nach § 76 Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 DO NRW unter dem Gesichtspunkt selbst zu vertretender Bedürftigkeit nur dann zu versagen, wenn er zuvor über den Umfang und die Intensität seiner Bemühungen um eine neue Erwerbsquelle sowie über die entsprechenden Nachweispflichten belehrt worden ist (im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des BVerwG zu § 110 Abs. 2 BDO).

2. Die Höhe des Unterhaltsbeitrags richtet sich an dem notwendigen Lebensbedarf des Beamten aus, der im Wesentlichen nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu ermitteln ist. Im Einzelfall unangemessene Unterkunftskosten sind als Bedarf des früheren Beamten nur so lange anzuerkennen, als es ihm nicht möglich oder zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, ein Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken.


Tatbestand:

Der 1944 geborene frühere Beamte wurde durch Urteil vom 8.8.2001, rechtskräftig seit dem 6.8.2003, aus dem Dienst entfernt. Gleichzeitig wurde ihm für die Dauer von sechs Monaten ab Rechtskraft ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. des erdienten Ruhegehalts bewilligt. Durch den angefochtenen Beschluss lehnte die Disziplinarkammer den Antrag des früheren Beamten, den Unterhaltsbeitrag ab dem 1.3.2004 auf unbestimmte Zeit, mindestens jedoch für sechs Monate, weiter zu bewilligen, ab, weil der Beamte sich nicht unmittelbar im Anschluss an das Berufungsurteil des Disziplinarsenats um eine neue Arbeitsstelle bemüht, sondern sich erstmals im Oktober 2004 erfolglos auf eine Stelle als Mitarbeiter in einer Autovermietung bzw. als Bürokraft beworben habe.

Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde bewilligte der Disziplinarsenat dem früheren Beamten für die Zeit vom 1.3.2004 bis 31.8.2004 einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. des erdienten Ruhegehalts. Die weitergehende Beschwerde wurde verworfen.

Gründe:

Nach § 76 Abs. 6 DO NRW kann der Unterhaltsbeitrag nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungszeitraums auf Antrag für eine begrenzte Zeit weiterbewilligt werden. Gemäß § 76 Abs. 1 DO NRW setzt die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags voraus, dass der aus dem Dienst entfernte Beamte nach seiner wirtschaftlichen Lage der Unterstützung bedürftig ist und diese nach seinem gesamten Verhalten nicht ungerechtfertigt erscheint. Ungerechtfertigt ist die Gewährung insbesondere dann, wenn der frühere Beamte wegen der Gründe, die zur Dienstentfernung geführt haben, eines Unterhaltsbeitrags unwürdig ist oder wenn er - sieht man von der Dienstentfernung als solcher ab - seine Bedürftigkeit selbst zu vertreten hat. Letzteres ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG zu § 110 Abs. 2 BDO, der der Senat im Hinblick auf die im Wesentlichen inhaltsgleiche Regelung des § 76 Abs. 1 und 6 DO NRW folgt, vor allem dann der Fall, wenn der frühere Beamte trotz entsprechender Belehrung sich nicht in ausreichendem Maße um die Erschließung anderer Erwerbsquellen bemüht hat.

Vgl. BVerwG Beschluss vom 9.11.2000 - 1 DB 17.00 -.

Insoweit kommt es entscheidend auf die persönliche Initiative eines früheren Beamten zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess, auf die Bereitschaft sowie auf die Aktivitäten zur Erlangung einer neuen Tätigkeit an. Ein - sei es es auch nur eingeschränkt - arbeitsfähiger früherer Beamter ist gehalten, während des gesamten Bewilligungszeitraums alle ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um eine unterhaltssichernde neue Arbeit zu finden. Ihm ist es dabei auch zuzumuten, einfache Arbeiten, die keine oder nur eine geringe Qualifikation voraussetzen, anzunehmen. Dabei gehört es zu seinen Obliegenheiten, dass er sich unverzüglich nach rechtskräftig ausgesprochener Dienstentfernung bei dem für ihn zuständigen Arbeitsamt als Arbeitssuchender meldet, sich gleich von Anfang an ständig mehrmals pro Woche auf Stellenangebote hin bewirbt und dass er auch selbst - soweit sinnvoll und zumutbar - Bewerbungen in entsprechenden Medien (z.B. Zeitung) aufgibt, wobei mit zunehmendem zeitlichen Abstand von der Verurteilung des früheren Beamten höhere Anforderungen an die Intensität seiner Bemühungen um eine neue Arbeit zu stellen sind. Über all dies ist ein früherer Beamte im Zusammenhang mit der Dienstentfernung zu belehren. Ebenso ist er im Hinblick auf eine mögliche Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrages darauf hinzuweisen, dass er seine vergeblichen Bemühungen um die Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes durch Vorlage von nachprüfbaren schriftlichen Belegen - dazu gehören z.B. Durchschriften von Bewerbungen, Absagen, Ausdrucke von E-Mails, Angabe von Zeitpunkten und Anschrift von Firmen, bei denen er sich nur mündlich beworben hat - gegenüber dem Gericht glaubhaft machen muss.

Vgl. zu Vorstehendem insgesamt: BVerwG, a.a.O.

Daran gemessen kann hier dem früheren Beamten noch einmal ein Unterhaltsbeitrag für weitere sechs Monate bewilligt werden. Der frühere Beamte hat seine Bedürftigkeit dargetan. (wird ausgeführt) Er ist der Bewilligung eines weiteren Unterhaltsbetrags auch nicht unwürdig. Schließlich kann ihm nicht angelastet werden, dass er seine Bedürftigkeit selbst zu vertreten habe. Insoweit kann dahin stehen, ob dem früheren Beamten vorzuwerfen ist, sich nicht unverzüglich nach der rechtskräftigen Verurteilung in der gebotenen Art und Weise um eine neue Erwerbsquelle bemüht zu haben. Selbst wenn der frühere Beamte seine Obliegenheiten nicht in allen Belangen erfüllt haben sollte, kann ihm dies nicht zum Nachteil gereichen, weil er bislang nicht auf den erforderlichen Umfang, die gebotene Intensität und die ihm obliegenden Nachweispflichten seiner Bemühungen um eine neue Erwerbstätigkeit hingewiesen worden ist. Weder in dem seine Entfernung aus dem Dienst aussprechenden Urteil der Disziplinarkammer vom 8.8.2001 noch in dem hierzu ergangenen Berufungsurteil des Senats vom 6.8.2003 ist eine solche Belehrung erfolgt. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass sein ehemaliger Dienstherr den früheren Beamten ausreichend belehrt hat.

Der Senat sieht keine Veranlassung, die Höhe des Unterhaltsbeitrags schon jetzt auf weniger als 75 v.H. des erdienten Ruhegehalts zu kürzen. Der Unterhaltsbeitrag soll den früheren Beamten bis zur Aufnahme einer neuen Erwerbsfähigkeit vor Not schützen und verhindern, dass der Lebensunterhalt bis dahin durch Leistungen der Sozialhilfe sichergestellt werden muss. Aus dieser Zweckbestimmung des Unterhaltsbeitrags folgt, dass der notwendige Lebensbedarf, an dem sich die Höhe der Leistung ausrichtet, im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen zu ermitteln ist, die auch bei der Bemessung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz gelten. Hier wie dort bestimmt die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen und nicht der Umstand, dass er Verbindlichkeiten gegenüber Dritten hat, das Ausmaß der Leistung.

BVerwG, Beschluss vom 7.9.1987 - 1 DB 19.87 -, NVwZ 1988, 158.

Ausgehend davon sind zur Zeit ein Bedarfssatz für den Haushaltsvorstand sowie ein pauschaler Betrag zur Deckung des einmaligen Bedarfs (20 % des Regelsatzes), die glaubhaft gemachten Kosten der Unterkunft mit Nebenkosten und die Kosten der Krankenversicherung zu berücksichtigen. Dies entspricht in etwa dem bisher ausgezahlten Unterhaltsbeitrag.

Mit Bezug auf die Unterkunftskosten ist zu bemerken, dass diese bei einem etwaigen Verlängerungsantrag nicht mehr in der gegenwärtigen Höhe anerkannt werden können. Weil sich die Unterstützung, die ein aus dem Dienst entfernter Beamter durch einen Unterhaltsbeitrag erhalten soll, an den Maßstäben des Bundessozialhilfegesetzes ausrichtet, gilt sinngemäß der Rechtsgedanke in § 3 Abs.1 Satz 2 der Regelsatzverordnung: Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf solange anzuerkennen, als es nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken. Die Bemühungen des ehemaligen Beamten müssen sich somit in den nächsten Monaten auch darauf erstrecken, die Unterkunftskosten auf eine ortsübliche Miete für den hier bestehenden Haushalt einer Person zu senken. Weiterhin erscheinen die Kosten für die Absicherung im Krankheitsfall zu hoch. Sollten Beihilfeleistungen - etwa bei der im öffentlichen Dienst stehenden (Anm.: getrennt lebenden) Ehefrau - nicht in Frage kommen, muss der Beamte alles unternehmen, um die Kosten der Absicherung im Krankheitsfall zu senken. Zu denken ist etwa an den Standardtarif der privaten Krankenversicherungen.

Im Hinblick auf die bisher unterbliebene Belehrung erachtet es der Senat schließlich für ausreichend und angemessen, entsprechend der Entscheidungspraxis bei der Erstbewilligung eine Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrages für sechs Monate vorzunehmen. Für eine Bewilligung über diesen Zeitraum hinaus ist derzeit kein Raum, weil zunächst die weiteren Bemühungen des früheren Beamten um einen Arbeitsplatz und die Entwicklung seiner Einkommens- und/oder Vermögenssituation abzuwarten sind.



Ende der Entscheidung

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