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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 23.03.2006
Aktenzeichen: 3 A 1082/02
Rechtsgebiete: BauGB, BauO NRW


Vorschriften:

BauGB § 131 Abs. 1
BauGB § 133 Abs. 1
BauGB § 133 Abs. 3 Satz 1
BauO NRW § 4 Abs. 1 Nr. 1
Wird eine Anbaustraße vor Entstehung sachlicher Erschließungsbeitragspflichten flächenmäßig erweitert, steht eine zuvor erfolgte Realisierung des (formlosen) Bauprogramms einer Veränderung dieses Bauprogramms auch mit Auswirkungen auf das Erschließungsbeitragsrecht nicht entgegen.

Ein Hinterliegergrundstück, das mit einem demselben Eigentümer gehörenden Anliegergrundstück einheitlich genutzt wird und an dem ein Gesamterbbaurecht für einen auch am Anliegergrundstück Erbbauberechtigten besteht, ist im Sinne von § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen, wenn nach den bei Entstehung der Beitragspflichten erkennbaren Umständen zugrunde gelegt werden kann, dass Erbbauberechtigter und Eigentümer hinsichtlich der Nutzung von Hinterlieger- und Anliegergrundstück dauerhaft dieselben Interessen verfolgen; dabei ist unerheblich, ob es "allein" in der Hand des erschließungsbeitragspflichtigen Erbbauberechtigten liegt, etwaige der Anlegung einer bauordnungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Zufahrt zum Hinterliegergrundstück entgegenstehende Hindernisse auszuräumen.


Tatbestand:

Die Klägerin wandte sich gegen ihre Heranziehung zu Vorausleistungen auf Erschließungsbeiträge für acht aneinander grenzende, insgesamt etwa 40.000 qm große Grundstücke, auf denen ein Zentrallager eines Handelsunternehmens betrieben wird. Die Klägerin ist Gesamterbbauberechtigte an den Baulichkeiten des Zentrallagers, das sie an ein mit der Eigentümerin aller Grundstücke konzernverbundenes Unternehmen zum Betrieb des Zentrallagers verleast hat. Die Berufung, mit der die Klägerin sich nur noch gegen ihre Heranziehung für die nicht an die abgerechnete Erschließungsanlage grenzenden sieben (Hinterlieger-)Grundstücke des Gewerbeareals richtete, blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Die Voraussetzungen für die Erhebung von Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der A-Straße lagen zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vor (1.). Nach den Gegebenheiten zu diesem Zeitpunkt durfte der Beklagte als wahrscheinlich zugrunde legen, dass die streitbefangenen Grundstücke bei Entstehung sachlicher Beitragspflichten für die A-Straße durch diese Anbaustraße im Sinne von § 131 Abs. 1 BauGB erschlossen sein (2.) und gemäß § 133 Abs. 1 BauGB der Erschließungsbeitragspflicht unterliegen würden (3.).

1. Dem VG ist darin beizupflichten, dass die Voraussetzungen für die Erhebung von Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der Anbaustraße gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. BauGB i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Stadt vom 29.5.1989 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 6.2.1998 - EBS - zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Widerspruchsbescheides, auf den für die Beurteilung abzustellen ist, gegeben waren. Sachliche Erschließungsbeitragspflichten waren - wie vom VG unbeanstandet festgestellt - vor der Widmung der gesamten Straßenfläche für den öffentlichen Verkehr nicht entstanden. Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des VG, die Straße sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültig hergestellt gewesen, weil das konkrete Bauprogramm Ende März 2000 geändert worden und die danach durchzuführende Verbreiterung der Engstelle der Straße auf eine Fahrbahnbreite von 5,50 m noch nicht abgeschlossen war. Die Stadt konnte ihr Bauprogramm zu diesem Zeitpunkt noch mit Auswirkungen für das Erschließungsbeitragsrecht ändern, weil sachliche Erschließungsbeitragspflichten, die von Gesetzes wegen unveränderlich sind, noch nicht entstanden waren und eben deswegen auch die Flächenausdehnung der Erschließungsanlage noch nicht endgültig festgelegt war.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.9.1993 - 3 A 2080/90 -, ZMR 1994, 129, insofern vom BVerwG im Urteil vom 17.11.1995 - 8 C 4.94 -, DVBl 1996, 381, nicht beanstandet.

Die Änderung des ursprünglichen Bauprogramms hat demzufolge die Erschließungsanlage auch nicht etwa wieder "in den Zustand der Unfertigkeit zurückversetzt".

Vgl. zu dieser Problematik BVerwG, Urteile vom 10.10.1995 - 8 C 13.94 -, BVerwGE 99, 308, und vom 18.1.1991 - 8 C 14.89 -, BVerwGE 87, 288; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl. 2004, § 19 Rdn. 19.

...

2. Unbegründet ist ferner die Kritik der Klägerin an der sinngemäßen Feststellung des VG, die streitbefangenen Hinterliegergrundstücke würden - nach Durchführung der Straßenverbreiterung - von der A-Straße im Sinne von § 131 Abs. 1 BauGB erschlossen sein, weil die übrigen Anlieger der Straße wegen der einheitlichen Nutzung der Hinterliegergrundstücke und des an die Straße grenzenden Flurstücks 19 für das S.-Zentrallager schutzwürdig würden erwarten dürfen, dass auch diese Grundstücke in die Verteilung einbezogen werden. Ihre Auffassung, aus dem Urteil des BVerwG vom 15.1.1988 - 8 C 111.86 - BVerwGE 79, 1 ff., ergebe sich, dass die Einbeziehung von Hinterliegergrundstücken in die Verteilung wegen einheitlicher Nutzung mit einem selbständig erschließungsbeitragsrelevant nutzbaren Anliegergrundstück nur dann gerechtfertigt sei, wenn die fragliche Anbaustraße "tatsächlich" einen Erschließungsvorteil biete, trifft nicht zu. Der vom BVerwG entschiedene Fall zeichnete sich gerade dadurch aus, dass das Anliegergrundstück an der Grenze zu der abgerechneten Straße einen Zaun auf einem ca. 40 cm hohen Sockel aufwies und über keine Zufahrt zur Straße verfügte, also im Verständnis der Klägerin "tatsächlich" keinen Erschließungsvorteil genoss und einen solchen dem Hinterliegergrundstück daher "tatsächlich" auch nicht vermitteln konnte. Angesichts dessen kann die von der Klägerin zitierte Formulierung aus dem Urteil zu einem "tatsächlichen" Erschließungsvorteil allein den "abstrakten" Erschließungsvorteil meinen, den ein Anliegergrundstück regelmäßig allein schon wegen seiner Lage an der abzurechnenden Erschließungsanlage genießt und zwar auch dann, wenn sich auf dem Grundstück noch ausräumbare Erschließungshindernisse befinden. Eben dieser Erschließungsvorteil, der das Erschlossensein des Anliegergrundstücks im Sinne von § 131 Abs. 1 BauGB begründet, erstreckt sich, so die Aussage des BVerwG, "infolge dieser einheitlichen, vom Willen des Eigentümers beider Grundstücke getragenen Nutzung auf das Hinterliegergrundstück", weil sie die Grenze von Anlieger- und Hinterliegergrundstück "verwischt" und sie "als ein Grundstück erscheinen" lässt. Und das gebietet es nach Ansicht des BVerwG, auch das Hinterliegergrundstück in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen.

BVerwG, Urteil vom 15.1.1988 - 8 C 111.86 -, BVerwGE 79, 1 (6).

Dass das (Anlieger-) Flurstück 19 zum maßgeblichen Zeitpunkt gemeinsam mit den hier streitbefangenen Hinterliegergrundstücken einheitlich genutzt wurde, stellt die Klägerin nicht in Abrede. Der Umstand, dass diese einheitliche Nutzung nach ihrer Einschätzung "nur in sehr eingeschränktem Umfang" erfolgt sein soll, rechtfertigt es nicht, von einer Einbeziehung der Hinterliegergrundstücke in das Abrechnungsgebiet abzusehen, da dem eine zweckneutrale, rein quantitative Betrachtung der Klägerin zugrunde liegt, wohingegen es nach der Rechtsprechung des BVerwG darauf ankommt, ob sich die fragliche Nutzung des Anliegergrundstücks (hier als PKW-Parkplatz für Betriebsangehörige) speziell aus erschließungsbeitragsrechtlicher Sicht als "gänzlich untergeordnete" Nutzung darstellt, sodass ihr Eignung fehlte, nach dem Eindruck vor Ort die Grundstücksgrenzen zu "verwischen".

Vgl. zur Annahme einer einheitlichen Nutzung aufgrund der Umfriedigung zweier Wohngrundstücke mit einer Mauer, der grenzüberschreitenden Einsaat von Rasen und der Anlegung eines Plattenweges, BVerwG, Urteil vom 30.5.1997 - 8 C 27.96 -, NVwZ-RR 1998, 67.

Auch im Übrigen bestanden bei Erlass des angefochtenen Widerspruchsbescheides keine Gründe daran zu zweifeln, dass die streitbefangenen Hinterliegergrundstücke bei Entstehung sachlicher Beitragspflichten durch die A-Straße im Sinne von § 131 Abs. 1 BauGB erschlossen sein würden. Insbesondere konnte angesichts der einheitlichen Nutzung, der jeweiligen Identität von Grundstückseigentümerin, Erbbauberechtigter und Grundstücksnutzerin bei Anliegergrundstück und Hinterliegergrundstücken nicht die Rede davon sein, dass der Anlegung einer Zufahrt von der Straße auf die Hinterliegergrundstücke zum Zweck ihrer Bebauung oder sonstigen erschließungsbeitragsrelevanten Nutzung irgendwelche rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse im Weg standen, die als auf Dauer nicht behebbar erschienen und aufgrunddessen bereits einer Einbeziehung der Grundstücke in das Verteilungsgebiet entgegenstanden. Diese Einschätzung wird im Übrigen durch die während des gerichtlichen Verfahrens erfolgte Anlegung einer Zufahrt von der A-Straße auf das Flurstück 19 und die hieran angrenzenden Grundstücke des Betriebsgeländes des S.-Zentrallagers im Rahmen der Parkplatzerweiterung bestätigt.

Die Anlegung einer Zufahrt zu den Hinterliegergrundstücken über das Flurstück 19, die den Anforderungen an das erschließungsbeitragsrechtliche Erschlossensein von Gewerbegrundstücken im Sinne von § 131 Abs. 1 BauGB genügt, wäre entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht aus baurechtlichen Gründen unzulässig. Welche Anforderungen an das Erschlossensein eines Grundstücks durch eine Anbaustraße aus erschließungsbeitragsrechtlicher Sicht zu stellen sind, bemisst sich beim Fehlen einschlägiger Festsetzungen in einem Bebauungsplan - wie hier - maßgeblich nach dessen bauplanungsrechtlicher Nutzbarkeit. Für Grundstücke in Gewerbegebieten ist dabei regelmäßig und so auch hier zu fordern, dass von der Erschließungsanlage auf das Grundstück mit Kraftfahrzeugen heraufgefahren werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.11.1987 - 8 C 77.86 -, BVerwGE 78, 237; Beschluss vom 31.5.2000 - 11 B 10.00 -, DVBl. 2000, 374 m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 17 Rdn. 59.

Daran, dass über das Flurstück 19 von der A-Straße eine Zufahrt zu den streitbefangenen Hinterliegergrundstücken selbst für größere Lastkraftwagen angelegt werden kann, bestehen nach den örtlichen Gegebenheiten, insbesondere auch bei einem Vergleich der Breite dieses Grundstücks mit derjenigen der S.-Straße, keinerlei Zweifel. Auch die von der Klägerin angemeldeten sonstigen baurechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Soweit die Klägerin mit den Erfordernissen des auf dem Gewerbeareal gegenwärtig betriebenen Zentrallagers argumentiert, kann sie damit bereits vom Ansatz her keinen Erfolg haben. Bei der Beurteilung des erschließungsbeitragsrechtlichen Erschlossenseins eines Grundstücks ist dessen aktuelle Nutzung ohne Belang. Maßgeblich ist allein, ob dieses Grundstück wegen seiner Erreichbarkeit - nur - von der fraglichen Erschließungsanlage (überhaupt) einer erschließungsbeitragsrechtlich relevanten - hier: gewerblichen - Nutzung zugeführt werden kann. Dabei ist ferner nicht von Bedeutung, ob diese Nutzung die Möglichkeiten, die das Grundstück bietet, voll ausschöpft.

Vgl. Urteil des BVerwG vom 16.9.1977 - IV C 71.74 -, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 63; Driehaus, a.a.O., § 23 Rdn. 19.

Demzufolge kann auch der Hinweis der Klägerin darauf, dass eine alleinige Zufahrt über die A-Straße schon wegen der Größe der hier in Rede stehenden Flächen nicht ausreichend sei, weil auch im Falle einer anderen als der gegenwärtig ausgeübten Gewerbenutzung ein LKW-Verkehr von beträchtlichem Umfang stattfände, keine Zweifel am Erschlossensein dieser Flächen wecken. Ein Erschlossensein von der A-Straße wäre erst zu verneinen, wenn die streitbefangenen Grundstücke bei einer Zufahrt allein über diese Straße überhaupt keiner beitragsrelevanten gewerblichen Nutzung zugänglich wären. Davon aber kann angesichts dessen, dass schon eine Nutzung für KFZ-Stellplätze, Garagen oder einen Verkaufskiosk als erschließungsbeitragsrechtlich relevant anzusehen wäre, vgl. Urteil des BVerwG vom 16.9.1977 - IV C 71.74 -, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 63; Driehaus, a.a.O., § 23 Rdn. 18 m.w.N, keine Rede sein.

Hiervon ausgehend kann nicht bezweifelt werden, dass die von der Beklagten veranlagten sieben Hinterliegergrundstücke bei Anlegung einer Zufahrt - allein - von der A-Straße über das Flurstück 19 (und ggf. andere "dazwischen" liegende streitgegenständliche Hinterliegergrundstücke) auch bei Wahrung des Rücksichtnahmegebotes gegenüber dem südlich unmittelbar angrenzenden Wohngrundstück jeweils überhaupt (irgend) einer gewerblichen, beitragsrechtlich relevanten Nutzung zugeführt werden könnten. (wird ausgeführt)

3. Im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden ist die sinngemäße Feststellung des VG, der Beklagte habe bei Erlass des Widerspruchsbescheides davon ausgehen dürfen, die streitbefangenen Hinterliegergrundstücke würden bei Entstehung sachlicher Beitragspflichten für die A-Straße im Sinne von § 133 Abs. 1 BauGB der Erschließungsbeitragspflicht unterliegen. Dabei kann dahinstehen, ob davon ausgegangen werden durfte, dass die Klägerin als (nur) Erbbauberechtigte es allein in der Hand haben würde, sämtliche einer rechtlich gesicherten Zufahrt über das Flurstück 19 (und die jeweils noch "dazwischen" liegenden Grundstücke) zu dem jeweiligen Hinterliegergrundstück entgegenstehenden Hindernisse auszuräumen, was das VG angenommen, die Klägerin aber in Abrede gestellt hat.

In der vorliegend gegebenen Konstellation ist die von der Klägerin problematisierte Frage, ob sie einen Rechtsanspruch gegen die Grundstückseigentümerin hat, dass diese an der öffentlich-rechtlichen Sicherung einer Zufahrt über das Flurstück 19 durch Bestellung einer Zufahrtsbaulast mitwirkt, nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Es bedurfte daher keiner weiteren Aufklärung, ob sich ein solcher Anspruch schon aus dem Erbbaurecht der Klägerin oder aber aus dem Geflecht der wechselseitigen Rechtsbeziehungen zwischen der S. eG, der Klägerin, der S. GmbH und der S. AG ergibt:

Die Auffassung der Klägerin, das Erschlossensein eines Hinterliegergrundstücks im Sinne von § 133 Abs. 1 BauGB hänge auch in einer Konstellation wie der hier gegebenen davon ab, ob es der für das Hinterliegergrundstück persönlich Beitragspflichtige allein in der Hand habe, eine den baurechtlichen Anforderungen vollauf genügende gesicherte Zufahrt zu seinem Grundstück zu schaffen, ist unzutreffend. Dabei wird nämlich die Besonderheit der hier gegebenen Fallkonstellation außer Acht gelassen. Diese besteht darin, dass die Eigentümerin eines aus mehreren Grundstücken bestehenden Betriebsgeländes ein Gesamterbbaurecht an den dort errichteten Gebäuden für einen Dritten bestellt hat, der diese Baulichkeiten langfristig an ein mit der Grundstückseigentümerin konzernverbundenes Unternehmen zur Führung des angesiedelten Gewerbebetriebes durch ein weiteres konzernverbundenes Unternehmen (quasi "zurück-") vermietet hat. Unter diesen Umständen besteht an einer nicht nur "latenten", sondern "aktuellen" erschließungsbeitragsrelevanten Nutzbarkeit auch derjenigen Grundstücke des einheitlichen Betriebsgeländes, die nicht unmittelbar an die abzurechnende Erschließungsanlage grenzen, und damit ihrer Beitragspflicht im Sinne von § 133 Abs. 1 BauGB kein Zweifel:

Der Senat hat schon in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 31.1.1989 - 3 A 922/87 -, NWVBl. 1990, 304, ausgeführt, dass § 133 Abs. 1 BauGB eine abstrakte Bebaubarkeit des beitragspflichtigen Grundstücks genügen lässt, sodass die Beitragspflicht eines Hinterliegergrundstücks nach dieser Vorschrift nicht voraussetzt, dass eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zur Anbaustraße bereits existiert, sondern es vielmehr ausreicht, "wenn den Anforderungen des Bauordnungsrechts an eine gesicherte Zufahrt voraussichtlich entsprochen werden könnte, wenn ein Bauantrag ein Vorhaben auf dem Hinterliegergrundstück vorsehen würde, das von der abgerechneten Erschließungsanlage tatsächlich erreichbar wäre". Dies entspricht der Rechtsprechung des BVerwG, wonach im Falle der Eigentümeridentität hinsichtlich Anlieger- und Hinterliegergrundstück ein Hinterliegergrundstück nicht erst dann gemäß § 133 Abs. 1 BauGB beitragspflichtig wird, wenn der Hinterlieger die baurechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen erfüllt hat - so aber noch BVerwG, Urteil vom 15.1.1988 - 8 C 111.86 -, BVerwGE 79, 1 (8 f.), s. auch Urteil vom 26.9.1983 - 8 C 86.81 -, BVerwGE 68, 41 ff. -, sondern es ausreicht, wenn es in seiner Hand liegt, Hindernisse auszuräumen, die einer beitragsrelevanten Nutzung seines Hinterliegergrundstücks wegen der abgerechneten Erschließungsanlage entgegenstehen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 26.3.1993 - 8 C 35.92 -, BVerwGE 92, 157, und - 8 C 45.91 -, NVwZ 1993, 1208.

Dass in diesem Zusammenhang den Gesichtspunkten der Identität des Eigentümers von Anlieger- und Hinterliegergrundstück einerseits und - bei Eigentümerverschiedenheit - eines Anspruchs des Eigentümers des Hinterliegergrundstücks gegen den Eigentümer des Anliegergrundstücks auf Verschaffung des Eigentums - vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1992 - 8 C 45.91 -, a.a.O.; Driehaus, a.a.O., § 17 Rdn. 79, § 23 Rdn. 13 - oder auf Beseitigung von Zugangshindernissen, etwa durch Einräumung einer Baulast - vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.4.1997 - 3 A 3508/92 -, insoweit in NWVBl. 1998, 245 nicht abgedruckt; Beschluss vom 25.1.2001 - 3 B 1825/99 -; Beschluss vom 24.2.1992 - 3 B 2334/90 -, NWVBl. 1992, 402 - ausschlaggebende Bedeutung beigemessen wird, beruht darauf, dass die Berechtigung verschiedener Personen an Anlieger- und Hinterliegergrundstück regelmäßig mit Interessenunterschieden oder -gegensätzen hinsichtlich der Nutzung dieser Grundstücke, insbesondere der Nutzung des Anliegergrundstücks als Zuwegung zum Hinterliegergrundstück verbunden ist. Bei einem solchen Interessenwiderstreit aber rechtfertigt regelmäßig erst ein durchsetzbarer Rechtsanspruch des Eigentümers des Hinterliegergrundstücks eine hinreichend sichere Aussicht darauf, dass die im Baufall erforderlich werdende rechtlich gesicherte Zuwegung von der Anbaustraße auch tatsächlich realisiert werden wird. Dieser Gesichtspunkt eines im Baufall möglichen Interessengegensatzes spricht auch dafür, Konstellationen, in denen bei gleichem Eigentum am Anlieger- und Hinterliegergrundstück allein am Anliegergrundstück ein Erbbaurecht bestellt ist, - oder allein am Hinter-, nicht hingegen am Anliegergrundstück - der Fallgruppe der "Eigentümerverschiedenheit" zuzuordnen, vgl. Driehaus, a.a.O., § 17 Rdn. 80, 81, während Fälle, in denen der Beitragspflichtige (nur) Miteigentümer von Hinterlieger- und Anliegergrundstück und aufgrund dessen durch die Mitberechtigung des anderen Miteigentümers beschränkt ist, zur Fallgruppe der "Eigentümeridentität" gezählt werden, vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 28.2.2002 - 6 B 27/02 -; Driehaus, a.a.O., § 17 Rdn. 78, § 23 Rdn. 13; s. auch OVG NRW, Beschluss vom 14.10.2005 - 15 A 240/04 -, DWW 2006, 30 (32), zu § 8 KAG: Unbeachtlichkeit der aus dem Miteigentum rührenden Hindernisse hinsichtlich der Willensbildung und Abstellen auf die "Eigentümer in ihrer Gesamtheit" bei identischen Miteigentumsverhältnissen, weil die Miteigentümer - immerhin - hinsichtlich beider Grundstücke gemeinschaftlich verbunden sind.

In der hier vorliegenden Fallkonstellation fehlt jeder Anhaltspunkt für die Annahme, dass die etwa beabsichtigte Anlegung einer - für die gewerbliche Nutzung der Hinterliegergrundstücke vorteilhaften - Zufahrt von der A-Straße zu den streitbefangenen Hinterliegergrundstücken an irgendeinem Interessenunterschied zwischen der Klägerin und der Eigentümerin hinsichtlich der Nutzung der betroffenen Grundstücke scheitern könnte. Vielmehr ist rundweg auszuschließen, dass eine rechtlich hinreichend gesicherte Zufahrt über das Flurstück 19 (erst) mittels Verfolgung von Rechtsansprüchen durchgesetzt werden müsste. Das beruht darauf, dass die Beklagte mit der Grundstückseigentümerin hinsichtlich der - einheitlichen - Nutzung der veranlagten (Anlieger- und Hinterlieger-) Grundstücke in einer Interessengemeinschaft verbunden ist, die derjenigen von Miteigentümern vergleichbar ist und die es rechtfertigt, auch den vorliegenden Fall der oben genannten Fallgruppe der "Eigentümeridentität" zuzuordnen. Das wiederum hat zur Folge, dass die Hinterliegergrundstücke auch ohne Existenz einer rechtlich gesicherten Zufahrt der Beitragspflicht i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB unterliegen:

Die von der Klägerin vorgelegten Erbbaurechtsverträge zeigen, dass der Zweck des ihr eingeräumten Gesamterbbaurechts darin besteht, die Gebäude des S.-Zentrallagers auf den streitbefangenen Grundstücken zu haben. Dabei ergibt sich aus dem Vertrag zwischen der S. eG und der Klägerin vom 13.7.1982, dass die Klägerin in diesem Rahmen berechtigt und verpflichtet sein soll, das Zentrallager "zur ausschließlichen Nutzung für eigene gewerbliche Zwecke der Grundstückseigentümerin zu nutzen und zu unterhalten". Aus den vertraglichen Vereinbarungen ergibt sich weiter, dass die Klägerin in Verfolgung ihrer Verpflichtung die Betriebsgebäude an die mit der Grundstückseigentümerin konzernverbundene, zur S.-Gruppe gehörende S. GmbH vermietet hat. Zwar ist die Verpflichtung der Nutzung für Zwecke der S. eG nur bis zum 10.6.1995 festgeschrieben worden. Die Vermietung des Betriebsgeländes von der Klägerin an die S. GmbH ist jedoch über diesen Zeitpunkt hinaus bis jetzt fortgeführt worden und es spricht nach dem Vorbringen der Beteiligten sowie der Aktenlage auch nichts dafür, dass sich hieran in Zukunft etwas ändern könnte. Diese Vereinbarungen rechtfertigen nach Überzeugung des Senats den Schluss auf einen dauerhaften Gleichklang der Interessen der erbbauberechtigten Klägerin und der Grundstückseigentümerin, der S. eG, hinsichtlich der Nutzung des Flurstücks 19 und der streitbefangenen Hinterliegerliegergrundstücke für Zwecke des S.-Zentrallagers.

Die Frage, ob für das S.-Zentrallager eine Zufahrt von der A-Straße angelegt wird, stellt eine unternehmerische Entscheidung innerhalb des S.-Konzerns dar, die allein und ausschließlich von den betrieblichen Erfordernissen des Zentrallagers bestimmt wird. Daran ändert auch die "Einschaltung" der Klägerin als Erbbauberechtigte und Vermieterin der Grundstücke nichts; sie führt insbesondere nicht dazu, dass im vorliegenden Erschließungsbeitragsstreit potentiell gegenläufige Interessen hinsichtlich der Nutzung von Anliegergrundstück und Hinterliegergrundstücken in Betracht gezogen werden müssten. Insoweit fällt etwa auf, dass beim Abschluss der Erbbaurechtsverträge die auf Seiten der Grundstückseigentümerin handelnden vertretungsberechtigten Kaufleute zugleich auch für die Klägerin als sich deren Genehmigung vorbehaltende Vertreter ohne Vertretungsmacht aufgetreten sind, wobei die Erteilung der Genehmigung allem Anschein nach nur eine Formsache war. Es fehlen ferner jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin auf die konkreten betrieblichen Abläufe des S.-Zentrallagers je Einfluss genommen hat oder nimmt, geschweige denn Vorstellungen entwickelt hätte, die von denjenigen der S. AG abweichen. Die Art und Weise der Einbeziehung der Klägerin lässt keinen anderen Schluss als denjenigen zu, dass hierfür gesellschafts- oder steuerrechtliche Motive bestimmend waren. Angesichts dessen spricht nichts dafür, dass hinsichtlich der Nutzung der streitbefangenen Hinterliegergrundstücke und des Anliegergrundstücks Flurstück 19 ein Interessengegensatz zwischen der Klägerin und der Grundstückseigentümerin, der S. eG, bestehen oder in Zukunft auftreten könnte. Vielmehr erscheint die Aufteilung des Betriebsgeländes in verschiedene Buchgrundstücke für den Betrieb des Zentrallagers rein "zufällig".

Dementsprechend sind auch in der Vergangenheit irgendwelche Interessengegensätze zwischen Klägerin und Grundeigentümerin hinsichtlich der Nutzung der Grundstücke nicht zu Tage getreten. So hat die Klägerin im Klage- und selbst noch im Berufungsverfahren hervorgehoben, dass weder sie noch die Grundeigentümerin die Anlegung einer Zufahrt zur abgerechneten Erschließungsanlage beabsichtigten - nachdem eine solche Zufahrt nach Aktenlage in der Vergangenheit lange Zeit bestand und für die Intensivierung ihrer Nutzung von den Beteiligten sogar ein Ausbau der A-Straße durch die S. AG auf eigene Kosten erwogen worden war. Wenn es letztlich zum Abschluss eines entsprechenden Erschließungsvertrages auch nicht gekommen ist, belegt dies nach Einschätzung des Senates doch hinreichend, dass eine Zufahrt von der Erschließungsanlage zum Betriebsgelände über das Flurstück 19 sofort angelegt werden würde, sofern sich hierfür eine betriebliche Notwendigkeit ergeben würde. Nicht anders verhielt es sich bei der während des Berufungsverfahrens erfolgten Anlegung der Zufahrt zu dem Parkplatz auf Flurstück 19 und den angrenzenden Grundstücken des Betriebsgeländes. Die Durchführung dieser Baumaßnahme bestätigt im Nachhinein, was bei einer Prognose auch vorher außer Frage gestanden hätte, dass nämlich der Umstand, dass die Klägerin an den Grundstücken des Betriebsgeländes (nur) ein Erbbaurecht innehat, der Anlegung einer solchen Zufahrt dorthin und - soweit die Baugenehmigungsbehörde dies gefordert hätte - auch der Bestellung einer bauordnungsrechtlich ggf. erforderlichen öffentlich-rechtlichen Sicherung nicht entgegenstehen würde, vielmehr Grundeigentümerin und Klägerin insoweit zusammenwirken würden.

Eine abweichende Beurteilung der Interessenlage wird auch nicht nahegelegt durch den von der Klägerin hervorgehobenen Umstand, dass die Eintragung einer Baulast zu einer Belastung des betroffenen Grundstücks auf unbestimmte Dauer führt und eine Baulast nur mit Bewilligung der Bauaufsichtsbehörde wieder gelöscht werden könnte, während das Erbbaurecht der Klägerin (zunächst) auf 33 Jahre befristet ist. Denn die damit angesprochene Möglichkeit, dass die S. eG im Bedarfsfall ihre Mitwirkung an der Bestellung einer Zufahrtsbaulast verweigern würde, ist rein theoretisch und nach den vorstehenden Ausführungen so fernliegend, dass sie bei der beitragsrechtlichen Prognose nach § 133 BauGB zwecks Vorausleistungserhebung vernachlässigt werden kann.

Der Senat stützt seine Auffassung, dass hinsichtlich der Entscheidung über die Anlegung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Zufahrt von einem Zusammenwirken von erbbauberechtigter Klägerin und Grundstückseigentümerin auszugehen ist und eine Baulasteintragung trotz unbestimmter Dauer, womöglich über das Bestehen des Erbbaurechts hinaus, den Eigentümerinteressen nicht zuwider liefe, auf Folgendes: Sobald das Erbbaurecht durch Zeitablauf erlischt, ergibt sich die Rechtsfolge, dass die S. eG selbst das Eigentum an den Baulichkeiten des Zentrallagers (zurück-) erwirbt (vgl. §§ 12 Abs. 3, 27 Abs. 1 ErbbauVO). Damit aber entfällt für sie die (schon bisher nur auf dem Papier bestehende) Beeinträchtigung ihres Grundeigentums durch die Baulast, sie wird vielmehr Begünstigte derselben. Im Übrigen stünde es der Grundstückseigentümerin frei, die streitbefangenen Grundstücke zu einem einzigen Buchgrundstück zu vereinigen (§ 890 Abs. 1 BGB), auf diese Weise die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an eine Nutzung der im Erbbaurecht stehenden Hinterliegerflächen von der A-Straße aus zu gewährleisten und damit zugleich die Eintragung einer Baulast zu erübrigen bzw. die Voraussetzungen für deren Löschung zu schaffen.

Vgl. zu dieser Möglichkeit der Beseitigung des Mangels des "Nichtanliegens" eines Hinterliegergrundstücks BVerwG, Urteil vom 26.2.1993 - 8 C 35.92 -, a.a.O.; wegen des auf alle Grundstücke bezogenen Gesamterbbaurechts der Klägerin wäre eine "Verwirrung" i.S.v. § 5 Abs. 1 GBO nicht zu besorgen.

Insgesamt betrachtet reicht der aufgezeigte Interessengleichklang bei Grundstückseigentümerin und erbbauberechtigter Klägerin hinsichtlich der Nutzung des Anliegergrundstücks Flurstück 19 und der Hinterliegergrundstücke für die Zwecke des S. Zentrallagers nach Überzeugung des Senats schon für sich aus, um die Prognose eines Erschlossenseins auch im Sinne von § 133 Abs. 1 BauGB zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung zu rechtfertigen. Aufgrunddessen kann dahingestellt bleiben, ob nicht auch ein Rechtsanspruch der Klägerin gegen die S. eG auf Mitwirkung an der Bestellung einer Baulast für eine - unterstellt: der Betreiberin des Zentrallagers nutzbringende - Zufahrt über das Flurstück 19 zu bejahen wäre, der seine Grundlage in den vielschichtigen Vertragsbeziehungen bzw. dem Grundverhältnis zwischen der Erbbauberechtigten und der Eigentümerin haben könnte, aufgrund derer letztere mangels eigener gegenläufiger Interessen möglicherweise deren Nutzungsentscheidungen - einschließlich der Anlegung von Zufahrten zu ihren Gebäuden - zu unterstützen verpflichtet sein könnte.

Ende der Entscheidung

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