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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 30.07.2004
Aktenzeichen: 3 A 2998/02
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 135 Abs. 5
§ 135 Abs. 5 Satz 1 BauGB ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass der Gesetzgeber für den Regelfall die Ermessensausübung auf einen Beitragserlass in voller Höhe einengen wollte. Für die Frage, ob der Beitrag voll oder nur teilweise zu erlassen ist, kommt es nach dem Gesetzeszweck und mit Blick auf die Beitragserhebungspflicht allein darauf an, in welchem Umfang der Beitragserlass zur Verfolgung des jeweiligen öffentlichen Interesses bzw. zur Vermeidung unbilliger Härten "geboten" ist (hier: hinsichtlich eines Kindergartengrundstücks).
Tatbestand:

Der Beklagte zog die Klägerin, eine Kirchengemeinde, als Grundstückseigentümerin zu einem Erschließungsbeitrag heran, wobei er der Klägerin 25 % der Beitragsschuld im Hinblick darauf erließ, dass der Betrieb des auf dem Grundstück befindlichen Kindergartens im öffentlichen Interesse liege. Das Begehren der Klägerin auf Gewährung eines weiteren Beitragserlasses von 25 % blieb sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Klageverfahren vor dem VG erfolglos. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde zurückgewiesen.

Gründe:

Das Zulassungsvorbringen weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es macht nicht überwiegend wahrscheinlich, das VG habe zu Unrecht nicht die Ermessensentscheidung des Beklagten beanstandet, "nur" 25 % der Beitragsforderung zu erlassen.

Im Ausgangspunkt weist die Klägerin allerdings zutreffend darauf hin, dass ein Beitragserlass gemäß § 135 Abs. 5 S. 1 BauGB im öffentlichen Interesse geboten sein kann, wenn es einleuchtende Gründe für die Annahme gibt, durch ihn könne die Durchführung oder Weiterführung eines im öffentlichen Interesse der Gemeinde liegenden Vorhabens gefördert werden. § 135 Abs. 5 S. 1 erste Alt. BauGB hat die Funktion eines Anreiz- und Lenkungsmittels im Sinne einer der Gemeinde vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeit, eigene öffentliche Interessen (etwa sozialpolitischer Art) im Rahmen einer erschließungsbeitragsrechtlichen Abrechnung durch einen (Teil-)Verzicht auf eine Beitragserhebung gegenüber dem Eigentümer, auf dessen Grund sich das zu fördernde Vorhaben befindet, zu berücksichtigen. Aus diesem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung zur Ermessensausübung folgt aber zugleich, dass nicht jedes öffentliche Interesse einer Gemeinde einen Beitragserlass zu rechtfertigen vermag. Vielmehr trifft dies lediglich dann zu, wenn und soweit der Beitragserlass zur Verfolgung des jeweiligen Interesses "geboten" ist. Diese Einschränkung ergibt sich aus der in § 127 Abs. 1 BauGB angeordneten Beitragserhebungspflicht.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. 5. 1992 - 8 C 50.90 -, BVerwGE 90, 202, und - 8 C 44. 90 -, KStZ 1992, 231, jeweils m.w.N.

Aufgrund des Umstandes, dass das Betreiben des Kindergartens durch die Klägerin - jedenfalls auch - im öffentlichen Interesse der Gemeinde liegt, hat der Beklagte in den Heranziehungsbescheiden einen Erlass in Höhe von 25 % der Beitragsforderung gewährt ("Da das Grundstück gemeinnützigen Zwecken dient ..."). Dass eine darüber hinaus gehende Beitragsreduzierung im Erlasswege geboten wäre, vermag der Senat der Antragsbegründung nicht zu entnehmen.

Ernstliche Zweifel ergeben sich zunächst nicht daraus, dass die Stadt in bezug auf Kindergärten regelmäßig "nur" Teilerlässe von 25 % ausspricht. Dass dem die (ermessensfehlerhafte) Selbstbindung zugrunde liegen könnte, ein Erlass über 25 % hinaus komme in Fällen dieser Art unter keinen Umständen in Betracht, ist nicht dargetan oder sonst erkennbar.

Soweit die Klägerin eine mangelhafte Ermessensausübung wegen unzureichender Berücksichtigung der Einzelfallumstände rügt ..., taugt dies ebenfalls nicht zur Weckung ernstlicher Zweifel im Sinne der Ergebnisunrichtigkeit. Die Klägerin hat schon unterlassen darzulegen, inwiefern ihr Einzelfall im Vergleich zu anderen Kindergärten in kirchlicher oder anderer Trägerschaft von wesentlichen Besonderheiten geprägt sein sollte, die eine Abweichung von der sonst durch den Beklagten generell geübten Praxis gebieten könnten, unter welche Aspekten also vorliegend hier Ermessensdefizite gegeben sein sollen.

Der Senat vermag auch nicht der Auffassung der Klägerin zu folgen, § 135 Abs. 5 Satz 1 BauGB fordere eine Ausübung des Ermessens in der Weise, dass für den Regelfall zunächst stets ein vollständiger Erlass in Betracht zu ziehen sei, weshalb es für ein "Weniger" immer einer besonderen Begründung bedürfe. Der genannten Vorschrift ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass der Gesetzgeber für den Regelfall die Ermessensausübung auf einen Beitragserlass in voller Höhe einengen wollte. Vielmehr spricht schon die Gesetzesformulierung, die Gemeinde könne "ganz oder teilweise" von der Erhebung absehen, für die grundsätzlich gegebene Gleichordnung von Vollerlass und Teilerlass. Zudem und vor allem kommt es für die Frage, ob der Beitrag voll oder teilweise zu erlassen ist, nach dem Zweck des Gesetzes und mit Blick auf die Beitragserhebungspflicht allein darauf an, in welchem Umfang der Beitragserlass zur Verfolgung des jeweiligen öffentlichen Interesses (bzw. zur Vermeidung unbilliger Härten) "geboten" ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. 5. 1992 - 8 C 50.90 -, a.a.O. ("wenn und soweit ...").

Dass der hier erstrebte Teilerlass von (insgesamt) 50 % und nicht nur 25 % des festgesetzten Beitrags geboten gewesen wäre, ist aber weder von der Klägerin plausibel gemacht worden noch sonst erkennbar.

Insoweit kann dahin stehen, ob das Betreiben von Kindergärten nach dem Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder NRW (GTK NRW) tatsächlich, wie die Klägerin hervor hebt, eine (Pflicht-)Aufgabe der Gemeinde darstellt, von der sie entlastet werde, und welches Gewicht ggf. dem Eigeninteresse der Klägerin an (auch) religiöser Erziehung und Betreuung der Kinder beizumessen wäre. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass ein weitergehender als der gewährte Erlass wegen des öffentlichen Interesses an dem Kindergartenbetrieb geboten wäre. Das gilt zumal unter dem Gesichtspunkt, dass Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft auch eine nicht unerhebliche finanzielle Förderung nach Maßgabe des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder NRW erfahren, und zwar sowohl in bezug auf die Bau- und Einrichtungskosten (§ 13 Abs. 2 GTK NRW) als auch in bezug auf die Betriebskosten (§§ 18 Abs. 2, 18a Abs. 1 GTK NRW).

Sollte das Vorbringen der Klägerin auf einen weitergehenden Beitragserlass wegen einer unbilligen Härte zielen (§ 135 Abs. 5 Satz 1 zweite Alt. BauGB), so müsste es auch insofern erfolglos bleiben. Diesbezüglich fehlt es nämlich schon an Darlegungen zu einer atypischen finanziellen Belastung der Klägerin, die sich insbesondere aus einem ungewöhnlich hohen "Eigenanteil" der Klägerin nach dem Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder NRW ergeben könnte.



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