Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 02.02.2007
Aktenzeichen: 3 A 5042/04
Rechtsgebiete: KAG NRW, AO


Vorschriften:

KAG NRW § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b
AO § 237
Zur Erhebung von Aussetzungszinsen nach Ermäßigung einer Erschließungsbeitragsforderung durch Prozessvergleich.
Gründe:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung kann aus keinem der angeführten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO) durchgreifen.

a) Die Klägerin beanstandet zunächst, dass das VG die (mit ihrem Hauptantrag verfolgte) Anfechtungsklage gegen den Zinsbescheid des Beklagten vom 4.2.2003 abgewiesen hat. Sie wendet ein, (Aussetzungs-)Zinsen auf den im Vorprozess durch Vergleich herabgesetzten Erschließungsbeitrag dürften von ihr nicht gefordert werden. § 237 AO sei in einer solchen Konstellation nicht anwendbar, wie der Bay. VGH mit Urteil vom 1.2.1988 - 6 B 87.02003 - , BayVBl. 1988, 500, entschieden habe, weil die Vorschrift an den endgültigen Misserfolg des eingelegten Rechtsbehelfs anknüpfe, der im Falle einer Prozessbeendigung durch Vergleich gerade nicht festgestellt werden könne. Die Klägerin rügt insoweit, dass das VG von dem tragenden Rechtssatz des Bay. VGH in dessen Urteil abgewichen sei. Sie leitet daraus zugleich her, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden (§ 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), die Rechtssache mangels bislang vorliegender Entscheidungen des OVG NRW bzw. des BVerwG grundsätzliche Bedeutung habe (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und besondere rechtliche und - zur Frage nachträglicher Heilung des Erschließungsbeitragsbescheides durch Mehrkostenverzicht des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 16.9.2002 vor dem VG - auch tatsächliche Schwierigkeiten aufweise (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Dieses Vorbringen der Klägerin rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Es weckt weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, noch zeigt es eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten auf.

Die Voraussetzungen, unter denen Aussetzungszinsen erhoben werden können, sind gesetzlich in § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b KAG i.V.m. § 237 AO geregelt. Danach muss - 1. - eine infolge Vollziehbarkeit des Beitragsbescheides begründete Zahlungspflicht bestanden haben, die - 2. - durch eine Aussetzungsentscheidung nach § 80 Abs. 4 oder 5 VwGO beseitigt worden ist, und der Rechtsbehelf gegen den Beitragsbescheid muss - 3. - endgültig keinen Erfolg gehabt haben. All diese Voraussetzungen einschließlich der letztgenannten, allein umstrittenen waren vorliegend gegeben. Endgültig keinen Erfolg im Sinne des § 237 Abs. 1 AO hat ein Rechtsbehelf nämlich schon, wenn und soweit der Beitragsbescheid, gegen den er sich richtet, im Ergebnis Bestand behält; aus welchem Grund dies geschieht, ist unerheblich. Auf zwischenzeitliche Verfahrensschritte und etwaige Rechtsänderungen (Heilung von Fehlern) sowie auf die materielle Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung stellt § 237 AO nicht ab. Das ist in der Rechtsprechung des OVG NRW geklärt, vgl. die Urteile vom 29.9.1983 - 3 A 1635/82 - , NVwZ 1984, 321, und vom 5.5.1992 - 2 A 1464/91 - , KStZ 1993, 135, das über die Auslegung des hier als Landesrecht anzuwendenden § 237 AO letztinstanzlich befindet.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.4.2002 - 9 B 12.02 - .

Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass auch der Vergleichsschluss im Vorprozess der Erhebung von Aussetzungszinsen insoweit nicht entgegensteht, als der angefochtene Beitragsbescheid nach Reduzierung um 15 v.H. bestehen geblieben ist. Dies hat das VG in seinem angefochtenen Urteil zutreffend zugrunde gelegt, so dass ernstliche Zweifel an dessen Richtigkeit nicht bestehen. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage nach der Anwendbarkeit von § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 237 AO bei Verfahrensbeendigung durch Vergleich ist auch nicht mehr grundsätzlich klärungsbedürftig; die Frage ist vielmehr durch die zitierte Rechtsprechung des beschließenden Gerichts geklärt, besondere rechtliche Schwierigkeiten sind mit der Frage nicht mehr verbunden.

Zum endgültigen Misserfolg eines Rechtsbehelfs im Falle eines unter Beitragsreduzierung geschlossenen Prozessvergleichs vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 15.2.1994 - 5 TH 1921/92 - , NVwZ-RR 1995, 235.

Der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des Bay. VGH vom 1.2.1988 steht dem nicht entgegen. Zum einen kann dieser Hinweis einer vom letztinstanzlich für NRW zuständigen OVG geklärten Frage des Landesrechts keine (erneute) grundsätzliche Bedeutung vermitteln (und auch nicht etwa die Zulassung der Berufung wegen Abweichung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO rechtfertigen, weil nur die Abweichung von einer Entscheidung "des" - dem VG übergeordneten - OVG, nicht hingegen die Abweichung von der Entscheidung eines anderen OVG einen Zulassungsgrund darstellt); zum anderen deutet eine jüngere Entscheidung desselben Senats des Bay. VGH - das einen Fall der Hauptsachenerledigung betreffende Urteil vom 30.1.2006 - 6 B 01.2541 - , darauf hin, dass der dem Urteil vom 1.2.1988 zugrunde liegende Rechtsstandpunkt nicht mehr aufrecht erhalten wird, weil nunmehr in den Entscheidungsgründen ausgeführt wird, dass das Merkmal endgültiger Erfolgslosigkeit des Rechtsbehelfs in § 237 Abs. 1 AO bei "jede[r] Art der Erledigung" mit nachfolgender Bestandskraft des Beitragsbescheides als erfüllt anzusehen sei.

Soweit die Klägerin in ihrer Begründungsschrift außerdem geltend macht, die getroffene Vergleichsregelung schließe die Erhebung jedweder Nebenforderungen einschließlich Aussetzungszinsen aus, erfüllt dieses Vorbringen die Voraussetzungen der Zulassungsgründe in § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO ebenfalls nicht. Es weckt keine ernstlichen Zweifel daran, dass eine Regelung über Aussetzungszinsen im Vergleich nicht getroffen wurde, wie dies auch das VG festgestellt hat. Denn Aussetzungszinsen sind im Vergleichstext nicht erwähnt, die Sitzungsniederschrift schweigt hierzu ebenfalls. Dass der Vergleich "zur endgültigen Beilegung des Rechtsstreits" geschlossen wurde, spricht schon deswegen nicht für eine Einbeziehung von Nebenforderungen, weil diese nie Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits waren, der vielmehr nur den Beitragsbescheid betraf. Da die Pflicht zur Zahlung von Aussetzungszinsen kraft Gesetzes entsteht, hätte die Klägerin ihr nur durch ausdrückliche, hier aber nicht erfolgte Aufnahme einer entsprechenden Klausel in den Vergleich entgehen können.

Vgl. zu einer solchen Fallkonstellation den bereits zitierten Beschluss des Hess. VGH vom 15.2.1994, a.a.O.

Grundsätzliche, d.h. verallgemeinerungsfähige Bedeutung kommt der Auslegung des konkreten, hier in Rede stehenden Prozessvergleichs nicht zu; besondere Schwierigkeiten der Auslegung hat die Klägerin nicht dargelegt; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

b) Die Klägerin rügt des weiteren, dass das VG ihrem Hilfsantrag auf Verpflichtung des Beklagten zum Erlass der Aussetzungszinsen aus Billigkeitsgründen nicht entsprochen habe. Sie führt insoweit aus, dass ein Erlass nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 29.9.1983, a.a.O., Beschluss vom 7.7.1997 - 3 B 1179/95 - , NVwZ-RR 1999, 210, und Urteil vom 23.11.2001 - 3 A 1928/98 - , KStZ 2002, 217) geboten gewesen sei, weil der Beitragsbescheid ursprünglich wegen planüberschreitenden Ausbaus des T.-------------weges rechtswidrig gewesen und erst nachträglich durch den in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten erklärten Mehrkostenverzicht mit ex-nunc-Wirkung geheilt worden sei. Auch diese Ausführungen können jedoch nicht zur Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 oder Nr. 2 VwGO führen. Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung des Senats, die im Urteil vom 23.11.2001 ausführlich zusammengefasst und bekräftigt worden ist und der inzwischen auch in führenden Kommentaren zur Abgabenordnung ausdrücklich zugestimmt wird, vgl. Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Loseblatt-Kommentar, Köln, Stand: Dezember 2006, § 237 Rn. 35, und Loose, in: Tipke-Kruse, Abgabenordnung, Loseblatt-Kommentar, Köln, Stand: November 2006, § 237 Rn. 23, die Erhebung von Aussetzungszinsen, die auf die Zeit bis zum "heilenden" Ereignis entfallen, regelmäßig sachlich unbillig und ihr Erlass deswegen geboten ist. Die Prämisse dieser Rechtsfolge, das Vorliegen des Tatbestandes nachträglicher Heilung des Beitragsbescheides durch Mehrkostenverzicht, ist aber von der Klägerin in ihrer Begründungsschrift nicht hinreichend dargelegt worden (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), was geboten war, nachdem das VG im angefochtenen Urteil mit näherer Begründung das Gegenteil festgestellt hatte ...

Ende der Entscheidung

Zurück