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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: 4 A 2432/03
Rechtsgebiete: HwO


Vorschriften:

HwO § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
HwO § 91 Abs. 1 Nr. 1
HwO § 91 Abs. 1 Nr. 4
Die Handwerkskammer kann durch Vorschriften im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HwO die Befugnis einer Handwerksinnung zur Durchführung überbetrieblicher Unterweisung von einer von ihr nur unter bestimmten Voraussetzungen zu erteilenden Genehmigung abhängig machen.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der klagenden Handwerksinnung, für die Lehrlinge des Kfz-Mechaniker-Handwerks ihres Innungsbezirks überbetriebliche Unterweisung erteilen zu dürfen. Auf Kammerebene - und damit auch für die Lehrlinge des Innungsbezirks der Klägerin - wird diese Aufgabe bereits von der beklagten Handwerkskammer wahrgenommen. Das VG wies die Klage ab (GewArch 2003, 256). Die Berufung blieb ohne Erfolg. Die Revision wurde zugelassen.

Gründe:

1. Der Klägerin steht die mit dem Feststellungsantrag geltend gemachte Befugnis, die überbetriebliche Unterweisung von Lehrlingen des Kfz-Mechaniker-Handwerks im innungseigenen Bildungszentrum durchzuführen, nicht zu.

Eine solche Berechtigung folgt insbesondere nicht aus § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HwO. Nach dieser Norm hat die Handwerksinnung entsprechend den Vorschriften der Handwerkskammer die Lehrlingsausbildung zu regeln und zu überwachen sowie für die berufliche Ausbildung der Lehrlinge zu sorgen und ihre charakterliche Entwicklung zu fördern. Die Sorge für die berufliche Ausbildung der Lehrlinge umfasst grundsätzlich auch die Durchführung von Maßnahmen der überbetrieblichen Unterweisung.

Vgl. dazu etwa Kormann, Überbetriebliche Unterweisungen und außerbetriebliche Ausbildung, München, 1985, S. 28.

In der Rechtsprechung, vgl. OVG NRW, Urteile vom 26.8.1991 - 5 A 560/88 -, GewArch 1991, 303, und vom 15.9.1993 - 25 A 1714/92 -, GewArch 1994, 480; vgl. w. N. bei Leisner, GewArch 2005, 408, 409f, der sich der Senat anschließt, ist geklärt, dass die Durchführung von Maßnahmen der überbetrieblichen Unterweisung auch zugleich zu den Aufgaben der Handwerkskammer zählt. Dies ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 HwO. Nach dieser Vorschrift ist es nämlich insbesondere Aufgabe der Handwerkskammer, die Interessen des Handwerks zu fördern. Die überbetriebliche Unterweisung von Lehrlingen wird von dieser Bestimmung umfasst. Die Sicherung eines qualifiziert ausgebildeten Nachwuchses ist für die gesamte gewerbliche Wirtschaft, vor allem aber für das Handwerk von großer Bedeutung. Die häufig aufwendige Durchführung solcher Maßnahmen legte es dem Gesetzgeber nahe, die überbetriebliche Unterweisung der Lehrlinge jedenfalls auch in die Hände der leistungsfähigen Handwerkskammern zu geben, und diese Aufgabe nicht etwa ausschließlich den relativ kleinen und dementsprechend weniger leistungsfähigen Innungen zu überlassen. Die Innungen sind in ihrer Leistungsfähigkeit nicht nur wegen der fachlichen und räumlichen Begrenzung ihres Zuständigkeitsbereichs eingeschränkt, sondern auch durch den Umstand, dass bei ihnen im Gegensatz zur Handwerkskammer keine Zwangsmitgliedschaft vorgesehen ist.

Vgl. zum Vorstehenden näher OVG NRW, Urteil vom 26. 8.1991 - 5 A 560/88 -, a.a.O.

Ob die danach im Ansatz für beide Körperschaften gegebene Kompetenz für die Durchführung der überbetrieblichen Unterweisung der Lehrlinge ("Trägerschaft" i.S.v. § 2 der Rechtsvorschriften zur Durchführung der überbetrieblichen Unterweisung - RVO -) konkurrierende Zuständigkeiten begründet - wie die Klägerin meint - oder aber die Zuständigkeit der Handwerkskammer originären Charakter hat, diejenige der Innung hingegen lediglich abgeleiteter Art ist - wie es das VG zugrunde gelegt hat -, muss der Senat anlässlich des vorliegenden Falles nicht entscheiden. Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HwO hat nämlich die Innung die ihr zugewiesenen Aufgaben "entsprechend den Vorschriften der Handwerkskammer" wahrzunehmen. Dabei ist der Senat davon überzeugt, dass sich dieser Vorbehalt nicht nur auf die Regelung und Überwachung der Lehrlingsausbildung bezieht, sondern auch auf die übrigen in der Norm angesprochenen Aufgaben und insbesondere auf die Sorge für die berufliche Ausbildung der Lehrlinge und damit auch die Durchführung von Maßnahmen der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung. Es ist kein einleuchtender Grund dafür ersichtlich, warum die Innungen insoweit von der Beachtung von Regelungen der Berufsausbildung durch die Handwerkskammer gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 4 HwO - anders als beim Erlass eigener Regelungen und der Überwachung der Ausbildung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 1. Alternative HwO - befreit sein sollen.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Klägerin bei Maßnahmen der überbetrieblichen Unterweisung an die von der Beklagten erlassenen Rechtsvorschriften zur Durchführung der überbetrieblichen Unterweisungen im Bezirk der Handwerkskammer zu K. gebunden. Diese u.a. aufgrund der §§ 41, 91 Abs. 1 Nr. 4 HwO erlassenen Normen sind Vorschriften der Handwerkskammer im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HwO. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Rechtsvorschriften - soweit sie vorliegend erheblich sind - hat der Senat nicht. Der Einwand der Klägerin, die Rechtsvorschriften würden eine "Monopolisierung" der überbetrieblichen Ausbildung bei der Handwerkskammer bewirken und damit den gesetzlichen Aufgaben der Innungen nicht gerecht werden, greift nicht durch. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte die überbetriebliche Unterweisung unter gänzlichem Ausschluss der Innungen bei sich selbst konzentrieren dürfte. Denn § 2 RVO, wonach die Befugnis der Innungen zur überbetrieblichen Unterweisung bestehen bleibt, soweit sie solche Maßnahmen bei Inkrafttreten der Rechtsvorschriften bereits durchführten (Abs. 4), und zu diesem Zeitpunkt nicht unterweisende Innungen dazu ermächtigt werden können (Abs. 3), sieht eben dies nicht vor.

Vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall OVG NRW, Urteil vom 15.9.1993 - 25 A 1714/92 -, a.a.O.

Dabei ist es zur Überzeugung des Senats unbedenklich, dass § 2 Abs. 3 RVO das Tätigwerden bisher nicht unterweisender Innungen von einer Genehmigung der Handwerkskammer abhängig macht und § 3 Abs. 1 RVO des Weiteren bestimmt, dass die Schaffung neuer überbetrieblicher Ausbildungskapazitäten nur dann genehmigungsfähig ist, wenn ein besonderer unabdingbarer Bedarf geltend gemacht und begründet wird, der nicht von einem anderen Träger der überbetrieblichen Unterweisung im Bezirk der Handwerkskammer zu K. mit vorhandenen Kapazitäten erfüllt werden kann. Diese Regelung dient dem berechtigten Anliegen, die Entstehung vermeidbarer Überkapazitäten und damit unnötiger Kostenbelastungen zum Nachteil der Handwerkerschaft zu verhindern. Sie ist nach den überzeugenden Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung aber auch erforderlich, um zu verhindern, dass bei einem "Wegbrechen" von Ausbildungskapazitäten bei einem Träger durch Schaffung zusätzlicher Ausbildungskapazitäten von diesem erhaltene Fördermittel zurückgeführt werden müssen. Gemessen an diesem Ziel erweist sich der in Rede stehende Genehmigungsvorbehalt insbesondere als verhältnismäßig. Dass unter Geltung der in Rede stehenden Rechtsvorschriften auch tatsächlich keine "Monopolisierung" eingetreten ist, belegt der Umstand, dass nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten lediglich 53 % (1998) bzw. 51 % (2002) und gegenwärtig - wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen - nur noch 44 % der Unterweisungsmaßnahmen von der Kammer durchgeführt wurden bzw. werden.

Nach Maßgabe der nach alledem anzuwendenden Rechtsvorschriften der Beklagten ist die Klägerin nicht berechtigt, überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen durchzuführen. Denn sie verfügt weder über eine Genehmigung nach § 2 Abs. 3 RVO noch unterfällt sie der erwähnten Vorschrift des § 2 Abs. 4 RVO. Hinsichtlich der letztgenannten Regelung nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des VG, soweit darauf abgestellt wird, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin beschlossen hatte, dass insoweit zukünftig diese Aufgabe von der Beklagten übernommen werden solle. Wenn die Klägerin dagegen einwendet, sie habe sich seinerzeit als Trägerin der überbetrieblichen Unterweisung "verstanden", reicht das nach der genannten Vorschrift nicht aus.

2. Der mit dem Hilfsantrag verfolgte Genehmigungsanspruch besteht jedenfalls deshalb nicht, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 RVO nicht vorliegen.

Diese Norm ist vorliegend einschlägig. Mit der Durchführung von Maßnahmen der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung durch die Klägerin ist die Schaffung neuer überbetrieblicher Ausbildungskapazitäten i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 RVO verbunden. Dass die Klägerin über einen ihrer Auffassung nach ausreichenden Bestand sächlicher Mittel zur Durchführung solcher Unterweisungsmaßnahmen bereits verfügt, ändert daran nichts. Denn diese sächlichen Mittel stellen sich erst dann als überbetriebliche Ausbildungskapazität im hier maßgeblichen Sinne dar, wenn sie mit Genehmigung der Beklagten nach §§ 2 Abs. 3, 3 Abs. 1 Satz 1 RVO für Maßnahmen der überbetrieblichen Unterweisung eingesetzt werden. Dies ist bislang nicht der Fall.

Die Anforderungen des mithin anwendbaren § 3 Abs. 1 Satz 1 RVO sind nicht erfüllt. Ein "besonderer unabdingbarer Bedarf" ist von der Klägerin bereits nicht geltend gemacht worden. Hiervon ausgehend kann dahinstehen, ob der Erteilung der begehrten Genehmigung ferner § 3 Abs. 1 Satz 2 RVO entgegensteht, nach dem neue Ausbildungskapazitäten vor Planungsbeginn bei der Handwerkskammer zu beantragen sind.

Die von der Klägerin gegen die Wirksamkeit der von der Beklagten erlassenen Rechtsvorschriften erhobenen Einwendungen greifen nicht durch, wie unter 1. bereits dargelegt worden ist.

Ende der Entscheidung

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