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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 13.12.2002
Aktenzeichen: 4 B 2124/02
Rechtsgebiete: StGB, SportWG NRW, EG-Vertrag


Vorschriften:

StGB § 284
SportWG NRW § 1 Abs. 1
SportWG NRW § 1 Abs. 2
EG-Vertrag Art. 49
1. Sportwetten/Odsett-Wetten sind Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB (im Anschluss u.a. an BVerwG, Urteil vom 28.3.2001 - 6 C 2.01 -, BVerwGE 114, 92 = GewArch 2001, 334), so dass ein öffentliches Veranstalten solcher Wetten ohne behördliche Erlaubnis strafbar ist und der Vermittler solcher Wetten Beihilfe zu dieser - (auch) in seiner Wettannahmestelle begangenen - Straftat leistet.

2. Eine im EU-Ausland erteilte Erlaubnis zum Betreiben von Sportwetten stellt keine Erlaubnis im Sinne des § 2 SportWG NRW dar, ohne dass dies gegen die in Art. 49 EG-Vertrag normierte Dienstleistungsfreiheit verstößt.


Tatbestand:

Der Antragsteller betreibt in einer Stadt in Nordrhein-Westfalen eine Wettannahmestelle, in der er Wettangebote von Wettinteressenten entgegennimmt und an einen Wettveranstalter in Österreich weiterleitet. Dies wurde ihm durch Ordnungsverfügung, deren sofortige Vollziehung angeordnet war, untersagt. Seinen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das VG ab. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Die Sportwette/Oddset-Wette ist ein Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB. Im Gegensatz zum Geschicklichkeitsspiel, bei dem die Entscheidung über Gewinn und Verlust des Spiels nach den Spielbedingungen wesentlich von den geistigen und körperlichen Fähigkeiten, den Kenntnissen, der Übung und der Aufmerksamkeit des Spielers abhängt, ist das Glücksspiel dadurch geprägt, dass der Erfolg allein oder jedenfalls überwiegend vom Zufall abhängt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 23.8.1994 - 1 C 18.91 -, BVerwGE 96, 293 (295), = GewArch 1995, 22, vom 28.3.2001 - 6 C 2.01 -, BVerwGE 114, 92 (97), = GewArch 2001, 334 (335), und vom 24.10.2001 - 6 C 1.01 -, GewArch 2002, 76 (78); BFH, Urteil vom 19.6.1996 - II R 29/95 -; HessVGH, Urteil vom 26.10.2000 - 8 UE 3924/95 -, GewArch 2001, 200.

Dies ist bei der Sportwette der Fall, wie das BVerwG im Urteil vom 28.3.2001, a.a.O., überzeugend ausgeführt hat.

Ebenso BGH, Urteil vom 14.3.2002 - I ZR 279/99 -, NJW 2002, 2175; OVG Rh.Pf., Urteil vom 24.10.1990 - 2 A 10034/90 -, GewArch 1991, 99 (100); BayVGH, Urteil vom 30.8.2000 - 22 B 00.1833 -, GewArch 2001, 65 (66); OVG S.A., Beschluss vom 28.1.2002 - 1 M 2/02 -, GewArch 2002, 199; Fischer in GewArch 2001, 157; Tröndle/Fischer, StGB und Nebengesetze, 50. Aufl. 2001, Rn. 7 zu § 284 StGB.

Der abweichenden Auffassung vgl. z.B. AG Karlsruhe-Durlach, Urteil vom 13.7.2000 - 1 Ds 26 Js 31893/98 -, GewArch 2001, 134, folgt der Senat nicht, weil diese auf einer anderen Definition des Glücksspiels beruht.

Veranstalten im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB bedeutet, dass jemand verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glücksspiels schafft und dem Publikum Gelegenheit zur Beteiligung am Glücksspiel gibt.

Vgl. RG, Urteil vom 23.12.1901 - Rep. 4131/01 -, RGSt 35, 44 (45), zur Lotterie; BayObLG, Urteil vom 11.2.1993 - 5 StRR 170/92 -, NJW 1993, 2820 (2821); Tröndle/Fischer, a.a.O., Rn. 11 zu § 284, und Strafgesetzbuch, LK, 11. Aufl. 1998, Rn. 18 zu § 284, jeweils m.w.N..

Dies hat der in Östereich ansässige Wettunternehmer durch Einschaltung des Antragstellers als Vermittler getan; denn dieser betreibt auf Grund des mit dem Wettunternehmer geschlossenen Vertrages die Wettannahmestelle.

Der Wettunternehmer veranstaltet das Glücksspiel nicht nur in Östereich, sondern auch in Köln; denn Ort der Begehung einer Straftat im Sinne von § 9 Abs. 1 StGB ist jeder Ort, an dem irgendein Teil des strafbaren Tatbestandes verwirklicht worden ist.

Vgl. RG, Urteil vom 2.3.1933 - II 834/32 -, RGSt 67, 130 (138).

Da die Veranstaltung eines Glücksspiels in der Schaffung aller Einrichtungen besteht, durch die dem Publikum der Abschluss der Spielverträge ermöglicht wird, kann sich die Gesamttätigkeit des Veranstalters derart verteilen, dass an verschiedenen Orten Anstalten getroffen werden, um dort den Abschluss je eines Teils der Verträge zu bewirken. Dann hat aber die Veranstaltung im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB an jedem Ort stattgefunden, an dem Einrichtungen als Bestandteile des einheitlichen Gesamtunternehmens geschaffen wurden.

Vgl. RG, Urteil vom 18.10.1909 - I 75/09 -, RGSt 42, 431 (433).

Demnach hat der in Österreich ansässige Wettunternehmer durch Abschluss des Vermittlungsvertrages mit dem Antragsteller, der damit verbundenen Schaffung der Vermittlungsagentur in Nordrhein-Westfalen und Einladung zur Abgabe von Vertragsangeboten an die Wettinteressenten bereits den Tatbestand des öffentlichen Veranstaltens eines Glücksspiels in Nordrhein-Westfalen erfüllt.

Vgl. BGH, Urteil vom 14.3.2002, a.a.O.; OLG Braunschweig, Urteil vom 10.9.1954 - Ss 128/54 -, NJW 1954, 1777; VG Saarlouis, Urteil vom 17.1.2000 - 1 K 78/99 -, GewArch 2001, 197.

Das Glücksspiel wird auch ohne behördliche Erlaubnis in Nordrhein-Westfalen veranstaltet; denn die dem Wettunternehmer erteilte österreichische Erlaubnis gilt nicht in Deutschland - wie noch ausgeführt wird - und über eine Erlaubnis nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 2 SportWG NRW verfügt dieser nicht und kann sie gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SportWG NRW auch nicht erwerben, weil danach Träger des Wettunternehmens nur eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine juristische Person des privaten Rechts sein kann, deren Anteile überwiegend juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehören. Hierzu zählt der ausländische Wettunternehmer nicht. Ob dieser Ausschluss von Privaten als Veranstalter von Sportwetten verfassungsrechtlich hingenommen werden kann, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Selbst wenn das Gesetz wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz verfassungswidrig wäre, besäße der auswärtige Wettunternehmer keine nach § 284 StGB erforderliche Erlaubnis. Die Strafbarkeit wegen Veranstaltens von unerlaubten Glücksspielen bliebe bestehen. So hielt es das BVerfG, Beschluss vom 19.7.2000 - 1 BvR 539/96 -, BVerfGE 102, 197 (223), für erforderlich, trotz Nichtigerklärung des baden-württembergischen Spielbankgesetzes im Wege einer Anordnung nach § 35 BVerfGG eine Übergangsregelung zu treffen, damit die Beschwerdeführer die Spielbanken, ohne sich nach § 284 StGB strafbar zu machen, fortführen konnten.

Vgl. auch BGH, Urteil vom 14.3.2002, a.a.O..

Dass sich ein Wettunternehmer, der in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten erhalten hat, dennoch wegen des öffentlichen Veranstaltens von Glücksspielen in Deutschland nach § 284 Abs. 1 StGB strafbar macht, verstößt nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 ff. EG. Inwieweit ein Mitgliedstaat auf seinem Gebiet im Bereich von Lotterien und anderen Glücksspielen Beschränkungen zum Schutz der Spieler und zum Schutz der Sozialordnung vorsehen will, steht im Ermessen der nationalen Stellen dieses Mitgliedstaats. Ihnen obliegt es zu beurteilen, ob es zur Erreichung des verfolgten Ziels notwendig ist, Tätigkeiten dieser Art vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck bestimmte Kontrollen vorzusehen.

Vgl. EuGH, Urteil vom 21.10.1999 - Rs. C-67/98 -, EuZW 2000, 151, Rn. 33 (Zenatti).

Die Vorschrift des Art. 49 EG verbietet allerdings Beschränkungen, die diskriminierend sind.

Vgl. EuGH, Urteile vom 24.3.1994 - Rs. C-275/92 -, NJW 1994, 2013 (2016), = EuZW 1994, 311, Rdnr. 61 (Schindler), vom 21.9.1999 - Rs. C-124/97 -, EuZW 2000, 148, = GewArch 1999, 476 (477), Rn. 14 (Läärä), und vom 21.10.1999, a.a.O., Rn. 15 (Zenatti).

Die Prüfung, ob eine nationale Regelung zur Beschränkung von Glücksspielen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, ist Sache der nationalen Gerichte.

EuGH, Urteil vom 21.10.1999, a.a.O., Rn. 37 (Zenatti).

Der Straftatbestand des § 284 Abs. 1 StGB, der das Veranstalten von Glücksspielen von einer behördlichen Erlaubnis abhängig macht, ist danach gemeinschaftsrechtlich unbedenklich. Er ist zweifelsfrei nicht diskriminierend, weil das Erfordernis, eine Erlaubnis einzuholen, für alle Veranstalter von Glücksspielen gleichermaßen gilt.

Vgl. BGH, Urteil vom 14.3.2002, a.a.O.

Der ausländische Sportwettunternehmer ist auch nicht deshalb von der Erlaubnispflicht befreit, weil er Bürger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union ist. Die ihm in seinem Heimatstaat erteilte Erlaubnis wirkt nicht nach den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts auch in Deutschland. Es ist - wie vorstehend dargelegt - Sache der nationalen Stellen der Mitgliedstaaten, das Glücksspielwesen im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens zu regeln; dabei ist es auch zulässig, nur bestimmten Einrichtungen die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen zu erteilen.

Vgl. EuGH, Urteil vom 21.10.1999, a.a.O., Rn. 35 (Zenatti).

Dies schließt eine Bindung an behördliche Bewilligungen, die in anderen Mitgliedstaaten erteilt worden sind, aus.

Besitzt der österreichische Wettunternehmer aber keine in Nordrhein-Westfalen geltende Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten, erfüllt er den Straftatbestand der unerlaubten öffentlichen Veranstaltung eines Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1 StGB.

Zu diesem leistet der Antragsteller nach § 27 StGB strafbare Beihilfe, weil er die Handlung des Haupttäters tatsächlich fördert. Ob er darüber hinaus Einrichtungen zur Veranstaltung von Glücksspielen bereitstellt, indem er eine Annahmestelle betreibt, dort die Wettscheine annimmt sowie nach Österreich übermittelt und damit auch Täter ist, kann daher dahinstehen.

Ende der Entscheidung

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