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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 20.01.2009
Aktenzeichen: 5 A 1162/07.A
Rechtsgebiete: AsylVfG, ZPO, VwGO


Vorschriften:

AsylVfG § 78 Abs. 4 Satz 1
ZPO § 418
VwGO § 60
1. Das Empfangsbekenntnis erbringt als öffentliche Urkunde vollen Beweis für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt sowie für den Zeitpunkt der Zustellung.

2. Der Gegenbeweis, dass ein zuzustellendes Schriftstück dem Empfangsbekenntnis nicht beigefügt war, kann nicht erbracht werden, wenn ein Anwalt das Empfangsbekenntnis unterschrieben hat, ohne zuvor den Eingang der zuzustellenden Schriftstücke zu überprüfen oder überprüfen zu lassen. In einem solchen Fall kann bei Versäumung einer Rechtsmittelfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.


Tatbestand:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen ein abweisendes Asylurteil blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist bereits unzulässig.

Der Antrag ist nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist von zwei Wochen nach Zustellung des angefochtenen Urteils gemäß § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG in der bis zum 27.8.2007 geltenden Fassung (AsylVfG a. F.) gestellt worden und damit verfristet. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Urteil am 13.3.2007 erhalten. Die Antragsfrist lief daher mit Ablauf des 27.3.2007 (Dienstag) ab. Bis zu diesem Zeitpunkt war kein Antrag bei Gericht eingegangen.

Das Empfangsbekenntnis erbringt als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 ZPO vollen Beweis für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt sowie für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit der Zustellung. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, das Empfangsbekenntnis mit dem zutreffenden Datum zu versehen, an dem er das zuzustellende Schriftstück mit dem Willen entgegen genommen hat, es zu behalten.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.3.2001 - 2 BvR 2211/97 -, NJW 2001, 1563 f. m.w.N.

Er darf das Empfangsbekenntnis erst dann unterzeichnen, wenn er das übersandte Schriftstück als zugestellt angenommen hat. Ob und zu welchem Zeitpunkt er dies tut, bestimmt er grundsätzlich selbst. Die hierfür notwendige Willensentscheidung ist nicht an bestimmte äußere Merkmale oder Vorgänge, etwa die Entgegennahme des Schriftstücks, seine erstmalige Lektüre, die Eintragung von Fristen oder den Beginn der Sachbearbeitung, geknüpft. Sie erfordert nicht einmal, dass der Betreffende sich mit dem Schriftstück überhaupt befasst, es angesehen oder sich Gedanken über seinen Inhalt gemacht hat.

Vgl. BSG, Beschluss vom 16.11.2005 - B 2 U 342/04 B -, juris, Rn. 5 f.

Zwar ist der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben über den inneren Willensentschluss des Empfängers zulässig. Dieser setzt jedoch nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung voraus, dass die Beweiswirkung vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21.11.2006 - 1 B 162.06 -, Buchholz 303 § 418 ZPO Nr. 14, und vom 15.2. 2001 - 6 BN 1.01 -, Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 19; BGH, Beschluss vom 17.4.2007 - VIII ZB 100/05 -, JurBüro 2007, 504; BVerfG, Beschluss vom 27.3.2001 a.a.O.

Gemessen hieran ist der erforderliche Gegenbeweis der beurkundeten Tatsache, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Urteil als zugestellt angenommen hat, nicht geführt worden. Er trägt in der Antragsbegründung unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner Sekretärin vor: Das Urteil sei dem Empfangsbekenntnis nicht beigefügt gewesen. Dies sei zunächst nicht bemerkt worden, weil nicht abgeglichen worden sei, ob die auf dem Empfangsbekenntnis angegebenen Schriftstücke tatsächlich eingegangen seien. Er habe sich entsprechend seiner üblichen Handhabung die Empfangsbekenntnisse gesondert zur Unterschrift vorlegen lassen. Seine Sekretärin notiere Fristen und lege ihm anschließend eilige Sachen sowie Fristsachen vor. Die normalen Posteingänge lege sie sodann auf die betreffende Akte in ein Regal. Aus diesem nehme er sie nach Möglichkeit und Arbeitsanfall zur Bearbeitung heraus. Dorthin sei auch das übersandte Terminsprotokoll gelangt, ohne dass seine Sekretärin zuvor eine - hieraus nicht ersichtliche - Frist notiert habe.

Selbst wenn man dieses anwaltliche Vorbringen zugrunde legt, hält der Senat es nicht für ausgeschlossen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Urteil als zugestellt entgegen genommen hat. Da der Eingang der zuzustellenden Schriftstücke nicht überprüft worden ist, kann das Urteil der in Rede stehenden Postsendung beigefügt gewesen sein, die Kanzlei erreicht haben und erst anschließend abhanden gekommen sein. In diesem Fall wäre das Empfangsbekenntnis richtig. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers wollte nach seinem eigenen Vorbringen die eingegangenen Schriftstücke als zugestellt entgegen nehmen, ohne sie zuvor gesehen zu haben. Ihm genügte für seinen Empfangswillen die (vermeintliche) Gewissheit über den Eingang in seinen Geschäftsräumen und er hielt nicht einmal eine Überprüfung durch seine Sekretärin für erforderlich. Denn er vertraute darauf, dass dem Empfangsbekenntnis die in ihm aufgeführten Schriftstücke beigefügt waren.

Dem Kläger kann auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO wegen der versäumten Antragsfrist gewährt werden. Er hat keine Tatsachen vorgetragen, die die Versäumung der Frist als unverschuldet erscheinen lassen. Sein Prozessbevollmächtigter hat nicht dargetan, dass er die ihm obliegende Sorgfaltspflicht bei der Überwachung der Rechtsmittelfrist eingehalten hat. Zu einer ordnungsgemäßen Organisation der Fristenkontrolle gehört es, dass das Empfangsbekenntnis über die Zustellung eines Urteils vom Rechtsanwalt erst unterzeichnet und zurückgesandt wird, wenn die Rechtsmittelfrist entweder bereits in den Handakten und im Fristenkalender notiert ist oder zumindest durch besonderen Sorgfaltspflichten unterliegende Vorkehrungen sichergestellt ist, dass die Frist entsprechend notiert wird.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.4.2006 - 10 B 83.05 -, juris, Rn. 8.

Diesen Anforderungen genügt die in der Antragsbegründung geschilderte Handhabung schon deshalb nicht, weil das Empfangsbekenntnis dem Prozessbevollmächtigten gesondert zur Unterschrift vorgelegt worden sein soll, ohne dass zuvor oder zumindest unmittelbar danach abgeglichen worden ist, ob ihm das angegebene Urteil, dessen Zustellung die Frist auslöste, beigefügt war. Ohne einen derartigen Abgleich ist die gebotene Fristennotierung nicht sichergestellt.

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