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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 09.09.2008
Aktenzeichen: 5 E 1093/08
Rechtsgebiete: GKG, VwGO


Vorschriften:

GKG § 72 Nr. 1
VwGO § 67
1. Nach der Übergangsbestimmung in § 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG ist auf eine Streitwertbeschwerde in einem vor dem 1.7.2004 anhängig gewordenen Rechtsstreit das Gerichtskostengesetz alter Fassung auch dann anzuwenden, wenn die Beschwerde nach dem 1.7.2004 eingelegt wurde. "Rechtsmittel" im Sinne des zweiten Halbsatzes der Vorschrift sind nur Rechtsmittel in der Hauptsache.

2. Auch nach Inkrafttreten des § 67 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts unterliegt die Streitwertbeschwerde keinem Vertretungszwang.


Tatbestand:

Der Kläger wandte sich gegen eine Streitwertfestsetzung für ein erstinstanzliches Klageverfahren, das vor dem 1.7.2004 bei Gericht eingegangen ist. Auf die vom anwaltlich nicht vertretenen Kläger nach dem 1.7.2008 eingelegte Beschwerde reduzierte das OVG den Streitwert.

Gründe:

Die Beschwerde hat Erfolg. Der Senat nimmt das Verfahren zum Anlass, die Festsetzung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren über den Antrag des Klägers hinaus von Amts wegen auf den maßgeblichen Auffangstreitwert zu reduzieren.

Im Beschwerdeverfahren sind gemäß § 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes i.d.F. vom 15.12.1975 (BGBl. I S. 3047), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.3.2004 (BGBl. I S. 390) - GKG a. F. - anzuwenden. Das erstinstanzliche Verfahren, über dessen Streitwert zu entscheiden ist, ist eine Rechtsstreitigkeit, die vor dem 1.7.2004 anhängig geworden ist. Dass die Beschwerde erst nach diesem Zeitpunkt erhoben worden ist, ist unschädlich. Die Einschränkung des § 72 Nr. 1 Halbsatz 2 GKG, nach der die Anwendbarkeit alten Rechts nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel gilt, das nach dem 1.7.2004 eingelegt worden ist, ist nicht einschlägig. "Rechtsmittel" im Sinn dieser Vorschrift sind nämlich nur Rechtsmittel in der Hauptsache, nicht auch im Gerichtskostengesetz geregelte Rechtsbehelfe gegen die Streitwertfestsetzung oder den Kostenansatz. Das ergibt sich aus dem von der allgemeinen Übergangsvorschrift des § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG abweichenden Wortlaut des § 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG und aus dem mit dieser Sonderregelung verfolgten Gesetzeszweck. Die auf dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5.5.2004 (BGBl. I S. 718) beruhenden Änderungen zur Besetzung des Gerichts, zur Höhe des Beschwerdewerts und zur Anfechtbarkeit der Beschwerdeentscheidung finden somit bei "Altfällen" auch dann keine Anwendung, wenn der Rechtsbehelf nach dem 1.7.2004 eingelegt worden ist.

Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 7.10.2005 - 1 C 05.151 -, NVwZ-RR 2006, 150; BGH, Beschluss vom 17.5.2006 - XII ZB 233/05 -, FamRZ 2006, 1107; siehe auch BT-Drs. 15/1971, S. 158, zu § 72.

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass der Kläger in diesem Verfahren nicht anwaltlich vertreten ist. Für die Streitwertbeschwerde bestimmen §§ 25 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, 5 Abs. 5 GKG a. F., dass es der Mitwirkung eines Bevollmächtigten nicht bedarf. Diese speziellen Vorschriften gehen der allgemeinen Regelung des § 67 VwGO über den Vertretungszwang vor.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2002 - 7 E 227/02 - m.w.N.; Bay. VGH, Beschlüsse vom 12.11.2002 - 1 C 02.2136 -, NVwZ-RR 2003, 604, und vom 13.6.2003 - 15 C 03.133 -, NVwZ-RR 2004, 158.

Daran hat auch die Neufassung des § 67 VwGO durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12.12.2007 (BGBl. I S. 2840) nichts geändert. Nach dessen Absatz 4 müssen sich die Beteiligten unter anderem vor dem Oberverwaltungsgericht, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Hierbei handelt es sich wie bei der Vorgängerfassung in § 67 Abs. 1 VwGO a. F. um eine allgemeine Bestimmung, die gegenüber den Spezialregelungen über die kostenrechtliche Beschwerde keinen Anwendungsvorrang genießt. Die Vertretung in kostenrechtlichen Verfahren ist auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes durch eine eigenständige Regelung im Gerichtskostengesetz gesondert geregelt, und das Verfahren ist wie bisher (vgl. dazu BT-Drs. 15/1971, S. 157) verfahrensrechtlich unabhängig ausgestaltet. Ein Vertretungszwang für kostenrechtliche Rechtsbehelfe kann sich bei dieser Regelungstechnik nur aus den Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes einschließlich etwaiger Verweisungsnormen ergeben, nicht aber unmittelbar aus der allgemeinen Vorschrift des § 67 VwGO.

Soweit es in der Begründung zur Neufassung des § 67 VwGO durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts heißt, künftig bestehe Vertretungszwang auch für Streitwert- und Kostenbeschwerden (BT-Drs. 16/3655, S. 97), hat dies im Hinblick auf die unverändert fortbestehende Sonderregelung für kostenrechtliche Rechtsbehelfe im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Im Übrigen wird die hier vertretene Auslegung an anderer Stelle derselben Gesetzesbegründung für die neue Rechtslage ausdrücklich bestätigt: Dort heißt es, ein Anwaltszwang gelte in kostenrechtlichen Verfahren (wie bisher) nicht, was durch den unveränderten § 66 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GKG klar gestellt werde (BT-Drs. 16/3655, S. 100). Nach dieser Vorschrift können kostenrechtliche Rechtsbehelfe - wie bereits nach den hier noch anwendbaren §§ 25 Abs. 3 Satz 1, 5 Abs. 3 Satz 1 GKG a. F. - wegen der entsprechenden Geltung von § 129 a ZPO zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden. Für solche Prozesshandlungen sind gemäß der auch im Verwaltungsprozess wegen § 173 VwGO entsprechend anwendbaren Regelung in § 78 Abs. 5 ZPO die Vorschriften über den Vertretungszwang nicht anwendbar.

Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 3.1.2006 - 26 C 05.3036 -, juris; Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: März 2008, § 67 Rn. 3; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 67 Rn. 78; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, § 68 GKG Rn. 12.

Vor diesem Hintergrund kann sich selbst nach neuer Rechtslage ein Anwaltszwang auch nicht aus der - hier wegen § 72 Nr. 1 GKG noch gar nicht anwendbaren - Vorschrift des § 66 Abs. 5 Satz 2 GKG ergeben, wonach für die Bevollmächtigung in kostenrechtlichen Rechtsbehelfsverfahren die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren maßgeblichen Verfahrensordnung gelten. Da ein Anwaltszwang nach Satz 1 nicht besteht, ist hiermit lediglich bestimmt, durch welche Bevollmächtigten sich die Beteiligten im kostenrechtlichen Verfahren vertreten lassen können, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Vgl. BT-Drs. 16/3655, S. 100.

Der Senat reduziert den Streitwert gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG a. F. von Amts wegen über den Antrag des Klägers hinaus auf den Auffangstreitwert, der im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung 4.000,-- € betrug.

Ende der Entscheidung

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