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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 28.03.2002
Aktenzeichen: 5 E 286/01
Rechtsgebiete: GG, WRV, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 35 Abs. 1
GG Art. 92
GG Art. 140
WRV Art. 137 Abs. 3
VwGO § 14
Weder der Gedanke der Rechtshilfe noch die staatliche Justizgewährungspflicht vermitteln einen Anspruch darauf, dass kirchengerichtliche Entscheidungen durch staatliche Gerichte für vollstreckbar erklärt werden.
Tatbestand:

Nachdem das kirchliche VG die Klage des Vollstreckungsschuldners gegen seine Entlassung aus dem Presbyteramt auf seine Kosten abgewiesen hatte, ergingen zu Gunsten des in jenem Verfahren beklagten Vollstreckungsgläubigers, eines Evangelischen Kirchenkreises, zwei kirchengerichtliche Kostenfestsetzungsbeschlüsse. Der Vollstreckungsschuldner verweigerte die Zahlung.

Der an das staatliche VG gerichtete Antrag des Vollstreckungsgläubigers, die Kostenfestsetzungsbeschlüsse für vollstreckbar zu erklären, blieb in beiden Instanzen erfolglos.

Gründe:

Der Vollstreckungsgläubiger kann nicht beanspruchen, dass die im Antrag bezeichneten Kostenfestsetzungsbeschlüsse für vollstreckbar erklärt und mit einer Vollstreckungsklausel versehen werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses. Darin hat das VG zutreffend ausgeführt, dass weder die Vollstreckungsbestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung noch staatskirchenvertragliche oder verfassungsrechtliche Regelungen eine Grundlage für seine Inanspruchnahme zur Vollstreckung der gegen den Vollstreckungsschuldner ergangenen kirchengerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschlüsse bilden. Diese Ausführungen werden durch das Beschwerdevorbringen, mit dem der Vollstreckungsgläubiger sein Begehren auf den Gedanken der Rechtshilfe und die allgemeine Justizgewährungspflicht des Staates stützt, nicht erschüttert.

Auch über die hier nicht einschlägigen Rechtshilferegelungen in Art. 35 Abs. 1 GG und in Staatskirchenverträgen hinaus gibt es keine Vorschriften, die einen Anspruch auf staatliche Rechtshilfe zur Vollstreckung von Entscheidungen kirchlicher Verwaltungsgerichte begründen könnten. Für § 14 VwGO gilt dies schon deshalb, weil diese Bestimmung nur die Rechtshilfe zwischen staatlichen Gerichten betrifft.

Vgl. Ehlers, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1995, § 74 II.1.

Allgemeine Direktiven wie ein Gebot kirchenfreundlichen Verhaltens mögen als Auslegungsmaximen Bedeutung haben, sind aber keine konkreten Anspruchsnormen und können dem Begehren des Vollstreckungsgläubigers mithin gleichfalls nicht zum Erfolg verhelfen.

Vgl. Ehlers, a.a.O., § 74 IV.1. m.w.N.

Ob die staatliche Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf die Kirchen zur Erfüllung nichtstaatlicher Zwecke Ansprüche der Kirchen auf Rechtshilfe im Zusammenhang mit diesen Befugnissen nach sich zieht, so Rüfner, in: Friesenhahn/Scheuner/Listl (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1. Aufl. 1975, § 44, 2.; kritisch: Ehlers, a.a.O., § 74 IV.1., kann offen bleiben, weil die Kirchengerichtsbarkeit nicht auf staatlicher Verleihung, sondern auf dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) beruht.

Ebenso wenig wie die Bestimmungen über Rechtshilfe bildet die Pflicht zur Justizgewährung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 92 GG) eine Grundlage für das Vollstreckungsbegehren. Sie richtet sich darauf, den Zugang zu den staatlichen Gerichten und eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter zu gewährleisten.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.6.1980 - 1 PBvU 1/79 -, BVerfGE 54, 277, 291; Beschluss vom 12.2.1992 - 1 BvL 1/89 -, BVerfGE 85, 337, 345; Kammerbeschluss vom 18.9.1998 - 2 BvR 1476/94 -, NJW 1999, 349.

Es muss also ein effektiver staatlicher Rechtsschutz sichergestellt sein. Dagegen trifft den Staat keine Garantenstellung für einen wirkungsvollen kirchengerichtlichen Rechtsschutz. Kraft ihres verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmungsrechts können die Kirchen zwar für ihre Angelegenheiten eine eigene Gerichtsbarkeit einrichten. Der Staat hat dies zu respektieren und darauf bei seiner eigenen Justizgewährung Rücksicht zu nehmen.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.9.1998 - 2 BvR 1476/94 -, NJW 1999, 349; OVG NRW, Beschluss vom 25.7.2001 - 5 A 1516/00 -.

Er ist aber nicht verpflichtet, seinerseits den kirchlichen Rechtsschutz zu effektuieren, indem er für die Durchsetzung kirchengerichtlicher Entscheidungen sorgt. Die Justizgewährungspflicht könnte mithin nur Bedeutung erlangen, wenn der Vollstreckungsgläubiger, anstatt aus kirchengerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschlüssen vorzugehen, einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch gegen den Vollstreckungsschuldner vor einem staatlichen Gericht einklagte.

Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 20.10.1998 - 13 O 3662/98 - 6 D 4677/98 -, NJW 1999, 1882, 1883; gegen einen allgemeinen Anspruch auf Vollstreckbarerklärung kirchengerichtlicher Entscheidungen durch staatliche Gerichte auch Maurer, Grundprobleme der kirchlichen Gerichtsbarkeit, ZevKR 17 (1972), 48, 70; Pahlke, in: Bericht über den Arbeitskreis II (Staatliche und kirchliche Gerichtsbarkeit) des 9. Deutschen Verwaltungsrichtertags, Dokumentationsband, S. 90; von Tiling, Anmerkung zu LG Berlin, Urteil vom 21.10.1986 - 63 S 70/86 -, ZevKR 33 (1988), 71, 72; Uibel, Anmerkung zu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.5.1980 - IV 1140/77 -, DVBl. 1981, 37, 38.

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