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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 19.12.2007
Aktenzeichen: 6 A 1701/05
Rechtsgebiete: LVO NRW, ArbPlSchG


Vorschriften:

LVO NRW § 5 Abs. 1a
LVO NRW § 6 Abs. 1 Satz 1
LVO NRW § 52 Abs. 1
LVO NRW § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ArbPlSchG § 13 Abs. 2
Zur Erteilung einer Ausnahme von der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze, wenn sich die Einstellung in den Schuldienst des beklagten Landes infolge des Ableistens des Zivildienstes verzögert hat.
Tatbestand:

Der am 29.3.1966 geborene Kläger ist als Lehrer im Angestelltenverhältnis im Dienst des beklagten Landes beschäftigt und begehrt seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Nach Erwerb der Fachoberschulreife absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Chemiefacharbeiter und war im Anschluss daran in dem erlernten Beruf tätig. Vom 1.10.1987 bis zum 31.5.1989 leistete er seinen Zivildienst ab. Danach nahm er seinen Beruf als Chemiefacharbeiter wieder auf. Ab dem 1.2.1990 besuchte er parallel zu seiner Berufstätigkeit das Abendgymnasium und erwarb am 10.12.1992 die Allgemeine Hochschulreife. Zum Sommersemester 1993 nahm er das Lehramtsstudium auf, das er am 1.12.1998 mit der Ersten Staatsprüfung für die Lehrämter für die Sekundarstufe II und für die Sekundarstufe I in den Fächern Deutsch und Sozialwissenschaften abschloss. Am 1.2.1999 begann er seinen Vorbereitungsdienst und legte am 12.12.2001 - nach Verlängerung des Vorbereitungsdienstes um elf Monate - die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II und für das Lehramt für die Sekundarstufe I, ebenfalls in den Fächern Deutsch und Sozialwissenschaften/Politik, ab. Nachdem der Kläger zunächst befristet als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis im Dienst des beklagten Landes beschäftigt wurde, wurde er mit Wirkung vom 31.5.2002 auf unbestimmte Zeit als Lehrer im Angestelltenverhältnis eingestellt. Mit Schreiben vom 28.5.und 2.9.2002 beantragte der Kläger seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe und wies darauf hin, dass sich seine Ausbildung aufgrund des 20monatigen Zivildienstes verzögert habe, so dass er trotz Überschreitung der Höchstaltersgrenze in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen werden müsse. Die Bezirksregierung L. lehnte den Antrag ab. Die grundsätzlich mögliche Überschreitung der Altersgrenze bei Verzögerungen der für den künftigen Beruf vorgeschriebenen Ausbildung durch das Ableisten von Zivildienst scheitere im Fall des Klägers an der fehlenden Ursächlichkeit des Zivildienstes für das Überschreiten der Altersgrenze. Die Überschreitung der Altergrenze beruhe darauf, dass er nicht auf dem direkten Weg, sondern erst nach Berufsausbildung und Berufstätigkeit das Lehramtsstudium aufgenommen habe. Der dagegen eingelegte Widerspruch sowie die anschließend vor dem VG erhobene Klage blieben erfolglos. Das OVG gab der Berufung teilweise statt.

Gründe:

Hinsichtlich des Hauptantrags, mit dem der Kläger die Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, ihn in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, hat die Klage keinen Erfolg, da die Sache insoweit nicht spruchreif ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis steht im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand lässt sich nicht erkennen, dass das beklagte Land sein Ermessen allein dahingehend ausüben kann, den Kläger in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen. Im Rahmen des dem Dienstherrn bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis zustehenden Entscheidungsspielraums ist insbesondere auch die gesundheitliche Eignung des Bewerbers von Bedeutung. Die gesundheitliche Eignung des Klägers, die zu keiner Zeit Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war, hat zunächst der Dienstherr in eigener Verantwortung zu beurteilen. Diese Beurteilung ist gerichtlich nur eingeschränkt zu überprüfen. Ein Verpflichtungsurteil muss schon aus diesem Grunde ausscheiden.

Soweit der Kläger mit dem Hilfsantrag die Verpflichtung des beklagten Landes zur Neubescheidung seines Antrags auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe begehrt, ist die Klage begründet. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass das beklagte Land über seinen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet, denn der Bescheid der Bezirksregierung L. vom 2.12.2002 und deren Widerspruchsbescheid vom 13.2.2003 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Gemäß den §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 LVO NRW darf als Laufbahnbewerber nach § 5 Abs. 1a LVO NRW in das Beamtenverhältnis auf Probe nur eingestellt oder übernommen werden, wer das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Im Zeitpunkt seiner unbefristeten Einstellung in den öffentlichen Schuldienst mit Wirkung vom 31.5.2002 hatte der am 29.3.1966 geborene Kläger zwar die allgemeine Höchstaltersgrenze von 35 Jahren um mehr als ein Jahr überschritten.

Er kann aber wegen des in der Zeit vom 1.10.1987 bis zum 31.5.1989 abgeleisteten Zivildienstes die Zulassung einer Ausnahme nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO NRW für sich beanspruchen. Das beklagte Land hat das ihm dabei zustehende Ermessen mit Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung - Z B 1 22/03 - 1157/95 - vom 18.9.1995 (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.1.2004 - 6 A 949/03 -) dahingehend ausgeübt, dass eine Ausnahme von der Altersgrenze generell erteilt ist, wenn sich die Einstellung infolge des Ableistens unter anderem des Zivildienstes um nicht mehr als die tatsächliche Zeitdauer des Dienstes verzögert hat und der Bewerber zum Zeitpunkt seiner Einstellung die Altersgrenze um nicht mehr als die Zeitdauer des Dienstes überschritten hatte.

Der Kläger hat insgesamt 20 Monate Zivildienst abgeleistet. Seine Einstellung ist zum 31.5.2002 und damit 14 Monate nach seinem 35. Geburtstag erfolgt, so dass er zum Zeitpunkt seiner Einstellung die Altersgrenze um nicht mehr als die Zeitdauer des Dienstes überschritten hatte.

Die Ableistung des Zivildienstes war auch die entscheidende Ursache für die Überschreitung der Altersgrenze. Insbesondere ist eine Unterbrechung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen Zivildienst und verzögerter Einstellung nicht gegeben. Die Kausalität ist dann zu verneinen, wenn nach der Zeit eines Dienstes andere von dem Bewerber zu vertretende Umstände beziehungsweise vermeidbare Verzögerungen die Einstellung hinausgeschoben haben.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7.11.2000 - 6 A 3593/00 -, und vom 20.1.2004 - 6 A 949/03 -, sowie zur entsprechenden Regelung bei Verzögerungen aufgrund von Kinderbetreuungszeiten BVerwG, Urteil vom 13.7.2000 - 2 C 21.99 -, ZBR 2001, 32; OVG NRW, Urteile vom 28.5.2003 - 6 A 510/01 -, NVwZ-RR 2004, 122, und vom 16.3.2004 - 6 A 1524/02 -, Beschlüsse vom 20.1.2004 - 6 A 949/03 -, und vom 22.2.2005 - 6 A 4762/03 -.

Dass der Kläger vor Ableistung des Zivildienstes zunächst eine Ausbildung als Chemiefacharbeiter absolviert und in diesem Beruf gearbeitet hatte, ist schon deswegen unerheblich, weil dieser Umstand bereits vor dem Verzögerungstatbestand eingetreten war. Die Unterbrechung eines Kausalzusammenhangs zwischen zwei Ereignissen setzt zwingend voraus, dass das erste Ereignis beim Eintreten weiterer Umstände bereits stattgefunden hat. Unterbrechungen des Kausalzusammenhangs zwischen Zeiten des Wehr- oder Zivildienstes und einer Einstellungsverzögerung können demnach nur auf Umstände zurückzuführen sein, die nach dem Dienst eingetreten sind; vorangegangene Umstände sind unerheblich.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.5.2003 - 6 A 510/01 -, DÖD 2004, 27, Beschluss vom 20.1.2004 - 6 A 949/03 -, und Urteil vom 18.7.2007 - 6 A 4769/04 -.

Die Ursächlichkeit des Zivildienstes steht ferner nicht deswegen in Frage, weil der Kläger nach Abschluss des Zivildienstes zunächst die Allgemeine Hochschulreife erworben hat. Auch wenn es sich dabei nicht um einen spezifisch auf den Lehrerberuf zugeschnittenen Teil der (allgemeinen) Schulbildung handelt, ist der Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife zweifellos unverzichtbar für die Aufnahme des Lehrerstudiums, so dass darin keine vermeidbare Verzögerung liegen kann. Nicht von Belang ist es in diesem Zusammenhang, dass § 13 Abs. 2 ArbPlSchG in Fällen des Wehr- oder Zivildienstes lediglich das Hinausschieben oder die Unterbrechung einer über die allgemein bildende Schulbildung hinausgehenden vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen Beruf als Beamter oder Richter als relevant ansieht. Denn diese Vorschrift hat mit der Regelung, inwieweit Dienste bei den bis zur Anstellung oder Beförderung zurückzulegenden Zeiten zu berücksichtigen sind, einen anderen, laufbahnspezifischen Gegenstand und schließt - im Gegensatz zum Erlass - folgerichtig die allgemein bildende Schulbildung gerade ausdrücklich aus.

Soweit der Kläger zwischen Beendigung des Zivildienstes und Beginn des Abendgymnasiums sowie nach Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife und vor Aufnahme des Lehramtsstudiums jeweils einige Monate in seinem erlernten Beruf tätig war, liegt darin ebenfalls keine die Kausalität unterbrechende wesentliche Verzögerung. Vielmehr lassen sich solche Übergangszeiten wegen der feststehenden Anfangstermine von Schulausbildungen und Hochschulsemestern regelmäßig kaum vermeiden. So war es nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers, an dessen Richtigkeit keine Zweifel bestehen, auch im vorliegenden Fall. Ebenso wenig ist es erheblich, dass der Kläger parallel zum Besuch des Abendgymnasiums gearbeitet hat, zumal es dadurch nach seinen auch insoweit nicht zu bezweifelnden Angaben zu keinen zusätzlichen Verzögerungen gekommen ist.

Der Kläger hätte ohne die Ableistung des Zivildienstes etwa im Februar 1988 mit dem Besuch des Abendgymnasiums beginnen und seine Ausbildung mit der Zweiten Staatsprüfung etwa im Dezember 1999 beenden können. Es kommt daher darauf an, ob er zur Mitte des Schuljahres 1999/2000 - der nächsten Einstellungsmöglichkeit nach Abschluss des Vorbereitungsdienstes - oder zu einem späteren Zeitpunkt bis zur Vollendung des 35. Lebensjahrs (29.3.2001) eingestellt worden wäre.

Ob dies der Fall gewesen wäre, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Ebenso wenig ist feststellbar, ob der Kläger wegen Verfehlung der Einstellungskriterien ohnehin nicht zum Zuge gekommen wäre. Das beklagte Land hat mitgeteilt, es könne nicht mehr ermittelt werden, ob in den jeweils zum Schuljahresanfang oder zur Schuljahresmitte in dem Zeitraum von Januar 2000 bis März 2001 durchgeführten Lehrereinstellungsverfahren für die Fächerkombination des Klägers Einstellungsbedarf bestanden habe. Ob der Kläger, hätte er sich beworben, nach den damaligen Einstellungskriterien zum Zuge gekommen wäre, sei ebenfalls nicht mehr feststellbar, da die entsprechenden Einstellungslisten und Bewerbungsunterlagen erlassgemäß vernichtet worden seien. Diese Nichtaufklärbarkeit der Einstellungschancen des Klägers wirkt sich zu dessen Gunsten aus. Hat der Dienstherr die Unterlagen über seine früheren Auswahlentscheidungen vernichtet, trägt er die materielle Beweislast dafür, dass der Einstellungsbewerber ungeachtet des Verzögerungstatbestandes zu einem früheren Zeitpunkt nicht ausgewählt worden wäre.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.7.2000 - 2 C 21.99 -, ZBR 2001, 32.

Liegen - wie eben dargestellt - keine Unterlagen über die länger zurückliegenden Einstellungsverfahren mehr vor, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes des Klägers um elf Monate aufgrund des einmaligen Nichtbestehens der Zweiten Staatsprüfung als kausalitätsunterbrechend anzusehen sein müsste. Denn es ist nicht mehr feststellbar, ob er bei einem früherem Verfahren überhaupt zum Zuge gekommen wäre.

Dass der Kläger inzwischen 41 Jahre alt ist und die Höchstaltersgrenze um mehr als die tatsächliche Dauer des Zivildienstes überschritten hat, steht dem teilweisen Erfolg der Klage nicht entgegen. In § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO NRW ist vorgesehen, dass auf Antrag der obersten Dienstbehörde eine Ausnahme von der Einhaltung der Höchstaltersgrenze zugelassen werden kann. Im Wege einer solchen Ausnahme lässt sich dem Umstand Rechnung tragen, dass der Kläger bei der Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des beklagten Landes zum 31.5.2002 in das Beamtenverhältnis auf Probe hätte übernommen werden können, dies aber auf Grund von rechtlich nicht tragfähigen Erwägungen unterblieben ist.

Ende der Entscheidung

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