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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 30.05.2008
Aktenzeichen: 6 A 1996/07
Rechtsgebiete: GG, LGG NRW


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
LGG NRW § 1 Abs. 2
Die auf dem Runderlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung - 21-22/03 Nr. 1050/00 - vom 22.12.2000 beruhende Verwaltungspraxis, auch bei Vorliegen von individuellen Sondertatbeständen (hier: Kindererziehungszeiten zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr) keine weitere - über die darin vorgesehenen zehn Jahre hinausgehende - Überschreitung der Höchstaltersgrenze zuzulassen, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG und § 1 Abs. 2 LGG NRW vereinbar.
Tatbestand:

Die am 20.2.1957 geborene Klägerin ist als Lehrerin im Angestelltenverhältnis im Dienst des beklagten Landes beschäftigt und begehrt ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Nach dem Schulabschluss absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und war anschließend bei verschiedenen Arbeitgebern als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Ab dem Jahr 1985 besuchte sie das Abendgymnasium und erwarb im Juni 1989 die Allgemeine Hochschulreife.

Nachdem die Klägerin im Jahr 1989 zunächst mit einem Psychologiestudium begonnen hatte, nahm sie im Jahr 1990 das Lehramtsstudium auf, das sie am 15.11.1994 mit der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe I in den Fächern Technik und Deutsch abschloss. Den Vorbereitungsdienst begann sie am 15.12.1994, unterbrochen von März 1997 bis Oktober 2000 durch den Erziehungsurlaub zur Betreuung ihrer im Januar 1997 und April 2000 geborenen Kinder. Am 4.6.2003 legte sie die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe I, ebenfalls in den Fächern Technik und Deutsch, ab.

Mit Wirkung vom 15.9.2003 wurde die Klägerin auf unbestimmte Zeit als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis in den Schuldienst des beklagten Landes eingestellt. Mit Schreiben vom 29.10.2003 beantragte die Klägerin ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe.

Die Bezirksregierung lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Überschreitung der in §§ 6 Abs.1, 52 Abs. 1 LVO NRW festgelegten Höchstaltersgrenze für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ab. Es komme keine Ausnahme nach dem Runderlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung vom 22.12.2000 (sogenannter Mangelfacherlass) in Betracht, nach dem Bewerber für das Lehramt für die Sekundarstufe I und II an allgemeinbildenden Schulen mit den dort genannten Mangelfächern die Altersgrenze um längstens zehn Jahre überschreiten könnten, da die Klägerin bei Übernahme in den Schuldienst das 45. Lebensjahr überschritten gehabt habe. Weitere Ausnahmetatbestände wie Kinderbetreuung könnten darüber hinaus nicht berücksichtigt werden.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Annahme, auch Sondertatbestände wie Kinderbetreuungszeiten seien von der Ausnahmeregelung des Mangelfacherlasses mit erfasst, verstoße gegen das Landesgleichstellungsgesetz NRW (LGG NRW) sowie die europarechtlichen Diskriminierungsverbote.

Die nach Zurückweisung des Widerspruchs vor dem VG erhobene Klage war erfolglos. Die vom Senat zugelassene Berufung wurde zurückgewiesen.

Gründe:

Gemäß den §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 LVO NRW darf als Laufbahnbewerber nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a) LVO NRW in das Beamtenverhältnis auf Probe nur eingestellt oder übernommen werden, wer das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Eine Übernahme der Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Probe ist ausgeschlossen. Die Höchstaltersgrenze von 35 Jahren hatte sie bereits am 20.2.1992 und damit über elf Jahre vor ihrer Einstellung in ein unbefristetes Dauerbeschäftigungsverhältnis mit Wirkung vom 15.9.2003 überschritten.

Die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 LVO NRW mögliche Berücksichtigung von Zeiten der Kinderbetreuung rechtfertigt keine andere Entscheidung, da nicht anzunehmen ist, dass sich die Einstellung der Klägerin wegen der Geburt eines Kindes oder wegen der tatsächlichen Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren verzögert hat. Es fehlt an der erforderlichen Ursächlichkeit der Kinderbetreuung für die Überschreitung der Altersgrenze, da die Klägerin bereits bei den Geburten ihrer Kinder älter als 35 Jahre war.

Eine Verpflichtung des Beklagten zur Zulassung einer Ausnahme nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO NRW besteht nicht. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob der eine allgemeine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze zulassende Runderlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung - 121-22/03 Nr. 1050/00 - vom 22.12.2000, zuletzt verlängert durch Runderlass des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 16.11.2004 - 211-1.12.03.03-973 -, noch herangezogen werden kann, obwohl er zum Schuljahr 2006/2007 aufgehoben worden ist. Die Klägerin unterfällt jedenfalls nicht der durch Nr. I. dieses Erlasses eingeführten Verwaltungspraxis, Lehrern mit Mangelfächern ein Überschreiten der Altersgrenze um längstens zehn Jahre zu ermöglichen. Sie vertritt mit dem Fach Technik zwar ein in dem Erlass aufgeführtes Mangelfach für Bewerber für das Lehramt für die Sekundarstufe I an allgemeinbildenden Schulen. Die auf dem Erlass beruhende Verwaltungspraxis lässt jedoch nur ein Überschreiten der Altersgrenze um längstens zehn Jahre zu. Die Klägerin ist erst mit Wirkung vom 15.9.2003 und damit nochmals über eineinhalb Jahre nach Vollendung des 45. Lebensjahres in ein unbefristetes Angestelltenverhältnis im Schuldienst des beklagten Landes eingestellt worden. Damit wird sie vom Anwendungsbereich des Mangelfacherlasses nicht erfasst.

Nichts anderes folgt daraus, dass die Klägerin Verzögerungen ihrer Ausbildung durch Zeiten der Kinderbetreuung zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr hingenommen hat. Denn das auf der Grundlage des Erlasses ermöglichte Überschreiten der Altersgrenze soll ausdrücklich auch eventuellen Sondertatbeständen Rechnung tragen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG beziehungsweise gegen das Diskriminierungsverbot des § 1 Abs. 2 LGG NRW liegt darin nicht. Indem der Erlass keine weitere Differenzierung vornimmt und damit insbesondere eine Überschreitung der Altersgrenze um mehr als zehn Jahre auch bei Vorliegen von Sondertatbeständen wie Kinderbetreuungszeiten ausschließt, behandelt er zwar unterschiedliche Sachverhalte gleich. Diese Versagung zusätzlicher Vergünstigungen ist jedoch nicht sachwidrig. Denn anders als die nach § 6 Abs. 1 Satz 3 LVO NRW zulässige Überschreitung der Höchstaltersgrenze von 35 Jahren bei Verzögerungen durch Kinderbetreuungszeiten dient die nach dem Mangelfacherlass vorgesehene Ausnahme von der Altersgrenze gerade nicht dem Ausgleich individueller Verzögerungen bei der Ausbildung. Vielmehr wurde diese - ohnehin zeitlich nur befristet geltende - Ausnahme allein zu dem im öffentlichen Interesse stehenden Zweck geschaffen, zusätzliche Lehrkräfte in sogenannten Mangelfächern zur Sicherstellung der Unterrichtsversorgung zu gewinnen. Eine weitere Differenzierung und zusätzliche Berücksichtigung von persönlichen Lebensumständen ist daher in diesem Zusammenhang sachlich nicht geboten. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass den kindbedingten Verzögerungszeiten bereits mit der Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 1 Satz 3 LVO NRW hinreichend Rechnung getragen wird.

Es bestehen keine Bedenken gegen die Anwendung der oben genannten laufbahnrechtlichen Vorschriften. Die in den §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW vorgesehene Höchstaltersgrenze steht im Einklang mit dem höherrangigen nationalen und europäischen Recht. (Wird ausgeführt; vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.4.2008 - 6 A 2028/06 -.).

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