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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 04.08.2004
Aktenzeichen: 6 A 619/04
Rechtsgebiete: AZVO, BAT/MTArb, VwVfG, LBG


Vorschriften:

AZVO § 2 a a.F.
BAT/MTArb § 15 a
VwVfG § 48
VwVfG § 49
VwVfG § 49 Abs. 2 Nr. 4
LBG § 78 Abs. 3
1. Die rückwirkende Streichung von § 2 a AZVO a.F. durch die Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen sowie zur Änderung der Verordnung über die Arbeitszeit der Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen und zur Änderung der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18.2.2003 (GV. NRW S. 74) verstößt jedenfalls insoweit gegen höherrangiges Recht, als von der Regelung Fälle erfasst werden, in denen der Arbeitszeitverkürzungstag bereits vor dem 18.2.2003 bewilligt und in Anspruch genommen worden ist.

2. Arbeitszeitverkürzungstage, die auf der Grundlage von § 2 a AZVO a.F. bis zum 18.2.2003 bewilligt und in Anspruch genommen worden sind, können demgemäß nicht nachträglich gestrichen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Behörde die Bewilligung des Arbeitszeitverkürzungstages noch vor seiner Inanspruchnahme mit Blick auf die beabsichtigte Änderung der Arbeitszeitverordnung widerrufen und der Beamte hiergegen Widerspruch eingelegt hatte.

3. Die rückwirkende Streichung von § 2 a AZVO a.F. durch die Änderungsverordnung vom 18.2.2003 rechtfertigt weder die Rücknahme (§ 48 VwVfG) noch den Widerruf (§ 49 VwVfG) der Bewilligung von Arbeitszeitverkürzungstagen, die bis zum 18.2.2003 in Anspruch genommen worden sind.


Tatbestand:

Die Klägerin steht als Verwaltungsbeamtin beim Polizeipräsidium B im Dienst des beklagten Landes. Sie erbat am 6.1.2003 für den 14.2.2003 dienstfrei unter Inanspruchnahme des Arbeitszeitverkürzungstages (AZV-Tag) gemäß § 2 a AZVO a.F. -. Die Genehmigung des AZV-Tages wurde unter dem Datum des 6.1.2003 auf dem Urlaubsbogen für die Klägerin vermerkt. Nachdem am 10.1.2003 die Tarifrunde für den Öffentlichen Dienst u. a. mit dem Ergebnis abgeschlossen hatte, dass der AZV-Tag nach § 15 a BAT/MTArb als Kompensation für die vereinbarte Tarifsteigerung entfällt, wies das Innenministerium Nordrhein-Westfalen mit Erlass vom 14.1.2003 darauf hin, dass beabsichtigt sei, durch eine kurzfristig vorzunehmende Änderung des § 2a AZVO die Rechtslage für Beamte mit rückwirkender Kraft der für Arbeitnehmer geltenden Rechtslage anzupassen.

Unter Bezugnahme auf den vorgenannten Erlass wurde der für den 14.2.2003 eingetragene AZV-Tag im Urlaubsbogen für die Klägerin am 20.1.2003 gestrichen. Die Klägerin legte gegen die Streichung des AZV-Tages Widerspruch ein und stellte zugleich beim VG den Antrag, dem Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, sie am 14.2.2003 vom Dienst gem. § 2 a AZVO freizustellen. Nachdem der Beklagte erklärt hatte, dass er die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Widerruf der Bewilligung der Freistellung für den 14.2.2003 beachte, erklärten die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt. Die Klägerin nahm daraufhin den AZV-Tag am 14.2.2003 in Anspruch und blieb dem Dienst fern.

Durch Rechtsverordnung vom 18.2.2003, veröffentlicht im GV. NRW. vom 7.3.2003 (S. 74), wurden § 2a AZVO sowie die inhaltsgleichen Bestimmungen für Polizeivollzugsbeamte (§ 8b AZVOPol) und für Beamte des feuerwehrtechnischen Dienstes (§ 1 Abs. 3 AZVOFeu) mit Wirkung vom 14.1.2003 gestrichen. Art. IV der Änderungsverordnung lautet wie folgt:

"Arbeitstage, die ab dem 14.1.2003 als Arbeitszeitverkürzungstage in Anspruch genommen worden sind, werden in Erholungsurlaubstage umgewandelt. Soweit die jeweiligen Arbeitszeitregelungen es zulassen, ist wahlweise eine Umwandlung in Freizeitausgleich im Rahmen der Gleitenden Arbeitszeit möglich."

Der Beklagte informierte die Klägerin über den Inhalt der Verordnung vom 18.2.2003 und verwies auf die Umwandlungsbestimmung des Art. IV. Da beim Polizeipräsidium B keine Gleitzeit eingeführt sei, habe er sich damit einverstanden erklärt, dass den betroffenen Beamten wahlweise in analoger Anwendung Mehrdienst angerechnet werde. Die Klägerin wurde gebeten, für den Fall, dass sie ihren Widerspruch nicht aufrecht erhalte, mitzuteilen, welche Verrechnungsart - Urlaub oder Mehrdienst - sie für den bereits genommen AZV-Tag wünsche. Nach Zurückweisung des Widerspruchs erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, die am 20.1.2003 erfolgte Streichung des AZV-Tages am 14.1.2003 aufzuheben. Das VG gab der Klage statt. Die Berufung des beklagten Landes hatte keinen Erfolg. Gründe:

Die Streichung des bereits bewilligten AZV-Tages findet in Art. IV der Änderungsverordnung vom 18.2.2003 keine Rechtsgrundlage. Zwar erfasst die vorgenannte Bestimmung nicht nur die Umwandlung eines bereits in Anspruch genommenen AZV-Tages in Erholungsurlaub oder in Freizeitausgleich, sondern - als darin enthaltenen Teilakt - auch die bloße Streichung des AZV-Tages mit dem Ziel einer späteren Kompensation durch Erholungsurlaub oder Freizeitausgleich nach Wahl des betroffenen Beamten. Art. IV der Änderungsverordnung vom 18.2.2003 scheidet gleichwohl als Ermächtigungsgrundlage für die hier angegriffene Maßnahme aus, denn die Bestimmung steht jedenfalls in Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt mit höherrangigem Recht nicht in Einklang.

Ob Art. IV der Änderungsverordnung vom 18.2.2003 durch eine Verordnungsermächtigung gedeckt ist, erscheint dem Senat zumindest zweifelhaft. Die in der Änderungsverordnung vom 18.2.2003 angegebenen Bestimmungen (§ 78 Abs. 3 LBG bzw. § 187 Abs. 3 LBG - betreffend Polizeivollzugsbeamte - und § 197 Abs. 2 LBG - betreffend Beamte des feuerwehrtechnischen Dienstes -) ermächtigen zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung der Arbeitszeit. In diesem Rahmen hält sich die Verordnung vom 18.2.2003, soweit sie den Wegfall des AZV-Tages durch eine Änderung der die für die jeweiligen Verwaltungsbereiche betreffenden Arbeitszeitverordnungen regelt (Art. I, II, III und V). Dagegen geht Art. IV der Änderungsverordnung vom 18.2.2003 schon insofern über die Regelung der Arbeitszeit hinaus, als in den dort bestimmten Fällen eine Rechtsfolge vorgesehen ist, die den Anspruch auf Erholungsurlaub betrifft. Diesbezüglich besteht eine andere Verordnungsermächtigung (§ 101 LBG), die aber in der Änderungsverordnung nicht zitiert und der Verordnung offenbar auch nicht zugrunde gelegt worden ist.

Weitere Bedenken ergeben sich daraus, dass die in Art. IV der Änderungsverordnung vom 18.2.2003 vorgesehene Umwandlung des in Anspruch genommenen AZV-Tages in Erholungsurlaub oder Freizeitausgleich zugleich eine Rücknahme oder einen Widerruf einer durch Einzelakt gewährten Begünstigung beinhaltet. Mit diesem Teilaspekt der Umwandlung stellt Art. IV der Änderungsverordnung eine Sonderregelung gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 48, 49 VwVfG zum Widerruf und zur Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte dar, die überdies hinter den in diesen Vorschriften festgelegten eng umgrenzten tatbestandlichen Voraussetzungen zurück bleibt und auch auf der Rechtsfolgeseite anders ausgestaltet ist (kein Ermessen). Ob sich dieser Regelungsgehalt noch in dem durch § 78 Abs. 3 LBG abgesteckten Rahmen hält, ist sehr fraglich. Der Beklagte geht im Übrigen selbst davon aus, dass die in Art. IV der Änderungsverordnung getroffene Umwandlungsregelung nicht der Verordnungsermächtigung des § 78 Abs. 3 LBG unterfällt. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten bemühte "Annexkompetenz" vermag aber eine gesetzliche Verordnungsermächtigung nicht zu ersetzen.

Der hier zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Fall gibt dem Senat keine Veranlassung zu einer abschließenden Klärung der angesprochenen Problematik, denn Art. IV der Änderungsverordnung vom 18.2.2003 beinhaltet jedenfalls für den vorliegenden Sachverhalt einen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verankerte Rückwirkungsverbot. Auch insoweit kann offen bleiben, ob die Bestimmung insgesamt nichtig ist. Selbst wenn Art. IV der Änderungsverordnung vom 18.2.2003 noch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich sein sollte, würde hiervon jedenfalls der vorliegende Sachverhalt nicht erfasst.

Die Bestimmung des Art. IV der Verordnung regelt die Folgen einer Inanspruchnahme des AZV-Tages nach dessen Wegfall aufgrund Art. I bis III der mit Wirkung vom 14.1.2003 (rückwirkend) in Kraft getretenen Änderungsverordnung vom 18.2.2003 und wirkt daher - ebenso wie Art. I bis III der Verordnung - in die Zeit vor Erlass der Änderungsverordnung zurück.

Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Rechtsnormen beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte. Regeln über die Rückwirkung von Rechtsnormen enthalten für verschiedene Fallgruppen unterschiedliche Anforderungen. Eine unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Sie liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Eine echte Rückwirkung ist dagegen verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Sie liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift.

Vgl. BVerfG, st. Rspr., vgl. z. B. Urteil vom 23.11.1999 - 1 BvF 1/94 -, BVerfGE 101, 239, 263; Beschluss vom 15.10.1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 -, BVerfGE 95, 64, 86, jeweils mit weiteren Nachweisen.

Daran gemessen beinhaltet die Umwandlungsregelung des Art. IV der Änderungsverordnung vom 18.2.2003 und die damit in einem untrennbaren systematischen Zusammenhang stehende Regelung über den nachträglichen Wegfall des AZV-Tages (Art. I und Art. V der Änderungsverordnung) - bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt - eine echte Rückwirkung.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist bei der Frage, ob ein Fall echter oder unechter Rückwirkung vorliegt, der konkrete Sachverhalt, in den durch die betreffende Vorschrift rückwirkend regelnd eingegriffen wird, in den Blick zu nehmen. Wirkt sich eine Norm auf alle von ihr erfassten Fälle, also bezogen auf den "generellen Sachverhalt", in der Weise aus, dass von einer (unzulässigen) echten Rückwirkung gesprochen werden muss, so ist die Norm in vollem Umfang unwirksam. Erfüllen dagegen nicht sämtliche von der Norm erfassten Sachverhaltsvarianten die Voraussetzungen für die Annahme einer unzulässigen Rückwirkung, so berührt dies die Wirksamkeit der Norm nur teilweise und führt zu einer verfassungskonformen Auslegung, die dem Gesichtpunkt der unzulässigen Rückwirkung bzw. dem dieser Rechtsfigur zugrunde liegenden Vertrauensschutz Rechnung trägt.

Die vorliegende Fallgestaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass der AZV-Tag vor der Bekanntmachung der Änderungsverordnung vom 18.2.2003 am 7.3.2003 nicht nur genehmigt, sondern auch bereits in Anspruch genommen worden war. Damit war der ursprünglich bestehende Anspruch nach § 2 a AZVO auf einen arbeitsfreien Tag im Jahre 2003 erfüllt, der (einzige) AZV-Tag also "verbraucht".

Zwar standen der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt im Rahmen des auf das gesamte Urlaubsjahr 2003 bezogenen Anspruchs auf Erholungsurlaub noch freie Urlaubstage zur Verfügung. Hierdurch wird jedoch die Annahme eines abgeschlossenen Sachverhalts hinsichtlich der Streichung des "verbrauchten" AZV-Tages nicht in Frage gestellt. Eine Gleichsetzung des AZV-Tages mit Erholungsurlaub verbietet sich aber im vorliegenden Zusammenhang, weil es sich bei der Arbeitszeitverkürzung durch einen freien Tag gemäß § 2 a AZVO a. F. nach ihrer systematischen Stellung und dem ausdrücklichen Willen des Verordnungsgebers trotz praktischer Ähnlichkeiten nicht um eine Urlaubsregelung, sondern um eine Arbeitszeitregelung handelte.

Vgl. Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Loseblattausgabe, § 72 BBG Rdnr. 14a; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25.11.2003 - 1K 4348/03 -, NWVBl. 2003, 118.

Gegen die Annahme eines abgeschlossenen Sachverhalts spricht auch nicht der Umstand, dass der Beklagte den am 14.2.2003 in Anspruch genommenen AZV-Tag zuvor mit Blick auf die geplante Änderung der Arbeitszeitverordnung widerrufen hatte. Zwar hat der Beklagte die bis dahin bestehende Rechtsposition der Klägerin mit dem Widerruf formell streitig gestellt und damit einen rechtlichen Schwebezustand hervorgerufen, der in das nachfolgende Widerspruchsverfahren mündete. Hieraus kann der Beklagte im vorliegenden Zusammenhang jedoch nichts zum Nachteil der Klägerin herleiten, weil es für den Widerruf seinerzeit an einer Rechtsgrundlage fehlte, das Handeln des Beklagten also rechtswidrig war. Der hier allein in Betracht kommende Widerrufstatbestand des § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG war nämlich zum damaligen Zeitpunkt ersichtlich nicht erfüllt. Nach der genannten Bestimmung darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Zum Zeitpunkt des Widerrufs der Bewilligung am 20.1.2003 und auch zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des AZV-Tages am 14.2.2003 war aber die Bestimmung des § 2 a AZVO noch in Kraft, die Rechtsvorschrift also noch nicht geändert. Überdies fehlte es auch an dem Erfordernis, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Hierzu genügt es nicht, dass der Widerruf lediglich allgemein im öffentlichen Interesse liegt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Widerruf zur Abwehr einer Gefährdung des öffentlichen Interesses, d. h. zur Beseitigung oder Verhinderung eines drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.1.1992 - 7 C 38.90 -, NVwZ 1992, 565; Beschluss vom 17.8.1993 - 1 B 112.93, GewArch 1995, 113.

Davon kann hier aber keine Rede sein. Durch die Inanspruchnahme des bereits bewilligten AZV-Tages durch die Klägerin wurden wichtige Gemeinschaftsgüter nicht tangiert und erst recht nicht bedroht.

Nach alledem ist also im vorliegenden Fall von einem abgewickelten, der Vergangenheit angehörenden Sachverhalt auszugehen, in welchen die Streichung des § 2 a AZVO a. F. durch Art. I der Änderungsverordnung vom 18.2.2003 und die darauf beruhende Umwandlungsbestimmung des Art. IV der Änderungsverordnung im Sinne einer echten Rückwirkung nachträglich ändernd einwirkt.

Die Ausnahmetatbestände, die nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen rechtfertigen können, liegen hier nicht vor.

Das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, tritt zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Ferner kommt ein Vertrauensschutz nicht in Betracht, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung von Normen erfordern.

Vgl. BVerfG, st. Rspr., vgl. z. B. Urteil vom 23.11.1999 - 1 BvF 1/94 -, a. a. O., S. 263 f.; Beschluss vom 15.10.1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 -, a. a. O., S. 87, jeweils mit weiteren Nachweisen.

Dasselbe gilt, wenn durch die Rückwirkung nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht würde (sog. Bagatellvorbehalt).

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.3.1971 - 2 BvL 2/66 u.a. -, BVerfGE 30, 367, 389; Beschluss vom 15.10.1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 -, a. a. O., S. 87.

Überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen würden, erforderten jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht die rückwirkende Streichung des AZV-Tages. Das Anliegen des Verordnungsgebers, die Arbeitszeitregelung für Beamte der Regelung für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes zeitnah anzupassen, mag durchaus berechtigt gewesen sein, erforderte aber nicht zwingend den Rückbezug von Rechtsfolgen auf die zum Zeitpunkt der Verkündung bereits abgewickelten Sachverhalte. Nachdem die Absicht im Raum stand, durch eine kurzfristig vorzunehmende Änderung der Arbeitszeitverordnungen die Rechtslage für Beamte mit rückwirkender Kraft der für die Arbeitnehmer geltenden Rechtslage anzupassen, war es dem Dienstherrn im Rahmen seines Organisationsermessens unbenommen, vorläufig keine AZV-Tage mehr zu genehmigen, um nachteilige Auswirkungen auf den Dienstbetrieb und den Betriebsfrieden zu vermeiden.

Vgl. hierzu OVG NRW, Urteile vom 4.8.2004 - 6 A 1317/04 - und 6 A 1459/04 -.

Soweit jedoch AZV-Tage in dem begrenzten Zeitraum bis zum Erlass der Änderungsverordnung vom 18.2.2003 bewilligt und in Anspruch genommen worden waren, konnte es damit sein Bewenden haben, ohne dass hierdurch überragende Belange des Gemeinwohls berührt wurden.

Es liegt auch nicht der Ausnahmetatbestand vor, dass sich bei der Klägerin kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Davon ist unter anderem dann auszugehen, wenn der Betroffene schon in dem Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen war, nicht mit dem Fortbestand der Regelung rechnen durfte.

Vgl. BVerfG, st. Rspr., z. B. Beschluss vom 15.10.1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 -, a. a. O., S. 87; Beschluss vom 19.12.1961 - 2 BvL 6/59 -, BVerfGE 13, 261, 273.

Das Vertrauen der von der rückwirkenden Streichung des AZV-Tages betroffenen Beamten in den Fortbestand der bisherigen verordnungsrechtlichen Regelung ist nicht durch den Erlass des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 14.1.2003 und die nachfolgenden Informationsschreiben beseitigt worden, dass es beabsichtigt sei, durch eine kurzfristig vorzunehmende Änderung des § 2 a AZVO NW die Rechtslage für Beamte mit rückwirkender Kraft der für Arbeitnehmer geltenden Rechtslage anzupassen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG wird bei der rückwirkenden Änderung eines Gesetzes im formellen Sinne das schutzwürdige Vertrauen in den Fortbestand des Gesetzes erst mit dem endgültigen Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages beseitigt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.5.1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200, 261.

Dem Tag des endgültigen Gesetzesbeschlusses durch den Bundestag beim Erlass eines Gesetzes im formellen Sinne entspricht bei einer Verordnung der Tag, an dem sie von der Regierung beschlossen wird. Daher entfällt bei einer landesrechtlichen Verordnung der Vertrauensschutz des Betroffenen nach der Rechtsprechung des BVerwG erst mit der Beschlussfassung durch die Landesregierung.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 22.3.2001 - 2 CN 1.00 -, NVwZ-RR 2001, 671, und vom 19.12.2002 - 2 C 32.01 -, NVwZ-RR 2003, 515 = Schütz, Beamtenrecht ES/B I 2.6 Nr. 22.

Ausgehend von dieser Rechtsprechung, der sich der Senat unter Aufgabe der noch im Urteil vom 21.3.2001 - 6 A 3320/98 - vertretenen abweichenden Rechtsauffassung anschließt, entfiel der Vertrauensschutz in den Fortbestand des § 2 a AZVO a. F. mit dem Erlass der Änderungsverordnung am 18.2.2003, also erst nach der Inanspruchnahme des AZV-Tages durch die Klägerin.

Der sog. Bagatellvorbehalt greift hier ebenfalls nicht ein. Die rückwirkende Streichung des AZV-Tages würde sich im vorliegenden Fall dahin auswirken, dass für den tatsächlich in Anspruch genommenen Tag eine Kompensation durch Erholungsurlaub oder Freizeitausgleich erfolgen müsste. Der hierin liegende Schaden mag als nicht besonders gravierend erscheinen; er ist aber auch nicht als völlig unerheblich anzusehen.

Die Streichung des genehmigten AZV-Tages findet aber auch in den allgemeinen verfahrensrechtlichen Bestimmungen der §§ 48, 49 VwVfG keine Stütze.

§ 48 VwVfG scheidet als Rechtsgrundlage schon deshalb aus, weil die am 6.1.2003 erfolgte Genehmigung des AZV-Tages rechtmäßig war und die nachträgliche Änderung der AZVO auch nicht auf den Genehmigungszeitpunkt zurückwirkt. Die Rücknahme eines Verwaltungsakts nach § 48 VwVfG setzt voraus, dass der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war, die Behörde also bei dem Erlass des Verwaltungsakts gegen geltendes Recht verstoßen hat.

Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Aufl., § 48 Rdnr. 59; Knack /Meyer, VwVfG, Kommentar, 8. Aufl., § 48 Rdnr. 31; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 8. Aufl., § 48 Rdnr. 33 (jeweils mit weiteren Nachweisen).

Eine nachträgliche Änderung der Rechtslage führt - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung - nicht zur Rücknehmbarkeit des rechtmäßig erlassenen Verwaltungsakts, vgl. OVG NRW, Urteil vom 26.8.1987 - 6 A 1910/84 -, NVwZ-RR 1988, 1, sondern eröffnet gegebenenfalls eine Widerrufsmöglichkeit nach § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. Etwas anderes kann nur in den Fällen gelten, in denen sich die Rechtslage rückwirkend ändert.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.11.1989 - 2 C 43.87 -, BVerwGE 84, 111; Kopp/Ramsauer, a .a. O.

Die Genehmigung des AZV-Tages am 6.1.2003 entsprach der damals noch geltenden Bestimmung des § 2 a AZVO und war somit rechtmäßig. Da die Änderungsverordnung vom 18.2.2003 gemäß Art. V mit Wirkung vom 14.1.2003 in Kraft trat, wirkt die Streichung des § 2 a AZVO a.F. durch Art. I der Änderungsverordnung nicht auf den Genehmigungszeitpunkt zurück.

Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Genehmigung des AZV-Tages nach der hier allein in Betracht kommenden Bestimmung des § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG sind ebenfalls nicht erfüllt. Insoweit kann offen bleiben, auf welchen Zeitpunkt hier für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abzustellen ist. Wie oben bereits festgestellt wurde, war die anspruchsbegründende Bestimmung des § 2 a AZVO sowohl zum Zeitpunkt der Streichung des AZV-Tages im Urlaubsbogen (20.1.2003) als auch während der Inanspruchnahme des AZV-Tages (14.2.2003) noch in Kraft, die Rechtsvorschrift also noch nicht geändert. Für die Zeit nach der Inanspruchnahme des AZV-Tages, also auch für den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung (24.7.2003) greift die einschränkende Voraussetzung des § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, die den Widerruf davon abhängig macht, dass der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht hat. Davon abgesehen fehlt es - wie ebenfalls schon oben festgestellt wurde - auch an dem weiteren tatbestandlichen Erfordernis, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre.

Ende der Entscheidung

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